Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Hallo, werte Leserin. Beziehungsweise Leser, ich das RLG bin. "Nanu", Sie vielleicht denken mögen? Beziehungsweise hinterfragen? "RLG? Noch nie gehört?" - oder vielleicht doch? Was natürlich schön wäre. Okay, um das Ganze vielleicht dann doch mal abzukürzen: bei dem RLG es sich natürlich um eine abgekürzte Abkürzung handelt; frei nach dem Motto: "freilich, freilich." Ob daraus allerdings zu erschließen ist, dass ich zum Beispiel unsichtbar bin? Und mich gegenwärtig unter dem Schirm einer kleinen, verträumten Nachttischlampe aufhalte? Inmitten eines kleinen, verträumten Pensionszimmers? Nur, werter Leser, falls Sie jetzt vermuten sollten, dass ich dort gänzlich alleine wäre, so ich dies verneinen müsste. Beziehungsweise werte Leserin; mitnichten dem so ist. Eher es etwas mit Distanzierung zu tun hat, wieso ich mich unter dem spärlichen Licht der Lampe verdingt habe. Natürlich von dem, dessen Gewissen ich eigentlich bin. Aber was heißt schon eigentlich – ich bin es einfach. Und der gegenwärtig in Decken vermummt auf dem Boden vor dem Nachttisch liegt. Bei dem es sich im Übrigen um Radius Lehr handelt. Logischerweise. Seines Zeichens ein frischgebackener Ex- Malergehilfe. Beziehungsweise ein Bücherschreiber. Auch frischgebacken. Ein selbsternannter dazu, nein, anders an dieser Stelle dies nun auch nicht gerade umschrieben werden kann. Von einem Gewissen wie mir sowieso nicht- nein, gleich dreimal nicht. Stellt sich vielleicht noch die Frage, warum Radius eigentlich auf dem Boden nächtigt. Und nicht im Bett, wo es doch gerade so schön daneben. In dem kleinen Zimmer. Hat dann aber doch einen ganz einfachen Grund. Um nicht zu sagen, einen triftigen: dort liegt nämlich schon jemand drin: nämlich Chantal Island - ihres Zeichens frisch gebackene Ex- Bankkassiererin; dazu auch noch die Verlobte von Radius. Auch frischgebacken. Hm- oder warum die Beiden nicht zusammenliegen? Zudem es 24 Stunden zuvor haargenau andersrum war. Will gesagt worden sein: da befand sich Radius im Bett und Chantal auf dem Boden; frei nach dem Motto: "frei nach dem Motto.",...
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 380
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Nichts Neues vom Nichts – Inhaltsverzeichnis
Diesmal unter anderem dabei:
Lämpchen an
1.Flimmern: Die Party zuvor
2.Flimmern: Vor der Tankstelle Tunkel
3.Flimmern: Durch die Hauptstraße unseres Vorstadtviertels
4.Flimmern: Der ßilberling im Rechner
5.Flimmern: Mit Chantal auf die Straße
6.Flimmern: Mit Chantal durch das Vorstadtviertel
7.Flimmern: Das RLG von der Geisterhand genervt wird
8.Flimmern: Vergangenes von Chantal und Radius
9.Flimmern: Radius wird geweckt – und Chantal, die auch
10.Flimmern: Der Lehramtsanwärter im Bad
11.Flimmern: Über den Anzahlungsantrag für einen Turm reden
12.Flimmern: Eilbrief von Jakob Tuchfühlung
13.Flimmern: Der auseinandergenommene Rechner
14.Flimmern: Ein Malermeister ohne Führerschein
15.Flimmern: Radius im Pfarramt bei Schwester Käthe
16.Flimmern: Radius im Vorstadt- Rathaus
17.Flimmern: Aufstellung der Teams
18.Flimmern: Stadtwaldteam gegen Auswahl von Schloss Andere
19.Flimmern: Radius bei Kleinbürgermeister Klein
20.Flimmern: Eine rot-weiße Isetta bei Tankwart Tunkel
21.Flimmern: Die Anfahrt zur Nordanhöhe
22.Flimmern: Ein Zauberer beim Streichen eines Zauns
23.Flimmern: Turmgäste
24.Flimmern: Der Milchmann Rupert
25.Flimmern: Madeleines Linienbus auf der Nordanhöhe
26.Flimmern: Der Grasende Carlos vor dem Lembelhaus
27.Flimmern: In der Druckerei des Lembelhauses
28.Flimmern: Am Empfang von Molly Holly
29.Flimmern: Der Prokurist Petraeus Prora
30.Flimmern: Im Büro von Mio Vong
31.Flimmern: Radius bei Jakob Tuchfühlung und Meinard Lembel
32.Flimmern: Kurz vor dem Verlassen des Lembelhauses
33.Flimmern: Der Eilbrief von Hugo Bauklotz
34.Flimmern: Fahrt durch den Stadtwald
35.Flimmern: An der Baumhöhle der Specht- Dame Shirley Small
36.Flimmern: Der Eilbrief vom Silberschmied Altbuch
37.Flimmern: In der Küche von Schloss Andere
38.Flimmern: Der Staubwedel Heinzchen
39.Flimmern: Über die Akteure des Sprechtheaters
40.Flimmern: Das Sprechtheater im Zelt
41.Flimmern: Die orangene Riesenmaus an der Pforte
42.Flimmern: Der Apfelbaum Alfred und die Birnbäumin Belinda
43.Flimmern: Das Elfchen Scheinchen
44.Flimmern: Im Dönerladen von Fatima und Ali
45.Flimmern: Vor dem alten Haltestellenhäuschen
46.Flimmern: Die Kuckucksuhr ohne Uhrenkuckuck
47.Flimmern: Zurück bei Chantal
48.Flimmern: Nichts wie Theater
49.Flimmern: Nichts wie Eilbriefe
50.Flimmern: Nichts- Fußballspiel
51. Flimmern: Nichts ohne Worte verkauft
52.Flimmern: Nichtchen und das Elfchen Nichtchen
53.Flimmern: Der Heimflug des ßilberlings
Lämpchen aus
Diesmal dabei gewesen:
RLG Radius Lehrs Gewissen
Radius Lehr Ex- Malergehilfe; Bücherschreiber
Chantal Island Ex- Bankkassiererin; Radius Verlobte
Berry Weckerknecht Straßenkehrer
ßilberling Silbermünze
Jakob Tuchfühlung Buchhändler
Hugo Bauklotz Minimonster
Heinzchen Staubwedel im Schloss Andere
Zinnober Drache im Stadtwald
Rupert Milchmann
Karmin- Jupp Tyrannosaurus Rex; Türwächter vor dem Schloss Andere
Madeleine Wurm Busfahrerin
Eine komplette Auflistung aller Beteiligten am Ende des Buchs („Diesmal dabei gewesen“)
RLG: „Das Lämpchen an? Oh, doch, tatsächlich. Scheint ja geklappt zu haben. Fast auf Anhieb sogar. Na, war ja jetzt auch anstrengend genug irgendwie.
Okay, okay, dann sollte ich auch gleich loslegen. Bevor sie wieder aufwachen. Obwohl, kann noch ein Weilchen dauern. Auf der anderen Seite. So wie ich die Beiden kenne. Trotzdem, ich sollte machen. Oder gerade deswegen.
Doch, doch, ich sollte, wie es scheint, das Lämpchen, oh, im wahrsten Sinne des Wortes, ja, es scheint. Und mit der Begrüßung ich beginnen sollte, schon aus reiner Höflichkeit – doch, doch, ich denke, oder etwa nicht? Das sich Vorstellen nicht zu vergessen, nicht ohne sich unnötig in den Vordergrund zu spielen, ja, ich glaube, sogar ein feiner Zug dies wäre. Sogar von so etwas wie mir! Noch einmal sich räuspern und dann nix wie rauf auf den Startblock- ganz schnell wohlgemerkt.
Also hallo, und herzlich willkommen, verehrte Leserin. Beziehungsweise Leser, hier bei uns im kleinen Pensionszimmer. Um nicht zu sagen, verträumtes Pensionszimmer. Nur ich weiß nicht, ob ich hiermit dann doch etwas zu weit gehe. Jetzt gleich, zu Beginn. Mit dem Verträumt sein. Na, aber ich denke, wir werden sowieso noch sehen.
