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Die gesamte Geschichte Ostasiens – Chinas, Koreas und Japans – von der Frühzeit bis 1800 in einem Band Der renommierte China-Kenner und Sinologe Dieter Kuhn entfaltet das ganze Panorama der chinesischen, koreanischen und japanischen Geschichte und Kultur über rund 3000 Jahre. Er erzählt von Schlachten, Dynastien und Kaisern, von den Samurais und der Lehre des Konfuzius, von Buddhismus und Ahnenkult. Er beschreibt die prächtigen Hauptstädte, die nach konfuzianischen Prinzipien angelegt waren, und schildert die zahlreichen wissenschaftlichen Errungenschaften, die bis nach Europa gelangten. Dabei wird deutlich, wie sehr die chinesische Kultur den gesamten ostasiatischen Raum geprägt hat. Dennoch bewahrten Korea und Japan eine jeweils eigene Identität, wie Dieter Kuhn eindrucksvoll vor Augen führt. Der Band ist mit 16 Karten und 24 Abbildungen hervorragend illustriert. Die ›Neue Fischer Weltgeschichte‹ ist die erste umfassende Universalgeschichte des 21. Jahrhunderts. Ein Standardwerk auf Jahre hin für Schule, Studium und Weiterbildung.
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Seitenzahl: 934
Dieter Kuhn
Neue Fischer Weltgeschichte. Band 13
Ostasien bis 1800
FISCHER E-Books
Was ist Weltgeschichte? Die Rede von ihr führt die Idee einer Totalität mit sich, einer Totalität des Raumes und der Zeit, des Geschehens und der Erfahrung, des Handelns und des Erleidens. Doch so notwendig die Vorstellung eines Ganzen im Ablauf der Zeit als regulative Idee der Weltgeschichte ist, so wenig kann der Mensch eine solche Gesamtheit empirisch erfassen.
Im Bewusstsein dieser Begrenzung bildet für die Neue Fischer Weltgeschichte die Aufgliederung des Globus in überschaubare, geographisch vorgegebene und historisch gewachsene Regionen den Ausgangspunkt. Innerhalb dieses Rahmens versteht sie sich nicht als Geschichte von Ländern oder Staaten, sondern als eine solche von Räumen und der Wechselwirkungen zwischen ihnen. Sie setzt Akzente durch Verbindungen und Trennungen, indem sie manche Kontinente, so Afrika und Europa, als Einheiten behandelt, während sie Amerika und insbesondere Asien stärker gliedert. Gewichtung und Strukturierung erfolgen auch in der zeitlichen Dimension, wenn eine Weltregion in zwei chronologisch aufeinanderfolgenden Bänden behandelt wird – im Falle Europas sind es sogar mehrere Bände. In solchen Schwerpunktsetzungen liegt einerseits das Eingeständnis eines Eurozentrismus, in dessen Tradition diese Weltgeschichte steht, ob sie will oder nicht, und andererseits der Ansporn für seine Überwindung in einer konsequenten systematischen Gleichbehandlung der verschiedenen Räume.
Die einzelnen Bände beschreiben einleitend die Rahmenbedingungen des jeweiligen Raumes für eine auf den Menschen bezogene und zumindest teilweise auch von ihm gemachte Geschichte, während sie am Schluss nach dem weltgeschichtlichen Ertrag (im positiven wie im negativen Sinne) fragen. Innerhalb einer Weltregion wird die Geschichte in Epochen behandelt, und jede Epoche ist ihrerseits nach Sachgebieten gegliedert, wobei Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur im Vordergrund stehen.
Das Vorgängerwerk, die weitverbreitete Fischer Weltgeschichte aus den 1960er Jahren, erhob den Anspruch, zu zeigen, »wie die Menschheit in ihrer Geschichte zum Selbstbewusstsein erwacht«. Die Geschichtswissenschaft ist seither zurückhaltender geworden. Die Neue Fischer Weltgeschichte betrachtet ihren Gegenstand nicht als einlinigen Fortschrittsprozess, sondern als polyphones Geschehen mit ständig wechselnden Haupt- und Nebenstimmen, die ihre Bedeutung behalten, selbst wenn sie längst verstummt sind.
Die Herausgeber
Dieses Buch erzählt die Geschichte der Region Ostasien, die von der chinesischen Kultur geprägt ist. Geographisch umfasst diese das Gebiet der heutigen Nationalstaaten der Volksrepublik China, der Republik China (Taiwan), der Demokratischen Volksrepublik Nordkorea, der Republik Korea (allgemein Südkorea genannt) und Japans. Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts muss vor allem die politische Geschichte Ostasiens in enger Wechselbeziehung zur Geschichte der westlichen Welt gesehen werden. Westliche Staaten, nicht mehr länger nur christliche Missionare und Handelsgesellschaften, traten als neue Akteure auf. Die westliche Fortschrittsideologie, die mit einem unverhohlenen Rassismus einherging, die westliche Diplomatie, die das chinesische Tributsystem ersetzte, Freihandelsimperialismus und militärische Auseinandersetzungen sowie die wirtschaftlichen Folgen der »ungleichen« Verträge zwischen den westlichen Kolonialmächten und der Qing-Dynastie führten zu einschneidenden Veränderungen. Der Band endet daher um 1800, als China seine größte territoriale Ausdehnung und wirtschaftliche Kraft – mit einem Drittel der weltweiten Warenproduktion – erreicht hatte.[1]
Bereits 1925 hat der Heidelberger Sinologe F.E.A. Krause in seiner Geschichte Ostasiens festgestellt: »Eine für ein größeres Publikum lesbare und doch wissenschaftliche brauchbare Geschichte Ostasiens erscheint seit langem als ein dringendes Bedürfnis.«[2] Diese Feststellung gilt nach wie vor. Ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt heute in Ostasien. Im Mittelalter war es sogar ein Drittel. Hinzu kommen die beispiellosen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformationsprozesse, die gegenwärtig nicht nur die Weltwirtschaft verändern, sondern das Leben aller Menschen weltweit beeinflussen. Ohne Kenntnis des geschichtlichen Hintergrunds ist es nicht möglich, die zeitgenössischen nationalen Phänomene in Ostasien angemessen zu verstehen.[3]
Die historische Überlieferung freilich unterscheidet sich von der uns bekannten westlichen Form der Geschichtsschreibung. In Ostasien betrieben Kaiser, Könige und Hofbeamte das politische Geschäft, doch wie ihr Handeln der Nachwelt überliefert wurde, hing allein von den Beamten ab, die für die Historiographie zuständig waren. Sie waren die »Macher der Geschichte«. Sie berichteten und bewerteten die Ereignisse, die historischen Personen und ihre Taten nach den Kriterien eines überlieferten Geschichtsverständnisses und bestimmten, was und wer welchen Platz in den Geschichtsbüchern fand. Ihre mehrfach redigierte annalistische Geschichtsdarstellung wurde in offiziellen und (genehmigten) privaten Werken kompiliert, gedruckt und verbreitet. Geschichtsschreibung diente nicht einer wertfreien Darstellung der Vergangenheit. Was man aus der offiziellen Geschichte lernen und ableiten sollte, waren in einem erzieherischen Sinn Lehren und Belehrung für Gegenwart und Zukunft.[4] Historische Präzedenzfälle bildeten eine wesentliche Grundlage für die Staatsräson. Diese pädagogische und moralische Aufgabe kann nicht den Kern einer westlichen Darstellung der Geschichte Ostasiens bilden, doch als genuine und prägende Sichtweise auf die Vergangenheit ist sie auch für eine westliche Geschichte Ostasiens unverzichtbar.
Schon Friedrich Hirth (1845–1927), Gründungsprofessor der Sinologie an der Columbia Universität in New York, stellte am Anfang des 20. Jahrhunderts fest, dass die alte Geschichte Chinas in Ostasien einen ähnlichen Rang besitzt wie die Griechenlands und Roms im Westen.[5] Der Historiker Charles Holcombe versteht unter Ostasien »den Teil der Welt, der einstmals die chinesische Schrift benutzte«.[6] Der berühmte Ostasienwissenschaftler und Harvard-Professor John King Fairbank (1907–1991) definierte Ostasien als »den chinesischen Kulturraum«.[7] Der Japanologe und Historiker Reinhard Zöllner schließlich beschreibt die ostasiatische Geschichte »als die Geschichte desjenigen Teils von Asien, der vom außertropischen Monsun und von der historischen chinesischen Zivilisation geprägt wird«.[8]
Keine der drei ostasiatischen Zivilisationen – hier verstanden als Gesellschaften mit der Fähigkeit, komplexe soziale, politische und ökonomische Organisationsformen auszubilden – hatte traditionell einen Namen für die Region, die im westlichen Kulturkreis früher »Ferner Osten« hieß. Die Bezeichnungen Asien und Ostasien, ebenfalls europäische Erfindungen, waren und sind für die Menschen, die dort leben, ein nützliches Konstrukt.[9] Der Name Asien stammt wohl von der römischen Provinz Asia, deren Name auf die hethitische Landschaftsbezeichnung Assuwa im Nordwesten Kleinasiens zurückgehen könnte.[10]
Anders als seit einigen Jahrzehnten bei den Völkern in Europa gibt es bei den Völkern Ostasiens keine ostasiatische Identität, sondern lediglich eine chinesische, koreanische oder japanische. Diese nationale Identität definierte sich nicht über Rasse, sondern über Sprache und ethnisch-kulturelle Gemeinsamkeit. Der im Westen bis vor kurzem verbreitete Begriff »gelbe Rasse«, den weder Chinesen noch Japaner oder Koreaner vor dem 20. Jahrhundert für sich benutzten, ist ein Konstrukt. Er ist westlichen Ursprungs und stammt wahrscheinlich aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, als der schwedische Naturforscher Carl von Linné (1707–1778) die Menschen nach einer Theorie von Eigenschaften in vier Farben (weiß, rot, schwarz und gelb) einteilte.
