Mordgeflüster - Linda Howard - E-Book
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Mordgeflüster E-Book

Linda Howard

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Beschreibung

Blair und Wyatt haben sich gesucht und gefunden. Die impulsive Fitnesstrainerin und der attraktive Polizist können kaum die Finger voneinander lassen. Nach vielem Hin und Her wollen sie nun auch endlich heiraten. Beim Kauf eines Brautkleides wird Blair jedoch fast von einem heranrasenden Auto erfasst und verletzt. Aufgrund ihrer Vergangenheit, in der sie schon einmal Opfer mehrerer Anschläge wurde, glaubt sie nicht an einen Zufall. Doch Wyatt schenkt dem Vorfall wenig Beachtung. Bis eines Nachts Blairs Haus in Flammen steht ...

"Mordgeflüster" erzählt die Geschichte der attraktiven Blair Mallory weiter. Freuen Sie sich auf jede Menge Witz, Spannung und knisternde Erotik!

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Seitenzahl: 449

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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

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Einundzwanzig Tage später

Vierunddreißig Tage später

Blairs Donut-Brotpudding

Über dieses Buch

Blair und Wyatt haben sich gesucht und gefunden. Die impulsive Fitnesstrainerin und der attraktive Polizist können kaum die Finger voneinander lassen. Nach vielem Hin und Her wollen sie nun auch endlich heiraten. Beim Kauf eines Brautkleides wird Blair jedoch fast von einem heranrasenden Auto erfasst und verletzt. Aufgrund ihrer Vergangenheit, in der sie schon einmal Opfer mehrerer Anschläge wurde, glaubt sie nicht an einen Zufall. Doch Wyatt schenkt dem Vorfall wenig Beachtung. Bis eines Nachts Blairs Haus in Flammen steht ...

Über die Autorin

Linda Howard gehört zu den erfolgreichsten Liebesromanautorinnen weltweit. Sie hat über 25 Romane geschrieben, die sich inzwischen millionenfach verkauft haben. Ihre Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und mit vielen Preisen ausgezeichnet. Sie wohnt mit ihrem Mann und fünf Kindern in Alabama.

Linda Howard

Mordgeflüster

Romantic Thriller

Aus dem Amerikanischen von Christoph Göhler

beHEARTBEAT

Digitale Erstausgabe

»be« - Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2006 by Linda Howington

Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Drop, Dead, Gorgeous«

Originalverlag: Ballantine Books, New York

This translation published by arrangement with Ballantine Books, an Imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC

Für die deutschsprachige Erstausgabe:

Copyright © der deutschen Übersetzung 2008 by Verlagsgruppe Random House GmbH

Verlag: Blanvalet Verlag, München

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat/Projektmanagement: Johanna Voetlause

Covergestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von Motiven © thinkstock: skiserge1; © iStock: tankist276

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Ochsenfurt

ISBN 978-3-7325-4501-8

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

1

Ich heiße Blair Mallory, und ich versuche zu heiraten, aber Fortuna will nicht kooperieren ... ich hasse Fortuna! Die blöde Kuh soll sich nicht so anstellen.

Ich saß an meinem Esstisch, starrte auf den Kalender und versuchte, die verfügbaren Termine mit den verschiedenen Terminplänen auf meinem Tisch abzugleichen: meinem Terminplan, Wyatts Terminplan, Moms und Dads Terminplan, dem meiner Schwester, dem von Wyatts Mutter, dem von Wyatts Schwester, dem der Kinder von Wyatts Schwester und dem von ihrem Mann ... es war kein Ende abzusehen. Bis zum ersten Weihnachtsfeiertag gab es keinen einzigen Termin, der allen gepasst hätte, und da würde ich so was von auf gar keinen Fall heiraten. Wenn wir am ersten Weihnachtsfeiertag heirateten, konnte ich den Hochzeitstag für alle Zeiten vergessen, weil Wyatt mir alles, was ihm Schönes einfiel, schon zu Weihnachten geschenkt hätte. Nicht mit mir. Ich sabotiere mich doch nicht selbst.

»Du schnaufst wie eine alte Dampflok«, bemerkte Wyatt, ohne von dem Bericht aufzusehen, den er gerade las. Ich nahm an, dass es ein Polizeibericht war, schließlich ist er Lieutenant bei der hiesigen Polizei, aber ich fragte ihn nicht; lieber würde ich warten, bis er rausgegangen war, und den Bericht dann lesen, um festzustellen, ob jemand aus meinem Bekanntenkreis darin erwähnt wurde. Es ist kaum zu glauben, was manche Menschen anstellen, Menschen, denen man so einen Quatsch nicht in einer Million Jahren zugetraut hätte; seit ich mit Wyatt ausging, waren mir definitiv die Augen geöffnet worden – na schön, jedenfalls seit ich seine Berichte las, womit ich, wenn ich es recht bedenke, eigentlich schon davor angefangen habe, also mindestens etwa zur gleichen Zeit. Es hat Vorteile, mit einem Cop zusammen zu sein, vor allem mit einem, der ziemlich weit oben in der Nahrungskette steht. Du salbtest mein Haupt mit Tratsch und schenktest mir voll ein.

»Du würdest auch schnaufen, wenn du einen geeigneten Termin suchen würdest, statt nur dazusitzen und zu lesen.«

»Ich arbeite«, gab er zurück, womit klar war, dass er tatsächlich einen Bericht las; ich hoffte, dass er möglichst deftig war und dass Wyatt ihn auf dem Tisch liegen lassen würde, wenn er auf die Toilette oder sonst wo hinging. »Und du hättest keine Terminprobleme, wenn du tun würdest, was ich vorgeschlagen habe.«

Vorgeschlagen hatte er, dass wir in Gatlinburg heiraten sollten, in einer piefigen Hochzeitskapelle und weit weg von meinem ganzen Zeug. Das mit der Hochzeitskapelle ließ ich mir noch gefallen, aber ich habe schon mehr als einmal vor einem wichtigen Ereignis Koffer gepackt und musste eines schmerzhaft lernen: Irgendwas vergesse ich immer. Ich wollte meinen Hochzeitstag nicht damit verbringen, in aller Eile einen Ersatz für irgendwas zu besorgen, das ich zu Hause gelassen hatte.

»Oder wir heiraten hier im Rathaus«, merkte er an.

Der Mann hat wirklich keinen Funken Romantik im Leib, was mich eigentlich nicht stört, weil ich selbst keine große Romantikerin bin und mir zu viel Gefühlsduselei auf die Nerven geht. Andererseits weiß ich genau, was sich gehört, und ich wollte Beweisfotos für unsere zukünftigen Kinder machen.

Das war der zweite Punkt, der mich absolut stresste. Mein einunddreißigster Geburtstag lag schon hinter mir, und die Fruchtwasseruntersuchung rückte unaufhaltsam näher. Wenn ich je Kinder bekommen sollte, wollte ich sie bekommen, bevor ich so alt war, dass jeder Gynäkologe mit einem Funken Selbsterhaltungstrieb und etwas gesundem Respekt vor einer Kunstfehlerklage automatisch eine Fruchtwasseruntersuchung anordnen würde. Ich möchte keine lange Nadel in den Bauch gesteckt bekommen. Was, wenn das Baby dabei ins Auge gepiekt wird oder so? Oder wenn dieser elend lange Spieß durch mich hindurchgeht und mein Rückgrat trifft? Wer kennt nicht die Stelle in Peter Pan, an der das Krokodil den Wecker verschluckt hat und jeder weiß, dass es gleich auftauchen muss, weil das Ticken immer lauter wird? Meine biologische Uhr tickte wie das verfluchte Krokodil. Vielleicht war es auch ein Alligator. Egal. Statt »Tick-tock« flüsterte es »Frucht-wasser« (das ganze Wort hätte rhythmisch nicht gepasst), und bescherte mir damit Albträume.

Ich musste heiraten, und zwar schnell, damit ich endlich die Antibabypillen absetzen konnte.

Währenddessen saß Wyatt seelenruhig da und las seinen verfluchten Bericht, obwohl ich so gestresst war, dass ich fast geschrien hätte. Er versuchte nicht einmal, mich aufzumuntern, indem er mir erzählte, was in seinem Bericht stand; dann hätte ich mir ausrechnen können, ob ich ihn später lesen musste, um alle Details zu erfahren – nicht dass er mir je etwas erzählt hätte. Wenn es um Polizeiarbeit ging, hockte er auf seinen Akten wie die Henne auf dem Ei und behielt all sein kostbares Wissen für sich.

