My Image of You - Weil ich dich liebe - Melanie Moreland - E-Book

My Image of You - Weil ich dich liebe E-Book

Melanie Moreland

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Beschreibung

Auch die größte Liebe garantiert kein Für Immer

Als der Fotograf Adam Kincaid nach einem Unfall im Krankenhaus erwacht und sein Blick auf die zuständige Krankenschwester fällt, wähnt er sich im Himmel. Mit ihren roten Locken und den blitzeblauen Augen verdreht Alexandra Robbins Adam sofort den Kopf. Auch für sie ist es Liebe auf den ersten Blick. Doch irgendetwas hält Alex davon ab, sich Adam hinzugeben und ihm voll und ganz zu vertrauen. Und als Adam ihr Geheimnis enthüllt und ihr hilft, mit ihrer Vergangenheit abzuschließen, sind sie so glücklich, wie zwei Menschen, die sich lieben, nur sein können. Doch dann schlägt das Schicksal unbarmherzig zu ...

"Eine Liebesgeschichte, die auf die Leinwand gehört!" USA Today

Der neue Roman von Bestseller-Autorin Melanie Moreland

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Seitenzahl: 578

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Inhalt

TitelZu diesem BuchWidmungPrologTeil 112345678910111213141516171819Teil 2202122232425262728EpilogDanksagungDie AutorinMelanie Moreland bei LYX.digitalImpressum

MELANIE MORELAND

My Image of you

Weil ich dich liebe

Roman

Ins Deutsche übertragen von Britta Lüdemann

Zu diesem Buch

Als der Fotograf Adam Kincaid nach einem Unfall im Krankenhaus erwacht und sein Blick auf die zuständige Krankenschwester fällt, wähnt er sich im Himmel. Mit ihren roten Locken und den blitzeblauen Augen verdreht Alexandra Robbins Adam sofort den Kopf. Auch für sie ist es Liebe auf den ersten Blick. Doch irgendetwas hält Alex davon ab, sich Adam hinzugeben und ihm voll und ganz zu vertrauen. Und als Adam ihr Geheimnis enthüllt und ihr hilft, mit ihrer Vergangenheit abzuschließen, sind sie so glücklich, wie zwei Menschen, die sich lieben, nur sein können. Doch dann schlägt das Schicksal unbarmherzig zu …

Für Pamela, die so fest an mich geglaubt hat. Das hier ist für dich. Ich danke dir, meine liebe Freundin.

Und für meinen Matthew, der mir eine geeignete Vorlage geliefert hat. Ich liebe dich. Für immer und ewig.

Prolog

Adam

GEGENWART

Meine Finger zerrten ungeduldig an der seidenen Krawatte, die ich mir gerade zu binden versuchte. Ich fluchte durch die zusammengebissenen Zähne, als ich den schiefen Knoten sah, und riss sie mir wieder vom Hals. Dann atmete ich tief durch, um mich zu beruhigen, und fing noch einmal von vorn an. Die Erinnerung an das letzte Mal, als ich eins von diesen gottverdammten Dingern getragen hatte, kam mir in den Sinn.

Der seidene Stoffstreifen lag in ihren kleinen Händen. Gekonnt und mit geschickten Fingern band sie ihn zu einem perfekten Windsor-Knoten. Sie kam auf die Zehenspitzen hoch und fasste an meinen Hemdkragen, um ihn zu richten. Ich beugte mich etwas herunter, damit sie ihn leichter erreichen konnte. Während sie den Kragen umschlug und glättete, streiften ihre warmen Finger meinen Hals. Ihre Stimme klang tief und aufreizend. »Wenn man bedenkt, welche magischen Dinge du sonst mit deinen Händen zustande bringst, sollte man meinen, du wärst in der Lage, dir eine Krawatte selbst zu binden, Adam.«

Mit einem Knurren hob ich sie ein Stück vom Boden hoch und hielt sie an mich gedrückt. »Ich zeig dir nachher noch etwas Magisches, Kleines. Einen … Zauberstab und so.«

Ihr verschmitztes Lachen machte mich glücklich, ihr Kuss war voller Wärme, ihre Berührung ein Ausdruck unendlicher Liebe. Sie gehörte mir.

Ich schüttelte den Kopf, um die Erinnerung loszuwerden, als ich in den Spiegel sah, aus dem mir jetzt – nachdem ich den Knoten unwirsch und damit viel zu fest zugezogen hatte – ein wütendes Gesicht entgegenfunkelte. Sie und ihre Berührung gehörten mir nicht mehr.

Sondern ihm.

Missmutig schnappte ich mir mein selten zum Einsatz kommendes Sakko und fuhr mürrisch hinein. Dann steckte ich meinen Presseausweis und mein Handy ein. Ich runzelte die Stirn, als meine Finger irgendetwas in den Tiefen der rechten Jackentasche fühlten, und zog es heraus. Der Anblick des rosa Papiers ließ mich zögern. Sie hatte mir immer kleine Nachrichten auf rosa Notizzetteln zukommen lassen.

Danke, dass du das für mich tust. Ich liebe dich.

Deine Nightingale

Ihre Schrift. Ihre Worte. Ihre Liebe.

Ich schnupperte an dem Zettel; wenn auch nur schwach, trug er doch immer noch ihren Duft. Einen leichten, luftigen, blumigen Duft. Sie hatte immer so gut gerochen. Nach zu Hause.

Ich las noch einmal ihre Worte und schluckte den schmerzhaften Kloß herunter. Dieses Jackett hatte ich zum Abendessen bei ihren Eltern Sarah und Ronald getragen – das war ein Essen gewesen, auf das sowohl die beiden als auch ich gern verzichtet hätten, aber ich hatte es ihr zuliebe getan. Als sie noch zu mir gehörte.

Zu mir.

Jetzt gehörte sie nicht mehr zu mir.

Ich zerknüllte den Zettel, warf ihn auf den Tisch und nahm meine Kamera, obwohl ich gar nicht vorhatte, sie heute Abend zu benutzen. Sie diente lediglich dazu, mir Zutritt zu verschaffen. Es war das Einzige, was mir einfiel, um mich der Vergangenheit, die mich heimsuchte, zu stellen. Um Antworten zu bekommen auf die Fragen, die Tag für Tag durch meinen Kopf hallten. Um den Schmerz zu beenden, der in meiner Brust brannte, sobald ich wach war. Vielleicht gelänge es mir ja dann, die Vergangenheit hinter mir zu lassen.

Ich ignorierte die Stimme in meinem Kopf, die mir sagte, dass dies nie passieren würde.

Aber ich wollte es wenigstens versuchen.

Teil 1

Wie das mit uns begann

1

Adam

Ich schwang mich auf das Sims des Daches und verfluchte Sean innerlich, als ich vorsichtig darüber hinwegbalancierte. Ausgerechnet heute Abend musste er seine Boote draußen haben, und er wünschte sich dieses Bild. Sean bat mich nur selten um einen privaten Gefallen, darum hatte ich nicht Nein sagen können. Es hatte noch kurz zuvor geregnet, und die ganze Stadt war jetzt mit einer dünnen Eisschicht überzogen, nachdem die Temperaturen plötzlich gefallen waren – etwas, womit im März nicht mehr unbedingt zu rechnen gewesen war. Da ich vom Boden aus jedoch nicht den richtigen Blickwinkel für ein optimales Foto hatte, brauchte ich eine erhöhte Position.

Ich hob die Schulter, um das Gewicht meines Rucksacks zu verteilen. Ich hätte ihn lieber abstreifen sollen, bevor ich auf das Sims kletterte, aber mein Assistent Tommy glänzte gerade durch Abwesenheit. Das Dach war mit halb gefrorenen Pfützen zwischen kleinen, noch schneebedeckten Hügeln aus Kies und Sand übersät. Ich wollte nicht, dass mein Rucksack nass oder gar gestohlen wurde – dafür war sein Inhalt viel zu wertvoll. Und ich war an diesem Abend nicht der Einzige, der die Aussicht genoss. Mehrere Leute spazierten auf dem großflächigen Dach umher, obwohl es außer mir wohl niemandem eingefallen wäre, auf das Sims zu steigen. Wenigstens war die Nacht kalt und klar – wunderbar geeignet für das, was Sean haben wollte. Und es wehte kein Wind, der mir das Leben womöglich schwer gemacht hätte. Mit Kälte kam ich zurecht. Mit Wind wurde es schon schwieriger.

Nur noch wenige Zentimeter, mehr brauchte ich nicht für ein gelungenes Bild. Vorsichtig glitt mein Fuß über das Eis, während ich sowohl mich als auch die Kamera ausbalancierte. Das Motiv kam optimal in den Fokus und spiegelte sich auf der glatten Wasseroberfläche prächtig wider. Der Auslöser klickte, als ich ein Bild nach dem anderen von den erleuchteten Booten schoss, die unter mir im Hafen ankerten. Nur noch ein oder zwei Fotos, dann hätte ich, was ich brauchte, und wäre fertig. Doch ein plötzlicher Aufschrei und eine Hand, die mich am Bein berührte, erschreckten mich. Ich rutschte aus, das Gewicht auf meinen Schultern verschob sich, und ich geriet in Schräglage. Ich hörte noch einen Schrei und spürte den heftigen Ruck an meiner Jacke, mit dem ich nach hinten gerissen wurde, gefolgt von einem grässlichen Schmerz, der in meinem Kopf explodierte …

… und dann wurde die Welt schwarz.

Meine Augen flogen auf, während sich mein gesamter Körper schlagartig im Panikmodus befand. Der Ort um mich herum war schummrig, fremd und unscharf geworden.

Wo zum Teufel war ich?