In China spielte der Begriff »gelbe Rasse« erst in der Ideologie nationalistischer Kreise des 20. Jahrhunderts eine Rolle, als es um »die gelbe Rasse« als »heilige Rasse«, um »das Überleben von Nation und Rasse« oder um »die Erhaltung der Rasse« ging. In Japan wurde schon früh zwischen dem Volk von Yamato, den historischen Japanern, und anderen, wie zum Beispiel den Ainu, der einzigen überlebenden nicht-japanischen Minderheit von Ureinwohnern, unterschieden. Rasse als ideologischer Begriff wurde aber erst in der Moderne verwendet, wie zum Beispiel von dem militärischen Reformer und Premierminister Yamagata Aritomo (1838–1922), der »China und Japan als kulturell und rassisch gleich« betrachtete,[11] oder bei der Propagierung der »harmonischen Zusammenarbeit zwischen den Fünf Rassen« (Japaner, Chinesen, Koreaner, Mongolen und Mandschuren), besonders seit 1931.[12]
Die Bezeichnungen China, Japan und Korea sind westliche, wenngleich von indigenen Benennungen hergeleitete Schöpfungen, die von den Menschen in der Region selbst nicht verwendet wurden. Die im Westen übliche Bezeichnung China ist von dem Sanskrit-Wort Cina hergeleitet, das sich wohl auf den Lehnsstaat Qin (777–221 v. Chr.) oder den Lehnsstaat Jin (780–369 v. Chr.) der Zhou-Dynastie (1045–221 v. Chr.) bezieht. Noch in der Zeit Marco Polos (1254–1324) und danach wurde China in Europa nicht als eine staatliche Einheit verstanden, sondern der Norden deutlich vom Süden Chinas unterschieden.[13] Nordchina wurde als Catai, Kitaia, Cathaia (Cathay), Kitai oder Khitai bezeichnet, was sich von der chinesischen Eigenbezeichnung Khitan der Liao-Dynastie (907–1125) herleitet. Südchina wurde Mangi genannt oder Manzi – ein abschätziger chinesischer Name für die südchinesischen Völker. Beide Namen tauchen in vielen Quellen auf: Perser und Araber bezeichneten den Süden Chinas als Chin oder Sin. Der Universalgelehrte Gregorius Bar-Hebraeus Abu al-Faraj (1226–1286) erwähnt Cathay als Bezeichnung für China.[14] Und Christoph Kolumbus (1451?–1506), der die Berichte Marco Polos kannte, meinte auf seiner dritten Reise, dass er in Mago (Mangi), einem Teil von Catayo (Cathay), gelandet sei. Der venezianische Seefahrer Giovanni Caboto (ca.1450–ca.1499), auch John Cabot genannt, der 1497 im Auftrag des englischen Königs Heinrich VII. nach Westen segelte und in Nordamerika (Neufundland) ankam, wollte ursprünglich ebenfalls nach Cathay segeln. Der portugiesische Jesuit Bento de Góis (1562–1607) und andere stellten fest, dass Cathay das »eine Land«, nämlich China war.
Die im 1. Jahrtausend v. Chr. verwendete chinesische Bezeichnung Zhongguo (Reich der Mitte) meint ursprünglich das königliche Herrschaftsgebiet, das geographisch im Kerngebiet Chinas in der nordchinesischen Ebene liegt. Historisch betrachtet ist Zhongguo deswegen mit dem Begriff China nicht wirklich synonym, doch kommt es im heutigen Sprachgebrauch der territorialen Bedeutung des Wortes China am nächsten.[15]
Yamato ist die alte Bezeichnung für die Region um die heutige japanische Präfektur Nara. (Als Präfektur wird in Japan heute eine Region mit Verwaltungssitz bezeichnet. Für die vormoderne Zeit spricht man von Provinzen.) Yamato steht gleichzeitig für das japanische Gemeinwesen von ca. 300 bis 710. Yamato hat wohl einen Bezug zur Königin Himiko des Wa-Stammes von Yamatai im 3. Jahrhundert. Die Bezeichnung Nippon für Japan, die japanische Gelehrte 671 prägten, ist vom chinesischen Ribenguo (Land des Ursprungs der Sonne) abgeleitet. Marco Polo nannte Japan daher Cipangu.[16] Bereits die Weltkarte des Venezianers Albertin de Virga von 1411/1415 enthält eine Anspielung auf diesen Namen. Auf dem ältesten Globus des Nürnbergers Martin Behaim (1459–1507) von 1492 ist Cipangu ebenfalls eingezeichnet.[17] Der Name hielt sich bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts. Die chinesische Aussprache wurde im Malaiischen zu Japang, das Portugiesen, die Japan Japao nannten, im 16. Jahrhundert nach Europa brachten. Der Name Korea schließlich geht auf die koreanische Dynastie Koryŏ (936–1392) zurück.
Der Kulturraum Ostasien ist von einer Reihe gemeinsamer kultureller Elemente wie der chinesischen Schrift, dem Konfuzianismus und seinen Klassikern sowie dem Mahayana-Buddhismus geprägt. Die landwirtschaftliche Kultur, vor allem die arbeitsintensive Seiden-, Reis- und Teekultur, bildete in China, Korea und Japan eine wirtschaftliche Grundlage, die sie zum Teil schon seit den Anfängen ihrer Geschichte gemeinsam haben.
Aufgrund seines riesigen Territoriums, der Bevölkerungszahl sowie seiner langen Geschichte mit einer durchgehenden Schriftlichkeit dominierte China von 1200 v. Chr. an zunehmend den gesamten geographischen Raum. Die kulturellen Impulse gingen fast ausschließlich von China aus und waren nicht gegenseitig. Die Mehrheit der Bevölkerung in China bestand aus Chinesen, die seit der Han-Dynastie – nach dem Han-Fluss – Han-Chinesen genannt wurden. Sie schufen und pflegten die konfuzianischen Werte und philosophischen Vorstellungen und etablierten damit eine Familie und Gesellschaft prägende chinesische Identität ebenso wie die Vorstellung des historischen Chinesentums, das von den konfuzianischen Gelehrten als eine kulturelle und ethnische Einheit angesehen wurde.
Die chinesischen Schriftzeichen und die chinesische Sprache dienten den Eliten Ostasiens als lingua franca. In ihr waren die konfuzianischen, die historischen und auch die buddhistischen Texte verfasst, die in allen drei Ländern rezipiert und studiert wurden, und in ihr schrieben vornehmlich die Männer der Eliten Chinas, Koreas und Japans historische, wissenschaftliche, politische und literarische Texte. Vereinfachend kann man sagen, dass in chinesischer Sprache verfasste Texte (es gab auch in chinesischen Schriftzeichen notierte japanische und koreanische Texte, die allerdings für Chinesen unverständlich waren) Ideen über Regierung und Verwaltung, die Bedeutung der Familie, die Ordnung der Gesellschaft, über Riten und Moral verbreiteten. Durch den Mahayana-Buddhismus, der aus Nordindien nach China kam und sich von dort nach Korea und Japan verbreitete, gab es zudem eine gemeinsame religiöse Tradition.
Die Aneignung chinesischer kultureller Leistungen durch Koreaner und Japaner war freilich nie vollständig. Lokale Besonderheiten in Korea und Japan blieben bestehen oder verstärkten sich sogar in der Auseinandersetzung mit chinesischen Kulturimporten. In Japan und Korea entstanden Gesellschaftsordnungen und politische Strukturen, die sich erheblich vom chinesischen Muster unterschieden. So haben das Adelssystem Koreas und Japans, das System der Shōgune als Regenten für den Tennō und eine Reihe weiterer Phänomene in der Geschichte Chinas keine Parallelen.
Für die meisten chinesischen Dynastien vor der Qing-Dynastie (1644–1912) gilt, dass die Regionen Xinjiang, Tibet, Qinghai und die Innere Mongolei (Nei Menggu) weder kulturell noch sprachlich zum chinesischen Kernland Zhongguo gehörten. Dort lebten nomadisierende Stämme, vor allem verschiedene Turkvölker, Uighuren, Tungusen, Tibeter und Mongolen. Die sesshaften und Ackerbau betreibenden Han-Chinesen, die Bewohner des chinesischen Kernlandes, sahen die nicht-sesshaften Stämme, die nach chinesischem Verständnis am Rande des Reiches lebten und deswegen Fremde waren, meist als Bedrohung für ihre Kultur. So wurde die Chinesische Mauer (changcheng) als eine Form der zivilisatorischen Ausgrenzung und ideologischen Abgrenzung, aber auch zum Schutz vor den aggressiven Xiongnu-Nachbarn nach der ersten Reichseinigung durch die Qin-Dynastie (221–206 v. Chr.) entlang der Nordgrenze errichtet.
In China galten Koreaner und Japaner nicht als näher stehende oder womöglich bessere »Barbaren« als etwa Inder, Skythen, Mongolen oder Hunnen. Die koreanischen Bemühungen um ein konfuzianisches Staatswesen wurden in China zwar gelobt, und das Vereinte Silla (668–935) erhielt sogar den Ehrennamen »Land der Edlen« (junzi zhi guo), doch das bedeutete nicht, dass die Beziehungen zwischen Silla und dem Tang-Reich besonders eng gewesen wären. Japan dagegen war in China bis in die Moderne verrufen als »Land der Zwerge« (Woguo) und Land der Piraten und wurde als Staatswesen minderen Ranges angesehen.