Auf jeden Fall ist das mit dem kleinen Pensionszimmer insofern nicht von der Hand zu weisen, da ich mich gerade in einem solchen aufhalte. Gegenwärtig sozusagen, gegenwärtig, und zwar unter dem Schirm eines alten Nachttischlämpchens. Ja, etwas, was mit Fug und Recht behauptet werden kann. Mit einem zierlich gezwirbelten, goldfarbenen Ständer und einem roten Faltenschirm – ja, ganz putzig irgendwie. Das Licht, welches es spendet, eher spärlicher Natur. Und es flimmert auch ab und an – auf und ab, wenn man so will, auf und ab. Doch sonst funktioniert das gute, alte Stück noch tadellos. Nur der Knopf am Kabel etwas klemmt. Hin und wieder, na ja, etwas anstrengend manchmal, aber was will man machen? Dafür ein Schnäppchen, beim alten Abraham, gleich gegenüber von unserer Pension.
Jedoch nun erst einmal eins nach dem anderen. Und gehört dazu nicht auch, dass man sich einfach erstmal vorstellt? Nicht nur aus reiner Höflichkeit? Aber deswegen natürlich auch?
Also, werter Leser, ich heiße. Beziehungsweise Leserin, mein Name ist. Tja, bei mir es sich um das sogenannte RLG handelt. Ein Kürzel, wie sie sicherlich bereits entnehmen haben können – doch, doch ganz gewiss. Welches für Radius Lehrs Gewissen steht. Ja, Sie haben es schon richtig vernommen, nichts weiter wie ein Gewissen ich bin. Unsichtbar im Übrigen, und – wie gesagt - unter dem Schirm des uralten Lämpchens. Zum einen, weil es dort ziemlich gemütlich, flimmern hin – flimmern her. Zum anderen, weil ich mir an dieser Stelle etwas mehr Abstand verspreche. Natürlich Abstand von dem, dessen Gewissen ich eigentlich bin – das heißt, eigentlich nicht nur eigentlich. Und auch Abstand von den Geschehnissen, die ich Ihnen heute auch noch zuteilwerden lassen möchte. Und zwar nicht nur aus reiner Selbstverständlichkeit; dies aber natürlich auch – na klar, beziehungsweise frei nach dem Motto. „was sonst denn eigentlich auch?“
Klar wohl, dass diese Geschehnisse in enger Verbundenheit mit dem, der augenblicklich vor unserem Nachttisch liegt, stehen – ja, doch, und wie so was von klar! Gegenwärtig eingehüllt in Decken, um nicht zu sagen, vermummt. Bei dem es sich freilich um Radius Lehr handelt, frei nach dem Motto „um wem sonst?“
Hm - stellt sich zudem nicht die Frage, warum Radius Lehr überhaupt auf dem Boden nächtigt? Und nicht in seinem Bett, welches unmittelbar daneben? Weiß natürlich nicht, was Sie hierzu meinen, werter Leser. Oder vermuten. Beziehungsweise werte Leserin, doch das Ganze einen simplen Grund hat: Radius Pensionszimmerbett belegt ist. Anderweitig belegt, wenn man so will.
In der Nacht zuvor es im Übrigen gerade andersrum gewesen ist. Will damit gesagt worden sein, da lag Radius im Bett; logischerweise die Andere in den ungemütlichen Vermummungsdecken auf dem knallharten Parkett. Bei welcher es sich im Übrigen um Chantal Island handelt - die Verlobte von Radius.
Hm – nicht das das Ganze am Ende am für zwei zu schmalen Bett lag? Oder vielleicht etwa doch? So dass immer nur einer von den Beiden darin liegen kann? Beziehungsweise eine? Beziehungsweise liegen konnte? Hm, oder doch an was anderem? Unterm Strich betrachtet?
Aber ich denke, auch dies werden wir im Laufe unserer gemeinsamen Zeit erkunden. Beziehungsweise auflösen. Doch ich würde vorschlagen, werte Leserin, wirklich jetzt erstmal eins nach dem anderen. Beziehungsweise werter Leser.
Ohne aus den Augen zu verlieren, wie es zu dem Tausch zwischen Chantal und Radius gekommen ist – Bett hin, Boden her. Doch, doch, wir werden schon noch darauf zurückkommen – ja, ganz gewiss, und wie wir dies werden. Doch wollen wir nun zunächst beleuchten, wie es ungefähr 24 Stunden zuvor ausgesehen hatte. Also auch in tiefer Nacht, auch hier bei uns im Pensionszimmer. Und wo zunächst Radius im Bett lag – wie gesagt. Und Chantal auf dem Boden – nochmal wie gesagt.
Hm – wie es überhaupt aussieht? Mit dem Bekleidet sein? Oder auch nicht? Immerhin Männlein und Weiblein, immerhin verlobt, immerhin in einer Kammer? Oder spielt dies zunächst nur eine untergeordnete Rolle? Zumindest zunächst einmal?
Kurbeln wir also nun am Rädchen der Zeit, so dass sie tatsächlich um jene besagten 24 Stunden zurückgedreht wird? Hm – und könnte hierfür nicht auch das verträumte Flimmern unseres verträumten Lämpchens benutzt werden? Hm- ja, warum eigentlich nicht?“
Also dann bis gleich, lieber Leser. Beziehungsweise Leserin, frei nach dem Motto: „mal schauen, ob es überhaupt klappt.“
RLG: „Hallo, werte Leserin! Beziehungsweise Leser, hat es überhaupt geklappt? Das Flimmern? Hm, scheint so! Im wahrsten Sinn sogar! Prima, dann können wir ja weitermachen.
Wobei wir jetzt tatsächlich ergründen wollen, wie Chantal und Radius überhaupt in und vor dem schmalen Bett landeten. Beim ersten Mal freilich, also vor 24 Stunden.
Vorausgegangen eine wilde, völlig aus den Fugen geratenen Party in der Hochkneipe, die sich im Übrigen wie unsere Pension an der Hauptstraße unseres Vorstadtviertels befindet. Zwar etliche Steinwürfe voneinander entfernt, doch immerhin.
Ja, viele Stunden in der Kneipe sie zuvor verbracht hatten – der Radius und die Chantal. Mit zahllosen Anderen, und wo sie ihre Verlobung feierten, unter anderem wohlgemerkt, unter anderem. Und nicht nur aus Radius Ohren der Alkohol förmlich quoll – bei dem aber natürlich auch. Und gerade in seinem Fall konnte man die Vokabel „natürlich“ wahrlich wörtlich nehmen, und zwar im wahrsten aller Sinne.
Neben der Verlobung gab es freilich noch weitere Gründe zum Feiern. Zum Beispiel Radius Missgeschicke, die viele in seiner unmittelbarsten Umgebung in Mitleidenschaft gezogen hatten. Beziehungsweise weniger unmittelbarster Umgebung. Und welche dann doch noch zu einem Happy- End geführt hatten. Einschließlich der Lebensgefährdung von Meinard Lembel, seines Zeichens Verlagsdirektor und Cheflektor des sogenannten Lembelhauses.
In diesem Zusammenhang darf nicht die doch schon sehr widrigen Begleiterscheinungen hinsichtlich der Veröffentlichung seines Buchs unter den Tisch gekehrt werden – nein, mitnichten. Welches im Übrigen sein allererstes Buch war- oh ja, etwas, was nun wirklich mit Fug und Recht behauptet werden konnte. Beziehungsweise unter die Theke, ein Schlamassel, in welches gerade Leute wie Lembel, welcher ja auch nicht mehr der Allerjüngste, hineingezogen wurden. Oder sollte man an dieser Stelle lieber von hineingesogen sprechen? Den Buchhändler Jakob Tuchfühlung, in dessen Laden dieses unsägliche Buch über den Tisch gegangen, nicht zu vergessen. Haargenau ein Exemplar, obwohl es doch eigentlich 10000 waren, die gedruckt wurden – gedruckt und veröffentlicht.
Ein Skandal allein die Gestaltung des Buchs – etwas was gerade einer wie Herr Tuchfühlung empfand. Zurecht wohlgemerkt, zurecht, denn dies Buch, welches freilich hinter seinem Rücken verkauft worden war, hatte außer den Titel, der da lautete „Hugo Bauklotz – Ein Zaun“, nichts zu bieten. Außer leere Seiten – hunderte von leeren Seiten wohlgemerkt! Im Übrigen das Resultat einer Kette von unglückseligen Zufälligkeiten, nein anders bezeichnet dies nicht werden hätte können. Und die den ansonsten zwar stets knorrigen, doch seelenruhigen Tuchfühlung aufbrachte. Nachdem er den Skandal bemerkt hatte. Sofort kramte der honorige Buchhändler die eigentlich längst schon verstaubte Schrotflinte seines Großpapas hervor, um Meinard Lembel zu erledigen. Unter dessen Dach das mehr wie kuriose Buch von Radius Lehr entstanden war – hinter seinem Rücken freilich, hinter seinem Rücken.