Jemand beugte sich über mich; das Gewicht seines Körpers auf meinem Brustkorb fühlte sich eigenartig und höchst unwillkommen an. Mein Kopf tat weh, hämmerte, und in meinen Augen war irgendetwas, nass und kalt. Meine Arme fühlten sich schwer an und machten den Eindruck, als seien sie in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, die umso geringer zu werden schien, je mehr ich mich gegen das seltsame Gewicht stemmte, und ich begann, mich aus Leibeskräften zu wehren, wobei ich fluchte und blind um mich schlug.

»Lass ihn los!« Eine liebliche Stimme brach durch meine Panik. »Du machst ihm Angst!«

»Er muss fixiert werden! Der Kerl hat schon den ganzen Weg hierher Probleme gemacht!«

»Aber er muss versorgt werden. Seine Wunde blutet wieder! Zurück, Hank. Sofort!«

Zärtliche Hände berührten mein Gesicht, als ich den Kopf drehte und verzweifelt zu erkennen versuchte, wo ich war. Eine Stimme, leise und voller Fürsorge, erklang dicht neben meinem Ohr. »Hey, alles ist gut. Sie sind in Sicherheit. Bitte hören Sie auf, um sich zu schlagen, sonst wird die Blutung nur noch schlimmer.«

Blutung? War es also Blut, was sich da in meinen Augen befand?

Ich erschauderte und wurde von einer sofortigen Übelkeit befallen.

O Mann, ich konnte kein Blut sehen – schon gar nicht mein eigenes. Das war eines der wenigen Dinge, mit denen ich nicht zurechtkam.

Irgendwie half mir der sanfte Klang ihrer Stimme, mich zu beruhigen, und ich tat einen tiefen Atemzug, der mir den nötigen Sauerstoff verschaffte.

»Gut. So ist es gut«, säuselte die Stimme. »Weiter so, Adam. Gut so.«

Mein Kopf folgte dem Klang dieser Stimme. »Wo bin ich?«, krächzte ich.

»Im Toronto General. Sie sind gestürzt. Erinnern Sie sich?«

Ich zog die Stirn kraus, kramte in meinem Gedächtnis, und dann kam alles zurück.

Das Foto.

Das Eis.

Die Hand, die mich packte. Der Schrei.

Tommy.

Diese kleine Ratte hatte mich erschreckt.

Ich versuchte mich aufzusetzen und kämpfte mit dem Laken und … mit irgendetwas, womit sie mich verkabelt hatten.

»Meine Kamera. Wo ist meine Ausrüstung?«

Hände legten sich auf meine Brust und drückten mich wieder sanft nach unten. »Bleiben Sie liegen, sonst hole ich Hank zurück. Lassen Sie mich Ihre Augen ausspülen und die Wunde versorgen. Das Pflaster, das sie Ihnen draufgeklebt haben, hat nicht gehalten.«

»Meine Kamera?« Ich bestand auf einer Antwort.

»Sie sollten sich mehr Sorgen um Ihren Kopf als um Ihre Kamera machen.« Sie rügte mich.

»Meine Kamera ist aber mehr wert«, scherzte ich.

Ich hörte ein Seufzen, ehe ich das Gewicht meiner Kamera in meinen suchenden Händen spürte. »Ihren Sachen ist nichts passiert – die Kamera ist wohl auf Ihrem Rucksack gelandet und nicht auf dem Dach. Ihre Sachen sind alle hier. Würden Sie jetzt vielleicht mal ruhig liegen bleiben?« Ein kurzes Schweigen entstand, und dann klang die Stimme gereizter. »Oder soll ich Hank doch noch zurückholen? Ist Ihre Entscheidung.«

Ich ließ die Finger über sämtliche Metall- und Kunststoffteile fliegen, um sie auf Beschädigungen hin zu prüfen, und war erleichtert, dass alles in Ordnung zu sein schien. »Ich benehme mich ja schon«, erwiderte ich mürrisch. »Nicht nötig, dieses Arschloch wieder herzuholen.«

»Ich muss doch bitten«, ermahnte sie mich, auf meine Ausdrucksweise zu achten.

Ich zuckte zusammen, als ich plötzlich etwas Kaltes an der Stirn spürte, das auch noch brannte.

»Entschuldigung. Die Wunde muss desinfiziert werden. Durch den Aufstand, den Sie veranstaltet haben, ist sie wieder aufgeplatzt.«

»Ich hoffe für Sie, dass Sie Ärztin sind«, knurrte ich. Ich wollte nämlich nicht, dass irgendeine Medizinstudentin an meinen Augen rumpfuschte.

»Ich bin Krankenschwester – mit abgeschlossener Ausbildung an einer staatlich anerkannten Schule. Genügt das Ihren Ansprüchen?«

Ihr ärgerlicher Ton entlockte mir ein Knurren. »Erst mal.«

»Ich kann Sie auch gerne weiterbluten lassen, falls Sie lieber auf den Doktor warten möchten.«

Ach ja, richtig. Blut.

»Nein, machen Sie nur«, brummte ich gereizt.

»Schön. Dann will ich mal.«

»Warum habe ich dieses fürchterliche Nachthemd an?«, fauchte ich, während ich an dem kratzigen Stoff nestelte. »Ist meine Jacke im Rucksack?«

»Sie haben geblutet, und wir mussten Sie untersuchen«, erklärte sie geduldig. »Ihre Jacke befindet sich zusammen mit Ihren anderen Kleidungsstücken in einem Beutel unter Ihrem Bett. Sie sind offenbar mitten in eine Eispfütze gestürzt, darum waren Ihre Sachen nass. Sobald wir hier fertig sind, bekommen Sie von mir etwas anderes zum Anziehen.«

»Schön.«

Ich ließ die Hand über meinen Arm gleiten und war froh, das vertraute Metall und Leder zu spüren.

»Ihre Bändchen konnten dranbleiben.«

Bändchen? Herrje, Frauen trugen Bändchen.

»Das sind Armbänder«, korrigierte ich.

»Von mir aus auch Armbänder. Hört sich wahrscheinlich männlicher an.«

Meine Lippen zuckten, aber ich sagte nichts. Sie hatte mich durchschaut, und ihre spitze Erwiderung amüsierte mich.

»Möchten Sie, dass ich Ihren Freund hole?«, fragte sie, während sie sich routiniert an meinem Kopf zu schaffen machte.

»Welchen Freund?«

»Ich glaube, er sagte, sein Name sei Tommy?«

»Nein«, zischte ich, wobei ich mich unbehaglich wand. »Ist schließlich verdammt noch mal seine Schuld, dass ich jetzt hier bin. Sagen Sie ihm, er soll sich zum …«

»Adam«, warnte sie. »Ich hatte Sie gebeten, still liegen zu bleiben.«

»Woher kennen Sie meinen Namen?«, wollte ich wissen.

»Sie sind im Krankenhaus. Die Sanitäter haben Ihre Daten von Tommy, außerdem haben wir in Ihrer Brieftasche nachgesehen.«

Das klang logisch.

»Warum hat man mir eine Kanüle verpasst? Ist das für eine Beule am Kopf wirklich nötig? Kommt mir ein bisschen übertrieben vor.«

»Das gehört zur Routine. Sobald der Arzt Sie untersucht und sein Okay gegeben hat, kann ich sie Ihnen wieder entfernen.« Sie hielt kurz inne und seufzte. »Wir versuchen doch nur, Ihnen zu helfen.«

Dann nahm ihre Stimme erneut einen neckenden Klang an. »Wenn Sie brav sind, bekommen Sie einen Lolli von mir.«

Ich ließ ein gereiztes Knurren erklingen. Sah ich etwa wie irgend so ein Balg aus, das man mit Süßigkeiten bestechen konnte?

Davon abgesehen mochte ich Lollis.

»Welcher Geschmack?

»Traube.«

Das war mein Lieblingsgeschmack, und da ich ohnehin keine Wahl hatte, beschloss ich, Nachsicht zu üben.

»Ich fände es nur fair, wenn Sie mir Ihren Namen verraten, wo Sie meinen ja schließlich auch kennen.«

»Sind Sie immer so ein fordernder Miesepeter?«, entgegnete sie.

Da hatte sie mich wieder. Ich war in der Tat nicht einfach. Ich wusste, dass ich mich wie ein Arschloch benahm, aber ich hasste dieses Gefühl der Hilflosigkeit. So etwas war ich nicht gewöhnt, und es ging mir gewaltig gegen den Strich.

»Nur, wenn ich mir den Kopf angeschlagen habe und praktisch blind bin. Ich muss aber sehen können. Mein ganzes Leben hängt davon ab.«

Das Bett neigte sich zurück, und zärtliche Hände berührten mein Gesicht, ehe sie an meinem Haaransatz entlangwischten. »Das hier dauert nicht lange. Ich spüle Ihnen jetzt die Augen. Sie sind voller Blut und Schmutz. Sobald ich das erledigt habe, können Sie wieder sehen, okay?« Sie machte eine kurze Pause. »Und mein Name ist Alex.«

»Okay, Alex.« Wegen meines anstrengenden Verhaltens leicht verlegen, räusperte ich mich. Sie hatte recht – sie wollte mir nur helfen. »Danke.«

Einen Augenblick lang arbeitete sie schweigend vor sich hin. Dabei war sie mir nahe genug, dass ihr zarter Duft den antiseptischen Geruch des Krankenhauses überlagerte, und ich sog ihn tief ein. Die Lösung in meinen Augen wirkte wohltuend warm und sorgte dafür, dass das Brennen nachließ. Sie tätschelte meinen Arm und richtete das Bett wieder auf. »Okay, Adam, dann öffnen Sie mal Ihre Augen. Kann sein, dass Sie zunächst noch etwas verschwommen sehen werden, weil ich Ihnen ein Antibiotikum hineingetropft habe, um einer Entzündung vorzubeugen. Das gibt sich aber bald. Außerdem sind Ihre Augen womöglich noch etwas lichtempfindlich. Darum habe ich hier auch bloß eine Lampe an.«

Als ich blinzelte, hatte ich das Gefühl, mir die Augen mit Schmirgelpapier zu reiben. Aber ich konnte sehen, auch wenn ich alles, was etwas weiter entfernt war, noch leicht verschwommen sah.