Mit Ausnahme einiger Regierungszeiten in den Dynastien Han, Tang und Qing war das historische China wesentlich kleiner als das heutige Staatsgebiet der Volksrepublik China und umfasste eigentlich nur das Territorium, auf dem die Han-Chinesen (und einige ethnische Minderheiten) lebten. Deswegen wird hier die westliche und nordwestliche Grenze Ostasiens entlang der Grenze zu Tibet, Qinghai, Xinjiang und der Inneren Mongolei auf dem Territorium Chinas gezogen. Nur bis dahin reichten vor 1800 die auf konfuzianischen Vorstellungen basierenden und von Han-Chinesen besiedelten und verwalteten Territorien.
Wenn man eine kartographische Darstellung Ostasiens (ohne die Autonomen Regionen Xinjiang, Tibet und die Innere Mongolei einzurechnen) entsprechend den Breiten- und Längengraden auf Europa und Afrika projiziert, dann erstreckt sich das Gebiet von Portugal im Westen bis Anatolien und Syrien im Osten, von der Ostsee im Norden bis in die nördlichen Regionen des Niger.
Im Westen der Volksrepublik China, in Qinghai und Tibet, erheben sich die gewaltigsten horizontalen Landmassen der Erde mit einer mittleren Höhe von 4500 Metern über dem Meeresspiegel. Im Osten Tibets und im Westen Yunnans bilden die V-förmig Hunderte Meter tief eingeschnittenen Schluchten der Flüsse Salween (Nujiang) und Mekong (Lancangjiang) sowie des Jinshajiang, des Quellflusses des Yangzijiang, eine lange von Nord nach Süd verlaufende natürliche Grenze zwischen Tibet und den nach Osten abfallenden Hochplateaus in Yunnan und Guizhou im Süden. Im Norden folgen nach Osten die Lößberglandschaften in den Provinzen Shaanxi und Shanxi. Daran schließen sich die nordchinesische Zentralebene und die östlichen Küstenregionen am Gelben Meer an sowie die ausgedehnten Tieflandgebiete Zentralchinas entlang des Yangzi und seiner Nebenflüsse und schließlich im Süden die flachen Küstenebenen Guangdongs. Dieses Gefälle von West nach Ost bestimmt auch die Fließrichtung der Flüsse Chinas: Der 6380 Kilometer lange Yangzijiang, der Lange Fluss, mündet bei Shanghai ins Ostchinesische Meer, und der 5464 Kilometer lange Huanghe, der Gelbe Fluss, fließt in einem breiten Delta nördlich der Halbinsel Shandong in die Bohai-Bucht. Hinzu kommen der Huaihe, der südlich der Halbinsel Shandong in das Gelbe Meer mündet, sowie der Xijiang (Westfluss) oder Zhujiang (Perlfluss), der in einem weiten Delta südlich von Kanton ins Südchinesische Meer strömt. Das Einzugsgebiet des Yangzijiang allein ist mit 1,8 Millionen km² so groß wie Deutschland, Polen, Frankreich, Spanien, Dänemark und die Benelux-Staaten zusammen. Das Einzugsgebiet des Gelben Flusses mit 750000 km² umfasst ein Gebiet von der Größe Spaniens und des Vereinigten Königreichs.
Die Halbinsel Korea bildet eine natürliche Brücke zwischen China und Japan. Sie misst von Norden nach Süden 1000 Kilometer und von Ost nach West an ihrer breitesten Stelle 240 Kilometer. Über 200 Inseln sind ihr vorgelagert. Die äußerste westliche Landspitze von Korea liegt nur etwa 180 Kilometer von der chinesischen Halbinsel Shandong entfernt, und die Entfernung zwischen der koreanischen Stadt Pusan nach Kitakyūshū im Norden der japanischen Insel Kyūshū ist nur unwesentlich größer. Das sich nahe der Ostküste von Nord nach Süd über mehr als 300 Kilometer erstreckende T’aebaek-Gebirge trennt den schmalen östlichen Küstenrand von den sich erheblich weiter ausbreitenden westlichen Teilen der Halbinsel. Der mit 2744 Metern höchste Berg Paektu liegt an der koreanisch-mandschurischen Grenze im Changbai-Gebirge. Das Gebiet des nördlichen Korea ist fast völlig von großen Gebirgszügen bestimmt. Im Süden strukturieren viele vergleichsweise niedrige Gebirgskämme die Landschaft. Große Ebenen wie in China und Japan sind in Korea nicht vorhanden.
Japan besteht geographisch aus einer Inselkette mit vier großen Inseln (Honshū, Kyūshū, Shikoku und Hokkaidō) und 3000 zum Teil winzigen Inseln im äußersten Osten des asiatischen Kontinents. Die Kette verläuft bogenförmig von Sachalin im Nordosten Sibiriens bis nach Taiwan im Südosten am äußersten Rand des eurasischen Kontinents. Zwei Drittel der Landfläche Japans bestehen aus Gebirgen mit engen und steilen Tälern, nur 13 Prozent aus Tief- und weitere zwölf Prozent aus Hochebenen. Die Gebirge entlang des Pazifischen Ozeans sind bis zu 3000 Meter hoch. Östlich Japans verlaufen zusammenhängend der Kurilen-Kamchatka-, der Japan- und der Isu-Osagawara-Graben mit vertikalen Tiefen von über 9000 Metern. Japan zeichnet sich bis heute wegen seiner Lage am Kontinentalrand Asiens und direkt an der Erdkruste des Pazifischen Ozeans durch tektonische Mobilität und aktiven Vulkanismus mit mehr als 40 aktiven Vulkanen aus.
Klimatisch stehen die Kern- und Küstengebiete Ostasiens unter dem Einfluss des außertropischen Monsuns. Die regenreichen Monsunwinde treffen vom Pazifischen und Indischen Ozean auf die südlichen Küstenregionen Chinas und Japans und wandern landeinwärts. Von Süden nach Norden variieren die Klimazonen: Es gibt die sommerfeuchten Tropengebiete im Süden Chinas und eine feuchte, im Sommer heiße subtropische Zone im südlichen und südöstlichen China, dem südlichen Teil der japanischen Inseln Honshū, Kyūshū und Shikoku und den südlichsten Küstenregionen Koreas. Nach Norden schließen sich in China (von Shandong bis Sichuan), Korea und Japan Klimate an, die durch lange Sommerfeuchte und Wintertrockenheit gekennzeichnet sind. Wollte man in China eine Klimagrenze zwischen dem regenreichen Süden und dem regenarmen Norden festlegen, so verliefe sie entlang des Huai-Flusses im Osten und des Qinling-Gebirges im Westen, also ungefähr entlang des 33. Breitengrads.
Die Klimaregionen im Norden Koreas, Japans und im Nordosten Chinas unterscheiden sich mit ihren heftigen Schneefällen im Winter und gemäßigter Hitze im Sommer deutlich von den weiter südlich gelegenen Regionen. Es ist den klimatischen Bedingungen Ostasiens zuzuschreiben, dass die südlichen Küstenregionen Chinas, die Insel Taiwan und vor allem die Ostküste Japans im Spätsommer und Frühherbst häufig von Taifunen heimgesucht werden, während der Norden Chinas im Winter heftige Kälteeinbrüche aus Sibirien erlebt, die weit nach Süden wirken können.
Um die Veränderung von Bevölkerungszahlen über einen längeren Zeitraum nachvollziehen zu können, müssen Veränderungen des Klimas, die Entwicklung des Ackerbaus und der Landwirtschaft, des Anbaus neuer Feldfrüchte und die Verbreitung von fortschrittlichen landwirtschaftlichen Techniken berücksichtigt werden. Neben der Ernährung spielen auch Sexualverhalten, moralische und religiöse Vorschriften, Körperhygiene, Kindersterblichkeit und Krankheitsbekämpfung eine Rolle. Negative Auswirkungen auf die Bevölkerungszahlen und Einbrüche in den Haushaltsregistern zur Folge hatten vor allem Naturkatastrophen, Epidemien und Hungersnöte, die zumeist regional begrenzt waren und denen Männer wie Frauen zum Opfer fielen. Kriegsverluste dagegen betrafen vor allem die männliche Bevölkerung. In China registrierte man allein für den Zeitraum zwischen 108 v. Chr. und 1911 etwa 1800 mittelgroße bis große Hungerkatastrophen. In Japan belief sich die Zahl zwischen 567 n. Chr. und 1869 auf 281 zumeist regionale Hungersnöte, wobei die Zahlen allerdings erst seit dem 14. Jahrhundert als zuverlässig gelten können. Nicht zu unterschätzen ist auch die durch die Jahrhunderte bestehende freiwillige oder erzwungene Mobilität, die Flüchtlingsströme von China auf die koreanische Halbinsel lenkte oder von Korea nach Japan brachte.[18]
Die Bevölkerung der Shang-Zeit (ca. 1600–1045 v. Chr.) in China wird auf etwa fünf bis zehn Millionen Menschen, die der mittleren Zhou-Zeit um 500 v. Chr. auf 20 Millionen Menschen geschätzt. Bis zum Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. könnte die Bevölkerung auf etwa 86 Millionen angewachsen sein. Schon in der Han-Zeit sind jedoch Pestepidemien in Nordchina verzeichnet. Die erste Pockenepidemie (hudou) ist 495 dokumentiert. Während des 7. Jahrhunderts wütete in Nordchina immer wieder die Pest. Im Jahr 754 waren etwa 53 Millionen Menschen in Haushaltsregistern erfasst. Infolge von Kriegswirren, Epidemien und großen Hungersnöten nahm die Bevölkerung zwischen 875 und 884 und 960 jedoch dramatisch ab. Erst im Jahr 1003, während der Song-Dynastie (960–1279), wurden wieder etwa 34 Millionen Menschen registriert.