Ganz am Ende jedoch konnte das leere Buch gerettet werden; zur Befriedigung aller Beteiligten. Was bedeutete, dass Tuchfühlung von seinen Tötungsabsichten abließ, sich mit Lembel sogar wieder versöhnte. Was in Übrigen auch in der Hochkneipe stattfand.
Eine Folge des Happy- Ends war auch, dass Radius und Chantal, welche seine Kinder- und Jugendliebe, sich doch noch den Hafen der Erde versprachen. Um es vielleicht auch mal so zu formulieren. Nachdem er sie zwischenzeitlich ignoriert hatte – ungefähr ein paar Jahrzehnte lang. Jawohl, jahrzehntelang, verehrte Leserin! Beziehungsweise verehrter Leser, frei nach dem Motto: „schon richtig vernommen.“
Als es dann Zeit wurde, hatte die illustre Gesellschaft in der Kneipe sich allmählich aufgelöst - einer nach dem anderen freilich, beziehungsweise eine nach der anderen. Längst betrachtete Dimitri Hoch, welcher gemeinsam mit seiner Frau Amalie Inhaber der Hochkneipe, die Zeit insofern als eine Gekommene, um aufzuräumen und die Stühle auf die Tische zu stellen. Welche mit Bier- und Wein- und anderen Lachen geradezu übersät, von übergequellten Aschenbechern ganz zu schweigen. Nee, davon anfangen zu sprechen, nee lieber nicht.
Radius indes gehörte natürlich schon längst nicht mehr zu denen, die sich auf den Beinen halten konnten – nein, anders formuliert dies nicht werden hätte können. Verdingt hatte er sich am Stammtisch, mutterseelenallein, nicht mal mit seiner geliebten Chantal, die am Tresen sich mit einigen anderen Partygäste unterhielt. Ausnahmslos mit männlichen wohlgemerkt, und durchaus ungeniert, was einem wie dem Radius normalerweise auf die Eifersuchtspalme hätte bringen müssen; vor allem nach all ihren Ehegelöbnissen und Eheschwüren, die sich die beiden gegeben hatten. Doch zu bezweifeln war, ob er dazu überhaupt noch in der Lage gewesen wäre.
Radius selbst noch nicht ganz vierzig Jahre inzwischen. Die Markenzeichen des Normalschlanken sein dunkelblondes Kraushaar, welches er stets unter einer Malermütze zu verstecken wusste. Darüber hinaus gekleidet stets mit einer weißen Malerlatzhose und einem karierten Hemd.
Auf dem Stammtisch hingegen unzählige Bierkrüge und Biergläser – volle, halbvolle, halbleere, und was weiß ich noch für welche. Vor seiner Nase eine freie Stelle gerade noch so frei, so dass er einen Ellenbogen darauf abstützen konnte. Der Unterarm in die Höhe, so dass das umgeknickte Handgelenk, einschließlich Hand freilich, vor dem wankenden Gesicht und Nase wedelte -gleichsam wie eine Windfahne auf Helgoland, die am frühen Morgen vielleicht auch noch im Unwissen, aus welcher Richtung die Böen eigentlich kommen oder auch nicht.
Auf der anderen Seite war Dimitri Hoch in seiner Eigenschaft als Gastronom erfahren genug, um einzuschätzen, dass bei Radius nichts mehr gehen konnte, aber absolut nichts mehr. Bezüglich eines etwaigen Heimmarschs gleich dreimal nicht. Zudem kannte Dimitri Radius zu gut, so dass er wusste, was für ein schwerer Stein er war. Erst vor kurzem hatte sich nämlich etwas Vergleichbares ereignet.
In jenem Falle blieb Dimitri am Ende nichts anderes übrig, als Alonso Gonzalez, seines Zeichens Stammgast der Hochkneipe, zu bitten, ihm zur Hand zu gehen. Alonso war im Übrigen ein etwas schmieriger Spediteur mit spanischen Wurzeln – dies allerdings nur eine Randnotiz am Notizrand.
Dimitri selbst ein normaler Typ, was seine Gestalt anging. Weiteres Markenzeichen zweifelsohne sein schwarzes, kurz geschorenes Haar.
Die Beiden – Alonso und Dimitri - hatten Radius daraufhin in die Zange genommen. Aber was heißt schon in die Zange genommen? Die beiden Männer zerrten ihn von der Kneipe die Straße entlang, wenige hundert Meter, was freilich vollauf genügte. Bis in die Pension der pensionierten Pensionswirtin Federica Fiel, wo Radius Pensionszimmer beherbergt wurde. Ja, haargenau das, aus dem ich jetzt gerade berichte und Ihnen zugewandt bin – direkt unter der romantischen Nachttischlampe.
Beziehungsweise dort, wo die beiden Männer Radius schließlich aufs Bett warfen. Und wo er seinen Rausch ausschlief, ehe er am nächsten Morgen von Frau Fiel geweckt worden war. Unter anderem mit verklumpten Karamellpudding, aber ich denke, dies ist eine andere Geschichte. Als er dann später wieder unterwegs war, nahm das Unglück wohl seinen endgültigen Lauf – das Unglück in der Gestalt des Buchs „Hugo Bauklotz -Ein Zaun“ – happy hin, End her.
Und auch diesmal, als Radius im Meer von gefühlten hundert Bierhumpen zu versinken drohte, hoffnungslos wohlgemerkt, sah sich Dimitri genötigt, Alonso um Hilfe zu bitten. Was mühelos gelang.“
Alonso Gonzalez: „Was hat der Kleine denn jetzt schon wieder angestellt?“
RLG: „So kam es schließlich, wie es vielleicht auch kommen sollte. Wieder einmal wurde Radius in die Zange genommen. Widerstand zwecklos, dazu wäre Radius ohnehin nicht mehr in der Lage gewesen. Doch war es sowohl für Dimitri auch als für Alonso bedeutend schwieriger als beim letzten Mal. Was alleine daran lag, dass die beiden Männer bei der gerade absolvierten Party dem einen oder anderen Gläschen auch nicht gänzlich abgeneigt waren – nein, beileibe nicht. Will gesagt worden sein, auch die Beiden nicht mehr hundertprozentig nüchtern – höflich gesagt wohlgemerkt, ja, sogar sehr höflich.
Doch wie sich Bilder manchmal gleichen konnten. Denn am Ende gelang es ihnen, abermals Radius in die Pension zu zerren, und auf sein Bett zu knallen – liebevoll zwar, aber unsanft.
Allerdings diesmal nicht ganz ohne Komplikationen, um es mal höflich zu betrachten. Als ob das Zerren nicht schon anstrengend genügend gewesen wäre! Allein mit ihm über die Straße, wo sich die Tankstelle Tunkel befand, beinahe schon ein Wagnis. Auch wenn zu so früher Morgenstunde noch niemand entlangfuhr – nicht einmal der Linienbus. Doch jetzt fing Radius an sich zu wehren. Mit Haken und Ösen, mit Fußtritten gegen die Beine seiner Heimbringer, dazu fluchte er wie ein Rohrspatz - zwecklos zwar, erfolglos zwar, doch immerhin!“
Radius Lehr: „Lasst mich doch endlich los!“
Alonso Gonzalez: „Schon gut, Kleiner.“
RLG: „Oder aber auch“:
Radius Lehr: „Idioten!“
Alonso Gonzalez: „Ist ja schon gut.“
Dimitri Hoch: „Von wegen Kleiner.“
RLG: „Ach, wenn der Dimitri Hoch allein nur damit zu kämpfen gehabt hätte. Aber nein, natürlich nicht, frei nach dem Motto „was denn sonst auch?“ – oder so ähnlich. Denn auf Stühlen vor dem Tankstellenshop hockten zwei Kinder aus der Vorstadt. Beide waren mit einem Lutscher bewaffnet, beide eifrig am Lutschen. Bei dem Jungen handelte es sich um Fritzi Almenhörner, bei dem Mädchen um Anne Hoch – beide zehnjährig.“
Anne Hoch: „Himbeere schmeckt doch besser.“
Fritzi Almenhörner: „Quatsch! Waldmeister!“
Dimitri Hoch: „Könnt ihr mal verraten, was ihr eigentlich jetzt noch hier macht?“
Fritzi Almenhörner: „Dein Vater!“
Anne Hoch: „Oh!“
Fritzi Almenhörner: „Scheiße!“
RLG: „Bei Anne Hoch handelte es sich in der Tat um die Tochter von Dimitri. Beziehungsweise Amalie. Markenzeichen der Dunkelblonden, deren Zopf von einer schwarzen, schmetterlingsförmigen Spange gehalten wurde, aus purem Plastik wohlgemerkt, zweifelsohne ihre schwarze Kluft; von oben bis unten, nein anders sagen hätte man dies nicht können: schwarze Jacke, schwarzer Pulli, schwarzes Röckchen, schwarze Strumpfhose, sogar die Halbschuhe, nein, wirklich alles schwarz. Im Übrigen kam Anne bei der Gestaltung von Radius „Hugo- Bauklotz- Buch“ eine nicht unbedeutende Rolle zu; doch dazu ein klein wenig später ein klein wenig mehr.