»Hallo.«

Mein Blick sprang in Richtung der Stimme. Das einzige Licht im Raum kam von der Lampe über meinem Bett. Alex stand dicht über mir, und ihr freundliches Lächeln war das Erste, was mich begrüßte. Die Zeit schien stehen zu bleiben, als ich in ein Paar Augen sah, so blau, so tief und unergründlich, dass es mir den Atem verschlug. Als ich in die Tiefen dieser Augen starrte, lief mir ein leises Prickeln über den Rücken.

»Und, wie sieht’s aus?«

Ich räusperte mich noch einmal und riss mich aus meiner Starre. »Gut. Jaaa, ich kann wieder sehen, obwohl … etwas unscharf. Und weh tun sie auch noch.« Ich runzelte die Stirn. »Genau wie mein verflu-« Als mir ihr Tadel in Erinnerung kam, besann ich mich und bemühte mich um eine andere Wortwahl. »Äh … wie mein armer Kopf.«

»Das kann ich mir vorstellen. Ihren vielen Schrammen und dieser wirklich bösen Platzwunde nach müssen Sie ziemlich hart aufgeschlagen sein. Ich reinige diese noch, und dann kommt der Arzt, um Sie sich anzusehen und die Ergebnisse des CTs mit Ihnen zu besprechen.« Als sie die Wunde versorgte, versuchte ich, entspannt liegen zu bleiben und mir nicht anmerken zu lassen, wie weh es tat. Und es tat wirklich höllisch weh.

»Tut mir leid«, murmelte sie. »Die Wunde ist ziemlich tief und muss wahrscheinlich genäht werden.« Sie zog sich zurück und sah mir streng in die Augen. »Was haben Sie sich nur dabei gedacht, auf dem Sims dieses Daches herumzuspazieren? Ist Ihnen eigentlich klar, was passiert wäre, wenn Sie nach vorn anstatt nach hinten gekippt wären? Eine Platzwunde und Kopfschmerzen wären dann noch das geringste Übel gewesen. Dabei hätten Sie umkommen können.«

Ihre Strafpredigt stimmte mich für einen Moment nachdenklich, doch dann lachte ich leise über ihren Anpfiff – und ihr strenges Auftreten. Ich konnte nicht anders, als sie durch die Augen eines Fotografen zu mustern, etwas, das ich ganz automatisch tat. Ich registrierte viele Einzelheiten ihrer Erscheinung, auch wenn mir das Sehen noch Probleme bereitete. Sie war eine kleine Person mit Haar, auf das nur eine einzige Beschreibung zutraf. Es war nicht kastanienrot oder goldrot, sondern richtig rot und erstrahlte in einem leichten Kupferton im Licht der einzigen Lampe im Raum. Sie hatte es zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst. Sicher sah sie umwerfend aus, wenn es ihr – offen getragen – sanft über die Schultern fiel. Ihre Augen waren faszinierend: groß und mit langen dunklen Wimpern. Ihre Elfenbeinwangen waren rundlich und glatt und mit Hunderten von Sommersprossen übersät – kleine Sprenkel wie in die Haut eingearbeitetes Gold, was ihre einzigartige Schönheit noch erhöhte. Selbst als sie mich böse ansah, konnte ich den Ansatz ihrer Grübchen neben ihren vollen Lippen erkennen. Sie verliehen ihrem hübschen Gesicht einen spitzbübischen Zug. Ihre Hände befanden sich während ihrer Standpauke fest auf ihren Hüften, eine Haltung, mit der sie knallhart und bitterernst wirken wollte, was jedoch nicht gelang.

»Ich bin nicht darauf herumspaziert, ich habe dort gestanden«, witzelte ich, nicht sicher, warum ich versuchte, mich zu rechtfertigen oder sie zu beruhigen. Ich war es nicht gewöhnt, dass jemand Notiz nahm von dem, was ich tat, weshalb ihre besorgte Miene und ihr Rüffel mich seltsam berührten.

»Sie hätten erst gar nicht da oben sein dürfen. Das war lebensgefährlich!«

Mit einem Schulterzucken tat ich ihren Hinweis ab. »Aber ich brauchte das Foto. Und von da oben hatte ich nun mal den besten Blick.«

Ihre Augenbrauen rückten zusammen, während sie alles, was sie benutzt hatte, einsammelte. »Sie riskieren Ihr Leben? Für ein Foto?«

Ich grinste, wobei ich mich fragte, ob sie wohl alle ihre Patienten so maßregelte. Ich musste zugeben, dass mir ihr Schneid gefiel. Aber auf dem breiten Sims eines Gebäudes zu stehen, das war keine besonders gefährliche Sache für mich.

»Hier. Sehen Sie mal.« Ich hielt meine Kamera hoch und kniff die Augen zusammen, als ich die letzten Aufnahmen durchblätterte und sie ihr zeigte. Die vielen erleuchteten Segelboote in der Dunkelheit, die sich auf dem glatten Wasser widerspiegelten, sahen einfach fantastisch aus. »Ich wollte genau dieses Bild hier.«

Sie betrachtete kurz das Foto. »Hübsch, aber nichts, wofür man sein Leben riskiert.«

»Mein Leben war nie in Gefahr. Mir konnte gar nichts passieren. Ich hätte nur vorher meinen Rucksack ablegen sollen – das Ding hat mich aus dem Gleichgewicht gebracht. Aber ich wäre niemals abgestürzt.« Ich zog die Stirn kraus. »Und hätte Tommy mich nicht erschreckt, wär ich gar nicht erst gefallen.«

»Das Ganze macht ihm ziemlich zu schaffen.«

»Gut.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich hoffe, die Platzwunde, die vielen blauen Flecke und die Gehirnerschütterung, die Sie sich vermutlich eingehandelt haben, waren es wert. All das werden Sie nämlich ein paar Tage lang spüren.«

»Dann ist es ja ausgezeichnet, dass Sie sich um mich kümmern, nicht wahr?« Ich grinste und senkte die Stimme, während ich nach ihrer Hand griff und sie drückte. »Meine ganz persönliche Florence Nightingale.«

Sie ließ den Blick auf unsere Hände sinken und wurde rot.

Rot.

Die Farbe kroch über ihre vollen Wangen.

Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich zuletzt eine Frau hatte erröten sehen. Es wirkte sanft und feminin und bildete einen herben Kontrast zu ihrem energischen Auftreten, aber es stand ihr. Sie hatte irgendetwas an sich. Etwas, das mich anzog und in mir das Verlangen, ihr nah zu sein, weckte.

Ohne nachzudenken hob ich meine Kamera und drückte auf den Auslöser. Ihr Blick flog nach oben, und ich fing ihren erschrockenen Ausdruck und die geröteten Wangen ein.

Sie beugte sich zu mir und nahm sie mir aus der Hand. »Lassen Sie das.«

»Die Kamera liebt Sie.«

Das Rot auf ihren Wangen wurde noch dunkler. Es juckte mir in den Fingern, auch das festzuhalten und sie zu berühren. Ich hielt ihr die Hand hin und stellte mich vor. »Adam Kincaid.«

»Ich weiß. Wie Sie sich vielleicht erinnern, habe ich mir Ihre Krankenakte angesehen.«

Ihr Tonfall amüsierte mich. »Ich wollte mich nur ordnungsgemäß vorstellen. Wie lautet denn Ihr vollständiger Name? Florence Nightingale? Soll ich Sie also Schwester Florence nennen oder Nightingale wie die Nachtigall?«

Sie schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. »Alex Robbins.«

Ich hielt ihre Hand fester. »Robin? Sehr erfreut, Ms Robin.«

»Robbins«, korrigierte sie.

Ich zwinkerte ihr zu. Natürlich hatte ich sie gleich beim ersten Mal richtig verstanden, aber es reizte mich, sie zu ärgern, weil mir gefiel, wie sie konterte. »Robbins. Alles klar.«

Ich hustete. Meine Kehle war staubtrocken. »Kann ich vielleicht einen Schluck Wasser bekommen?«

Sie füllte ein Glas, und ich trank das kühle Nass gierig.

»Jetzt besser?«

»Ich habe einen Schei- … äh, schrecklichen Geschmack im Mund.«

Sie wühlte in ihrer Tasche und holte ein Döschen heraus. »Ich habe Pfefferminzpastillen. Möchten Sie eine?«

»Das wäre wundervoll.«

Sie schob mir das kleine, runde Ding zwischen die Lippen, und aus irgendeinem Grunde war ich versucht, mir ihre Fingerspitze zu schnappen und daran zu knabbern. Ich konnte der Versuchung jedoch widerstehen. Meine seltsame Reaktion auf diese Frau gab mir Rätsel auf.

»Besser so?«

Der kräftige Geschmack von Minze und Zimt flutete meinen Mund und vertrieb den nach nasser Wolle, den ich gehabt hatte, seit ich aufgewacht war. »Danke.«

Sie nahm sich selbst eine Pastille. »Ich bin förmlich süchtig nach diesen Dingern.« Dann wandte sie sich zum Gehen. »Ich sage dem Doktor Bescheid, dass Sie wach sind.«

»Sie kommen aber doch wieder, oder?«

»Ja.«

»Okay, ich werde mich nicht vom Fleck rühren«, scherzte ich mit ausdrucksloser Miene aus Spaß an dem Geplänkel mit ihr.