Ein großer Unsicherheitsfaktor im Leben der Bevölkerung Chinas war im 11. und 12. Jahrhundert der Gelbe Fluss, der sein Flussbett achtzehnmal weiträumig veränderte. Dies hatte jeweils katastrophale langjährige Auswirkungen auf die betroffenen Siedlungsgebiete und deren landwirtschaftliche Produktion. Um 1110 belief sich die registrierte Bevölkerung der Song-Dynastie und der Liao-Dynastie zusammen auf ungefähr 110 Millionen Menschen. Damit lebte zu Beginn des 12. Jahrhunderts mindestens ein Drittel der Menschheit in Ostasien. Rein zahlenmäßig stellten die Han-Chinesen mit einem Anteil von etwa 90 Prozent an der Gesamtbevölkerung damals die größte Bevölkerungsgruppe Ostasiens.
Zwischen 1223 und 1264 kam es zu einem großen demographischen Einbruch in China, für den mehrere Faktoren verantwortlich waren, zum einen Konflikte wie die mongolische Eroberung der Jin-Dynastie 1234 und die Kriege gegen die Song bis 1279, zum anderen verschiedene Epidemien. 1233 starben in Kaifeng, der Hauptstadt der Jin-Dynastie, binnen zwei Monaten fast eine Million Menschen an der Pest.[19] Da die Gesamtbevölkerung um 1292 etwa 75 Millionen Menschen betragen hat, muss sich der Bevölkerungsverlust in den 60 vorangegangenen Jahren auf etwa 30 Millionen Menschen belaufen haben.[20]
Im Jahr 1403 wurden bei einer Volkszählung etwa 67 Millionen Einwohner erfasst. Bis 1500 wuchs die Bevölkerung auf 155 Millionen, eine Zahl, die auch für 1600 angenommen wird. Nach anderen Schätzungen kann die Einwohnerzahl um 1600 auch 231 Millionen betragen haben.[21] Die Syphilis, die 1505 nach China gelangte, hatte auf die Einwohnerzahl keine Auswirkungen. In den Wirren der späten Ming- und zu Beginn der Qing-Dynastie mag die Bevölkerungszahl stagniert haben. Bis 1766 stieg sie allerdings auf etwa 208 Millionen Menschen. Etwa zwei Prozent der Qing-Bevölkerung waren Mandschuren. Die in den nachfolgenden Jahrzehnten zu beobachtende Bevölkerungsexplosion ist nicht nur einer besseren Haushaltserfassung zuzuschreiben, sondern auch der verbesserten Ernährung, Hygiene und Kinderversorgung. Bis 1794 stieg die Bevölkerung Chinas auf 313 Millionen Menschen, 1812 lag sie bei 361 Millionen.
In Korea lebten im 3. Jahrhundert auf dem Territorium der Föderationen der Drei Han (Samhan) südlich von Seoul geschätzte 1,2 Millionen Menschen. Die Bevölkerung in Koguryŏ im Norden belief sich 668 auf etwa 3,5 Millionen Menschen, von denen 200000 zur Migration ins Tang-Reich gezwungen wurden.[22] Von 1392 bis zum Ende des 16. Jahrhunderts wuchs die Bevölkerung von 5,5 auf etwa zehn Millionen Menschen an. Nach den Invasionen der Japaner und Mandschuren fiel die Zahl auf unter acht Millionen Einwohner. Erst 1693 erreichte Korea eine Einwohnerzahl von etwa zwölf Millionen Menschen. Um 1732 lebten etwa 13 Millionen Menschen in Korea. Andere Schätzungen gehen um 1750 von 18 Millionen Einwohnern aus.
Auf den japanischen Inseln mögen im Neolithikum zwischen 120000 und 260000 Menschen gelebt haben.[23] Bis zum Jahr 300, dem Ende der Yayoi-Periode, könnte die Einwohnerzahl auf bis zu 4,5 Millionen Menschen angestiegen sein. Auch in Japan wurde das Bevölkerungswachstum durch Epidemien wie die Pocken gehemmt. Um 750 lebten in Japan etwa fünf Millionen Menschen. Die Zeit zwischen 700 und etwa 1050 wird auch als das Zeitalter der Epidemien bezeichnet. Es ist bei den Epidemien oftmals unklar, ob es sich um Pocken, Masern, Mumps, Virusgrippe oder Ruhr handelte, auch die Pest wurde in der modernen Forschung oft in Erwägung gezogen. Epidemien und Hungersnöte trugen dazu bei, dass die Bevölkerungszahl kaum zunahm. Die durchschnittliche Lebenserwartung mag bei 30 Jahren gelegen haben. Um 950 belief sich die Zahl der Einwohner daher auf höchstens 5,6 Millionen Menschen. Bis etwa 1150 blieb die Zahl bei unter sieben Millionen Einwohnern.[24] Auch im 13. Jahrhundert kam es zu keiner Verbesserung der Lage. Verheerende Hungersnöte, ausgelöst durch schwere Regenfälle und Missernten, wurden in den Jahren 1229 bis 1232 und 1257 bis 1260 verzeichnet. Der Grund für die kalten und nassen Wetterbedingungen war, dass die durchschnittliche Jahrestemperatur in diesem Jahrhundert gegenüber früheren Jahrhunderten weltweit um ein Grad Celsius gefallen war. Als mögliche Ursache dafür werden eine geringere Sonnenaktivität und weltweite Vulkanaktivitäten angenommen, die um 1257 ihren Höhepunkt erreichten. Sie lösten durch Staubschleier einen anhaltenden Kälteeinbruch und damit die erste wahrhafte Existenzkrise in der Landwirtschaft Japans aus. Um 1280 wird die dortige Einwohnerzahl auf 5,7 bis 6,2 Millionen Menschen geschätzt. Auch die Jahrzehnte zwischen 1280 und 1370 waren von Epidemien, Hungersnöten und Kriegen gekennzeichnet. Um 1450 lebten gerade einmal etwa zehn Millionen Menschen auf den Inseln. Auch das 15. und das 16. Jahrhundert waren von Hungersnöten, Missernten und Epidemien geprägt. Zusätzlich verbreitete sich seit 1512 die Syphilis, »chinesische Pocken« (tōgasa) genannt, in Japan. Ein demographisches Wachstum setzte erst ein, als die großen Epidemien und Hungersnöte nicht mehr so häufig auftraten wie in den früheren Jahrhunderten. Um 1600 lebten zwischen 15 und 17 Millionen Menschen auf den japanischen Inseln. Ein Grund für die Zunahme war womöglich die gleichmäßigere Verteilung von Ressourcen zwischen der »parasitären« Elite und den Produzenten von Lebensmitteln und anderen Gütern. 1721 lebten ca. 31,3 Millionen Menschen auf den japanischen Inseln.
In China gibt es große Unterschiede in Sprachen und Dialekten. Der Lebensraum der später auch »Han-Menschen« genannten Chinesen, die Chinesisch sprachen, war ursprünglich in Nordchina. In den heutigen Provinzen Süd- und Südwestchinas lebte eine Vielzahl von Völkern und Stämmen, die kein Chinesisch sprachen. Sie galten nicht als Han-Chinesen und werden heute als nationale ethnische Minderheiten (shaoshu minzu) bezeichnet.
Die tonale chinesische Sprache, die aus etwa 400 Silben besteht, bildet die größte und bedeutendste Gruppe innerhalb der Sino-Tibetisch-Burmesischen Sprachen. In China spricht die Mehrheitsnationalität der Han-Chinesen Chinesisch, wobei wiederum das Nordchinesische, in der Ming-Zeit als Beamtensprache (guanhua), seit dem 20. Jahrhundert auch als Nationalsprache (guoyu) bezeichnet, dominiert. Das Han-Chinesische lässt sich in acht Hauptdialekte mit vielen Unterdialekten einteilen. Die Schriftzeichen haben keine alphabetische Phonetik, sondern stellen jeweils monosyllabische Wörter dar. Im Lauf der chinesischen Geschichte entstanden etwa 87000 Schriftzeichen. Heute sind in gedruckten Texten noch bis zu 12000 Schriftzeichen in Gebrauch. Die Beziehung der Schriftzeichen, die ohne Beugung gebraucht werden, zueinander wird in der Regel durch ihre Stellung innerhalb des Satzes bestimmt. Die Reihenfolge der Satzteile ist vergleichsweise streng: Subjekt, Prädikat, Objekt.
Im Gegensatz zum Chinesischen gehört das Japanische zusammen mit dem Koreanischen zur Gruppe der polysyllabischen agglutinierenden nordostasiatischen Sprachen. Agglutinierend bedeutet, dass Wörter durch Hinzufügung (»Ankleben«) von entsprechenden Endungen an einen Wortstamm gebildet werden. Die Stellung der Satzteile ist Subjekt, Objekt, Prädikat. Beide Sprachen nahmen im Lauf der Zeit unzählige Wörter aus dem nicht verwandten Chinesischen in ihre Sprache auf, die dann dem koreanischen beziehungsweise japanischen Lautsystem angepasst wurden. In Japan gab es mindestens zwei Lesungen für jedes Schriftzeichen, die Kun-Lesung, eine der japanischen Lautstruktur angepasste Lesung, und die sino-japanische On-Lesung.