Kommen wir zunächst zu Fritzi, der in dieselbe vierte Klasse wie Anne. Im Gegensatz zu ihr ist der Kleidungsstil des Blondschopfs wesentlich bunter ausgeprägt. Okay, Annes schwarze Farbeintönigkeit noch zu untertreffen auch kaum möglich – zugegebenermaßen, zugegebenermaßen. Unter seiner blauen Jeans- Jacke der Junge ein orangenes T- Shirt trägt; dazu eine flockige Jeans.“
Auch die Kids hatten der zu Ende geneigten Party beigewohnt. Der in Anne verknallte Fritzi hat zudem an dem Blitzschachturnier, welches dort unter anderem stattgefunden, hatte, teilgenommen. Bei welchem er immerhin Dritter wurde. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass der Grundschüler das einzige Kind in dem Zwölfer- Teilnehmerfeld gewesen. Tja, und als Drittplatzierter hatte er eine kunterbunte Modell- Lorenbahn gewonnen - eine kreisförmige Bahn, mit einer Lok und zwölf verschiedenfarbigen Loren.
Dimitri Hoch: „Ganz, richtig, der Vater!“
Anne Hoch: „Äh - ach, Papa!“
Dimitri Hoch: „Einfach erklären, was das jetzt hier noch soll!“
Anne Hoch: „Äh, Papa, weißt du?“
Alonso Gonzalez: „Ganz klar, nach was es aussieht!“
Radius Lehr: „Ganz klar!“
Fritzi Almenhörner: „Und wie klar es ist. Nach Lollys!“
Anne Hoch: „Lutscher besser gesagt!“
Radius Lehr: „Nichts ist klar!“
Alonso Gonzalez „Ah, dann scheint es ja doch noch geklappt zu haben mit euch, du kleiner Schwerenöter!“
Fritzi Almenhörner: „Ich bin kein Schwerenöter!“
Radius Lehr: „Schwerenöter?“
Fritzi Almenhörner: „Mann! Bin ich nicht!“
Radius Lehr: „Alles klar!“
Dimitri Hoch: „Nein, natürlich nicht. Aber euch ist hoffentlich klar, dass ihr eigentlich längst schon im Bett sein müsstet. Oder wisst ihr nicht, wie spät es inzwischen geworden ist?“
Anne Hoch: „Wollten ja nur noch unsere Lutscher fertiglutschen.“
Fritzi Almenhörner: „Dann wären wir auch gegangen!“
Dimitri Hoch: „Okay, mein Junge! Ich nimm dich jetzt mal bei Wort!“
Alonso Gonzalez: „Also doch ein kleiner Schwerenöter!“
Fritzi Almenhörner: „Jetzt reicht es mir aber!“
Radius Lehr: „Alles klar!“
Dimitri Hoch zu Alonso: „Auch von dir jetzt mal wieder Ruhe!“
Alonso Gonzalez: „Ja, ja! Schon gut!“
RLG: „Für den Hauch eines Moments absolutes Stillschweigen. Bis auf Radius, der einmal kurz aufstieß.“
Dimitri Hoch: „Auf! Gehen wir!“
Alonso Gonzalez: „Meinetwegen, von mir aus! Scheitern soll‘ s an mir auch nicht gerade.“
Dimitri Hoch: „Na bitte! Hört sich doch schon viel besser an!“
Alonso Gonzalez: „Dann auf, Kleiner!“
Radius Lehr: „Ganz klar!“
Anne Hoch: „Papa! Warte noch!“
Dimitri Hoch: „Nicht jetzt, mein Kleines! Oder siehst du nicht, dass wir noch anderes zu tun haben?“
Anne Hoch: „Es ist doch nur. Wegen den Lutschern.“
Dimitri Hoch: „Ach, Kind, so eng sehe ich dies nun auch wieder nicht. War schließlich für uns alle heute ein langer Abend. Also genießt eure Dinger zu Ende, und dann Abmarsch ins Bett.“
Alonso Gonzalez: „Ein gutes Stichwort. Nicht wahr, Radius?“
Radius Lehr: „Was!“
Anne Hoch: „Nein! Weil wir sie doch geschenkt bekommen haben.“
Fritzi Almenhörner: „Ja, das stimmt allerdings. Hat sie Recht, wir haben die Lutscher geschenkt bekommen.“
Dimitri Hoch: „Ja, ich weiß. Vom Tunkel, nicht wahr? Etwas, was auch nicht zum ersten Mal geschehen ist. Hm – ist ja schließlich für seine Kinderfreundlichkeit bekannt.“
Anne Hoch: „Ja, aber Papa, das ist es doch.“
Dimitri Hoch: „Ist ja auch nichts Schlechtes irgendwie.“
Anne Hoch: „Eben nicht nur vom Tankwart Tunkel.“
Fritzi Almenhörner: „Hat sie schon wieder Recht.“
Dimitri Hoch: „Ach, Kleines. Als ob dies nun wirklich nicht Zeit bis morgen hätte.“
Anne Hoch: „Nur mal schnell gucken, wer sonst noch im Laden ist.“
RLG: „Durch die Fenster des Shops war ersichtlich, dass der Tankwart Tunkel nicht gänzlich alleine war – in der Tat, in der Tat.“
Dimitri Hoch: „Was! Der Tunkel! Mit einer Frau?“
Alonso Gonzalez: „Alle haben Glück!“
Dimitri Hoch: „Das ist allerdings allerhand!“
Radius Lehr: „Gar nicht wahr!“
Dimitri Hoch: „Dass ich das überhaupt noch erlebe!“
Alonso Gonzalez: „Aber die Frau. Von irgendwoher ich die kenne.“
Fritzi Almenhörner: „Nenn mir mal eine Frau, die du nicht kennst.“
Alonso Gonzalez: „Na, höre sich einer mal den kleinen Schwerenöter an!“
Fritzi Almenhörner: „Kriegen kriegst du aber trotzdem nie eine!“
Alonso Gonzalez: „Unverschämtheit!“
Radius Lehr: „Klar!“
Dimitri Hoch: „Aber natürlich kennen wir die. Alle kennen die.“
RLG: „Na klar kannte man die Dame, die sich an der Ladentheke vom Tankwart Tunkel umarmen ließ. Schließlich war es keine Geringere wie Qwalla Qwell; ihres Zeichens die Betreiberin des kleinen Stadtkinos.“
Anne Hoch: „Und Papa, weißt du was?“
Dimitri Hoch: „Ich glaube, möchte ich nicht mal morgen wissen.“
Anne Hoch: „Ich habe die beiden miteinander verkuppelt.“
Alonso Gonzalez, Dimitri Hoch: „Was!“
Dimitri Hoch: „Was sind denn das jetzt schon wieder für Verhaltensweisen von dir?“
Alonso Gonzalez: „Wenn das mit mir mal einer machen würde!“
Dimitri Hoch: „So kenn ich dich ja gar nicht, Kleines?“
Alonso Gonzalez: „Und ich dachte, wenigstens bei der hätt ich gute Karten.“
Fritzi Almenhörner: „Nur, weil du das Dauerabonnement für ihr Kino gewonnen hast?“
Radius Lehr: „Hände weg!“
RLG: „Qwalla sich derweil von Tunkel losgeeist, der wohl nach draußen winkte. Während Qwalla Qwell, die durchaus was von einer Punk- Lady hatte, aus der Schiebetür bis zu ihnen hervortrat. Mit einem Lächeln wohlgemerkt. Vielleicht etwas zu klein gewachsen, wirkte sie mit ihrer Gestalt leicht gedrungen - ihre Gestalt, die in einem lila Hosenanzug gehüllt war. Unter der geöffneten Jacke blitzte eine knallbunte, mit Blütenmotiven übersäte Bluse, die durchaus an die Zeit der Hippies erinnerte, hervor. Mitnichten war Qwalla erst achtundzwanzig, darüber hinaus bereits dreimal geschieden und dreifache Mutter – von jedem eines. Als sie hervorgetreten war, wendete sie ihren Kopf zu den beiden Stühlen, auf welchen Anne beziehungsweise Fritzi saßen.“