»Gute Idee«, entgegnete sie trocken.

Aber sie lächelte, als sie den Raum verließ.

»Sie haben eine Gehirnerschütterung. Deshalb würde ich Sie gern zur Beobachtung eine Nacht hierbehalten«, verkündete Dr. Nash, nachdem er mich untersucht und sich die CT-Aufnahme angesehen hatte.

Ich unterdrückte ein Stöhnen. Wollte er mich etwa auf den Arm nehmen? Es war nicht so, dass das hier meine erste Gehirnerschütterung war. Ich konnte schon für mich sorgen. »Ich brauche nicht hierzubleiben. Mir geht’s gut.«

Am anderen Ende des Raums gab Alex ein leises Glucksen von sich. »Er ist einer von der sturen Sorte, Doc.«

Der Mann runzelte die Stirn. »Sie sagten, Sie wohnen allein. Jemand muss Sie alle paar Stunden wecken, damit Ihre Augen noch einige Male gespült werden. Auf unseren Stationen ist zwar alles voll, aber Sie können hier unten bleiben. Alexandra kann nach Ihnen sehen und sich um Ihre Augen kümmern.«

Auf einmal fand ich es nicht mehr so reizvoll, in meine leere Wohnung zurückzukehren. Nicht wenn ich die Möglichkeit hatte, noch mehr Zeit mit dieser süßen kleinen Krankenschwester zu verbringen. Kapitulierend hob ich die Hände. »Wenn Sie darauf bestehen, Doc.«

Er nickte. »Alexandra wird Sie nähen, wenn das für Sie in Ordnung ist? Keine Sorge, sie macht das ganz sanft.«

Darauf würde ich wetten.

»Natürlich hab nichts dagegen.« Ich blickte zu ihr, sah, dass sie uns beobachtete und zwinkerte ihr zu. Ihr Blick sprang an irgendeinen Punkt an der Wand, und ich verkniff mir ein Lachen, während ich den eigenen Blick sinken ließ.

Es gefiel mir, wie sie auf mich reagierte. Sogar sehr.

Dr. Nash sprach leise mit Alex, klopfte ihr auf die Schulter und ging davon, wobei er etwas über meine Krankenkarte und einige Anweisungen brummte. Ich beobachtete seinen Rückzug aus leicht zusammengekniffenen Augen und sah dann, wie Alex ein paar Schränke und Schubladen öffnete und sich holte, was auch immer sie brauchte, um mich zusammenzuflicken. Wenn ich schon bleiben musste, wollte ich mich wenigstens mit ihr unterhalten. Ich wollte alles über sie erfahren. Alles, was sie mir erzählen würde.

»Warum nennt er Sie Alexandra?«, fragte ich, als sie die benötigten Utensilien auf dem Tisch bereitlegte.

»Er ist mein Chef, und das ist mein Name.«

»Sie sagten, er sei Alex.«

Sie schenkte mir ein Lächeln – so süß, dass es mir das Herz erwärmte.

»Meine Freunde nennen mich Alex. Er ist etwas förmlicher und bevorzugt Alexandra, was aber in Ordnung ist.«

Ihre Freunde. Sie hatte sich mir als Alex vorgestellt, als wäre ich ihr Freund. Mir gefiel, dass sie mich als Freund betrachtete.

»Ich brauche noch andere Nadeln. Ich gehe sie eben holen, und dann kann’s losgehen.«

Nadeln – die standen mit meiner Abneigung gegen Blut auf einer Stufe. Ich senkte den Blick, da ich nicht wollte, dass sie eine weitere meiner Schwächen entdeckte. Heute Abend stürzte ich auf der Männlichkeitsskala sicher gewaltig ab. »Auf diese Dinger stehe ich nicht so besonders«, murmelte ich.

Sie tätschelte mir tröstend den Arm. »Das tun die wenigsten. Ich kann Ihnen die Haut vorher mit einer Salbe betäuben. Dann bekommen Sie nichts von den Stichen mit. Versprochen.«

Ich versuchte, mein Unbehagen mit Galgenhumor zu nehmen, indem ich ihr mein charmantestes Lächeln schenkte. »Bekomme ich hinterher meinen Lolli?«

Mit einem Grinsen holte sie einen aus ihrer Tasche. »Wenn ich fertig bin, bekommen Sie noch einen zweiten, sofern Sie brav gewesen sind.«

Ich nahm den Lolli entgegen, wickelte ihn aus und steckte ihn mir in den Mund. »Abgemacht. Aber beeilen Sie sich, ja?«

Alex kicherte.

»Was?«

»Ich finde Sie süß, wenn Sie so zimperlich sind.« Sie legte die Hand auf meinen Arm und drückte mich. »Keine Angst, ich werde ganz behutsam sein.« Dann zwinkerte sie und verließ den Raum.

Geräuschvoll zerbiss ich den Lolli.

Sie fand mich süß. Das war eine Eigenschaft, die mir wohl nur die wenigsten Leute zuschrieben. Und trotzdem …

Ich hatte nichts dagegen.

Sie war tatsächlich ganz behutsam und schneller fertig als erwartet. Während sie ihre Arbeit machte, plauderte sie mit mir; zweifellos, um mich abzulenken, obwohl mir ihre Nähe bereits Ablenkung genug war. Meine Hand ruhte währenddessen an ihrer Hüfte. Als sie fragend eine Augenbraue hochzog, erklärte ich ihr, dass ich dies tat, damit sie nicht wackelte. Ihr Augenrollen entlockte mir ein Lächeln.

Alles an diesem zarten Persönchen schien mir ein Lächeln zu entlocken.

Nachdem sie mir einen Verband angelegt hatte, trat sie zurück. »Okay. Dann wollen wir es Ihnen mal bequem machen. Sie bekommen noch ein paar Schmerztabletten von mir, und dann können Sie sich ausruhen. Ihren Freund habe ich übrigens nach Hause geschickt.«

Ach ja, Tommy. Den hatte ich inzwischen ganz vergessen. Ich würde ihm später eine Nachricht schreiben.

»Schön.« Ich rührte mich auf der unbequemen Liege. »Ich, äh, ich müsste mal, ähm …«

»Was denn?«

»Äh …« Meine Hand zeigte zu der Tür, die sich hinter mir befand, und ich war entsetzt über meine Unfähigkeit, mein Bedürfnis laut zu formulieren, was mich ärgerlich stimmte. »Ich muss mal aufs Klo.«

»Ach so, natürlich.« Sie rollte den Instrumententisch beiseite und senkte die Liege ab. »Es könnte sein, dass Ihnen schwindlig wird. Stehen Sie lieber langsam auf.«

Als ich die Beine schwungvoll über die Bettkante schwang und ohne Umschweife aufstand, stellte ich zu meiner Überraschung fest, dass ihr Warnhinweis gar nicht so unberechtigt gewesen war. Der Boden schwankte, und meine Hand suchte Halt. Alex’ Arm legte sich um mich, und ich stützte mich schwer auf sie. Ich kämpfte einen Moment lang um mein Gleichgewicht und blinzelte, um die weißen Pünktchen loszuwerden, die vor meinen Augen tanzten. »Oh Mann«, keuchte ich atemlos.

Sie sah mich von der Seite an. »Sind Sie immer so ein Sturkopf?«

Ich grinste auf sie hinab. Sie war ein zierliches Persönchen, das locker unter meinen Arm passte. Wie klein sie war, fiel mir jetzt erst auf, als ich neben ihr stand. »Sie sind ja wirklich ein Winzling.«

Sie gab einen höhnischen Laut von sich. »Ich bin groß genug, um es mit Leuten wie Ihnen aufzunehmen, Freundchen.«

Freundchen?

Den ganzen Weg zum Klo über musste ich lachen, womit ich auch dann noch nicht aufhören konnte, als sie mir einen Stapel Kleider reichte und mich spröde fragte, ob ich Hilfe bräuchte. Ich entließ sie aus der Verantwortung, kam meinem Bedürfnis nach und zog mich an, um mir anschließend vorsichtig vor dem Spiegel die Haare aus dem Gesicht zu streichen. Der Anblick meiner lädierten Stirn ließ mich zusammenzucken. Die nächste Narbe in meiner Sammlung. Blut und Sand hatten mein dunkelbraunes Haar, aus dem im hellen Licht des Bades einzelne silberne Strähnen hervorblitzten, in einen lückenhaften, klebrigen Filzteppich verwandelt. Ich konnte schon jetzt sehen, dass ich ein hübsches Veilchen bekäme, denn der Bereich unter meiner Augenhöhle verfärbte sich bereits. Meine Augen brannten und waren blutunterlaufen, meine Lider schwer. Das dunkle Braun meiner Iris war kaum zu sehen, und ich wirkte erschöpft. Ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht und genoss die Kälte auf meinen Wangen. Die restliche Bescherung ignorierte ich – sie würde warten müssen, bis man mich gehen ließ und ich wieder zu Hause duschen konnte.

Ich tat so, als wäre mir noch immer schwindlig, um auf dem Weg zum Bett zurück meinen Arm wieder um Alex legen zu können. Mir gefiel, wie sie sich anfühlte – so eng an meiner Seite.