In Japan wurden die chinesischen Schriftzeichen vermutlich im Jahr 285 n. Chr. übernommen.[25] Da die chinesischen Wortschriftzeichen (kanji) keineswegs zu der vollkommen anders aufgebauten japanischen Sprache passten, wurde bis zum 9. Jahrhundert eine Silbenschrift (kana) für die 47 Grundsilben des Japanischen aus den chinesischen Schriftzeichen abgeleitet. Mit der Silbenschrift wurde ab dem 10. Jahrhundert auch Prosa geschrieben. Erst in der Edo-Zeit erhielt diese Schrift den heutigen Namen hiragana. Die zweite Silbenschrift, katakana, entstand etwa zur selben Zeit. Diese Schrift wurde aus Teilen chinesischer Zeichen gebildet und für die Transkription von buddhistischen Gebeten und für die japanische Lesung chinesischer Texte verwendet. Eine Besonderheit in Japan bilden die Ainu (wörtlich »Mensch« oder »Mann« in der Sprache der Ainu), die Ureinwohner der Insel Hokkaidō, der Kurilen und der Halbinsel Sachalin, die sich ursprünglich in ihrer Sprache und äußerlich durch ihre stärkere Körperbehaarung sowie vor allem in ihrer Lebensweise von den Japanern unterschieden.
In Korea wurden die chinesischen Schriftzeichen benutzt und Texte in chinesischer Schriftsprache (kor. hanmun) verfasst. Hanmun war vom 3. Jahrhundert n. Chr. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Schrift- und Literatursprache Koreas. Wahrscheinlich besteht auch heute noch mehr als die Hälfte des koreanischen Vokabulars aus Lehnwörtern aus dem Chinesischen. Einen Versuch, die Diskrepanz von Sprache und Schrift zu überbrücken, bildete im 7. Jh. die Beamtenschrift idu, in der die chinesischen Schriftzeichen mit zusätzlichen grammatischen Formen entsprechend der koreanischen Syntax verwendet wurden, was das Lesen von chinesischen Texten erleichterte. Im 10. Jahrhundert wurde der Kaesŏng-Dialekt, so genannt nach der Hauptstadt der Koryŏ-Dynastie, zur Standardsprache. Im Jahr 1443 schuf eine wissenschaftliche Kommission auf Befehl des Chosŏn-Königs Sejong (reg. 1418–1450) eine phonetische Buchstaben-Silben-Schrift, »die koreanische Schrift« han’gŭl, die ursprünglich aus 28 Zeichen (17 Konsonanten und elf Vokalen) bestand. Sie fand hauptsächlich für die Transkription der Aussprache chinesischer Schriftzeichen Verwendung. Dieses phonetische Alphabet gilt vielen Sprachwissenschaftlern als das wissenschaftliche Schriftsystem überhaupt. Amtlich wird han’gŭl seit 1894 in Korea benutzt. Die moderne Schrift umfasst insgesamt 40 Buchstaben-Elemente.
Allgemein kann man feststellen, dass im vormodernen Ostasien eine Vielzahl religiöser Vorstellungen, Praktiken und Riten existierte. In China waren der indigene Konfuzianismus (ru) und Daoismus (dao) und die erst seit der Han-Zeit hinzugekommene Fremdreligion des Buddhismus (fo) als die drei Lehren (sanjiao) bekannt. Der italienische Jesuit Matteo Ricci (1552–1610) hielt den Konfuzianismus für die älteste »Religion« in China, die sich durch den Ahnenkult, der in allen Schichten durch Opfergaben (an die Ahnen) praktiziert wird, auszeichnete. In Japan kam neben dem Buddhismus dem schon früher vom Festland importierten Schamanismus, aus dem sich der Shintoismus (kami no michi, »Weg der Götter«) als die eigentliche Religion Japans entwickelte, seit dem 7. Jahrhundert besondere Bedeutung zu. In ihm werden die lokalen kami (gottgleiche Wesenheiten), die allen Wesen und Dingen innewohnen, verehrt, weshalb der Shintoismus untrennbar mit der japanischen kaiserlichen Familie und dem Entstehen der japanischen Kultur verbunden ist.
Weder im vormodernen Japan noch in China oder Korea kannte man jedoch wie im Christentum einen Begriff für Religion, Kirche oder Liturgie. Heute verwendet man den chinesischen Begriff zongjiao (die Lehre von den Ahnen) in der Bedeutung von Religion. Diese Bezeichnung macht den wichtigsten inhaltlichen Bezugspunkt für die gelebte Religiosität in Ostasien deutlich: den Ahnenkult.
Dieser reicht in China mindestens in die Shang-Dynastie zurück. Die Kindespietät (xiao), die Ehrerbietung der Kinder für die Eltern, war schon in der Zhou-Dynastie bedeutsam. Bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. stellte Zeng Shen, ein Schüler des Konfuzius, fest, dass die grundlegende Lehre des Volkes die Kindespietät sei. Ahnenkult und Kindespietät waren untrennbare Bestandteile des Konfuzianismus und wurden in allen Dynastien propagiert und praktiziert. Sie fanden in der Song-Zeit ihre für die späteren Jahrhunderte verbindliche Form. Die Ahnenhalle beziehungsweise der Ahnenaltar war das spirituelle Zentrum der Familie. Dort wurden die Opfer an die Ahnen dargebracht. Das galt für die kaiserliche Familie mit ihrem aufwendigen Ahnenkult ebenso wie für Beamte und alle anderen Untertanen. Die Kindespietät (xiao) war eine Charaktereigenschaft, deren Lobpreisung in den posthumen Ehrentiteln der Kaiser unverzichtbar war. Darstellungen der Kindespietät in Wort und Bild sind in China seit der Han-Zeit bekannt. Seit der Yuan-Dynastie waren die »Vierundzwanzig Geschichten der Kindespietät« (Ershisi xiao) in ganz Ostasien verbreitet.
Auch in Korea und Japan waren Ahnenbräuche, die für die Seelen der Verstorbenen durchgeführt wurden, schon vor der Einführung des Konfuzianismus und des Buddhismus bekannt. In Japan gab es spätestens seit dem 7. Jahrhundert Zeremonien für die Ahnen unter buddhistischen Vorzeichen. Im koreanischen Schamanismus beeinflussten von jeher Ahnengeister das religiöse Leben, weswegen der chinesische Ahnenkult problemlos übernommen werden konnte. Bereits in der Silla-Dynastie gehörte die Verehrung der Vorfahren im Ahnenkult zu den Aufgaben des Familienoberhauptes. In Chosŏn (1392–1910) wurde dann der Ahnenkult in Form von Riten (chesa) strikt nach der konfuzianischen Familienordnung praktiziert.
Das alltägliche Leben und Handeln der Menschen in Ostasien war von der konfuzianischen Verhaltensdoktrin, den daoistischen oder buddhistischen Glaubensvorstellungen und Heilsversprechungen beeinflusst. Doch noch wichtiger waren astrologische, divinatorische, geomantische und andere kosmologische Vorstellungen, Vorhersagepraktiken, schamanische Rituale, das Wirken von Geistern und Glück oder Unglück bringende Vorzeichen, die sich auf das Leben jedes einzelnen Individuums auswirken konnten. Diese Omina und ihre Deutung beherrschten das Leben. Große Bedeutung kam dabei den Praktiken der ursprünglich daoistischen Yin-Yang-Kosmologie (chin. yinyang, jap. ommyō, kor. ŭmyang) in Verbindung mit den Fünf Phasen, Fünf Elementen oder Fünf Agentes (chin. wuxing, jap. gogyō, kor. o-haeng) zu. Der Daoismus wird als authentische volksreligiöse Bewegung erst im 2. Jahrhundert n. Chr. greifbar. Er war von religiösen Praktiken geprägt wie Atem-, Kampf- und Sexualtechniken, Ernährung und Diätetik sowie von Vorstellungen von Langlebigkeit und Unsterblichkeit.
In Ostasien gab es weder eine offizielle, das öffentliche Leben dominierende Staatskirche noch konfessionell gebundene Herrscher wie in den europäischen Monarchien.[26] Kriege im Namen einer Religion oder zur Durchsetzung der Vorherrschaft eines Glaubens wurden in Ostasien nie geführt. Die Höherrangigkeit von weltlicher Herrschaft gegenüber jeder Form von Religion, gleichgültig ob Buddhismus, Daoismus oder Shintoismus, wurde so gut wie nie ernsthaft in Frage gestellt. Matteo Ricci beschrieb in seinem um 1608 verfassten Werk »Vom Eintritt der Gesellschaft Jesu und des Christentums in China« die Glaubensrichtungen, denen er in China begegnet war. Er betrachtete den Konfuzianismus als eine ethische Lehre, die auf pragmatischer Vernunft basiert. Deswegen unterstanden Buddhismus und Daoismus auch den konfuzianischen Gelehrten, die das ganze Land beherrschten. So war es kein Widerspruch, Konfuzianer zu sein und gleichzeitig Buddhist oder Daoist. Buddhismus und Daoismus ließen auch weitere Glaubensoptionen offen. Im Unterschied zu den monotheistischen Religionen des Christentums, des Islams und des Judentums musste niemand ein exklusives Bekenntnis zu einer Religion abgeben.
Wie in China wurde auch in Korea von den Konfuzianern sowie den buddhistischen Mönchen und ihren Einrichtungen erwartet, dass sie den Staat unterstützten. Offizielle Konfuzius-Tempel entstanden in China jedoch erst als Nachahmung der buddhistischen, um die staatlich geregelte Verehrung von Konfuzius auch in der Gemeinschaft der städtischen Oberschicht zu verankern. In Japan, wo der Tennō durchgehend bis 1945 als Shintō-Gottheit verehrt wurde, waren die Shintō-Priester in den Dienst am Staat eingebunden.
Auch in Ostasien gab es allerdings individuelle Formen von Religiosität. Sie kamen in einer religiösen Haltung – in der christlichen Religion wäre es Frömmigkeit – zum Vorschein, die auf der Suche nach dem Absoluten auch als eine Welt- und Selbstdeutung interpretiert werden kann. Zu ihren extremen oder höchsten Formen gehörten nicht nur die unzähligen Beispiele konfuzianischer Selbstaufopferung[27] oder buddhistischer Selbstopferung und Selbstverbrennung,[28] sondern auch das Experimentieren mit Drogen, das sich auf daoistische Vorstellungen gründete. Ein Ziel dieser Praktiken war es, Raum und Zeit zu überwinden, die Grenzen der Individualität aufzuheben und zu einem höheren Wesen, dem authentischen Menschen (zhenren), zu werden. In der Überzeugung und dem frommen Glauben, dass daoistische Meister den Schlüssel zu dieser einzigartigen Welterfahrung besäßen, unternahmen viele Kaiser Versuche mit (tödlichen) Elixieren der Unsterblichkeit, von denen sie sich neue Perspektiven für ihr eigenes Leben erhofften.