»Allmählich glaube ich, dass es nie passieren wird, dass wir nie mehr heiraten«, beschwerte ich mich finster und knallte den Stift auf den Tisch.

Er sah mich vielsagend an, ohne sich aus seiner hingestreckten, entspannten Lage aufzurichten. »Wenn es dir zu viel wird, dann lass mich die Einzelheiten regeln«, sagte er. Falls in seinem Ton eine gewisse Schärfe schwang, dann deswegen, weil er allmählich der scheinbar endlosen Parade von Verzögerungen und Hindernissen überdrüssig wurde. Er wollte endlich heiraten; er fand es unpraktisch, in meinem Apartment übernachten zu müssen – ganz abgesehen davon, dass es ihm nicht einleuchtete, warum ich immer noch dort wohnte und nicht bei ihm –, und er wartete nur darauf, dass ich den ganzen »Mädchenkram« regelte, womit er die Details der Hochzeit meinte, damit er endlich weiter seinem Männerkram nachgehen konnte. »Du könntest noch in dieser Woche Blair Bloodsworth werden.«

»Da es schon Mittwoch ist, wäre das –« Ich verstummte, denn mein Hirn war in Schockstarre verfallen, als mir aufging, was er eben gesagt hatte. Nein. Nein! Etwas so Entscheidendes, Das-springt-doch-ins-Auge-Mäßiges konnte ich unmöglich übersehen haben. Das war einfach nicht möglich, es sei denn, ich war so lustbesessen, dass ich nicht mehr klar denken konnte. Was bei mir durchaus vorkommen kann. Aber dass ich erklären konnte, wie es zu diesem Fehler gekommen war, machte ihn nicht ungeschehen. Ich nahm den Stift, kritzelte die gruseligen Worte hin und schrieb sie gleich nochmals nieder, nur um sicherzugehen, dass ich keinen Synapsen-Kurzschluss erlitten hatte. Pech gehabt.

»O nein.« Voller Grauen starrte ich auf meine Niederschrift, wodurch ich Wyatts Aufmerksamkeit erregte, was ich natürlich von Anfang an beabsichtigt hatte. Nicht dass ich diese kleinen Episoden planen würde, aber wenn sich die Gelegenheit ergibt – ich sah ihn mit Trauerblick an und wiederholte betont: »Ich kann dich nicht heiraten.«

Wyatt Bloodsworth, Police Lieutenant, Alphatier, dieser durch und durch harte Bursche und der Mann meines Lebens, beugte sich vor und schlug mit der Stirn auf die Tischplatte. »Warum ich?« Bonk. »Was habe ich in meinem letzten Leben nur verbrochen?« Bonk. »Wie lange muss ich noch dafür bezahlen?« Bonk.

Man sollte meinen, er würde mich fragen, warum ich ihn nicht heiraten konnte, aber nein, er musste sich natürlich aufspielen. Ehrlich gesagt glaube ich, dass er mich an die Wand zu spielen versuchte, entsprechend der Theorie, dass man Feuer mit Feuer bekämpfen soll. Ich weiß nicht, was mir mehr aufstieß, die Vorstellung, dass er sich für eine Dramaqueen hielt, oder dass er meinte, mich an die Wand spielen zu können. Der Mann, der das kann, ist noch nicht geboren – ach, vergiss es. Manche Gedanken sollte man einfach nicht zu Ende denken.

Ich verschränkte die Arme unter den Brüsten und sah ihn wütend an. Ich kann nichts dafür, dass meine Brüste dabei angehoben und vorgeschoben wurden, und ich kann erst recht nichts dafür, dass Wyatt so auf Frauenbrüste fixiert ist – genau wie auf Frauenhintern und Frauenbeine und alle anderen Frauenkörperteile, die man sich nur denken kann –, weshalb ich absolut rein gar nichts dafür kann, dass sein Blick, als er den Kopf hob, um ihn noch mal auf den Tisch zu knallen, auf oder besser in meinem Ausschnitt hängen blieb und Wyatt schlagartig vergessen hatte, was er eigentlich sagen wollte. Ich hatte gerade geduscht und trug nur einen Morgenmantel und einen Slip, es war daher kein großes Wunder, dass der Morgenmantel reagiert hatte, wie Morgenmäntel in so einem Fall reagieren, also sich geöffnet hatte, weshalb ich nicht das Allergeringste dafür kann, dass er ein wenig mehr als nur den Ausschnitt zu sehen bekam.

Es setzt mich immer wieder in Erstaunen, was ein unschuldiger kleiner Nippel bei einem normalerweise klar denkenden Mann anrichten kann – der Herr sei gepriesen.

Nun ist Wyatt aus härterem Holz geschnitzt als der Durchschnittsmann, wie er mir immer wieder erklärt, um gleich danach vorzubringen, dass er mich nur aus Mitleid mit besagtem Durchschnittsmann vom Markt nimmt und selbst heiratet. Irgendwie hat er die abwegige Vorstellung, dass ich in unserer Beziehung ständig die Oberhand zu behalten versuche, was nur zeigt, wie schlau er ist. Verdammt, ich hasse es, wenn er recht hat.

Er fasste meinen Nippel ins Auge, und sein Gesicht nahm jenen rücksichtlosen, konzentrierten Ausdruck an, den alle Männer zeigen, wenn sie Sex haben wollen und ziemlich sicher sind, dass sie ihn bekommen. Dann wurden seine Augen schmal, er riss den Blick los und hob ihn wieder zu meinem Gesicht.

Dazu muss ich sagen, dass Wyatts Blick echt intensiv sein kann. Seine Augen sind von einem Blassgrün, das mir durch Mark und Bein geht. Außerdem ist er ein Bulle, was ich glaube ich schon ein- oder dreimal erwähnt habe, und wenn er diesen harten Bullenblick auf mich richtet, fühle ich mich wie festgenagelt. Aber ich bin ebenfalls nicht aus Zucker und reagierte so gut ich konnte mit gleicher Münze. Einen Sekundenbruchteil später sah ich an mir herab, als hätte ich keine Ahnung, worauf er gestarrt hatte, und schloss energisch den Bademantel, bevor ich Wyatt erneut fixierte.

»Das hast du mit Absicht gemacht«, warf er mir vor.

»Das ist ein Bademantel«, bemerkte ich. Ich liebe es, Selbstverständlichkeiten zu betonen, vor allem gegenüber Wyatt. Das treibt ihn zum Wahnsinn. »Ich habe noch keinen Bademantel gesehen, der nicht von selbst aufgegangen wäre.«

»Du leugnest es also nicht.«

Ich weiß nicht, wie er darauf kommt, dass ich alles gestehen würde, was er mir unterstellt, nur weil ich seine Fragen nicht direkt beantworte. In diesem Fall fühlte ich mich jedoch absolut im Recht, diesen Vorwurf rundheraus abzustreiten, weil die Nippelgeschichte nur ein Zufall gewesen war und jede Frau mit etwas Grips so eine Gelegenheit genutzt hätte. »Ich leugne es sehr wohl.« Mein Ton war dezent provokativ. »Ich versuche ein ernsthaftes Gespräch mit dir zu führen, und du denkst nur an Sex.«

Natürlich musste er daraufhin beweisen, dass ich log, und warf seinen Bericht auf den Tisch. »Na schön, dann führen wir eben dieses ernsthafte Gespräch.«

»Ich habe längst angefangen. Jetzt liegt der Ball in deiner Hälfte.«

Daran, wie er die Augen zusammenkniff, erkannte ich, dass er sich das Gespräch wieder ins Gedächtnis rufen musste, aber er war nicht auf den Kopf gefallen; nach ein paar Sekunden hatte er alles wieder parat. »Na gut, warum kannst du mich nicht heiraten? Aber bevor du anfängst, lass dir gesagt sein, dass du mich heiraten wirst, und dass du noch genau eine Woche hast, um das Datum festzuklopfen, weil sonst ich bestimme, wie wir heiraten, und wenn ich dich dafür entführen und bis nach Las Vegas schleifen muss.«

»Las Vegas?«, stammelte ich. »Las Vegas? Nur über meine Leiche. Seit Britney dort geheiratet hat, steht Las Vegas ganz oben auf der Out-Liste. Deine Las-Vegas-Hochzeit kannst du dir sonst wohin schieben.«

Er sah aus, als würde er gleich wieder den Kopf auf die Tischplatte knallen. »Was redest du da, verflucht noch mal. Wer ist Britney?«

»Geschenkt, du Nullchecker. Jedenfalls kannst du dir Las Vegas als Hochzeitsort ein für alle Mal abschminken.«

»Meinetwegen können wir auf dem Mittelstreifen des Highways heiraten«, meinte er ungeduldig.