Qwalla Qwell: „Na, ihr beiden Turteltäubchen. Hat es dann doch noch geklappt mit euch zwei?“
RLG: „Anne zuckelte mit den Achseln.“
Anne Hoch: „Weiß nicht.“
Fritzi Almenhörner: „Also, wenn es nach mir geht.“
Alonso Gonzalez: „Was manchen ähnlich sieht!“
Qwalla Qwell: „Hör mal zu; Anne. Das was man hat, muss man auch festhalten. Lass dir das gesagt sein.“
Anne Hoch: „Von Frau zu Frau?“
Qwalla Qwell: „Na klar.“
Radius Lehr: „Kloßbrühe!“
Qwalla Qwell: „Ich denke, du hast mich schon verstanden.“
Alonso Gonzalez: „Pah!“
RLG: „Ganz kurzes Stillschweigen, ganz kurz – nicht einmal Radius zu hören.“
Dimitri Hoch: „Wenn mir vielleicht nur jemand dieses ganze Theater hier erklären könnte.“
Anne Hoch: „Och, Papa. Ist doch kein Theater.“
Qwalla Qwell: „Ah, dann sind Sie der werte Herr Papa!“
Dimitri Hoch: „Allerdings!“
Qwalla Qwell: „Dann kann man Ihnen nur gratulieren zu Ihrer Tochter. Ein ganz tolles Mädchen!“
Dimitri Hoch: „Muss man mir nicht sagen.“
Anne Hoch: „Ja, Papa! Und wir sind doch jetzt Freundinnen, die Qwalla und ich.“
Dimitri Hoch: „Dagegen sagt auch keiner was.“
Radius Lehr: „Freundin? Ich auch eine.“
Qwalla Qwell: „Wie schön für Sie.“
Fritzi Almenhörner: „Ach, der ist doch total besoffen.“
Radius Lehr: „Gar nicht!“
Qwalla Qwell: „Na, dann kann man ja nur hoffen, dass Sie wissen, was Sie an uns Frauen zu schätzen wissen.“
Radius Lehr: „Was!“
Alonso Gonzalez: „Pah!“
Dimitri Hoch: „Auf! Gehen wir jetzt endlich!“
Alonso Gonzalez: „Nur ich komm mal wieder zu kurz!“
Fritzi Almenhörner: „Aber Alonso, du hast doch das Dauerabonnement gewonnen.“
Qwalla Qwell: „Was?“
Alonso Gonzalez: „Ja! Sie haben schon richtig gehört. Und es wird mir ein Vergnügen sein, Sie in Ihrem Kino aufzusuchen.“
Qwalla Qwell: „Nur keine Sorge! Das werde ich auch noch überleben.“
Alonso Gonzalez: „Ihre Filme werden ja hoffentlich heiß genug sein.“
Qwalla Qwell: „So, so, heiß.“
Radius Lehr: „Heiß und kalt.“
Alonso Gonzalez: „Na klar.“
Radius Lehr: „Na klar!“
Alonso Gonzalez: „Zur Anregung!“
Radius Lehr: „Zur Anwas?“
Qwalla Qwell: „Für Sie scheint mir mein Kinderprogramm besser geeignet!“
Alonso Gonzalez: „Was!“
Radius Lehr: „Oder die Muppets- Show.“
Qwalla Qwell: „Haargenau!“
Alonso Gonzalez: „Pah!“
Qwalla Qwell: „Dass ausgerechnet sie den Nagel auf den Kopf treffen.“
RLG: „Endlich wieder in den Gängen, schlenderten sie die Hauptstraße unseres Vorstadtviertels entlang. Nicht ganz einfach für das Dreiergespann, dessen Mitte alias Radius sich gleichsam anfühlte wie ein mit nassem Sand gefüllter Plumpsack.
Trotz der Zeitverluste, die sie sich an der Tankstelle eingeheimst hatten, war es immer noch ziemlich dunkel, die Morgendämmerung schleppte sich so vor sich hin. Der Mond am Firmament, die Sterne nicht zu vergessen; wenigstens hatten sie alsbald die Ecke der Schreibwarenhandlung Schmidt erreicht. Auf der anderen Seite der Quergasse dann der Blumenladen von Millie Schultes.
Und erneut war es Radius, der auf einmal wieder heftigeren Widerstand in die Sternennacht legte.“
Dimitri Hoch: „Ach, Radius, was denn jetzt schon wieder ist?“
Radius Lehr: „Ein Bücherschreiber ist nur dann einer, wenn er auch tatsächlich was zum Bücherschreiben hat.“
Alonso Gonzalez: „Ach, Kleiner - du und deine Bücherschreiberei.“
Dimitri Hoch: „Außerdem hat der Laden doch jetzt zu.“
Alonso Gonzalez: „Um diese Uhrzeit ganz bestimmt, mein Kleiner.“
Radius Lehr: „Ich will jetzt aber!“
Dimitri Hoch: „Außerdem wird der Schmidt Franz seinen gastronomisch bedingten Rausch jetzt auch erst einmal ausschlafen. So wie der gebechert hat.‘
Alonso Gonzalez: „Ah – und wie der gebechert hat!“
Dimitri Hoch: „Auf, weiter jetzt! Oder meinst du, ich habe Lust, hier Wurzeln zu schlagen?“
Alonso Gonzalez: „Hätte man einen Globus auch nicht unbedingt zugetraut.“
Radius Lehr: „Kommt gar nicht in die Tüte.“
Alonso Gonzalez: „Apropos bechern.“
Dimitri Hoch: „Was heißt hier apropos. Ich weiß doch, dass wir alle einen ganz hübsch im Tee haben.“
Alonso Gonzalez: „Das meinte ich eigentlich nicht gerade.“
RLG: „Irgendwie war es Alonso gelungen, sich von Radius loszulösen. So dass der zur Seite auswankte, und noch mehr an Dimitri zerrte.“
Dimitri Hoch: „Mensch, pass doch auf!“
RLG: „Gegenüber dem Schreibwarenladen von Franz Schmidt sich der Blumenladen von Millie Schultes befand. Die Millie innerhalb unseres Viertels nicht den allerbesten Ruf genoss, um es mal so zu sagen. Ständig war ihr Blumenladen, wenn er geöffnet, unbesetzt, weil sie lieber mit einem Kanalarbeiter flirtete. Ein paar Meter weiter von dem Laden entfernt, auch wirkten die Pflanzen, die sie feilbot, oftmals reichlich ungepflegt. Vor dem Laden selbst hatte sie zwei größere Kübel mit irgendwelchen Gewächsen, die in allen möglichen beziehungsweise unmöglichen Richtungen wucherten, platziert. Und in aller Regel nicht hineinbugsiert, wenn Ladenschluss war.
Und einer dieser Kübel war nun Anlass, weshalb sich Alonso von Radius losgeeist. Er positionierte sich vor einen der Kübel.“
Dimitri Hoch: „Alonso! Das kannst du doch jetzt nicht bringen!“
Alonso Gonzalez: „Oh, doch, und wie ich kann – kann und muss! Außerdem.“
Dimitri Hoch: „Wie außerdem? Was außerdem?“
Alonso Gonzalez: „Außerdem kann ein wenig Begießung diesem Unkraut nicht schaden. So wenig, wie die Millie dies tut.“
Dimitri Hoch: „Stimmt allerdings auch wieder.“
Alonso Gonzalez: „Grenzt ja beinahe schon an Pflanzenquälerei!“
Dimitri Hoch: „Kann ich nicht widersprechen.“
RLG: „Nun war es Dimitri, der sich von Radius loseiste. Radius, welcher nun gleichsam wie eine butterweiche Säule mitten auf dem Bürgersteig vor Millie Schultes Blumenladen wankte – hin und her, hin und her.