Ähnlich wie in der yinyang-Theorie bildeten die inhaltlichen Werte des Begriffspaars wen und wu theoretisch die idealisierten Modelle sich ergänzender Gegensätze zum Gemeinwohl aller. Alle Angehörigen der chinesischen Oberschicht orientierten sich in ihrer individuellen Bildung und Ausbildung an diesen Werten. In seiner ursprünglichen Bedeutung bezeichnet das Schriftzeichen wen »Muster« oder »Markierung«, »Striche, Linien, Ornamente«, danach auch »Schriftzeichen«, was dann schnell als geschriebene Sprache und Literatur verstanden wurde. Ein wenren, ein Mensch der Schrift, war ein Literat oder Gelehrter, ein ziviler und kultivierter Mensch – im Gegensatz zum wuren, dem gewaltbereiten, kriegerischen Menschen, einem Angehörigen des Militärs. Das Schriftzeichen wu ist aus dem Verb »bleiben« und dem Substantiv »Speer« gebildet und impliziert Stärke und Tapferkeit. Das Gegensatzpaar wenwu bedeutet je nach Kontext »zivil und militärisch«, »gesittet und mannhaft«, »sanftmütig und gewalttätig«, »Literatur und Waffen«, »friedvolle Beschäftigung und kriegerisches Handwerk«. Der Philosoph Dong Zhongshu (170–104 v. Chr.) beschrieb das Leitmotiv konfuzianischen Verhaltens: »Bildung (wen) und Tugend (de) gelten als vornehm, kriegerisches Verhalten (wu) als minderwertig.« In allen chinesischen Dynastien kam dem Element wen, dem Zivilen und der kulturellen Bildung, größere Bedeutung zu als dem Element wu, dem Militärischen, dem körperlich Starken und Wagemutigen.
Die Beispiele par excellence in der chinesischen Geschichte für das personifizierte wen und wu datieren vom Anfang der Zhou-Dynastie um die Mitte des 11. Jahrhunderts v. Chr. Damals nahm der Herzog von Zhou (gest. 1050 v. Chr.) den Titel Wenwang, »der kultivierte König« oder »der vollkommen gebildete König«, an. Sein Sohn, König Wu (gest. 1043 v. Chr.), »der Kriegerische«, besiegte 1045 mit seiner Armee die Shang-Dynastie. König Wen wurde durch die konfuzianische Ideologie der Zhou-Zeit zu einem Beispiel eines tugendhaften Herrschers, König Wu zum Muster eines tatkräftigen Herrschers. Wen und wu galten seitdem als die höchsten Auszeichnungen in posthumen Titeln von Monarchen.
Mehr als 800 Jahre später, in der Han-Zeit, wird diese Namensgebung in den posthumen Tempelnamen zweier Kaiser aufgegriffen: des Kaisers Wendi (reg. 179–157 v. Chr.), »des Zivilen« (er war der erste konfuzianische Kaiser in der Geschichte Chinas), und des Kaisers Wudi (reg. 141–87 v. Chr.), »des Kriegerischen«. Auch nachfolgende Dynastien übernahmen die Bezeichnungen wen und wu, um einzelne Herrscher und ihren Herrschaftsstil posthum auszuzeichnen.
Die politische Bedeutung des Gleichgewichts von wen und wu wird auch später offensichtlich. 980 lautete die Frage für den Aufsatz bei den zivilen Beamtenprüfungen: »Was steht an erster Stelle, wen oder wu?« Im Jahr 1000 hieß das Thema für die Komposition der Rhapsodie (fu): »Betrachte das wen des Menschen, das alles unter dem Himmel verändert.«
Bei den Namen japanischer Herrscher kommen die Schriftzeichen wen (jap. bun oder mon) und wu (jap. mu oder bu) nicht so häufig vor. Nur der Herrscher Mommu (reg. 697–707) vereint in seinem Namen »das Zivile« mit dem »Kriegerischen«. Ein bujin, ein kriegerischer Mensch, war zunächst ein unzivilisierter Militär. Erst mit dem Aufstieg der professionellen Krieger (bushi) seit 721 und der Samurai während des Kamakura-Shōgunats (1192–1333) wurde die Beschäftigung mit Literatur, Kunst und der Teezeremonie, die einen kultivierten Menschen (bunjin) ausmachten, auch zum Bestandteil der Samurai-Ausbildung, wodurch der Samurai bu und bun in seiner Person vereinigen konnte.
Im Gegensatz zu Japan spielte die Unterscheidung zwischen dem »zivilen« und dem »kriegerischen« Element in Korea eine bedeutende Rolle für die Struktur der Gesellschaft. Von der Koryŏ-Dynastie bis zum Ende der Chosŏn-Dynastie dominierten die Yangban, die Zwei Klassen. Diese Bezeichnung bezog sich in der Koryŏ-Dynastie zunächst auf die Zivilbeamten (munban) und die Militärbeamten (muban). Ab dem 16. Jahrhundert stand der Begriff Yangban nicht mehr für zwei unterschiedliche Gruppen, sondern insgesamt für den privilegierten Erbadel an der Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie.
In Ostasien wurde der einzelne Mensch jeweils als Teil eines Ganzen, eines Organismus und eines Zyklus, der vor ihm begann und über ihn selbst hinausreichte, verstanden. Das war sein Platz in der natürlichen Ordnung. Mit Hilfe des Begriffspaars yin und yang (das Weibliche und das Männliche), das schon aus den frühesten Klassikern, dem Yijing (Klassiker der Wandlungen) und dem Shijing (Klassiker der Oden), als dualistisches Prinzip bekannt ist, versuchten die Chinesen, die Zusammenhänge in Natur und Universum auf eine rationale Basis der Interaktion zu stellen. Im Huangdi neijing (Klassiker der Inneren Medizin) aus der Han-Zeit findet sich die Erklärung:
»Das Prinzip von Yin und Yang ist die Grundlage des ganzen Universums. Es liegt allem in der Schöpfung zugrunde. Es sorgt für die Entwicklung der Elternschaft, es ist die Wurzel für Leben und Tod, es kann in den Tempeln der Götter gefunden werden […]. Der Himmel wurde durch die Konzentration von Yang, der Kraft des Lichtes, geschaffen, die Erde durch die Konzentration von Yin, der Kraft der Dunkelheit.«[29]
Yin und Yang sind abhängig voneinander und ergänzen sich, doch das yang-Agens war immer das leicht dominierende, ohne dabei das yin-Agens zu unterdrücken. Das yinyang-Symbol ist das taiji, ein Kreis, der durch eine Trennlinie, die wie ein gespiegeltes lateinisches »S« aussieht, in eine weiße und eine schwarze Hälfte geteilt ist. Es ist das Absolute oder Ur-Eine, das die Zweiheit enthält und von dem diese zugleich ausgeht. Zwar taucht es erst in der Song-Zeit als philosophisch interpretiertes graphisches Symbol auf, doch als bildliches Motiv ist es bereits auf neolithischen Spinnwirteln zu finden. Yang und Yin stehen für das Männliche und Weibliche, für Himmel und Erde, Sonne und Mond, positiv und negativ, hart und weich, hell und dunkel, Drachen und Tiger und viele andere Gegensätze. Im Fall der Balance zwischen Yang und Yin herrscht Harmonie, was sich positiv auf Kreativität, Nachkommenschaft, Ernten und andere Bereiche auswirkt, im gegensätzlichen Fall führt es zu politischem Chaos, zu Naturkatastrophen und Krankheiten. Der Philosoph Zou Yan (ca. 305–240? v. Chr.) unternahm den Versuch, die yinyang-Lehre mit den Fünf Agentes oder Wirkungsphasen (wuxing) zu verbinden. Sie beschreibt jedoch keine chemische Theorie, sondern Prozesse, die als Wandlungszyklen verstanden wurden. Die Agentes, die alle Dinge (wanwu, d.h. »die zehntausend Dinge«) hervorbringen, sind Wasser, Feuer, Holz, Metall und Erde. Mit dem jeweiligen Agens wurden Materien oder Eigenschaften wie die Fünf Farben (Schwarz, Rot, Blau, Weiß, Gelb), die Fünf Getreide, die Fünf (atmosphärischen) Wirkkräfte, die Fünf Planeten, die Fünf Himmelsrichtungen usw. assoziiert. Die kontinuierliche Abfolge der Fünf Agentes nacheinander wurde auch mit dem Aufstieg und Niedergang der Dynastien in Zusammenhang gebracht und eröffnete eine Sichtweise auf die Zeit und die Geschichte, die nach diesem Modell nur zyklisch sein konnte, so wie auch die Jahreszeiten einem sich immer wiederholenden Kreislauf folgten.
In Korea verbreiteten sich die yinyang-Lehre (kor. ŭmyang) und die Lehre von den Fünf Agentes (kor. o-haeng) zusammen mit der konfuzianischen Lehre bereits im 4. Jahrhundert. Im 7. Jahrhundert wurde die yinyang-Lehre auch in Japan unter der Bezeichnung ommyō oder auch der »Weg von Yin und Yang« (ommyōdō) eingeführt und eine entsprechende staatliche Einrichtung geschaffen, das Büro für Divination (ommyōryō). Dieses befasste sich unter anderem mit der Beobachtung der Himmelserscheinungen und ihrer Interpretation sowie mit der Kalenderberechnung und Zeitmessung.