»Kann die Kanüle jetzt raus?«

»Ja. Setzen Sie sich, dann ziehe ich sie Ihnen.«

Sie half mir aufs Bett, und ich merkte, dass sie meine Tätowierungen musterte. Ihre Augen wurden groß, als sie all die Bilder auf meiner Haut erfasste. Die ganze Zeit, während sie mit der Kanüle beschäftigt war, glitt ihr Blick immer wieder zu den Tattoos auf meinen Armen. Mich verwirrte mein Wunsch, sie ihr zu zeigen, diesen Teil von mir mit ihr zu teilen. Normalerweise war ich etwas reservierter.

»Fassen Sie sie ruhig an, wenn Sie wollen«, ermunterte ich sie, als sie die Einstichstelle mit einem kleinen Pflaster abdeckte.

Sie trat – völlig fasziniert – näher, während ihre Finger über die verschiedenen Zeichnungen glitten. Ihre Berührung war zärtlich, beinahe ehrfürchtig, als sie die Symbole und Figuren nachfuhr.

»Gefallen sie Ihnen?«, fragte ich neugierig.

Sie sah hoch und nickte. »Haben sie etwas zu bedeuten?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Ja und nein. Das sind alles Symbole von Legenden und Mythen.« Mein Finger folgte den Umrissen des Drachenschwanzes. »Mein Vater hat mir sehr viel vorgelesen«, erklärte ich. »Mittelalterliche Geschichten.« Ich zeigte auf das Schwert. »König Artus, Drachentöter, all so was. Mein erstes Tattoo habe ich mit achtzehn bekommen.« Ich grinste sie an. »Die machen richtig süchtig.«

»Davon habe ich gehört. Sie sind wunderschön.«

Genau wie sie.

»Aber Sie haben doch eine Abneigung gegen Nadeln?« Sie klang verwundert.

»Tattoos sind was anderes. Das Summen der Maschine, das leichte Brennen der Tinte – das ist nicht dasselbe wie der spitze Stich einer normalen Nadel. Schwer zu erklären, aber das macht mir nichts aus.« Ich zwinkerte. »Außerdem sehe ich nie hin, bis das Blut abgewischt und alles fertig ist.«

»Ah.«

»Haben Sie auch ein Tattoo, Nightingale?«

»Nein«, erwiderte sie leise. »Irgendwann würde ich aber gern eins bekommen. Es müsste nur an einer Stelle sein, wo man es nicht sieht.«

»Krankenhausvorschrift?«

»Das ist ein Grund.«

Ich hätte zu gern erfahren, welche Gründe sie noch hatte, beließ es aber dabei. »Welches Motiv hätten Sie denn gern?«

Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht … irgendetwas von Bedeutung. Doch was, da habe ich mich noch nicht entschieden.«

Ich musterte ihre nackten Arme. Die Haut war blass und mit weiteren Sommersprossen übersät, die dafür sorgten, dass ich gern wissen wollte, ob sie diese sexy Goldtüpfelchen wohl am ganzen Körper hatte.

»Verunstalten Sie Ihren hübschen Körper nicht, ehe Sie nicht ganz sicher sind. Sie werden es für den Rest des Lebens haben.«

Die Tür öffnete sich und ließ die Blase zerplatzen, die sich über uns gelegt zu haben schien. »Alex! Wir brauchen dich!«

Erst als sie von mir zurücktrat, wurde mir bewusst, wie nah wir uns gekommen waren.

Sie reichte mir ein paar Tabletten und ein Glas Wasser. »Das ist gegen die Schmerzen. Nehmen Sie sie bitte.«

»Kommen Sie wieder?«, fragte ich, während ich ihrer Bitte nachkam.

Sie lächelte und sah auf die Uhr. »Ja. Ich werde nach meiner Pause nach Ihnen sehen.«

»Dann bis bald, Ally.«

»Alex«, korrigierte sie mich. »Meine Freunde nennen mich Alex.«

Ich schüttelte den Kopf. »Mir gefällt Ally.«

Sie drückte mir den Knopf für den Schwesternruf in die Hand. »Ich habe das Gefühl, dass es keinen Sinn hat, mit Ihnen zu streiten. Drücken Sie den, wenn Sie etwas brauchen.«

Als sie ging, grinste ich ihr hinterher. O ja, das würde ich ganz bestimmt tun.

2

Das leise Knarren der Tür ließ meine Mundwinkel kurz zucken. Ich wusste, was nun als Nächstes kam. Ally hatte alle zwei Stunden nach mir gesehen. Ich würde hören, wie sie sich mit leisen Schritten näherte, wobei die Gummisohlen ihrer Schuhe ein unverwechselbares Quietschen auf dem abgetretenen Linoleumboden erzeugten. Dann würde sie sich zu mir beugen, mich in ihren blumigen Duft hüllen und mich sanft wecken, indem sie ihre Hand auf meinen Arm legte und leise meinen Namen sagte, was wie Balsam in meinen Ohren wäre. Wenn ich dann nicht antwortete, würde sie mich am Arm schütteln, mir danach mit den Fingern über den Kopf streichen und mich etwas lauter ansprechen.

Die Charade aufrechterhaltend, würde ich blinzeln und langsam die Augen öffnen, um ihr schließlich den Anflug eines Grinsens zu zeigen. »Hey, Ally.«

Sie hatte es aufgegeben, mich zu korrigieren, und lächelte nur noch, wenn ich sie so nannte. Ich löcherte sie mit Fragen, während sie meine Vitalfunktionen prüfte, und fand irgendwelche Vorwände, um sie länger bei mir zu behalten. Wenn sie sich über mich beugte, um mir die Augen auszuspülen, landete meine Hand seltsamerweise immer auf ihrer Hüfte. Und wenn sie dann etwas über Patienten murmelte, die ihre Finger nicht bei sich behalten konnten, ließ ich mir meine Erheiterung nicht anmerken.

Ich wusste, dass ihre Schicht bald endete, daher war das hier meine letzte Chance. Diesmal wollte ich sie nach ihrer Nummer fragen, denn ich hatte vor, mich privat mit ihr zu treffen; gleich heute Abend, wenn sie nichts dagegen hätte. Ich wollte mehr Zeit mit ihr verbringen. Viel mehr Zeit. Bewusst entspannte ich mich in den Kissen und erwartete ihre Berührung.

Aber die Schritte klangen falsch, und die schwere Hand, die sich auf meine Schulter legte und mich schüttelte, sorgte dafür, dass ich die Augen aufriss. Meine Akte in der Hand, stand eine große ältere Frau über mir. »Wachen Sie auf, Mr Kincaid.«

»Wo ist Ally?«

Sie sah mich missbilligend an. »Alex’ Schicht ist vorbei. Sie ist nach Hause gegangen. Ich bin Vivian.«

Das versetzte mir einen Stich der Enttäuschung, ehe ich Verärgerung in mir aufsteigen spürte.

Sie war gegangen? Ohne sich von mir zu verabschieden? Das war wie eine kalte Dusche für mich. War ich denn allein mit meinem Gefühl, dass eine eigenartige Verbindung zwischen uns bestand?

Wie heftig hatte ich mir den Kopf tatsächlich angeschlagen?

Ich setzte mich auf, ohne den Schmerz zu beachten, der mich kurz überfiel, als mein Blick zur Uhr sprang. »Es ist doch erst sechs. Sie hat gesagt, sie arbeitet bis sieben«, ließ ich das Thema noch nicht ruhen.

Vivians Augenbrauen schossen nach oben. »Ich wusste nicht, dass Sie Alex kennen – oder ihren Dienstplan.«

»Tja, wir, äh, sind Freunde, also, Bekannte. Gute Bekannte«, betonte ich in der Hoffnung, etwas mehr von ihr zu erfahren, wenn sie uns für Freunde hielt. Doch ihre Antwort fiel sehr knapp aus.

»Nun, dann können Sie ja ein anderes Mal mit ihr sprechen. Ich habe sie heute früher nach Hause geschickt.«

»Das war sehr freundlich von Ihnen.« Das war es in der Tat, trotzdem machte ich mir weiter Gedanken über ihren wortlosen Abgang.

Darauf erwiderte Vivian nichts, und mir war klar, dass es keinen Zweck hätte, sie nach Allys Nummer zu fragen. Ich warf die kratzige Decke zurück und schwang die Beine über die Bettkante.

»Was machen Sie da?«

Langsam stand ich auf. »Nach Hause gehen.«

Entsetzt starrte sie mich an. »Ich kann Sie aber nicht gehen lassen, ehe der Doktor Sie noch einmal angeschaut hat.«

»Doch. Und zwar jetzt. Von mir aus unterschreibe ich, was auch immer Sie wollen.«

»Mr Kincaid …«

Ich zuckte leicht zusammen, als ich mich nach unten beugte, um meinen Rucksack unter dem Bett hervorzuholen. »Geben Sie sich keine Mühe.« Dann grinste ich. »Haben Sie etwa vor, da stehen zu bleiben und mir zuzusehen, wie ich dieses Zeug hier ausziehe, oder holen Sie mir jetzt diese Formulare?«

Sie funkelte mich böse an. »Ich hörte schon, wie stur Sie sind.«

Ich musste lachen – mir war klar, von wem sie das gehört hatte.

»Da hatte Ally recht.« Ich griff hinter meinen Kopf, fing an, das kleidsame Krankenhaushemd abzustreifen und hob fragend eine Augenbraue. »Bekomme ich jetzt diese Formulare?«

»Wagen Sie es bloß nicht zu gehen, bevor ich zurück bin.«

»Dann sollten Sie sich lieber beeilen.«

Ich wollte hier so schnell wie möglich raus.