Radius Lehr: „Schweine!“
RLG: „Dimitri sich indes dem zweiten Kübel widmete.“
Alonso Gonzalez: „Das was nur Männer können!“
Dimitri Hoch: „Wenn du unbedingt meinen musst.“
Alonso Gonzalez: „Ja, meine ich.“
Radius Lehr: „Schweine!“
Alonso Gonzalez: „Ach, mein Kleiner!“
Radius Lehr: „Männer!“
Alonso Gonzalez: „Und was ist mit dir? Du nicht auch mal müssen?“
Radius Lehr: „Dreckige, kleine Schweine!“
Dimitri Hoch: „Na!“
Alonso Gonzalez: „Irgendwann reicht es auch mal.“
RLG: „Alonso wendete seinen Kopf zur Seite, um einen Blick auf Radius zu erhaschen. Der hatte sich wie ein batteriebetriebener Spielzeug- Roboter, bei dem man versehentlich den Anmachknopf betätigt hatte, selbstständig gemacht – selbstständig in Gang gesetzt. So dass er nun schon einige Meter in die Querstraße eingedrungen war.“
Alonso Gonzalez: „Oh, mein Kleiner. Was machst du denn jetzt schon wieder?“
Radius Lehr: „Arbeiten gehen wollen.“
Dimitri Hoch: „Mann - was das denn jetzt schon wieder soll!“
Radius Lehr: „Wiesenschriether! Das Arschloch!“
Dimitri Hoch: „Nix da!“
Alonso Gonzalez: „Nicht, dass dies jetzt schon wieder anfängt.“
RLG: „Die Querstraße führte schnurstracks zu den verwinkelten Gassen unseres Vorstadtviertels. Und in einen der Hinterhöfe dort befand sich in einem kleinen Schuppen die kleine Werkstätte des Malermeisters Otto Wieschensriethers. Für den Radius gearbeitet hatte – Tag für Tag, Jahr für Jahr, ungefähr zwanzig Jahre. Bis er gekündigt hatte, was auch erst vor Kurzem geschah. Ja, ja, vor Kurzem, oh, am besten nicht mehr daran denken. All das Schlechte, mit dem gerade so ein Gewissen wie ich zu kämpfen hatte, käme nur wieder hoch. Oh, nein, lieber nicht hinaufbeschwören.“
Alonso Gonzalez: „Und wir dachten, du hättest gekündigt.“
Radius Lehr: „Oh ja! Und wie ich das habe!“
Dimitri Hoch: „Dann frag ich mich, was du noch von dem willst.“
Radius Lehr: „So ein Arschloch!“
Dimitri Hoch: „Und wo du doch jetzt einen auf Bücherschreiben machst.“
Alonso Gonzalez: „Wissen wir inzwischen zur Genüge!“
Dimitri Hoch: „Auf! Weiter geht‘ s!“
Radius Lehr: „Ich will aber noch was zum Schreiben kaufen gehen!“
Alonso Gonzalez: „Heute wohl nicht mehr, mein Kleiner!“
RLG: „Wieder in die Zange genommen, schlenderten Alonso und Dimitri nun wieder auf der Hauptstraße. Ein abgestellter Streifenwagen deutete auf den Polizeiposten des Streifenpolizisten Olias Frech, die das instabile Dreigestirn nun passierten. Deutlich war von einem geöffneten Fenster heraus ein Schnarchen zu verhören.“
Alonso Gonzalez: „Schläft wohl auch gerade seinen Rausch aus. Na ja, auch ganz schönen einen getankt.“
Dimitri Hoch: „Ja, aber wieso denn auch nicht? Polizisten sind ja schließlich auch nur Menschen.“
Radius Lehr: „Ich will aber nicht zur Polizei.“
RLG: „Als Nächstes dann eine Filiale des Lindenbankhaus. Sie ist für ungefähr zwanzig Jahre die Arbeitsstätte von Chantal, die dort vornehmlich als Kassiererin tätig gewesen war, gewesen. Bis vor Kurzem wohlgemerkt, denn im Zuge des aufgekommenen, einmaligen Bucherfolgs von Radius Lehr hat sie ihre Stelle gekündigt, um sich künftig mehr der Rolle als künftige Ehefrau und künftige, zwölffache Mutter zu widmen. Jawohl, zwölffach, Sie haben es schon richtig vernommen, werte Leserin. Beziehungsweise Leser – und alles künftig wohlgemerkt.
In der Filiale selbst war es dunkel, doch brennte aus einem der Fenster – es war das Büro des Filialdirektors Ilja Indirekt – Licht. Jetzt, wo die Drei dies Anwesen passierten, erschien die Silhouette von irgendjemand, welche nur die von Ilja Indirekt hätte sein können. Nicht, dass er deutlich erkennbar war, nein, etwas, was nicht behauptet werden konnte. Dafür stellte er etwas vor das Fenster, nämlich eine Kuckucksuhr.
Die stand bis vor Kurzem im Schaufenster des Antiquitätenladens auf der anderen Straßenseite. Etliche Preise für das Blitz- Schachturnier entstammten den Laden, so auch diese uralte Kuckucksuhr.
Sie war gar der Preis für den ersten Platz. Den gewann Ilja Indirekt, nachdem er in der Finalserie die pensionierte Pensionswirtin Federica Fiel bezwingen konnte.
Auf der anderen Seite beneidete er Abraham, als die Kuckucksuhr noch bei ihm im Schaufenster stand. Tagtäglich hatte Indirekt aus seinem Büro herübergeschaut, und sich vergewissert, ob sie noch bei Abraham vorhanden war.“
RLG: „Waren es die Bewegungen hinter dem Fenster beziehungsweise das Platzieren der Kuckucksuhr, die die Aufmerksamkeit von Alonso und Dimitri auf sich zog? Beziehungsweise in den Bann? Auf jeden Fall hatten sie dadurch Radius außer Acht gelassen, irgendwie. So dass er sich verselbstständigt hatte. Wohl nicht zum ersten Mal, seitdem sie am Heimzerren von ihm waren.
Ja, bis auf ein paar Schritte auf die Straße hatte es Radius geschafft, wo er eine Absperrung zum Umstürzen gebracht hatte. An dieser Stelle befand sich nämlich der Arbeitsplatz des Kanalarbeiters Gunnar Günsch, der freilich – wie alles andere in unserer Vorstadt - zu jener Nachtuhrzeit verwaist war. Lediglich ein Klappstuhl, wie der eine oder andere so etwas vielleicht auch von Regisseuren für Hollywoodfilme kannte, direkt neben den offenen Gully.“
Dimitri Hoch: „Radius!“
Alonso Gonzalez: „Was machst du denn jetzt schon wieder, mein Kleiner?“
Radius Lehr: „Muss auch mal wollen.“
Dimitri Hoch: „Das kannst du doch jetzt auch bei dir machen!“
Alonso Gonzalez: „Haargenau! Sind doch sowieo gleich daheim.“
RLG: „Die beiden ergriffen Radius, der bedenklich vor dem offenen Gully schwankte, und der seine weiße Latzhose schon so weit geöffnet hatte, so dass seine blaue Unterwäsche bedenkenlos hervorblitzte. Und dies auch noch unter dem Schein des vollen Mondes.“
Radius Lehr: „Ihr Schweine.“
Alonso Gonzalez: „Wissen wir doch, Kleiner.“
Radius Lehr: „Ganz arg, dreckige Männer!“
Dimitri Hoch: „Irgendwann reicht es auch mal wirklich!“
RLG: „Auch hinter ihnen was war. Direkt vor dem Antiquitätenladen: nämlich ein orangener Elektrowagen.
Radius Lehr: „Surr, surr.“
RLG: „Surr, surr? Das Vehikel nichts Geringeres wie der Straßenkehrer- Wagen von Berry Weckerknecht. Der selbst in der Lade des kleinen Vehikels lag, und – fest eingewickelt mit einer grauen Decke – friedlich vor sich hindöste.“
Alonso Gonzalez: „Immer dieser Straßenkehrer!“
Dimitri Hoch: „Weiß nicht, was du hast.“
Alonso Gonzalez: „So viel getrunken hat der doch nicht. Soweit ich weiß.“
Dimitri Hoch: „Sind doch auch bloß Menschen. Auf komm, gehen wir endlich hoch.“
RLG: „Nicht, dass der Alonso und der Dimitri beim Bestaunen des eingewickelten Straßenkehrers im Straßenkehrer- Elektroauto Radius noch mehr vernachlässigt haben – oder etwa doch? Denn noch immer wankte Radius am offenen Gully.“
Alonso Gonzalez: „Na, sag mal, mein Kleiner, was hast du denn jetzt schon wieder gemacht?“
Dimitri Hoch: „Ich glaube.“
Alonso Gonzalez: „Aus den Augen lassen kann man dich wohl auch nicht.“
Dimitri Hoch: „In den Gully gekotzt.“
Alonso Gonzalez: „Bist mir ja ein hübsches Schweinchen.“
Radius Lehr: „Gar nicht wahr, du Arschloch!“
Alonso Gonzalez: „Irgendwann reicht es sogar mir!“
Dimitri Hoch: „Vorwärts Marsch!“
RLG: „Vorwärts Marsch? Von wegen: hinter einem Fenster im Erdgeschoss der Pension, die gleich neben der Lindenbankhausfiliale war, noch Licht brannte. Aufgekippt, drangen deutlich zwei Stimmen bis zu den Dreien auf die Straße. Und auch wenn die Beiden nicht zu sehen, war ihnen klar, bei wem es sich um die Beiden handelte, beziehungsweise nur handeln konnte.“
Bei der einen Stimme handelte es sich um die des Lehramtsanwärters Bernti Kummer. Bei ihrem Blitzschachturnier wurde der Mitzwanziger Achter und gewann einen Tischfußballtisch.