Vor der Einführung des gregorianischen Kalenders 1873 in Japan und 1912 in China gab es in Ostasien drei Arten der kalendarischen Erfassung von Jahren, die allesamt aus China stammten: den Kalender des 60-Jahre-Zyklus, den Kalender der 24 Jahresperioden und die Regierungsdevisen der jeweiligen Herrscher. Die Uhrzeit wurde in Ostasien in Doppelstunden gerechnet: Der Tag begann mit der Stunde der Ratte zwischen 23 und 1 Uhr nachts, gefolgt von der Stunde des Rindes zwischen 1 und 3 Uhr morgens usw. Die Länge einer Doppelstunde konnte jedoch unterschiedlich lang sein, je nach Jahreszeit, Tag oder Nacht.
Nach chinesischem Verständnis ist der Herrscher auch Herr über Raum und Zeit. Daraus erklärt sich, warum in der Geschichte Chinas mehr als einhundert Kalenderreformen stattfanden. Das Jahr 841 v. Chr. ist dabei das früheste in einem Kalender vermerkte Jahr der chinesischen bzw. ostasiatischen Geschichte. Seit diesem Jahr basieren die Kalender auf dem 60-Jahre-Zyklus, und seither stimmen auch die unterschiedlichen kalendarischen Aufzeichnungen im Zhushu jinian (Bambusannalen) aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. und im Shiji (Aufzeichnungen des Historikers) überein. Den Kalender des 60-Jahre-Zyklus (chin. jiazi), der aus den Zehn Himmelsstämmen (chin. tiangan) und Zwölf Erdzweigen (chin. dizhi) besteht, gab es bereits in der chinesischen Shang-Dynastie. Die Zeichen der Zehn Himmelsstämme wurden zum Zählen der Tage in Zehner-Gruppen, die Zwölf Erdzweige zum Zählen der zwölf Monate benutzt. Spätestens seit der Han-Dynastie wurden die Zehn Himmelsstämme mit den Zwölf Erdzweigen fortlaufend kombiniert, wodurch man 60 Kombinationen erhielt, mit deren Hilfe man Tage, Monate und Jahre zählen konnte. Seitdem wird jedes Jahr und jeder Tag mit einem solchen Doppelzeichen bezeichnet. Dazu wurden die Zeichen der Zwölf Erdzweige auch für die Anzeige der Doppelstunden verwendet. Die Zwölf Erdzweige werden auch oft durch die Namen der zwölf Tiere des chinesischen Tierkreises ersetzt. Die Entsprechungen sind: zi für Ratte, chou für Rind, yin für Tiger, mao für Hase, chen für Drache, si für Schlange, wu für Pferd, wei für Schaf, shen für Affe, you für Hahn, xu für Hund, hai für Schwein. In Korea ist das System des 60-Jahre-Zyklus (kor. kapcha) seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. in Gebrauch, in Japan seit 604 (unter der Bezeichnung kōshin).
Der Kalender der 24 Jahresperioden (chin. ershisi jieqi, jap. nijūshi-setsu; kor. isip-sa chŏlgi), oft auch Bauernkalender (nongli) oder Mondkalender (yinli) genannt, wurde wahrscheinlich bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. festgelegt, war aber mit Sicherheit seit 140 v. Chr. überall in China im Gebrauch und ist bis heute im chinesischen Kulturraum verbreitet. Das Jahr besteht aus 24 Perioden, die zwei Wochen umfassen. Jede dieser Perioden hat einen Namen, der auf ihre jahreszeitliche Ausprägung verweist. Die Koreaner übernahmen das Kalendersystem mit den 24 Bezeichnungen von den Chinesen (wann genau, ist nicht bekannt), und 604 folgten die Japaner. Im Jahr 862 der Heian-Zeit wurde der chinesische Kalender von 822 übernommen und etwa 800 Jahre beibehalten.
Der Kalender der 24 Jahresperioden kombiniert Sonnen- und Mondjahr. Die Monate des chinesischen Kalenders, allgemein als Mondkalender bezeichnet, sind synodische Monate mit 29 oder 30 Tagen, die jeweils bei Neumond beginnen. Dem Kalender liegt aber das Sonnenjahr zugrunde. Aus dem Unterschied von Mond- zu Sonnenjahr ergibt sich die Notwendigkeit, einen Schaltzeitraum einzuschieben. Alle zwei oder drei Jahre wurde ein Schaltmonat an bestimmte Monate angeschlossen.
Acht Termine waren in diesem Kalender besonders wichtig. Dies waren die Sommer- und Wintersonnenwende, nach moderner Zeitrechnung der 21./22. Juni und der 21./22. Dezember, die Tag- und Nachtgleiche im Frühling und Herbst am 22. März und am 24. September und der Beginn der vier Jahreszeiten: Frühling (5. Februar), Sommer (6. Mai), Herbst (8. August) und Winter (8. November). Zwischen diesen Orientierungsdaten liegt jeweils ein Zeitraum von etwa 46 Tagen.
Seit der Han-Zeit war es Brauch, dass der Herrscher neben seinem Geburts- auch einen Tempelnamen (miaohao) erhielt, der ihm posthum verliehen wurde und unter dem er in den kaiserlichen Ahnenkult einging. Dieser Tempelname richtete sich nach der Stellung des Kaisers als Herrscher innerhalb der Genealogie. Da die Namen der Kaiser zu deren Lebzeiten tabuisiert waren, bezeichnete man die jeweilige Phase ihrer Herrschaft statt mit dem Namen mit ihren Regierungsdevisen (nianhao). Sie waren 163 v. Chr. unter dem Han-Kaiser Wendi als Wahlsprüche und als Instrumente der zeitlichen Gliederung einer Regierungszeit eingeführt worden. Sie waren auch nützlich für die Gliederung von Zeiträumen, die länger als 60 Jahre andauerten. Man vervollständigte sie mit zusätzlichen Angaben wie erstes Jahr, zweites Jahr usw. Endgültig etabliert hat die Regierungsdevisen der Han-Kaiser Wudi 140 v. Chr. mit der Regierungsdevise Jianyuan (Den Anfang einrichten).
Die Regierungszeit eines Herrschers endete mit seinem Tod, während die Regierungsdevise noch bis zur Ausrufung der neuen Regierungsdevise des Nachfolgers galt. So wurde der Ming-Kaiser Chengzu (reg. 1402–1424) am 17. Juli 1402 inthronisiert, doch seine Regierungsdevise Yongle (Immerwährende Freude) begann am 23. Januar 1403 und dauerte bis zum 19. Januar 1425, obwohl er bereits am 12. August 1424 gestorben war. Regierungsdevisen wurden bis zum Ende des Kaiserreiches 1912 benutzt.
In Korea wurden die chinesischen Regierungsdevisen (kor. yŏnho) 536 eingeführt. Sie wurden aber als Privileg des chinesischen Kaisers verstanden und daher ab 650 nicht mehr benutzt. Allerdings verwandte der Gründer der Koryŏ-Dynastie, Wang Kŏn, zwischen 918 und 933 die Regierungsdevise Ch’ŏnsu (Geschenk des Himmels), um seine Unabhängigkeit zu betonen. Mit der Regierungsära Taika (Große Erneuerung oder Große Verwandlung, 645–649) übernahm Japan 645 das System der Regierungsdevise als »Jahresdevise« (nengō) oder Regierungsära, die seit 701 ohne Unterbrechung geführt wurde. Das erste Jahr einer Regierungsära ist in der japanischen Zählung allerdings nicht das Jahr des Regierungsantritts, sondern das Jahr nach Vollendung des ersten Jahres der Regierung. In Japan gab es seit 1868 mit dem Beginn der Meiji-Ära nur noch einen Regierungsnamen für einen Herrscher (Tennō). Vorher konnte ein Tennō in seiner Regierungszeit mehrere Regierungsdevisen benutzen, beispielsweise um nach einem Jahr mit Missernten oder Naturkatastrophen einen Neuanfang zu markieren.
In Ostasien war eine wöchentliche Zeiteinteilung, die durch Gottesdienst und Gebet wie im Christentum, im Judaismus oder im Islam geregelt war, unbekannt. Der Verlauf des Jahres war durch eine Vielzahl von traditionellen Festen gegliedert. Viele von ihnen haben sich bis heute erhalten. In der Regel waren dies auch die einzigen Tage, an denen Bauern, Bedienstete, Händler und Handwerker nicht arbeiten mussten. Arbeitsunterbrechungen gab es darüber hinaus nur bei der Geburt eines Kindes, bei Familienfeiern und bei Todesfällen. Zu den historisch bedeutsamen Festen in China gehörten: das Frühlingsfest (chunjie), früher Neujahrsfest genannt, am ersten Tag des ersten Monats nach dem chinesischen Kalender (zwischen dem 21. Januar und dem 20. Februar); das Laternenfest, Fest des ersten Vollmonds am 15. Tag des 1. Monats (yuanxiaojie oder shangyuanjie) nach dem chinesischen Kalender; das zeremonielle Pflügen durch den Kaiser im Frühling zur Ehrung des Göttlichen Landmannes (Shennong); das Pflücken der Blätter des Maulbeerbaumes für die Seidenraupen durch die Kaiserin in Verehrung der Ersten Seidenraupenzüchterin (Xiling); das Totenfest (qingmingjie), Fest der Klarheit und Helligkeit, das am 5. April des gregorianischen Kalenders mit einem Besuch der Gräber der Verwandten, deren Säuberung und der Darbringung von Opfern begangen wurde; das Drachenbootfest (duanwujie), das am 5. Tag des 5. Monats stattfand; und schließlich das Mondfest oder Mittherbstfest (zhongqiujie) am 15. Tag des 8. Monats.