Eine halbe Stunde später stand ich draußen vor dem Krankenhaus und verfluchte Tommy zum wiederholten Male dafür, dass er mich gestern Abend erschreckt hatte. Mein Kopf hämmerte unablässig. Gegenüber dem Krankenhauspersonal hatte ich mir davon nichts anmerken lassen und jede Hilfe abgelehnt, womit ich Vivian maßlos aufgeregt hatte, bis ich schließlich mit der angesichts meiner Beratungsresistenz vor Wut schnaubenden Schwester im Schlepptau davonspaziert war.

Doch jetzt, als ich mich draußen an die kalte Steinwand lehnte, begriff ich, warum sie mich noch dabehalten wollten.

Verdammt, mein Schädel brachte mich fast um. Die Mischung aus Schmerz und Schlafmangel führte dazu, dass ich ziemlich wacklig auf den Beinen war.

Obendrein war ich auch noch sauer, weil mir niemand Allys Nummer hatte geben wollen.

Ich musste sie finden. Ich musste wissen, ob sie dieselbe Verbindung spürte wie ich, oder ob ich mir das alles nur eingebildet hatte.

Sobald ich zu Hause war, würde ich duschen, um diesen widerlichen Krankenhausgeruch loszuwerden, und dann ein bisschen schlafen. Und danach würde ich versuchen, sie zu finden. Ich hatte Freunde, die eine Menge Leute kannten; irgendjemand würde mir schon helfen können. Ich konnte mich aber auch in der Eingangshalle des Krankenhauses einnisten und sie sehen, wenn sie das nächste Mal zur Schicht erschien. Vivian war rausgerutscht, wann das der Fall wäre. Ich wollte aber keine drei Tage warten.

Eine Hand an meinem Arm und die sanfte Stimme, die ich sofort erkannte, ließen mich zusammenfahren. »Adam, was machen Sie hier draußen?«

Ich hob den Kopf von der Wand und hatte bereits ein Lächeln um den Mund, als ich die Augen öffnete und Ally ansah. Hier draußen im ersten Licht des Tages leuchtete ihr Haar sogar noch intensiver, und ihre Augen glänzten. »Auf Sie warten.«

Meine Antwort weckte ihren Argwohn. »Und warum sind Sie nicht drinnen? Sie können doch nicht schon entlassen worden sein.«

»Ich habe mich selbst entlassen.«

»Wie bitte? Sind Sie verrückt geworden?«

Ich zuckte die Schultern. Die Sorge in ihrem Blick entging mir nicht. Sie gefiel mir. »Ich bin nur geblieben, weil Sie da waren. Sie sind gegangen, also wozu hätte ich noch dort rumhängen sollen?« Ich verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. »Sie sind gegangen, ohne mir auf Wiedersehen zu sagen«, fügte ich hinzu, wobei es mir egal war, ob ich mich dabei wie ein beleidigtes Kind anhörte. Die Sache wurmte mich einfach.

Ihre Wangen röteten sich, ein Ton, der mit dem satten Rosé verschmolz, das die Schönheit ihres hübschen Gesichts noch unterstrich. »Vivian hatte mich nach Hause geschickt. Ich hatte schon zu viele Überstunden angesammelt.«

»Und warum sind Sie dann noch hier?«

»Ich habe noch einen Kaffee mit einer Kollegin getrunken. Als ich gehen wollte, habe ich Sie hier stehen sehen, wie Sie die Wand vor dem Umfallen bewahrt haben. Oder bewahrt die Wand Sie etwa davor?«, schoss sie zurück.

Ich ignorierte ihre Bemerkung. »Sie hätten ruhig zu mir kommen und sagen können, dass Sie gehen.«

Sie verschränkte die Arme. »Nein, hätte ich nicht, Adam. Wir sind dazu angehalten, keinen allzu freundschaftlichen Umgang mit den Patienten zu pflegen, und ich werde meinen Job nicht aufs Spiel setzen. Ich hatte vor, Sie später anzurufen, um zu hören, wie es Ihnen geht.«

Es juckte mir in den Fingern, ihre Wange zu berühren. Ich wollte wissen, ob die Röte ihre Haut erwärmte. Ihre Worte ließen mich jedoch aufhorchen.

»Sie hatten tatsächlich vor, mich anzurufen?«, fragte ich überrascht. »Woher hatten Sie meine Nummer?«

»Aus Ihrer Akte«, gab sie zu.

»Ich wollte sie Ihnen geben. Und nach Ihrer fragen«, gestand ich leise, ehe ich dem Verlangen nachgab und die Hand an ihre Wange schmiegte, um sie mit dem Daumen zu streicheln. Ihre Haut war unglaublich – samtweich und ja, herrlich warm.

Sie entzog sich der Liebkosung nicht. Unsere Blicke trafen sich und verschmolzen. Unzählige Emotionen spiegelten sich in ihren großen, ausdruckvollen Augen, die in dem noch schwachen Tageslicht eher grün als blau wirkten. Schatten der Erschöpfung lagen unter ihnen, und ich wurde von einem plötzlichen Bedürfnis gepackt, mich um sie zu kümmern. Das Gefühl verblüffte mich – noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich so etwas erlebt. Ich trat zurück, worauf mir wieder schwindlig wurde und ich mich gegen die Wand hinter mir sinken ließ, um nicht umzufallen.

»Sie müssen nach Hause, Adam. Sie wären besser bis zu Ihrer Entlassung hiergeblieben«, rügte sie mich.

»Ja, die Sache mit meinem Kopf setzt mir doch ganz schön zu.« Ich schnaubte unzufrieden und frustriert. Mich so schwach zu fühlen, war mir fremd. »Ich brauche wohl ein Taxi.«

»Ich fahre Sie.«

Ich sah sie überrascht an. »Ja? Wirklich?«

»Sie sind doch kein Serienmörder, oder?«

Meine Augenbraue wölbte sich verschmitzt. »Würde ich das zugeben, wo Sie mir so leicht in die Falle gehen?«

Sie grinste, was ihre Grübchen zum Vorschein brachte. »Nun, nachdem mich Zimmer 6B die ganze Nacht auf Trab gehalten und fast wahnsinnig gemacht hat, könnten Sie Ihre Tötungsneigungen ja vielleicht stattdessen dort ausleben.«

Ich lachte über ihren Humor. »Ich will versuchen, mich zu beherrschen.« Dann runzelte ich die Stirn. »Moment mal, in welchem Zimmer war ich denn?«

Ihr Grinsen wurde breiter, und da wusste ich, wer sie fast wahnsinnig gemacht hatte. Ich erwiderte das Grinsen; ich mochte ihre kleinen Nickeligkeiten.

»Na schön. Mein Auto steht gleich da vorn.« Sie zeigte auf einen grauen Kleinwagen, der am Bordstein parkte. »Brauchen Sie Hilfe?«

»Das schaffe ich schon.«

Ich hängte mir meinen Rucksack über die Schulter und stieß mich vorsichtig von der Wand ab. Nicht dass ich peinlicherweise ein zweites Mal stürzte.

Während ich ihr langsam folgte, beobachtete ich ihre bei jedem Schritt schwingenden Hüften.

Sie war ein hübsches Mädchen, und der Anblick, den sie auch von hinten bot, war einfach nur umwerfend.

Als wir mein Gebäude erreichten, wirkte Ally unschlüssig. Abgesehen von Anweisungen, die den Weg betrafen, waren im Auto nicht viele Worte gewechselt worden. Ich hatte mich in den Sitz fallen lassen, die Augen geschlossen und mit den Schmerzen gekämpft, während sie fuhr. Ihr Wagen roch wie sie, und ich atmete den Duft ein, bewahrte ihn mir, nahm ihn tief in mir auf. Nun konnte ich sehen, dass sie hin- und hergerissen war, offenbar unsicher, was wohl als Nächstes kam.

Mit einem entschuldigenden Lächeln drehte ich mich zu ihr um. »Darf ich Sie um einen weiteren Gefallen bitten?«

»Sicher. Was brauchen Sie denn?«

»Ich bin am Verhungern.« Ich wies auf ein einfaches, kleines Restaurant auf der gegenüberliegenden Straßenseite. »Das ist Alvin’s. Dort machen sie die besten Frühstückssandwiches der Stadt. Würden Sie mit mir frühstücken?« Als sie zögerte, sagte ich etwas, von dem ich wusste, dass sie nicht widerstehen könnte. Es hatte nicht lange gedauert, dann hatte ich herausgefunden, wie groß das Fürsorgebedürfnis dieser Frau war, und diese Hingabe machte ich mir zunutze. »Ich glaube nicht, dass ich es allein dorthin und wieder zurück schaffe.«

Sie löste ihren Gurt. »Natürlich. Ich könnte auch etwas zu essen vertragen.«

Sie schlang einen Arm um meine Taille, und langsam überquerten wir die Straße. Ich hasste dieses Gefühl der Schwäche, aber mir gefiel, sie so nah bei mir zu spüren. Es war noch sehr früh, weshalb Alvin nicht viel zu tun hatte, und wir nahmen an einem Tisch im hinteren Bereich Platz. Ich beugte mich verschwörerisch zu ihr. »Das Sandwich kann ich Ihnen empfehlen, aber vom Kaffee würde ich die Finger lassen. Der hält Sie nämlich für Tage wach.«

»Gut zu wissen.«

Sie bestellte sich nur einen Toast, an dem sie herumnagte, während ich zwei dicke Bacon-Sandwiches und ein paar Kartoffelpuffer verschlang. Mein voll beladener Teller entlockte ihr einen skeptischen Blick. »Wenn ich mich recht entsinne, beginnt das Sprichwort mit ›Einen Schnupfen sollst du füttern …‹, nicht eine Gehirnerschütterung.«

Mann, war sie süß. Und witzig war sie auch noch. Ich schenkte ihr ein schelmisches Lächeln. »Bacon ist für und gegen alles gut. Das ist eine Tatsache.«

»Hmm. Da muss ich doch mal bei meinen Kollegen nachfragen. Ich glaube nämlich nicht, dass diese Tatsache weithin bekannt ist.«

Ich lächelte und nahm einen weiteren großen Bissen. Nach ihrer scherzhaften Erwiderung schwiegen wir die meiste Zeit, was ich allerdings als sehr angenehm empfand. Ich fühlte mich nicht genötigt, die Stille mit unablässigem Geplauder zu füllen, und auch Ally schien nicht der Typ zu sein, der dies brauchte. Eine Eigenschaft, die ich sehr erfrischend fand, und ich genoss das einträchtige Schweigen. Zumal sich mein Gehirn noch wie eine zähe Masse anfühlte.