»Ich will am liebsten im Garten deiner Mutter heiraten, aber das tut nichts mehr zu Sache, weil ich dich sowieso nicht heiraten kann. Basta.«

»Lass uns noch mal von vorn anfangen. Warum nicht?«

»Weil ich dann Blair Bloodsworth heißen würde!«, heulte ich. »Das hast du selbst gesagt!« Wie konnte er das so schnell vergessen haben?

»Na ... und?« Er sah mich ahnungslos an.

Er kapierte es nicht. Er kapierte es wirklich nicht. »Das geht so was von überhaupt nicht. Das klingt viel zu niedlich. Da könntest du mich genauso gut Buffy nennen.« Klar, ich weiß, ich musste seinen Namen nicht annehmen, aber wenn man die Verhandlungen eröffnet, sollte man immer Maximalforderungen stellen, damit man möglichst viel Spielraum hat. Ich hatte die Verhandlungen eröffnet. Was er aber nicht zu wissen brauchte.

Seine Frustration steigerte sich zur Klimax, und er röhrte: »Wer ist verflucht noch mal Buffy? Ich kenne diese Leute nicht!«

Jetzt hätte ich am liebsten den Kopf auf die Tischplatte geschlagen. Las er denn keine Zeitschriften? Sah er im Fernsehen nichts als Sportübertragungen und Nachrichten? Es war beängstigend zu wissen, dass wir in zwei vollkommen getrennten Kulturkreisen lebten und dass wir bis auf ein paar Footballspiele, die ich liebe, nie gemeinsam fernsehen würden. Nie könnten wir einen gemütlichen gemeinschaftlichen Abend vor dem romantisch flimmernden Bildschirm verbringen. Ich müsste ihn irgendwann umbringen, und keine Frau in der Geschworenenjury würde mich dafür schuldig sprechen.

Von meinen Augen blitzte ein Bild unseres zukünftigen Ehelebens auf: Ich brauchte einen eigenen Fernseher, was wiederum hieß, dass ich ein eigenes Fernsehzimmer brauchte ... und das wiederum bedeutete, dass wir Wyatts Haus umbauen oder zumindest neu einrichten mussten. Der Gedanke stimmte mich ungemein fröhlich, denn ich hatte mich schon gefragt, wie ich ihm das beibringen sollte. Das Haus gefällt mir echt gut, ehrlich, wenigstens der Grundriss, aber die Einrichtung ist durch und durch »Einsamer Wolf«, was nur ein anderer Ausdruck für »praktisch unbewohnbar« ist. Ich musste meine Markierung setzen.

»Du weißt nicht, wer Buffy ist?«, flüsterte ich mit entsetzt geweiteten Augen. Wenn schon, denn schon.

Er fing praktisch an zu winseln. »Bitte. Sag mir nur, warum du beschlossen hast, dass du mich nicht heiraten kannst.«

Eine Woge des Wohlgefühls erfasste mich. Es ist so ungemein befriedigend, einen erwachsenen Mann winseln zu hören. Auch wenn Wyatt klangmäßig nicht direkt winselte, war er doch verflucht dicht dran, und das reichte mir allemal, denn, ganz ehrlich, er ist eindeutig kein Winsler.

»Weil Blair Bloodsworth so bescheuert klingt, dass es eine Beleidigung ist!« O Gott, ich war besessen von B-Worten. »Wer diesen Namen hört, denkt sofort, bah, das ist bestimmt eine von diesen blöden Blondinen, die Bubblegum bläst und ihre gebleichten Haare um den Finger wickelt. Kein Mensch würde mich ernst nehmen!«

Er massierte seine Stirn, als hätte er plötzlich Kopfschmerzen bekommen. »Du meinst, du machst so ein Theater, bloß weil Blair und Bloodsworth beide mit B anfangen?«

Ich sah nach oben. »Es werde Licht.«

»Was für ein Blödsinn.«

»Und schon brannte die Birne wieder durch.« O Mann! Wann würde die Lawine an B’s endlich enden? Das passiert mir ständig. Wenn mich irgendwas bedrückt (O nein! Schon wieder!), beginne ich wie beknackt stabzureimen.

»Bloodsworth ist bestimmt kein niedlicher Name, ganz gleich, wie du mit Vornamen heißt.« Er betrachtete mich unter brummig herabgezogenen Brauen hervor. »In dem Namen kommt Blut vor, Himmel noch mal. Wie in Blut- und Leberwurst. Das ist eindeutig nicht niedlich.«

»Was weißt du denn schon? Du weißt nicht mal, wer Britney und Buffy sind.«

»Das ist mir auch egal, weil ich die beiden nicht heiraten werde. Sondern dich. Und zwar bald. Obwohl ich eventuell zuvor mein Hirn untersuchen lassen sollte.«

Ich hätte ihn am liebsten dahin getreten, wo es wehtut. Aus seinem Mund klang es so, als wäre ich irrsinnig anstrengend, dabei bin ich ein äußerst umgänglicher Mensch; wer das nicht glaubt, braucht nur meine Angestellten zu fragen. Ich besitze und leite ein Fitnessstudio namens Great Bods, und meine Angestellten mögen mich, weil ich sie anständig bezahle und anständig behandle. Der einzige Mensch, mit dem ich nicht reibungslos auskomme, ist – abgesehen von der jetzigen Frau meines Exmannes, die mich umzubringen versuchte – Wyatt, und das auch nur, weil wir immer noch darum kämpfen, wer obenauf ist – Wyatt und ich, meine ich. Das Problem ist, dass wir beide Alphatypen sind und wir unser Beziehungsterritorium noch abstecken müssen.

Okay, mit Nicole Goodwin war ich auch nicht wirklich gut ausgekommen, aber die war eine geisteskranke, andere Menschen nachäffende Ziege, die auf dem Parkplatz des Great Bods ermordet wurde und daher tot ist, also zählt sie nicht. Manchmal vergebe ich der Ziege beinahe, dass sie mich zu imitieren versuchte, weil ihr Tod dazu geführt hat, dass Wyatt nach zwei Jahren Auszeit – ich will jetzt nicht damit anfangen – in mein Leben zurückkehrte, aber dann brauche ich nur daran zu denken, was für eine Nervensäge sie noch als Tote war, und schon hat sich diese Geistesblähung wieder verflüchtigt.

»Die Kosten für den Psychiater kannst du dir sparen«, sagte ich und sah ihn mit schmalen Augen an. »Die Hochzeit findet nicht statt.«

»Findet sie wohl. So oder so.«

»Ich kann unmöglich ein Leben als Blair Bloodsworth führen. Obwohl ...« Ich tippte mit dem Zeigefinger gegen mein Kinn und sah versonnen auf meine nachtdunkle Terrasse hinaus; die Bradford-Birnbäume hinter der Terrasse waren mit weißen Lichterketten behängt, die meinen winzigen Garten in etwas ganz Besonderes verzauberten. Es war ein hübscher Anblick, der mir fehlen würde, wenn ich erst zu Wyatt gezogen war, und das musste er irgendwie gutmachen. »... ich andererseits weiterhin Blair Mallory heißen könnte.«

»Kommt überhaupt nicht in die Tüte«, bemerkte er knapp.

»Viele Frauen behalten ihren Nachnamen.«

»Mir egal, was viele Frauen tun. Du wirst meinen Namen annehmen.«

»Alle meine Geschäftspartner kennen mich als Blair Mallory. Und ich mag meinen Nachnamen.«

»Wir werden denselben Nachnamen führen. Basta.«

Ich lächelte ihn zuckersüß an. »Wie nett von dir, dass du meinen Namen annehmen willst. Danke. Das ist tatsächlich die perfekte Lösung, und nur ein Mann, der sich seiner Männlichkeit absolut sicher ist, gibt seinen Geburtsnamen auf und –«

»Blair.« Er stand auf und versuchte, die geraden dunklen Brauen zu einem steilen V über der Nase zusammengezogen, mich mit seiner Größe einzuschüchtern. Er ist einen Meter neunzig groß, und wenn er jemanden einzuschüchtern versucht, dann tut er das richtig.