Die andere war natürlich die Pensionswirtin Federica Fiel, die selbst die Wohnung in Parterre bewohnte. Dass auch sie beim Schach dabei, beinahe schon selbstverständlich, war sie doch die Initiatorin des Spektakels. Außerdem hatte sie Geburtstag gehabt. Also, Schach und Geburtstag, beides in einem Abwasch sozusagen. Ihr Abschneiden bei dem Turnier durchaus beachtlich, immerhin die Finalgegnerin vom Gesamtsieger Ilja Indirekt, demzufolge sie ihm nur knapp unterlag. Als Gesamtzweite gewann sie einen Flipperautomaten.“
Bernti Kummer: „Okay, Frau Fiel, ich leg mich dann hin.“
Federica Fiel: „Wieso? Hast du auch so viel getrunken?“
Bernti Kummer: „Also, ich denke, ich gehöre zu denjenigen, die sich noch einigermaßen im Griff hatten. Was die Sauferei betrifft.“
Federica Fiel: „Ach so, dann ist dir schlecht.“
Bernti Kummer: „Nein! Bin einfach nur müde!“
Federica Fiel: „Nicht, dass du mir die ganze Bude vollkotzt.“
Bernti Kummer: „Ich.“
Federica Fiel: „Das wäre nicht nur ekelig, sondern auch ekelig.“
Bernti Kummer: „Gute Nacht, Frau Fiel.“
Federica Fiel: „Gute Nacht, Bub. Und stell dir ruhig einen Eimer vors Bett.“
Bernti Kummer: „Aber mir ist doch nicht schlecht.“
Federica Fiel: „Ist ja bei jedem schon mal vorgekommen.“
Bernti Kummer: „Ich!“
Federica Fiel: „Schämen braucht man sich dafür auch nicht.“
Bernti Kummer: „Oh je!“
Federica Fiel: „Schließlich haben wir alle ganz schön einen gezischt.“
Bernti Kummer: „Ach, Frau Fiel.“
Federica Fiel: „Na, wenig war es wirklich nicht gerade, was wir alle getrunken haben. Und dazu war es auch noch ganz schön viel.“
Bernti Kummer: „Ja, ich weiß. Sehr viel sogar, Frau Fiel. Nur, was ist mit den Sachen jetzt?“
Federica Fiel: „Sehr, sehr viel.“
Bernti Kummer: „Die Sachen, die wir gewonnen haben?“
Federica Fiel: „Ach, Bub, was soll damit denn sein?“
Bernti Kummer: „Ja, ihr Flipper? Und all die anderen Sachen?“
Federica Fiel: „Stimmt ja. Hast ja Recht.“
Bernti Kummer: „Steht alles noch in der Kneipe.“
Federica Fiel: „Dein toller Tischfußballtisch nicht zu vergessen.“
Bernti Kummer: „Was ich nicht unbedingt brauche.“
Federica Fiel: „Was? Sind doch alles schöne Sachen.“
Bernti Kummer: „Ja, das schon.“
Federica Fiel: „Die wir gewonnen haben.“
Bernti Kummer: „Sollen wir die denn nachher doch holen?“
Federica Fiel: „I wo!“
Bernti Kummer: „Sobald wir ausgeschlafen.“
Federica Fiel: „Was soll ich denn mit einem Flipper? Hier in meiner Wohnung?“
Bernti Kummer: „Das weiß ich doch nicht. Ehrlich gesagt.“
Federica Fiel: „Stehen lassen.“
Bernti Kummer. „Wie stehen lassen.“
Federica Fiel: „So, wie ich‘ s sage: stehen lassen. Bei Dimitri und Amalie. Ist doch dort viel besser aufgehoben.“
Bernti Kummer: „Äh!“
Federica Fiel: „Und jedermann kann an den Geräten spielen, so oft er will.“
Bernti Kummer: „Und jede Frau, nicht wahr?“
Federica Fiel: „Gute Nacht, Bub. Geh jetzt endlich schlafen.“
Bernti Kummer: „Gute Nacht!“
Frau Fiel: „Und vergiss den Eimer nicht.“
Bernti Kummer: Oh, je!“
RLG: „Hat nicht so manche Mühsal ein Ende? Bekanntermaßen? Beziehungsweise manchmal zumindest? Die ganze Zeit jetzt schon, wo Alonso und Dimitri Radius die Hauptstraße unserer Vorstadt entlanggezerrt hatten.?
Einfach es nicht gerade für Dimitri Hoch war, den Hausschlüssel von Radius zu entnehmen. Der sich nämlich in dem engen Latz des Maleroveralls befand. Ja, ein Hineinfingern, mit den Kuppen voran, bis Dimitri Radius arg unterkühlten Schlüsselring erfassen konnte.
Als die drei endlich eintreten konnten, kam auch Bernti Kummer gerade von Frau Fiels Wohnung in den Treppengang.
Bernti Kummer: „Oh je!“
Dimitri Hoch: „Statt herum zu jammern, könntest du uns lieber helfen, ihn hoch zu schleppen.“
Bernti Kummer: „Könnt ihr mir mal verraten, wie das funktionieren soll?“
Alonso Gonzalez: „Ich weiß nicht, was es daran nicht zu verstehen gibt: h – o – c – h – hochschleppen. Ganz einfach eigentlich.“
Bernti Kummer: „Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass ich mich bei euch auch noch einhänge.“
Alonso Gonzalez: „Doch, das glauben wir.“
Bernti Kummer: „Zu viert durch das enge Treppenhaus?“
Dimitri Hoch: „Auf jetzt.“
Bernti Kummer: „Gute Nacht!“
RLG: „Und stieg die Treppen hinauf. Als der Alonso und der Dimitri Radius endlich hoch gezerrt hatten, war Bernti, der Lehramtsanwärter, bereits in seinem Zimmer verschwunden. Zu guter Letzt jedoch erreichten sie das von Radius, traten ein, wo sie ihn einfach nur auf sein Bett warfen – mit letzten Kräften wohlgemerkt.
RLG: „Noch an der Tür machte sich eine Stimme bemerkbar – leise, um nicht zu sagen, quäkend.
Leise, quäkende Stimme: „Hilfe! Helft mir doch endlich hier heraus!“
Dimitri Hoch: „Nanu- hast du was gesagt?“
Alonso Zimmermann: „Mitnichten.“
Dimitri Hoch: „Ich könnte schwören, ich hätt gerade was gehört.“
Alonso Gonzalez: „Halluzinationen, wenn du mich fragst.“
Dimitri Hoch: „Dann frag ich lieber nicht.“
Alonso Gonzalez: „Kein Wunder. Hast ja auch ganz hübsch was im Tee.“
Dimitri Hoch: „Als ob dies nicht haargenau der Richtige sagt.“
RLG: „Kaum, dass Dimitri und Alonso das Zimmer verlassen hatten, machte sich die Stimme erneut bemerkbar. Sie stammte aus einem Rechner, indem vor wenigen Stunden noch das „Hugo Bauklotz – Buch“ geschrieben worden war. Im Übrigen gleich fünf Autoren, die sich am Ende daran beteiligten.
Diese waren natürlich Radius Lehr selbst, meine Wenigkeit in meiner Eigenschaft als Radius Lehrs Gewissen, beziehungsweise das RLG. Das sich während der Entstehung des Buchs im Innern des Rechners befand. Beziehungsweise Fertigstellung. Nähere Einzelheiten ich Ihnen an dieser Stelle ersparen möchte. Weiterhin Anne Hoch, dann noch die Geisterhand, eine unsichtbare Erscheinung die sich vor und während der Entstehung bei uns eingeschlichen hatte. Auch hierzu nähere Umstände ich ihnen ersparen möchte; doch waren seine wertvollen Dienste für uns durchaus sehr hilfreich. Ja, ja, durchaus, durchaus. Und last but not least der ßilberling, eine waschechte Silbermünze, die unglückselig in das Innere des Rechners gelandet war. Und auch der tatkräftig zur Verwirklichung des Buchs beigetragen hatte.