In Korea war das buddhistische Laternenfest (yŏndŭnghoe) eine der beiden nationalen Feiern während der Koryŏ-Dynastie. Es wurde am 15. Tag des ersten Monats mit Musik, Tanz und Laternenumzügen begangen. Das Acht-Gelübde-Fest (p’algwanhoe) fand am 15. Tag des 11. Monats statt. Es war ein Fest zur Erinnerung an die toten Seelen, in dem buddhistische mit animistischen Vorstellungen verschmolzen. Für Japan waren neben den saisonalen Festen die Shintō-Feste und die auf dem Buddhismus basierenden regionalen Feste (matsuri) von zentraler Bedeutung. Sie fanden in Tempeln und Schreinen an bestimmten Tagen statt.[30] In den Shintō-Schreinen wurden auch das Frühlings- und das Herbstfest gefeiert.
In China und Korea gab es keine institutionalisierten Autoritäten wie den Adel oder die katholische Kirche, auch keine freien Reichsstädte, die Gegengewichte zur Macht des Herrschers hätten darstellen können.[31] Die politische Macht lag vollständig in Händen des Kaisers bzw. Königs, der von der Hauptstadt aus mit Hilfe seiner Beamten das Reich zentralistisch regierte. Dies zeichnet die großen chinesischen Dynastien aus. Die Basis für ihre Herrschaftsausübung bildeten seit der Zhou-Dynastie die Riten (li), die durch ihre schriftliche Festlegung eine gesellschaftliche Ordnung sowie zeremonielle und andere Verhaltensweisen für die gesamte Gesellschaft und jeden Einzelnen in jedem Lebensbereich vorgaben. Ihre Einhaltung bestimmt in vielen Bereichen der chinesischen Gesellschaft bis heute das Miteinander der Individuen. Seit dem 10. Jahrhundert der Song-Dynastie löste die entstehende Elite der zivilen Beamten-Gelehrten (shidafu) die Beamten aus aristokratischen Familien in den führenden Positionen des Reiches ab. Die Beamten-Gelehrten bildeten bis zum Ende des Kaiserreiches die unangefochtene gesellschaftliche Elite Chinas.
Im Unterschied zu China war der Herrscher in Japan, der Tennō, eine unangreifbare und gleichsam heilige personifizierte Institution. Die Tagespolitik nahm gelegentlich sein Regent für ihn wahr. Der japanische Erbadel, der eigene Interessen verfolgte, hatte eine dominante Stellung am Hof und in der Provinz. Mit dem Aufstieg des Kriegerstandes aus den Provinzen im 10. Jahrhundert begann die Schwächung der alten adeligen Familien am Hof. Als 1192 die Militärregierung (bakufu) in Kamakura eingerichtet wurde, änderte sich das Machtgefüge in Japan endgültig zugunsten des Kriegerstandes der Samurai. Fortan gab es die Kaiserstadt Kyōto, in welcher der Tennō residierte, und die Hauptstadt der Militärregierung, von der aus der Shōgun die Geschicke des Landes bestimmte.
Die Geschichte Chinas vor dem 20. Jahrhundert ist seit der Qin-Dynastie im Jahr 221 v. Chr. durch die Abfolge kaiserlicher Dynastien gekennzeichnet. Je nach Zählung gab es in China unterschiedlich viele Dynastien. Als legitime Dynastien galten diejenigen, welche in der Qing-Dynastie in den 24 offiziell, in kaiserlichem Auftrag verfassten Standardannalen (zhengshi) berücksichtigt waren. 1921 wurde die Zahl der Standardannalen auf 26 erhöht. Dynastien ohne offizielle Annalen, von denen es mehrere gab, wurden als illegitime Dynastien angesehen. Die chinesischen Dynastien hießen nicht nach den Familiennamen ihrer Gründer. Oft wurden geographische Bezeichnungen als Namen gewählt (Han, Liao, Jin, Song) oder Begriffe, welche die Dynastie positiv charakterisieren sollten, wie Yuan (Uranfang, Neubeginn), Ming (hell, Glanz, Licht) oder Qing (klar, rein). Jeder Kaiser hatte einen Familiennamen und einen Vornamen, doch historisch bedeutsam sind die Ehrentitel (shi) und Tempelnamen (miaohao), die den Kaisern nach ihrem Tod verliehen wurden. Den frühesten posthumen Ehrentitel Wenwang, »der kultivierte König«, erhielt Ji Chang (gest. 1050 v. Chr.), der Herzog von Zhou. Die meisten Kaiser gingen unter ihrem posthumen Titel in die Geschichtsbücher ein. Tempelnamen, die für den Ahnenkult wichtig waren, kamen erst etwa 800 Jahre später in Gebrauch. Auch in Japan und Korea wurden die meisten Monarchen mit einem posthumen Titel geehrt.
In China galt als Ideal die Herrschaft durch Könige und Beamte, die sich an Vorbildern des Altertums orientierten. Der erhabene Kaiser (huangdi) war Vermittler zwischen Himmel und Erde, weshalb ihm das Amt als Mandat des Himmels (tianming) zukam. Eine der wichtigsten Funktionen eines konfuzianischen Monarchen in China und Korea war es, die Verbindung zwischen Mensch und Kosmos, Natur, Geistern der Ahnen und göttlichen Wesen über die Durchführung von Riten des Ahnenkultes herzustellen. Zu diesem Zweck wurden Opfer und Zeremonien in jeder Dynastie neu geordnet. Es wurde festgelegt, welche Speise- und Weinopfer, welche Musik, welche Ritualgefäße zu verwenden waren. Das Kaiyuan li (Ritenkodex der Regierungsdevise Kaiyuan), das 973 in veränderter Form und dann 1113 in nochmals revidierter Form als Zhenghe li (Ritenkodex der Regierungsdevise Zhenghe) erschien, belegt, dass Riten als unerlässlich für die Kontrolle des Staates über das Wertesystem angesehen wurden, so wie die in den Klassikern niedergelegten konfuzianischen Prinzipien und seit der Song-Zeit der Neokonfuzianismus (daoxue) Familie und Staat ordneten. Der Herrscher hatte damit sowohl eine religiöse als auch eine kulturelle Funktion, die eine gute Regierung sichern sollten. Die rituelle Ordnung wirkte sich auf alle Bereiche der Ethik, des Denkens, Verhaltens und täglichen Lebens aus: darauf, wie Mann und Frau miteinander verkehrten, wie man wohnte, sich kleidete und Speisen zu sich nahm und wie Hochzeiten und Beerdigungen durchgeführt wurden.
Der Sohn des Himmels war aber nicht nur die wichtigste Symbolfigur für die Riten, sondern in den meisten Dynastien lag auch die politische Macht in seinen Händen. Für die praktische Ausführung seiner zentralistischen Herrschaft auf Regierungs- und Verwaltungsebene war eine nach strengen hierarchischen Kriterien geordnete Beamtenschaft zuständig. Der bereits erwähnte Philosoph Dong Zhongshu beschrieb das Verhältnis des Herrschers zu Himmel und Volk mit den Worten: »Der Himmel […] setzt den Herrscher um des Volkes willen ein. Wenn seine Leistungen dem Volk Frieden geben und es glücklich machen, dann lässt der Himmel ihn gewähren, wenn er […] dem Volk Verderben bringt, dann entfernt ihn der Himmel.«[32] So wurde später der Sturz einer Dynastie begründet.
Seit der Westlichen Zhou-Zeit (1045–771 v. Chr.) galten die Regeln der Primogenitur (Erstgeburtsrecht), wonach der älteste Sohn der Hauptfrau Erbe des Titels und des Besitzes wurde. Frauen waren in der Funktion des Kaisers nicht vorgesehen. Bei den zu den chinesischen Dynastien gerechneten Fremddynastien der Stammesgesellschaften wie den Khitan oder den Mongolen war die Herrschaftsnachfolge anders geregelt. Die Liao-Dynastie (907–1125) der Khitan mag als Beispiel dienen. Ursprünglich wählten die Häuptlinge der Stämme, die sich zu den Khitan zusammengeschlossen hatten, alle drei Jahre einen Anführer, den sie Khan nannten. Doch bei ihr wie auch den anderen Fremddynastien setzten sich schnell chinesische Nachfolgevorstellungen durch.
Das japanische Kaiserhaus ist die älteste Erbmonarchie der Welt. Seit dem 6. Jahrhundert stammte der Herrscher aus derselben Familie, die bis heute den Kaiser stellt. In Japan spielte daher der Name des Kaiserhauses als Bezeichnung für die Dynastie keine Rolle. Es ist üblich, die Perioden der Regierung entweder nach den Namen der Orte, an denen sich die politische Macht konzentriert hat, anzugeben (Yamato, Nara, Heian usw.) oder nach den Namen der Familien, die die politische Macht ausübten (Fujiwara, Ashikaga usw.).
Bis ins 7. Jahrhundert wurden die Herrscher als Großkönige (ōkimi) bezeichnet. Wahrscheinlich erst zur Zeit Temmus (reg. 673–686) titulierte man den Herrscher in Japan als tennō (himmlischer Herrscher). Seitdem wurde er als »gottgleiche Wesenheit« (kami) verehrt. Die Bezeichnung tennō wurde dem Kaiser erst nach dem Tod verliehen und war dem Namen nachgestellt. Der Titel des Tennō qualifizierte seine Herrschaft. Er konnte chinesischen oder japanischen Ursprungs sein oder auch die Charaktereigenschaften des Monarchen bezeichnen. Seit 1868 wird die Bezeichnung Tennō im Westen mit Kaiser übersetzt.[33]
Im Unterschied zu China war es in Japan bis ins 8