Um mich nicht einschüchtern zu lassen, stand ich ebenfalls auf und starrte genauso finster zurück. Okay, wir standen uns nicht wirklich Auge in Auge gegenüber, dafür fehlen mir fast dreißig Zentimeter, aber dafür stellte ich mich auf die Zehenspitzen und reckte das Kinn hoch, bis wir praktisch Nase an Nase standen. »Dass du erwartest, ich würde meinen Namen ändern, während du deinen behältst, ist vorsintflutlich –«

Seine Augen waren schmal, das Kinn energisch vorgereckt, die Lippen ein dünner Strich, der sich kaum bewegte, während er die Worte ausspuckte wie Maschinengewehrkugeln. »Im Tierreich markiert das Männchen sein Territorium, indem es darauf pinkelt. Ich bitte dich lediglich darum, meinen Nachnamen anzunehmen. Such’s. Dir. Aus.«

Mir standen die Haare zu Berge, was ein echt dämlicher Ausdruck ist, denn zu Tale können sie kaum stehen. Nicht mal zu Hanglage. »Wag es bloß nicht, auf mich zu pinkeln!«, schrie ich ihn zornig an. Wyatt kann mich schneller als irgendwer sonst auf die Palme bringen, womit wohl so etwas wie Waffengleichheit herrscht, genau darum brauchte ich ein paar Sekunden, bevor ich das Bild vor Augen hatte und mein Schreien abrupt in Lachen umkippte.

Er war so wütend und frustriert, dass er eine Sekunde länger brauchte, aber noch während er wütend schnaubte, senkte sich sein Blick auf meinen Bademantel, der inzwischen ganz aufgegangen war, und als er die Hand nach mir ausstreckte, hatte sich seine Miene bereits komplett verändert. »Vergiss es«, knurrte er, als ich nach dem Gürtel fasste, um ihn wieder zuzuknoten.

Beim Sex mit Wyatt wird es oft stürmisch. Wir sind ständig scharf aufeinander, mit Betonung auf aufeinander. Ich stehe echt darauf, mit ihm zu schlafen, weil ich dabei relativ sicher auf ein, zwei Orgasmen zählen kann, aber das bedeutet auch, dass wir uns immer noch ständig die Kleider vom Leib reißen, obwohl wir schon ein paar Monate miteinander gehen, und er mich anspringt, wo er gerade steht und ich gehe, außer natürlich in der Öffentlichkeit.

Den Morgenmantel zog er mir nicht aus, das ist nicht so sein Ding, nur den Slip. Der Morgenmantel bewahrte mich davor, mir den Hintern auf dem Teppichboden wund zu scheuern, als er mich direkt auf den Esszimmerboden legte, meine Beine spreizte und dazwischen rutschte. Als er sich auf mir niederließ, funkelten in seinen grünen Augen Geilheit, Besitzgier, Triumph und haufenweise andere unbenennbare männliche Gefühlsregungen.

»Blair Bloodsworth«, sagte er rau und brachte dabei mit einer Hand seinen Penis in Position. »Keine Verhandlungen.«

Mir stockte der Atem, als ich ihn fest, hart und so verflucht tief in mir spürte, dass ich es kaum aushielt. Ich bohrte die Nägel in seine Schultern und spannte die Beine um seine Hüften, weil ich ihn möglichst ruhig halten wollte, obwohl mein Herzschlag ins Stottern kam und meine Augen um keinen Preis offen bleiben wollten. Er packte mit der linken Hand mein Knie und öffnete mich noch weiter, bis er noch tiefer, bis ans hinterste Ende vordringen konnte. Er begann zu beben, sein Atem wurde immer schwerer und abgehackter. O ja, er schaffte es, mich raketenschnell in die Umlaufbahn zu katapultieren, aber er war mit an Bord.

»Na gut«, klammerte ich mich keuchend an das letzte Fitzelchen Zurechnungsfähigkeit. »Aber du bist mir was schuldig! Und zwar bis an unser Lebensende!« Keine Verhandlungen, leck mich! Was glaubte er eigentlich, was wir hier trieben?

Er knurrte etwas Unverständliches und stieß wieder zu, während er sich gleichzeitig vorbeugte, um meinen Hals zu küssen, im nächsten Moment sah ich Sterne, ehrlich!

Als wir zwanzig Minuten später verschwitzt, erschöpft und überglücklich nebeneinanderlagen, hob er eine Strähne aus meinem Gesicht. »Einen Monat«, sagte er. »Ich gebe dir genau einen Monat, von heute an gerechnet. Entweder sind wir bis dahin verheiratet, oder wir heiraten so, wie ich es will, ganz egal wo und mit wem. Klar?«

Pff. Wenn er glaubte, mich damit zu verschrecken, hatte er sich geschnitten. Gleichzeitig hörte ich ihm an, dass er es ernst meinte. Ich musste bei meinen Hochzeitsvorbereitungen ganz entschieden einen Zahn, ach was, ein ganzes Gebiss zulegen.

2

Gleich am nächsten Morgen rief ich Mom an. »Ich habe mit Wyatt gestritten, er hat gewonnen, und jetzt müssen wir innerhalb eines Monats heiraten.«

»Blair Elizabeth. Wie konnte das passieren?«, fragte sie nach einer Schrecksekunde, und ich wusste, dass sie damit den mittleren Teil des Satzes meinte.

»Es war eine strategische Schlacht«, erklärte ich. »Blöd von mir, aber mir ging erst gestern auf, dass ich Blair Bloodsworth heißen würde, also habe ich ihm erklärt, dass ich meinen Nachnamen behalten würde, woraufhin er sofort an die Decke ging, kurz gefasst endete die Sache damit, dass ich seinen Namen annehmen muss, weil er mich sonst anpinkelt, um sein Territorium zu markieren.«

Als sie beim Lachen Luft holen musste, stieß sie kurz hervor: »Jetzt ist er dir was schuldig« und prustete dann wieder los. Ich liebe meine Mom; ich brauche ihr nie etwas zu erklären. Wir sind uns so ähnlich, dass sie mich immer sofort versteht. Da ich Wyatts Sturheit, seine Gerissenheit und seine anderen herausstechenden Eigenschaften wie Besitzgier usw. usf. kannte, hatte ich keine Sekunde daran gezweifelt, wie unser Streit ausgehen würde, vorausgesetzt, ich wollte mich nicht von ihm trennen, was ich auf keinen Fall wollte. Daher hatte ich so taktiert, dass das für mich bestmögliche Ergebnis heraussprang. Er war mir etwas schuldig. Schulden bis zur Bahre sind viel wert.

»Aber ... er hat mir ein Ultimatum gestellt. Entweder heiraten wir innerhalb eines Monats, oder wir heiraten zu seinen Bedingungen.«

»Und die wären?«

»Ein Rathaus, wenn ich Glück habe. Ansonsten Las Vegas.«

»Uh. Nicht nach Britney. Das ist zu billig.«

Na? Als wäre ich ihr Klon.

»Genau meine Meinung, aber er hat mich erpresst. Ich muss meine Pläne endlich in die Tat umsetzen.«

»Erst musst du welche haben. ›Wir heiraten‹ ist noch kein Plan. Das ist das Ergebnis.«

»Ich weiß. Ich wollte die Hochzeit so legen, dass es allen zeitlich passt, aber das hat sich hiermit erledigt. Neunundzwanzig Tage von heute an – da er das Ultimatum offiziell gestern Abend gestellt hat – werden wir heiraten, und die Hochzeitsgäste können entweder ihre Termine anpassen, oder sie können eben nicht kommen.«

»Warum neunundzwanzig und nicht dreißig? Oder einunddreißig?«

»Er würde vorbringen, dass es vier Monate mit je dreißig Tagen gibt und dass der gesetzliche Monat dreißig Tage hat.«

»Der Februar hat nur achtundzwanzig.«

»Oder neunundzwanzig. Nachdem sich der Februar nicht entscheiden kann, zählt er nicht.«

»Kapiert. Also noch neunundzwanzig Tage von heute an. Das bedeutet, dass ihr am dreißigsten Tag heiraten werdet. Wird er das gelten lassen?«

»Das wird er, er muss mir die vollen dreißig Tage gewähren.« Ich griff nach dem Notizblock und dem Stift, den ich am Vorabend benutzt hatte, und begann die einzelnen Punkte zu notieren. »Kleid, Blumen, Torte, Dekoration, Einladungen. Keine Brautjungfern. Kein Frack für ihn, nur ein Anzug. Das müsste sich machen lassen.« Eine Hochzeit muss nicht spektakulär sein, damit sie im Gedächtnis bleibt. Auf spektakulär konnte ich verzichten, aber nicht auf schön. Ursprünglich hatte ich mir eine Brautjungfer für mich und einen Trauzeugen für ihn vorgestellt, aber jetzt stutzte ich alles aufs Wesentliche zusammen.