Nachdem ich bezahlt hatte, gingen wir über die Straße zurück zur Tür meines Gebäudes. Als wir sie erreicht hatten, entstand ein Moment der Verlegenheit, und ich sah ihr an, wie sie überlegte, was sie tun sollte.

»Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir nur noch kurz nach oben helfen könnten.« Ich wollte noch mehr Zeit mit ihr verbringen und mit ihr reden. Nicht wie Patient und Betreuerin, sondern wie zwei Menschen, die sich gerade erst kennenlernten.

Im Innern angekommen, erfasste sie den Ort, an dem ich lebte. Ich sah mich um, wohl wissend, was sie sah, und verspürte zum ersten Mal den Wunsch, er sähe anders aus.

Mein geräumiges Loft war groß und offen; darüber hinaus war es trostlos und kalt. In einer Ecke stand mein Bett. Die beiden dicken weichen Matratzen waren nicht unbequem, aber ich hatte mir nie die Mühe gemacht, einen Bettrahmen für sie zu kaufen. Daher lagen sie direkt auf dem Boden, unter knittrigem und zerwühltem Bettzeug. Einfach irgendwo an die Wand geschoben stand ein behelfsmäßiger Kleiderschrank, über dessen geöffneter Tür ein Handtuch hing, während sich kaum Kleidung im Innern befand. Auf dem Boden lag meine geräumige Reisetasche, die mich auf all meinen Reisen begleitete, mir zu Hause aber auch als Kommode diente.

Mitten im Raum stand ein einzelner Sessel, davor ein gepolsterter Fußhocker, daneben ein kleiner Tisch und eine Lampe.

Die Küchenzeile verlief entlang der Wand am anderen Ende des Raumes, abgetrennt durch einen großen Tresen mit einer polierten steinernen Arbeitsplatte, unter der ein einzelner hölzerner Barhocker stand.

Die Ecke gegenüber bildete meinen Arbeitsbereich. An der einen Wand war ein riesiger Schreibtisch mit Glasplatte zu sehen, der einer Reihe von Computerbildschirmen Platz bot. Meine Ausrüstung war in großen Stahlregalen untergebracht, und ein feuerfester Safe sorgte für eine sichere Aufbewahrung meiner Werke. Ich hatte eine große Glasvitrine, die einige Dinge wie zum Beispiel meine älteren Kameras zeigte – Sachen von sentimentalem Wert für mich. Sie hatten meiner Mutter gehört, und es waren einige der wenigen Bestandteile meines Eigentums, die mir etwas bedeuteten.

Der gesamte Ort besaß eine sachlich kahle Ausstrahlung. Die Wohnung enthielt nichts Persönliches – nirgendwo waren Bilder oder Nippes. Es gab einen Flachbildfernseher und eine Dockingstation für Musik – das Einzige, wofür ich mich neben der Fotografie begeisterte. Die Wände bestanden entweder aus rauem Ziegel oder aus schlichtem Beton, die Decke nach oben hin war offen, mit frei liegenden Balken und viel Licht, das durch die Dachfenster sowie die riesigen Fenster fiel, die zwei der Wände zierten. Dies war ein Ort zum Schlafen, Arbeiten und Alleinsein. Er hatte mich nie groß gekümmert, doch jetzt wünschte ich mir, er wäre anders.

Sie schwieg, als wir zu dem einzelnen Sessel gingen, und bugsierte mich sanft hinein. »Haben sie Ihnen Schmerztabletten mitgegeben?«

»Nein. Ich habe gesagt, ich bräuchte keine.«

»Natürlich haben Sie das«, erwiderte sie sarkastisch.

»In meinem Apothekenschrank sind noch welche von meinem letzten, äh, Unfall. Ich habe noch nicht viele davon verbraucht, da kann ich doch notfalls eine von denen nehmen.«

Sie stand über mir und ließ ein verzweifeltes Seufzen erklingen. »Adam, Schmerztabletten zu nehmen ist kein Zeichen von Schwäche. Den Schmerz auszuschalten beschleunigt die Heilung. Seien Sie nicht so ein Dickkopf.«

Ich fand sie ziemlich sexy mit ihrer in die Hüfte gestemmten Hand, während sie mich zurechtwies. Ich gab nach, da das, was sie sagte, eigentlich recht vernünftig klang.

»Na schön.«

»Ich hole sie Ihnen.«

Ich zeigte zur Tür. »Sie sind im Bad.«

Sie verschwand, und ich lehnte den Kopf gegen den Sessel zurück und schloss die Augen. Wenigstens das Zimmer war aufgeräumt. Es besaß eine große bodengleiche Dusche sowie neue Fliesen und neue Armaturen. Das Bad und die Küche waren nach meinem Einzug renoviert worden. Der Rest der Wohnung hatte mich nie interessiert – zumindest nicht bis zu diesem Augenblick.

»Hier.«

Sie hielt mir zwei Pillen und ein Glas Wasser hin. Ich schluckte sie und beobachtete Ally, als sie zur Küche ging, Schränke und Kühlschrank öffnete und ein paar Dinge hervorholte.

»Hey – was tun Sie da?«

»Dafür sorgen, dass Sie ein paar Sandwiches für später haben, ehe ich gehe.«

»Sie machen mir doch nicht ernst-«

Sie fiel mir ins Wort. »O doch, also seien Sie still. Ihnen wird noch für den Rest des Tages der Schädel brummen. Sie müssen sich ausruhen, und später brauchen Sie etwas zu essen.«

Ich ließ den Kopf wieder gegen die Lehne zurückfallen. »Sie sind ganz schön herrisch, Ally – hat Ihnen das schon mal jemand gesagt?«

Sie lachte, während sie umherwuselte. »Das müssen Sie grad sagen, Mister.«

Ich lauschte den Geräuschen ihres geschäftigen Treibens. Es fühlte sich merkwürdig an, einen anderen Menschen in meiner Privatsphäre zu haben – ich mochte meine Ruhe und meine Einsamkeit, und da ich viel reiste, war ich nur selten zu Hause, um Gesellschaft zu haben.

Glücklicherweise war ich noch einkaufen gewesen und hatte zur Abwechslung mal ein paar Lebensmittel im Haus. Meistens ernährte ich mich von dem, was ich mir von unterwegs mitbrachte. Die Geräusche aus meiner selten genutzten Küche entlockten mir ein Grinsen, und ich entspannte mich und ließ die Tabletten ihren Job erledigen, ließ mich ein bisschen treiben, indem ich zufrieden dem Klang ihres leisen Summens nachhing, während sie herumwerkelte.

Eine Berührung in meinem Gesicht schreckte mich auf, und mir wurde klar, dass ich eingenickt war. Meine Nightingale, wie ich sie liebevoll nannte, saß auf dem Fußhocker und lächelte.

»Ab ins Bett, Sie müssen sich erholen«, befahl sie in gütigem Ton. »Ich habe Ihnen einen Teller mit Broten für später in den Kühlschrank gestellt.«

»Danke.«

Sie nickte und stand auf. »Sie sagten doch, Sie wollten duschen. Warum tun Sie das nicht, bevor ich nach Hause fahre? Ich werde solange warten, um aufzupassen, dass mit Ihnen alles in Ordnung ist. Lassen Sie mich Ihren Verband mit einer Plastiktüte abdecken, damit er nicht nass wird.«

Ich wollte nicht, dass sie ging – ich wollte noch mehr Zeit mit ihr verbringen, aber nach der langen Schicht sah sie müde aus, und ich wusste, dass sie jetzt gehen musste. Also schleppte ich mich zum Schrank, nahm frische Sachen zum Anziehen heraus und verschwand im Bad.

Ich genoss den heißen Strahl und fühlte mich besser, als der antiseptische Geruch von mir abgewaschen war. Nachdem ich mich angezogen hatte, kehrte ich in den Wohnraum zurück, wo ich mein Bett frisch hergerichtet vorfand. Die Decken waren zurückgeschlagen, die Kissen aufgeschüttelt, und sie wartete auf mich. Ally wartete, und ich war so müde, dass ich nicht mit ihr stritt, sondern gleich zwischen die Laken auf meinen üblichen Platz in der Mitte des Bettes schlüpfte und mir mit einem erleichterten Seufzen eine Eispackung auf die schmerzende Schulter legen ließ.

»Mit den Dingern können Sie ja einen Handel aufmachen«, stellte sie mit einem Anflug von Humor fest, während sie sich auf der Bettkante niederließ.

»Ich werde allmählich alt. Vom vielen Halten der Kamera tun mir manchmal die Arme weh.«

»Dreiunddreißig Jahre, das dürfte kaum als alt zu bezeichnen sein.«

Ich schnaubte. »Schon wieder ein Eingriff in meine Privatsphäre? Tststs. Da halte ich es nur für fair, wenn ich auch Ihr Alter erfahre.«

»Fünfundzwanzig.«

Ich hatte mir schon gedacht, dass sie jünger war als ich, was ich mehr an ihrem Äußeren als an ihrem Verhalten ausmachte. Acht Jahre Altersunterschied klangen aber nicht gar so gewaltig.