Im Gegenzug man seine Befreiung versprach– doch Pustekuchen. Wobei ich nicht ganz unschuldig an dem gebrochenen Versprechen war. Denn kaum, da das Werk vollendet, vereinigte ich mich mit Radius Lehr wieder. Gemeinsam mit Anne Hoch wir uns dann in die Kneipe stürzten, wo die vielen anderen ja schon am Feiern waren.
Zurück blieb die Geisterhand, die keine Lust auf die Kneipe hatte. Und der verzweifelte ßilberling. Daraufhin beschwor die Geisterhand, dass Anne und vor allem Radius das Versprechen eigentlich nicht gebrochen hätten. Sondern es in einem Anflug von Euphorie nur vergaßen. Und dass schließlich aufgeschoben nicht aufgehoben gewesen wäre. Freilich ein schwacher Trost für den ßilberling, der viel zu lange schon im Innern des Rechners schmorrte. Und der endlich wieder ein von Ort zu Ort Wandernder sein wollte, von Sparstrumpf zu Keksdose, von Portemonnaie zu Registrierkasse. Vor allem der ßilberling jedoch von Heimweh geplagt wurde. Schmerzlich er seinen Vater vermisste. Dies war der Silberschmied Altbuch – derjenige, der ihn einst gegossen.“
Doch betrachten wir nun kurz die Konversation zwischen der Geisterhand und dem ßilberling, gleich nachdem Dimitri und Alonso das Pensionszimmer wieder verlassen hatten.“
Geisterhand: „Nur keine Sorge! Sie werden dir schon helfen!“
ßilberling: „Daran glaub ich nicht mehr!“
Geisterhand: „Aber wieso denn? Radius ist doch jetzt da!“
ßilberling: „Und sofort eingepennt!“
Geisterhand: „Wird schon wieder wach werden. Irgendwann!“
ßilberling: „Hoffnungslos.“
Geisterhand: „Sag doch so etwas nicht.“
ßilberling: „Und wie der schnarcht! Lauter wie ein Sägewerk!“
Geisterhand: „Okay, dies nicht gerade ein Pläsir ist!“
ßilberling: „Zum Hals es mir heraushängt.“
Geisterhand: „Du hast doch gar keinen Hals!“
ßilberling: „Hach!“
Geisterhand: „Doch hingegen er erwacht sein wird. Wird er einen Schraubenzieher holen. Und dich endlich aus dem Rechner befreien.“
ßilberling: „Das glaubst du doch selber nicht!“
Geisterhand: „Pläsir pur!“
ßilberling: „Diese leeren Versprechungen! Kann‘ s einfach nicht mehr hören.“
Geisterhand: „Außerdem haben wir noch einen weiteren Verbündeten.“
ßilberling: „Wer‘ s glaubt, wird selig!“
Geisterhand: „Radius Lehrs Gewissen.“
ßilberling: „Das RLG meinst du aber nicht. Oder etwa doch?“
Geisterhand: „Du hast es erfasst. Und es wird ihn animieren, den Schraubenzieher zu holen. Sobald er erwacht ist.“
ßilberling: „Kommt jetzt wieder das mit dem Pläsir?“
Geisterhand: „Hach!"
RLG: „Inzwischen Dimitri und Alonso sich auf dem Rückweg gemacht hatten.“
Dimitri Hoch: „Um Gotteswillen! Was machen wir denn jetzt eigentlich mit Chantal?“
Alonso Gonzalez: „Also, du kannst von mir aus machen, was du willst! Aber ohne mich! Nochmal jemand durch die Nacht zu zerren bin ich einfach nicht mehr in der Lage.“
RLG: „Als sie wieder in der Kneipe waren, nahmen sie Leonid und Erich ins Gebet.
Erich und Leonid zwei weitere, die regelmäßig die Hochkneipe reflektierten – hauptsächlich um ihre Leidenschaft nachzugehen, denn die beiden Russlanddeutschen sind ausgewiesene Dauerschachspieler. Eigentlich war es ja auch Frau Fiel, die anlässlich ihres Geburtstags die beiden schließlich herausforderte; frei nach dem Motto: „ob die beiden wirklich glauben, die Einzigen zu sein, die Schach spielen können“?
Am Ende es ein Blitzschach- Turnier mit insgesamt zwölf Teilnehmern wurde. Doch vor allem für den schlaksigen Leonid, der beruflich Taxifahrer war, sollte das Ergebnis dann aber ein Ernüchterndes werden. Denn am Ende belegte er lediglich Platz neun, für den es allerdings ein uraltes Grammophon als Preis gab, frei nach dem Motto „immerhin“.
Wesentlich besser lief es für Erich, der Immerhin Vierter wurde und mit einem Laptop belohnt wurde. In der Finalserie um Platz drei musste er sich jedoch Fritzi Almenhörner geschlagen geben. Erich im Übrigen Betreiber eines Musikfachhandels. Na, ob ihm da das alte Grammophon nicht besser gestanden hätte? Dafür hätte er allerdings viel schlechter spielen müssen.
Nun waren die Beiden, Erich und Leonid, angehalten, Chantal aus der Kneipe zu transportieren. Chantals Zuhause ein schickes Ambiente in einer der weit verzweigten, verwinkelten Gassen unseres Vorstadtviertels war. Also, ein viel weiterer Weg, den Alonso und Dimitri mit Radius auf sich genommen hatten.“
Leonid Zimmermann: „Warum nicht einfach auch in die Pension? Zu Radius?“
Erich Tolstoi: „Haargenau! Wäre nicht so weit.“
Dimitri Hoch: „Und ich dachte immer, ihr seid katholisch!“
Erich Tolstoi: „Was hat denn das jetzt damit zu tun?“
Dimitri Hoch: „Das du das auch noch fragst!“
Erich Tolstoi: „Allerdings.“
Dimitri Hoch: „Darf ich dich daran erinnern, dass die Beiden noch nicht verheiratet sind?“
Leonid Zimmermann: „Aber früher oder später werden die doch sowieso zusammenkommen.“
Erich Tolstoi: „Eben drum.“
Dimitri Hoch: „Eben drum nicht.“
Alonso Gonzalez „Hach!“
RLG „Im Übrigen hatte Alonso während der Party öfters versucht, Chantal anzumachen, frei nach dem Motto „desto später der Abend“. Oder „umso wilder die Tiere“. Tja, ja, es teilweise schon schlimm gewesen, auch wenn Chantal sich stets zu wehren wusste – verbal vor allem. Selbst beim Schachturnier, bei welchem beide weitere Teilnehmer waren. Talente, die Alonso nahezu tagtäglich an den Automaten an den Tag legen konnte, konnte er hierbei allerdings weniger aufblitzen lassen – wie immer dies auch auszulegen gewesen war. So es ein kleines Wunder war, dass er im Schlussklassement wenigstens Platz elf belegte. Und mit Pfarrer Kühnert, der für den letzten Platz die Schachbretter, auf dem sie gespielt, gewann, wenigstens einen hinter sich lassen konnte. Alonso selbst ein Dauerabonnement für das Stadtkino von Qwalla Qwell erhalten hatte. Dies nicht hinlänglich erwähnt wurde? Na, und ob er sich darüber wirklich gefreut hatte? Nicht, dass am Ende Besuche im Stadtkino mit einem Verzicht auf seine Spielautomaten verbunden gewesen wären. Unter anderem – oder etwa doch? Denn die gab es in dem kleinen Kino unten in der Stadt natürlich nicht. Na, und wie es mit der Freude für Qwalla Qwell aussähe? Wenn der tatsächlich tagtäglich vor ihrem kleinen Kino aufkreuzte? Oder handelt es sich bei Alonso Gonzalez nicht um einen ausgewiesenen Schwerenöter? Vor dem kaum ein Rockzipfel dieser Welt sich sicher fühlen konnte? Zumindest nicht hundertprozentig? Oh, wie viele Ohrfeigen er schon einzustecken hatte – und nicht nur die von Chantal.
Inzwischen Leonid und Erich jeweils einen Ellenbogen von Chantal ergriffen hatten, um sie von ihrem Barhocker zu zerren. Auf welchem die Angetrunkene hin--und her wankte. Ja, angetrunken, trefflicher umschreiben man dies kaum hätte können. Die sich allerdings zu wehren suchte.
Chantal Island: „Lasst mich los, ihr Deppen!“
Erich Tolstoi: „Das mit den Deppen lassen wir am besten gleich wieder.“
Leonid Zimmermann: „Aua! Autsch!“
RLG