»Das größte Problem ist die Hochzeitstorte. Essen und Trinken kann man überall besorgen, aber die Torte ...«

»Ich weiß«, sagte ich. Wir atmeten beide tief durch. Eine Hochzeitstorte ist ein Kunstwerk. Dafür braucht es Zeit. Die Konditoreien, die exzellente Hochzeitstorten machen, sind normalerweise monatelang im Voraus ausgebucht.

»Um die Torte werde ich mich kümmern«, versprach Mom. »Ich werde ein paar Gefallen einfordern. Sally nehme ich mit ins Boot. Sie braucht Ablenkung, damit sie nicht ständig über Jazz nachdenkt.«

Das war ein trauriges Thema. Falls es Sally und Jazz Arledge nicht gelang, ihre Probleme aufzuarbeiten, standen die beiden kurz vor der Auflösung einer fünfunddreißig Jahre alten Ehe. Sally war Moms beste Freundin, wir waren also eindeutig auf ihrer Seite, aber andererseits tat uns auch Jazz leid, weil er überhaupt nicht begriff, wie ihm geschah. Sally hatte versucht, Jazz mit dem Auto anzufahren und ihm beide Beine zu brechen, was Jazz unbedingt hätte zulassen sollen, statt zur Seite zu springen, denn dann hätte sie das Gefühl gehabt, dass die Waage wieder im Lot war, und ihm möglicherweise verziehen, dass er ihr heiß geliebtes Schlafzimmermobiliar verkauft hatte, aber ich schätze, in diesem Fall hatte ihm sein Überlebensinstinkt ein Bein gestellt, denn er war sehr wohl beiseitegesprungen und Sally folglich gegen die Hauswand gefahren, wobei der Airbag ausgelöst wurde, der ihr die Nase brach, was alles zusätzlich verschlimmert hatte. Jazz steckte wirklich, wirklich in Schwierigkeiten.

»Ich habe heute die Frühschicht, und Lynn bleibt bis zum Abend«, Lynn Hill ist meine Stellvertreterin im Great Bods, »also werde ich heute Abend einkaufen gehen«, erklärte ich Mom. »Und zwar richtig. Irgendwelche Ideen?«

Sie nannte mir ein paar Geschäfte, und wir legten auf. Ich nahm an, dass wir im Lauf des Tages noch mehrmals telefonieren würden, weil sie zwischendurch Meldung machen würde, wie sie mit ihren Truppenerhebungen vorankam. Meine Schwestern Siana und Jenni würden der Einberufung nicht entgehen, so viel war sicher.

Mein vordringlichstes Ziel war es, ein Hochzeitskleid zu finden, und zwar pronto, damit noch Zeit für eventuell notwendige Änderungen blieb. Ich rede hier nicht von einem Märchenhochzeitskleid; in so einem stand ich schon einmal vor dem Altar, und zwar bei meiner ersten Hochzeit, und die hat nicht gehalten; Märchen bleiben eben Märchen. Diesmal wollte ich etwas Schlichtes, Klassisches, in dem ich nach einer Million Dollar aussah und mit dem ich Wyatt zum Sabbern bringen würde. Mal ehrlich, ich sehe nicht ein, warum ich auf eine denkwürdige Hochzeitsnacht verzichten sollte, nur weil ich jetzt schon mit Wyatt schlief.

Ich musste mir etwas einfallen lassen, um ihn während des kommenden Monats auf Distanz zu halten, denn ich wollte sicherstellen, dass er vor Lust auf mich zerfloss. Bislang hatte ich, was Wyatt anging, keine großen Erfolge im Distanzhalten vorzuweisen. Es gelang ihm scheinbar mühelos, meine wenigen, schwachen Abwehrmauern einzurennen, und zwar hauptsächlich, weil ich vor Lust auf ihn zerfloss.

Ich spielte mit dem Gedanken, während des nächsten Monats zu seiner Mutter zu ziehen. Das würde seine sexuellen Erwartungen dämpfen – obwohl ich ihm ohne Weiteres zutraute, dass er mich entführen und für eine Nacht seliger Unzucht in seinen Bau schleppen würde. O Gott, ich liebe diesen Mann.

Mir dämmerte, dass ich dabei nicht nur ihm, sondern auch mir selbst jeden Sex verwehrte. Einen ganzen Monat ohne ihn durchzustehen ... vielleicht konnte ich ihn dazu bringen, mich mehr als einmal zu entführen.

Na bitte. Ich bin wahrhaft willenlos, eine Tatsache, die er mehr als einmal zu seinem Vorteil ausgenutzt hat.

O Mann, die nächsten Wochen würden richtig geil werden.

Am frühen Nachmittag rief Wyatt auf meinem Handy an. Ich war gerade mitten in einem schweißtreibenden Work-out – als Besitzerin des Great Bods muss ich in Form bleiben, sonst glauben die Leute, sie könnten sich die Mitgliedsbeiträge sparen –, legte aber eine kurze Pause ein, um den Anruf entgegenzunehmen. Nicht dass ich gewusst hätte, dass es Wyatt war, denn das ging mir erst auf, als ich seine Nummer auf dem Display sah; seit dem Vormittag war so viel los gewesen, dass es auch Mom hätte sein können.

»Ich glaube, ich komme heute ausnahmsweise pünktlich weg«, sagte er. »Hättest du Lust, abends essen zu gehen?«

»Ich kann nicht, ich muss einkaufen.« Ich verschwand in mein Büro und schloss die Tür hinter mir.

Er hielt so viel vom Einkaufen wie jeder Mann, also absolut nichts. »Das kannst du doch auch später erledigen, oder?«

»Nein, weil es kein Später gibt.«

Er verstummte wie jedes Mal, wenn ich solche Statements von mir gebe, so als würde er versuchen, irgendwelche verborgenen Bedeutungen oder Fallgruben zu entdecken. Wirklich herzallerliebst, welche Aufmerksamkeit er mir und meinen Manövern schenkt.

Schließlich sagte er: »Warum willst du noch einkaufen gehen, wenn ohnehin das Ende naht?«

Ich verdrehte die Augen, auch wenn er das nicht sehen konnte. Verzeihung, gerade wenn das Ende naht, würde ich einkaufen gehen. Diese scharfen Schuhe, die dir schon ewig ins Auge stechen und die du nie gekauft hast, weil du nicht wusstest, wann du sie anziehen und wie du sie bezahlen sollst. Schnapp sie dir, Schätzchen. Um die Kreditkartenabrechnung brauchst du dir wirklich keine Gedanken mehr zu machen, wenn das Ende naht und so. Stimmt, vielleicht kannst du tatsächlich nichts mit hinübernehmen, aber willst du das wirklich riskieren? Was ist, wenn du doch etwas mitnehmen darfst und du das zu spät erkennst? Dann stehst du da ohne all die Sachen, nach denen du dich ewig verzehrst und die du dir immer verkniffen hast, weil du es für überflüssig gehalten hast, Vorräte anzulegen.

Ich holte meine Gedanken aus der Ewigkeit zurück und lenkte sie wieder auf Wyatt. »Ich habe nicht gesagt, dass die Welt untergeht. Das hast du nur dir und deiner dämlichen Deadline zu verdanken.«

»Ach so. Kapiert. Meine Deadline.« Er klang sehr selbstzufrieden; mit seiner Deadline hatte er genau das erreicht, was er beabsichtigt hatte, nämlich mich so in Fahrt zu bringen, dass ich alle Termine, die unserer Hochzeit entgegenstanden, rücksichtslos niederwalzte. Außerdem kannte ich ihn gut genug, um zu wissen, dass er keine leeren Drohungen äußerte, weil andernfalls seine In-Fahrtbring-Taktik nicht aufgegangen wäre.

»Dank deiner Deadline«, fuhr ich zuckersüß fort, »werde ich einen Monat lang praktisch keine Zeit zum Essen finden und noch viel weniger Zeit für ein gemütliches Abendmahl im Restaurant. Ich muss noch heute Abend ein Hochzeitskleid finden, damit genug Zeit für mögliche Änderungen bleibt. Du hast doch einen schwarzen Anzug, oder?«

»Natürlich.«

»Dann wirst du den zur Hochzeit anziehen, es sei denn, die Ärmel sind abgescheuert, denn dann solltest du lieber ebenfalls einkaufen gehen, weil es dir niemand verzeihen wird, wenn du mit abgewetzten Ärmeln zu unserer Hochzeit erscheinst, und ich dir zudem schwöre, dass ich dir dafür das Leben zur Hölle mache.«

»Wenn du das versuchen würdest, könnte ich mich immer noch scheiden lassen.« In seinem Tonfall schwang stille Heiterkeit. Ich konnte seine grünen Augen funkeln sehen.