Sie ließ die Finger durch mein Haar gleiten. Ich musste ein Stöhnen unterdrücken. Wie fast alle Männer liebte ich es, wenn man mir den Kopf kraulte.

»Wie geht’s Ihrem Kopf?«

»Ganz gut.« Ich streckte die Hand nach ihrer aus und berührte sie, wobei ich mir wünschte, einen weiteren Vorwand zu finden, damit sie noch blieb. »Wie kann ich Ihnen nur danken?«

»Sie brauchen mir nicht zu danken.«

»Mit einem Abendessen«, sagte ich. »Bitte essen Sie mit mir zu Abend.«

Sie biss sich auf die Lippe und malträtierte das zarte Fleisch, während sie zögerte. Ich wusste zwar, dass dies alles ein bisschen zu schnell ging, aber ich wollte sie unbedingt wiedersehen.

»Bitte, Ally. Es würde mir sehr viel bedeuten.« Ich verzog das Gesicht, als ich versuchte, den Kopf zu heben.

»In Ordnung. Aber zuerst müssen Sie sich ruhig verhalten und Ihrem Körper die Chance geben, sich zu erholen. Sie brauchen Ihren Schlaf.«

»Ich brauche Ihre Nummer«, murmelte ich, während ich versuchte, mich gegen das schläfrige Gefühl zu stemmen, das nach mir griff.

»Ich werde sie Ihnen dalassen«, versprach sie.

Die Matratze schaukelte leicht, als ich zu ihr hinüberrollte und meine Finger mit ihren verwob. »Nur ein paar Minuten. Bleiben Sie noch ein paar Minuten.«

Etwas Warmes, Leichtes und Sanftes berührte meinen Kopf. »Ich bin ja hier, Adam.«

Und mit diesen beruhigenden Worten ließ ich mich von der Dunkelheit übermannen.

3

Stunden später wachte ich auf. Der dumpfe Schmerz in meinem Kopf war noch da, aber meine Augen fühlten sich inzwischen besser an. Ich stand langsam auf, wobei sich die Schmerzen in meiner Schulter und meinem Rumpf wieder zur Stelle meldeten. Ich schlurfte zur Küche und schnappte mir die Kaffeekanne. Heute brauchte ich Koffein. Viel Koffein. Auf der Arbeitsplatte lag ein rosa Zettel mit einer Telefonnummer und einem A darauf. Ally hatte mir ihre Nummer hinterlassen, und ich nahm mir vor, sie später anzurufen. Ich musste zugeben, dass sich ein Teil von mir wünschte, sie wäre da gewesen, als ich aufwachte, aber mein Verstand wusste, warum sie es nicht war. Trotzdem ließ mich der Gedanke irgendwie nicht los.

Ich ging noch einmal unter die Dusche und betrachtete finster das Gesicht, das mir aus dem Spiegel entgegenblickte. Die dunklen Prellungen waren nicht gerade ansehnlich. Nachdem ich noch ein paar Schmerztabletten geschluckt hatte, sah ich auf die Uhr. Ich wusste, dass ich sie vor dem späten Nachmittag nicht belästigen sollte, da sie bis in die Nacht auf den Beinen gewesen war. Das verschaffte mir viel Zeit, um an den Fotos zu arbeiten, die ich gestern geschossen hatte. Also schenkte ich mir einen Becher Kaffee ein und setzte mich an den Schreibtisch.

Ich blätterte die Bilder auf dem Bildschirm meines Laptops einzeln durch und studierte sie. Die Aufnahmen waren scharf und klar und entsprachen genau dem, was Sean gewollt hatte. Ich rieb mir die schmerzenden Schläfen. Er würde sehr zufrieden damit sein. Das sollte er auch lieber. Eine Nacht im Krankenhaus war nämlich ein hoher Preis für ein paar Fotos. Außer dass ich feststellen musste, dass ich ihm deswegen nicht besonders böse war. Ich war Ally begegnet, und mit etwas Glück sähe ich sie bald wieder. Ich hielt inne, als die Aufnahmen kamen, die ich von ihr gemacht hatte. Nicht gerade meine beste Arbeit, aber ich behielt recht: Die Kamera liebte sie. Die Bilder belegten die enorme Ausdrucksstärke ihrer Augen – die wenigen Fotos, die ich geschossen hatte, zeigten sie gereizt, amüsiert und verzweifelt.

Und schön. Sie war wirklich wunderschön. Mein Körper reagierte, während ich ihr Bild auf meinem Bildschirm musterte.

Ich freute mich schon darauf, sie noch oft zu fotografieren, sie noch besser kennenzulernen. Ich wollte wissen, ob dieser Sog, die Anziehungskraft, die ich bei ihr spürte, echt war oder einfach nur das Ergebnis des Umstands, dass ich mich nach dem Sturz verletzlich fühlte. Jedenfalls hatte ich nie zuvor in dieser Weise auf einen anderen Menschen reagiert wie jetzt auf sie. Ich war mir sicher, dass auch sie es spürte, und die einzige Möglichkeit, dies herauszufinden, bestand darin, mehr Zeit mit ihr zu verbringen.

Ich wartete mit meinem Anruf, bis es vier Uhr war. Es dauerte eine Weile, bis sie dranging, und ich war schon im Begriff aufzulegen, als ich endlich ein atemloses »Hallo?« hörte.

»Ally, hier ist Adam.«

»Oh – hi! Was macht der Kopf?«

»Dem geht’s ganz gut.«

»Nehmen Sie die Tabletten?«

»Ja. Sie hatten recht. Ich brauche doch mehr, als ich dachte.«

»Sagten Sie gerade, ich hatte recht?«

»Treiben Sie’s nicht zu weit, meine Liebe.«

Sie ließ ein kurzes Lachen erklingen. »Haben Sie Ihre Sandwiches gegessen?«

»Ja.«

»Haben Sie sich ausgeruht – Sie haben sich heute doch nicht überanstrengt, oder?«

Ihr Ton amüsierte mich. Sie war mit Leib und Seele Krankenschwester – stets im Dienst und mit der gebotenen Strenge.

»Ja, meine liebe Nightingale. Ich habe mich ausgeruht und ein bisschen gearbeitet, aber nicht viel.«

»Wieso nur habe ich das Gefühl, dass das, was Sie für ›nicht viel‹ halten, in meinen Augen eher zu viel ist?«

»Keine Ahnung«, entgegnete ich trocken. »Aber ich schwöre, ich habe mich ganz brav an Ihre Anweisungen gehalten.«

»Na schön«, erklang ihre skeptische Erwiderung.

»Ich glaube, dafür verdiene ich eine Belohnung.«

»Und was könnte das sein?«

»Dass Sie mit mir essen gehen. Heute Abend. Ich hole Sie um acht ab.«

»Nein.«

Ihre schnelle Antwort irritierte mich. Sollte es das schon gewesen sein? »Nein? Warum nicht?«

»Sie sollten nicht Auto fahren. Hätten Sie zugehört, als man Ihnen bei Ihrer Selbstentlassung die Verhaltensregeln erklärte, wüssten Sie das.«

Sie war verflixt noch mal zu klug.

»Dann treffen wir uns eben dort. Ich nehme mir ein Taxi.«

»Um sechs.«

»Warum so früh?«

»Weil Sie sich ausruhen müssen. So können wir zu Abend essen, und Sie werden trotzdem wieder früh zu Hause sein.«

Ich stimmte schnell zu, weil es bedeutete, dass ich bekam, was ich wollte – meine Zeit mit ihr. Außerdem hatte sie recht. Mein Kopf war noch reichlich angeschlagen. »Schön. Wie wär’s, wenn wir dann zu diesem Griechen gehen, ins Opa? Sind Sie schon mal da gewesen?«

»Ja, ich liebe mediterranes Essen.«

Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. »Dann sehen wir uns also in zwei Stunden dort.«

Ich traf ein paar Minuten vor der vereinbarten Zeit am Restaurant ein und wartete draußen, wo ich die kühle Luft genoss. Als sie um die Ecke bog, stockte mir der Atem. Mit ihren Leggings, dem sattgrünen Pulli und ihrem langen, jetzt offenen Haar, erschien sie mir wie eine Vision. Unsere Blicke begegneten sich und verschmolzen ineinander, während sie sich näherte. Ich reichte ihr die Hand und lächelte, als sie sie ergriff. Ihr ganzer Ausdruck und das Leuchten in ihren Augen verrieten, dass auch sie diesen Sog spürte.

Ich beugte mich zu ihr und drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Hey, Ally.«

»Hi, Adam.« Ihr Lächeln war unglaublich und sorgte dafür, dass ich mich so gut fühlte wie den ganzen Tag über nicht.

»Sie sehen umwerfend aus.«

»Danke.« Ihre Hand flatterte an meinen Kopf und berührte ihn so leicht wie eine Feder. »Geht’s Ihnen gut?«

»Also, auf irgendwelchen Dächern werde ich jedenfalls so schnell nicht wieder herumbalancieren.«

»Gut. Das kann nämlich nur schiefgehen.«

Mit einem leisen Lachen hielt ich ihr die Tür auf. Sie hatte ja keine Ahnung.

Wir nahmen an unserem Tisch Platz, bestellten beide ein Sodawasser mit Limette und studierten die Speisekarte. Während sie die Speisen durchging, sah ich immer wieder hoch, um sie zu mustern. Mit einem Schmunzeln begegnete sie meinem unverhohlenen Blick.

»Sie starren mich an.«