»Du könntest versuchen, dich scheiden zu lassen, aber ich würde mich mit Zähnen und Klauen dagegen wehren, und hinterher würde ich dich bis ans Ende der Welt jagen. Siana würde dich ebenfalls jagen. Und Mom würde ihre alten Kommilitoninnen dazu bringen, dich zu jagen.« Siana ist Anwältin, was ihm wirklich zu denken geben sollte, selbst wenn er ständig mit Anwälten zu tun und darum nicht allzu viel Angst vor ihnen hat. Andererseits begegnet er meiner Mom mit einem gesunden Respekt, der auf wahrer Angst beruht. Sie würde wirklich ihre Kommilitoninnen zusammenrufen, um ihn zu jagen.

»Du willst also tatsächlich bis ans Lebensende mit mir zusammenbleiben?«

»Darauf kannst du deinen Arsch verwetten.« Ich setzte eine Sekunde aus und ergänzte dann: »Jedenfalls bis an dein Lebensende.«

Es war wirklich zu ärgerlich, wenn er über etwas lachte, das ihm eigentlich zu denken geben sollte. »Ich werde mir die Ärmel genau anschauen«, versprach er. »Welche Farbe für das Hemd?«

Okay, er hatte sich also doch Notizen gemacht. »Weiß oder grau. Ich sage dir noch Bescheid.« Ich halte nichts davon, dass der Bräutigam die Braut auszustechen versucht. Ja, ich weiß, es war auch seine Hochzeit, aber ihm ging es ausschließlich darum, den Bund der Ehe mit mir einzugehen, damit ich mich endlich einverstanden erklärte, mit ihm zusammenzuziehen und seine Kinder zu bekommen, obwohl ich ziemlich sicher bin, dass die Kinder nicht sein allerdringendster Wunsch waren.

»Mach’s mir leicht. Weiße Hemden hätte ich schon.«

»Ich soll es dir leicht machen? Nachdem du mich mit deiner doofen Deadline erpresst?«

»Was habe ich dir denn getan, außer dass ich dich heute Abend einkaufen schicke?«

»Glaubst du, die Einladungen drucken sich von selbst? Oder verschicken sich von selbst? Oder dass die Getränke wie von Zauberhand erscheinen?«

»Dann nimm doch eine Cateringfirma.«

»Zu spät«, belehrte ich ihn noch zuckersüßer als zuvor. »Cateringfirmen sind Monate im Voraus ausgebucht. So viel Zeit bleibt mir nicht. Das Gleiche gilt für die Hochzeitstorte. Ich muss jemanden finden, der von heute auf morgen eine Hochzeitstorte backt.«

»Kauf doch eine in der Konditorei.«

Ich riss das Handy vom Ohr, starrte es an und fragte mich schockiert, ob ich mit einem Alien telefonierte, ohne es zu ahnen. Dann drückte ich es wieder ans Ohr und fragte: »Hast du zu deiner ersten Hochzeit irgendwas beigetragen?«

»Ich bin erschienen und habe alles getan, was man von mir verlangt hat.«

»Diesmal kommst du nicht so leicht davon. Du wirst dich um die Blumen kümmern. Lass dir von deiner Mutter helfen. Ich muss Schluss machen, ich liebe dich. Ciao.«

»Hey!«, hörte ich ihn noch rufen, bevor ich die Verbindung trennte.

Den restlichen Nachmittag malte ich mir seine Panik aus. Wenn er schlau war, würde er sofort seine Mutter anrufen, aber auch wenn er ein verflixt schlauer Mann ist, so ist er doch vor allem ein Mann, weshalb ich vermutete, dass er zuerst die Ehemänner unter seinen Sergeants und Detectives fragen würde, ob sie sich noch an irgendetwas von ihrer Hochzeit erinnerten, und wenn ja, was für Blumen ich wohl meinen könnte? Bis heute Abend wäre ihm vermutlich klar, dass die fraglichen Blumen keine sind, die man in Töpfen voller Erde kauft. Vielleicht würde er glauben, dass ich von dem Brautstrauß sprach, was ich natürlich nicht tat – auf gar keinen Fall würde ich etwas so Wichtiges einem Mann überlassen, selbst wenn ich ihn noch so liebte. Irgendwann morgen würde einem der Kerle einfallen, dass es da so eine Art Bogen mit Zeugs drauf gegeben hatte, vielleicht Rosen oder so, und irgendwann morgen würde Wyatt auch herausfinden, dass ich morgen Abend genauso wenig Zeit hatte, und dann würde ihm die grauenvolle Wahrheit dämmern: Sein Sexleben würde einen vollen Monat brachliegen, und das war ganz allein seine Schuld.

Ich liebe es, wenn ein Plan aufgeht – wer nicht?

Nicht dass ich etwas so Wichtiges wie den Blumenschmuck ganz allein dem Schicksal überlassen hätte. Ich rief seine Mutter an, die so unglaublich cool ist, dass ich mich überglücklich schätzte, sie zur Schwiegermutter zu bekommen, und weihte sie in die Einzelheiten ein.

»Ich lasse ihn springen«, versprach sie. »Es wird alle möglichen Notfälle und Verzögerungen geben, aber keine Sorge, ich passe schon auf, dass alles genau so aussieht, wie du es dir vorstellst.«

Nachdem das geklärt war, beendete ich meinen Work-out, ging unter die Dusche und wusch mir die Haare, trug anschließend einen Strich Mascara und Lippenstift auf und zog mich danach um. Lynn hatte wie immer alles unter Kontrolle, deshalb verzog ich mich früher als üblich und fuhr zum besseren unserer zwei Einkaufszentren. Es gab über die Stadt verteilt mehrere schicke Boutiquen, aber vielleicht fand ich das, was ich suchte, auch in einem der eleganteren Kaufhäuser in der Mall. Die schicken Boutiquen brauchten eine Ewigkeit, um etwas zu ändern.

Im Einkaufszentrum gab es ein Parkdeck und drum herum riesige Parkplätze. Da natürlich jeder einen Platz im Parkdeck zu bekommen versuchte, waren draußen meist einige erstklassige Stellplätze zu finden. Ich kreuzte ein bisschen herum, nahm dabei mit meinem kleinen schwarzen Mercedescabrio raubkatzengleich die Kurven und entdeckte tatsächlich einen Logenplatz direkt vor einem der großen Kaufhäuser. Schwungvoll und mit einem kleinen Lächeln über die direkte Steuerung zog ich auf den Stellplatz. Kein anderes Auto fährt sich wie ein Mercedes.

Mit federndem Schritt betrat ich das Kaufhaus. Nichts spornt mich so an wie eine richtige Herausforderung, und obendrein erforderte es meine Mission, dass ich Kleider anprobierte. Manchmal stehen alle Planeten stramm oder was auch immer, und dann ist so ein kleiner Bonus fällig. Meine Gesichtsfarbe – ein glückseliges Pink. Ich war nicht einmal besonders aufgeregt, als ich im ersten Laden nicht das fand, was ich mir vorgestellt hatte, denn ich hatte mich auf eine lange Suche eingestellt. Dafür erstand ich ein Paar Schuhe, die genauso aussahen, wie ich sie mir erträumt hatte, schick und bequem und mit einem fünf Zentimeter langen Absatz versehen, den ich stundenlang tragen konnte. Das Beste daran war, dass sie mit goldenen Pailletten und Strass besetzt waren. Ich mag Schuhe mit Chichi, außerdem war es schlau, erst die Schuhe zu besorgen, die ich bei meiner Hochzeit tragen würde, denn dann wusste ich sofort, ob das Kleid, so ich denn eines fand, gekürzt werden musste oder nicht.

Ich suchte nach einem Kleid in Champagner. Keinesfalls in Weiß, nicht mal Altweiß oder Creme, denn, mal ganz ehrlich – Weiß transportiert immer noch die traditionelle Botschaft, und die wirkt bei einer zweiten Hochzeit ein bisschen albern. Außerdem sehe ich in Champagner echt gut aus, und da ich vor allem darauf abzielte, Wyatt zum Sabbern zu bringen ...

Ich gab wirklich mein Bestes. Ich shoppte mich in Grund und Boden und gönnte mir zwischendurch nichts als einen winzigen Salat in einem Schnellrestaurant. Bei meinen Streifzügen erstand ich mehrere grandiose Wäschesets, ein Paar Ohrringe, die ich unbedingt haben musste, noch ein Paar Schuhe – diesmal schwarze Mörderpumps –, einen fantastischen Stiftrock, der wie für mich gemacht war, und sogar ein paar Weihnachtsgeschenke, da ich dieses Jahr doppelt so viele Geschenke brauchte wie sonst, nachdem Wyatts Familie dazukommen würde, deshalb wollte ich lieber früher anfangen, Geschenke zu kaufen.

Nur ein champagnerfarbenes Kleid fand ich nicht.

Gegen neun gab ich auf. Morgen würde ich die kleinen Boutiquen in der Stadt abklappern. Ich konnte nur hoffen, dass sich diese Läden seit meiner Highschool-Abschlussfeier geändert hatten – na schön, die lag gut fünfzehn Jahre zurück, von daher waren Veränderungen nicht ausgeschlossen –, denn andernfalls hätten, selbst wenn ich etwas Passendes finden sollte, so viele Menschen das Kleid vor mir anprobiert, dass ein neues bestellt werden müsste, was wieder Zeit kostete, und wenn wir etwas nicht hatten, dann Zeit.

Als ich aus dem Einkaufszentrum trat, überschlugen sich meine Gedanken. Eine Schneiderin. Ich brauchte eine Schneiderin. Ich würde noch einmal versuchen, ein Kleid von der Stange zu finden, weil dies die einfachste Lösung war, aber falls ich bis zum nächsten Abend nichts gefunden hatte, würde mein Notfallplan in Kraft treten, der darin bestand, den Stoff zu kaufen und das Kleid schneidern zu lassen. Das war zwar zeitaufwendiger, aber machbar.

Ich muss zugeben, dass ich nicht auf meine Umgebung achtete. Mir gingen wichtige Dinge im Kopf herum. Als ich aus dem Laden trat, fiel mir zwar durchaus auf, dass nicht mehr viele Autos auf dem Parkplatz standen, aber ich hatte nahe dem Eingang geparkt, das Licht war gut, keine verdächtigen Fremden lungerten an meinem Auto herum, außer mir waren noch andere Besucher in Sichtweite et cetera.

Ich jonglierte mit meinen Päckchen, bis ich den Schlüssel aus meiner Tasche geangelt hatte, und drückte dann, gerade als ich auf die Fahrbahn trat, die Entriegelungstaste. Auf dem Behindertenplatz, wie immer der erste Platz in der Reihe, stand ein Lieferwagen, gleich dahinter hatte ich geparkt. Mein wunderbarer kleiner Wagen blinkte zur Begrüßung mit den Scheinwerfern.

Ich hörte leise einen Wagen beschleunigen und blieb ein paar Meter vom Bordstein entfernt stehen; ein kurzer Blick verriet mir, dass mir mehr als genug Zeit blieb, um die Straße vor dem herankommenden Wagen zu überqueren, und so setzte ich meinen Asphalttreck fort.

Alles kam mir ganz normal vor. Ich achtete nicht besonders auf den näher kommenden Wagen; meine linke Hand schmerzte schon unter dem Gewicht der Plastiktüten, mit denen ich behängt war, und ich fasste die Henkel noch einmal fester. Trotzdem ließ mich etwas – eine instinktive Einflüsterung, die mich warnte, dass das Motorengeräusch zu nahe klang – aufsehen, und ich erkannte, dass das Auto direkt auf mich zuschoss, so als hätte der Fahrer das Gaspedal durchgetreten.

Das Auto sah riesig aus und hielt genau auf mich zu. Die Scheinwerfer strahlten mir in die Augen und blendeten mich; daher bekam ich nur einen vagen Eindruck von der dunklen Gestalt hinter dem Lenkrad, und das auch nur dank der Parkplatzbeleuchtung. Das Auto hatte reichlich Platz, um mich herumzufahren, aber das tat es nicht.

Ich begann zu rennen, um ihm auszuweichen, und ich schwöre, dass einen Sekundenbruchteil später der Fahrer die Richtung zu ändern schien und mich aufs Korn nahm.

Panik explodierte in meinem Hirn. Mein einziger Gedanke – und es war nicht einmal ein voll ausgebildeter, zusammenhängender Gedanke, sondern nur eine Art »O mein Gott«-Erkenntnis – war, dass ich zwischen der Motorhaube des Autos und dem Lieferwagen zerquetscht würde, falls mich der Fahrer erwischte.

Adieu, Hochzeit. Ach was, adieu, ich.

Ich sprang. Genauer gesagt hechtete ich. Lasst euch gesagt sein, es war ein Weltklassesprung. Nichts verleiht den Beinen so viel Sprungkraft wie der Gedanke, dass du im nächsten Moment zu Mus zermantscht wirst. Selbst als Cheerleaderin im College konnte ich nie so weit springen.

Der Wagen raste so dicht an mir vorbei, dass ich die Hitze aus dem Auspuff spürte; und da flog ich noch durch die Luft, so knapp entging ich dem Aufprall. Ich hörte Reifen quietschen, dann knallte ich hinter dem Lieferwagen auf den Asphalt, und die Lichter gingen aus.

3

Ich wurde nicht bewusstlos, jedenfalls nicht völlig. Die Welt war nichts als ein dunkler, sich überschlagender, verschwommener Fleck. Ich kann mich noch an das scharfe, brennende Gefühl erinnern, als ich über den Asphalt rutschte und rollte. Ich kann mich noch erinnern, dass ich »Meine Schuhe!« dachte und verzweifelt meine Tüten festzuhalten versuchte. Ich kann mich auch an das Klingeln in meinen Ohren und an den plötzlichen warmen Blutgeschmack in meinem Mund erinnern. Und ich kann mich daran erinnern, dass der Schmerz wie eine Schockwelle durch meinen Körper rollte.

Dann kam alles zum Stillstand. Ich lag auf dem Asphalt, der immer noch Wärme abstrahlte, obwohl die Nacht schon angebrochen war, und war mir nicht ganz sicher, wo ich war und was mir widerfahren war. Ich konnte Geräusche hören, konnte aber nicht erkennen, was für Geräusche es waren und woher sie kamen. Eigentlich wollte ich nur liegen bleiben und so gut wie möglich den wütenden Aufschrei meines Körpers über die zugefügten Verletzungen ersticken. Mein Kopf hämmerte synchron mit meinem Herzschlag in einem üblen Poch-poch-Pochen. Mir wurde erst heiß, dann kalt, dann kotzübel. Ich konnte das Stechen, das Brennen, das Pochen und Ziehen spüren; ich konnte jedoch nicht die verschiedenen Empfindungen voneinander trennen und zuordnen, die schmerzenden Stellen bestimmen, und ich konnte erst recht nichts dagegen unternehmen.

Wenigstens war ich nicht tot. Das war schon etwas.

Dann brannte sich ein glühender, klarer Gedanke durch mein Hirn: »Diese dumme Kuh wollte mich überfahren!«

Mein zweiter Gedanke war: »O Mann, nicht schon wieder!«

Ich sagte das sogar laut, der Klang meiner Stimme rüttelte mich auf, nein, er holte mich praktisch in meinen Körper zurück, was, nebenbei bemerkt, nicht der angenehmste Platz der Erde war. Es wäre mir beinahe lieber gewesen, in diesen entrückten Zustand zurückzukehren, allerdings hatte ich Angst, dass die Fahrerin umdrehen und mich ein weiteres Mal aufs Korn nehmen könnte, und dass ich, wenn ich hier bedröhnt liegen blieb, bald platt wäre wie ein totgefahrenes Streifenhörnchen. Ein mit Einkaufstüten behängtes Streifenhörnchen.

Von einem panischen Adrenalinschub aufgeschreckt, schoss ich hoch und sah mich um. Was nicht das Schlaueste war, was ich je getan habe. Na gut, vielleicht doch, denn immerhin musste ich mich überzeugen, dass ich nicht gleich zu einem riesigen Matschhaufen zusammengefahren würde, aber mein Körper rebellierte auf der Stelle: Mein Schädel drohte zu platzen, mein Magen sprang mir in die Kehle, meine Augen verdrehten sich nach hinten, und ich sackte auf den Asphalt zurück.

Diesmal blieb ich liegen, weil ich das Augapfelverdrehen kein zweites Mal erleben wollte. Bestimmt würde mir gleich jemand zu Hilfe eilen.

Ganz ehrlich, ich war es unendlich leid, dass mich ständig jemand umzubringen versuchte. Wer nicht weiß, wovon ich rede, muss mein voriges Buch lesen. Man hat auf mich geschossen (die jetzige Frau meines Exmannes); meine Bremsleitungen durchgeschnitten (mein Ex persönlich), was zu einem Massenauffahrunfall geführt hatte; und jetzt das. Ich hatte die Schmerzen so satt. Ich hatte es so satt, ständig meinen Terminkalender abändern zu müssen. Und ich hatte es endgültig satt, nicht gut auszusehen.

Der Asphalt lag rau unter meiner Wange. Aus dem schrillen Schmerzensgezeter, das aus den Nervenenden überall in meinem Körper gellte, schloss ich, dass ich größere Mengen an Haut auf dem Asphalt gelassen haben musste. Gott sei Dank trug ich lange Hosen, aber ehrlich, nur Leder schützt die Haut wirklich, weshalb ich den unangenehmen Verdacht hatte, dass die Hose nicht groß geholfen hatte. Schürfwunden sehen wirklich übel aus. Ich begann mir Sorgen zu machen; wie würde ich bei meiner Hochzeit aussehen? Reichten vier Wochen zur Heilung, oder würde ich für teures Geld einen Haufen Körper-Make-up erstehen müssen, das sich eklig anfühlt und braune Schmierer auf meinem Hochzeitskleid hinterlassen würde? Vielleicht musste ich den ärmellosen, sexy Traum aus Seide, den ich im Geist vor mir gesehen hatte, abschreiben, und stattdessen etwas tragen, das den Körper verhüllt, eine Burka vielleicht oder ein Zelt – nicht dass zwischen beidem ein großer Unterschied bestanden hätte.

Also, verflixt und zugenäht, warum kam denn niemand? Wollten wirklich alle bis Mitternacht in diesem blöden Einkaufszentrum bleiben? Wie lange müsste ich noch hier herumliegen, bis mich jemand sah und mir half? Ich wäre um Haaresbreite zu Brei gefahren worden! Da war ein wenig Zuwendung, ein wenig irgendwas nicht zu viel verlangt!

Ich wurde immer ärgerlicher. Hallo ... ein lebloser Köper auf dem Parkplatz, und das fällt niemandem auf? Ja, es war Nacht, aber der Parkplatz wurde von diesen riesigen Magnesiumlampen erhellt, und ich lag auch nicht zwischen zwei Autos oder so. Ich war ... ich schlug die Augen auf und versuchte mich zu orientieren.

Mein Blick war immer noch verschwommen; ich konnte nichts außer schwarzen Schatten und Lichterflecken erkennen, und auch die tanzten und verliefen ineinander. Automatisch wollte ich meine Augen reiben, musste aber feststellen, dass meine Arme, und zwar beide, nicht gehorchen wollten. Sie bewegten sich schon, aber nur sehr widerwillig und nicht besonders gut – keinesfalls so gut, dass ich meine unkoordiniert zuckenden Finger in die Nähe meiner Augen bringen konnte; am Ende würde ich mir selbst die Augen auskratzen, und das wäre doch der blanke Hohn, oder etwa nicht?

Okay, ich konnte also nicht wirklich erkennen, wo ich gelandet war. Trotzdem musste ich am Ende der ersten Parkreihe liegen, wo mich irgendwer bemerken musste. Irgendwann.

Wie aus weiter Ferne hörte ich einen Wagen starten. Solange es kein Wagen war, der rückwärts über mich hinweg aus der Parklücke rollte, war das kein Problem, ich tröstete mich damit, dass der Fahrer, um zu besagtem Wagen zu gelangen, gezwungen wäre, über mich hinwegzusteigen, weshalb dieses Szenario nicht besonders wahrscheinlich war. Andererseits hatte es schon Tage gegeben, an denen ich so in Eile gewesen war, dass ich über alles, was am Boden lag, hinweggestiegen wäre und mir gedacht hätte: Das erledige ich später.

Ein neuer, besorgniserregender Gedanke: dass ich von jemandem wie mir überrollt werden könnte.

Ob es wohl schon Aufzeichnungen darüber gab, wie lange jemand unbemerkt auf einem Parkplatz liegen konnte? Und – igitt – was sollte ich unternehmen, wenn Ameisen und anderes Getier auf mir herumzukrabbeln begannen? Ich blutete. Wahrscheinlich wuselten schon jetzt alle möglichen Krabbelkäfer begeistert auf mich, ihr leckeres Festmahl, zu.

Der Gedanke war so eklig, dass ich sofort aufgesprungen wäre, wenn mein Kopf nicht so wehgetan hätte. Nein, ich mag keine Käfer. Ich habe keine Angst vor ihnen, aber ich finde sie eklig und widerlich, ich will sie nicht in meiner Nähe haben.

Wenn ich es recht bedachte, war der ganze Parkplatz eklig und widerlich. Menschen ohne Anstand und Erziehung spucken auf den Asphalt, und manchmal spucken sie mehr als nur Spucke. Auf dem Asphalt landet jede nur erdenkliche Scheiße, inklusive, na gut, Scheiße.

O Gott, ich musste aufstehen, bevor ich an einer Überdosis Ekel zugrunde ging. Niemand würde mir zu Hilfe kommen, jedenfalls nicht laut meinem Fahrplan, auf dem jetzt sofort stand. Ich müsste mir selbst helfen. Ich musste meine Handtasche finden und das Handy herauswühlen – ich hoffte, dass das Mistding noch funktionierte, dass der Akku nicht herausgeschleudert worden war oder sonst was, denn es hätte eindeutig meine Kräfte überstiegen, jetzt auch noch den Akku wiederzufinden und einzusetzen –, und dann musste ich die Polizei rufen. Außerdem musste ich mich aufsetzen und meinen Körper von diesem ekligen Asphalt lösen, weil sich mein psychischer Zustand andernfalls in Windeseile meinem physischen angleichen würde.

Auf drei, nahm ich mir vor, würde ich mich aufsetzen. Eins. Zwei. Drei. Nichts geschah. Mein Geist wusste, was ich tun wollte, doch mein Körper sagte äh-äh. Er hatte dieses Aufsitzdingens schon einmal probiert.

Das nervte tierisch, fast so sehr wie das unbemerkt Herumliegen. Okay, das ist gelogen. Unbemerkt herumliegen stand fast ganz oben auf der Liste. Hätte ich für alles, was mich in diesem Moment nervte, Noten verteilen müssen, hätte die Tatsache, dass mich – schon wieder! – jemand umzubringen versuchte, die vollen zehn Punkte bekommen. Dass mich niemand bemerkte, hätte neun Punkte bekommen. Mein ungehorsamer Körper folgte mit etwa fünf Punkten abgeschlagen auf Rang drei.

Trotzdem war ich jahrelang Cheerleader gewesen, von der Junior High angefangen bis zum Ende meiner Collegezeit. Ich hatte meinem Körper schon unzählige Male befohlen, schmerzhafte Dinge zu tun, meist hatte er mir gehorcht. Es war einfach Unfug, dass er mir jetzt, wo es um viel mehr ging, als um einen perfekt gesprungenen Salto, den Gehorsam verweigerte. Hier stand unter Umständen mein Leben auf dem Spiel! Nicht nur das, ich hatte auch das Gefühl, dass etwas über mein Gesicht krabbelte. Damit stand fest, ich musste aufstehen. Ich musste Hilfe rufen.

Vielleicht hatte ich mir zu viel vorgenommen. In einer einzigen Bewegung aufzusitzen, ohne dass mir die Panik zusätzlichen Schwung verlieh, überstieg eindeutig meine Kräfte. Vielleicht sollte ich lieber noch einmal versuchen, den Arm zu bewegen.

Das klappte gar nicht so schlecht. Mein rechter Arm schmerzte, aber er tat genau das, was ihm mein Hirn befahl, und hob folglich mühsam (das hatte ihm das Hirn nicht befohlen, das machte er selbst) die Hand, damit ich das, was über mein Gesicht krabbelte, wegwischen konnte.

Ich erwartete, ein Insekt zu erwischen. Ich machte mich darauf gefasst, ein Insekt zu spüren. Stattdessen spürte ich etwas Nasses, Klebriges.