Raumschiff Promet - Die Abenteuer der Shalyn Shan 04: Die letzte Fahrt der Hindenburg II - Andreas Zwengel - E-Book

Raumschiff Promet - Die Abenteuer der Shalyn Shan 04: Die letzte Fahrt der Hindenburg II E-Book

Andreas Zwengel

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Beschreibung

2109. Die Welt steht am Abgrund.Klimakatastrophen verwüsten die Erde, gefährliche Genmonster bedrohen die Menschheit und Terroranschläge versetzen die Bevölkerung in Angst und Schrecken.Fünf unabhängige Firmenbesitzer schließen sich zu einer Allianz zusammen, um den Planeten zu retten. Gleich bei ihrer ersten Sitzung werden sie von Sektenmitgliedern der Gaianer, die diesen Zusammenschluss verhindern wollen, als Geiseln genommen.Spezialagent Wernher von Witzleben dringt in das Gebäude ein. Die prominenteste Geisel ist Michael Moses, dessen brandgefährliche Tochter bereits Fahrt aufgenommen hat.Achtung:Die Print-Ausgabe unserer Shalyn Shan-Reihe ist nur noch exklusiv in unserem Shop erhältlich.

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Andreas Zwengel

DIE LETZTE FAHRT DER HINDENBURG II

In dieser Reihe bisher erschienen:

01 Der Virenplanet von E.C. Tubb

02 Die Tochter des Pfauen von Matthias Falke & Y.F. Yenn

03 Welt der Kraken von Matthias Falke & Y.F. Yenn

04 Der Schwarm aus Stahl von Matthias Falke

05 In den Grauzonen von Matthias Falke & S.H.A. Parzzival

06 Der stählerne Krieg von S.H.A. Parzzival

07 Die schwarze Pagode von Matthias Falke & S.H.A. Parzzival

08 Planet der schwarzen Raumer von Matthias Falke & S.H.A. Parzzival

09 Das Orakel von Chron von Achim Mehnert

10 Notruf aus Katai von Achim Mehnert

11 Tod eines Cyborgs von Achim Mehnert

12 Der ewige Feind von Achim Mehnert

13 Welt in Flammen von Achim Mehnert

14 Die letzte Fahrt der Hindenburg II von Andreas Zwengel

15 Unsterbliche Rache von Andreas Zwengel

16 Der Weg der Kriegerin

Andreas Zwengel

Die letzte Fahrt der Hindenburg II

RAUMSCHIFF PROMET

© 2017 by BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Titelbild: Mark Freier

Satz: Winfried Brand

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-95719-464-0

Kapitel 1

Sylt, 08:24 Uhr

Horst Dellhorst schaltete den antiken Flachbildfernseher mit einer gehörigen Portion Abscheu aus. So wie es ihm jedes Mal erging, wenn er sich dem Programm aussetzte. Er selbst war für eine Menge Mist auf dem Unterhaltungssektor verantwortlich, aber das war harmloser, peinlicher Spaß gewesen. Nicht dieses beleidigende, voyeuristische Zeug. Er schaltete gewöhnlich nur einmal am Tag an, um sich die Nachrichten anzusehen. Warum er an diesem Tag eine Ausnahme machte, konnte er selbst nicht sagen. Vielleicht, weil sich sein Urlaub dem Ende zuneigte. Eine Woche ohne Com, ohne Geschäftspost und ohne sonstige Nachrichten aus dem Betrieb. Er konnte sich das erlauben und tat es auch, nachdem er einen spanischen Geschäftsfreund gefragt hatte, wie man in seiner Sprache die permanente berufliche Verfügbarkeit während der Urlaubszeit nennen würde. Loco, war die Antwort gewesen, und Dellhorst hatte zuerst über sie gelacht und sie sich dann zu Herzen genommen. Es war tatsächlich verrückt, dass er sich für seinen kleinen Mediensender aufopferte, während gleichzeitig die Welt zum Teufel ging.

Terra war in zwei Lager gespalten. Auf der einen Seite die Weltregierung, auf der anderen World-Market, das weltumspannende Wirtschaftsimperium von Michael Moses. Selten in der Geschichte des Planeten waren die Fronten so klar abgesteckt wie heute. Etwas Vergleichbares hatte es nur zu Zeiten des Kalten Krieges Mitte bis Ende des 20. Jahrhunderts gegeben, als sich die Vereinigten Staaten von Amerika und die Sowjetunion gegenüberstanden. Jahrzehntelang hatten sie Stellvertreterkriege überall auf der Welt ausgefochten und den Planeten mehr als einmal an den Rand eines atomaren Weltkrieges getrieben.

Anstatt zweier Nationen standen sich heute eine Regierung und ein Mega-Konzern gegenüber. Zwei gewaltige Machtblöcke, die jeweils ihren Teil der Menschheit hinter sich versammelt hatten. Es ging weder um unterschiedliche politische Weltanschauungen, das Durchsetzen einer bestimmten Lebensart oder um fundamentalistische Religionen, sondern schlicht um die Vorherrschaft auf der Erde.

Die Mittel, mit denen dieser Konflikt ausgetragen wurde, hatten sich ebenfalls geändert. Statt mit konventionellen Waffen, wurden die Konflikte durch initiierte Klimakatastrophen und den Einsatz von Genmutationen ausgetragen. Damals wie heute riskierten die beteiligten Parteien, durch ihren Konflikt die gesamte Welt in den Abgrund zu reißen.

Dellhorst nutzte seine mediale Präsenz, um vor dieser Entwicklung zu warnen, doch was hatte es ihm gebracht? Die Zuschauer wollten nicht hören, wie schlecht es um sie stand, die Werbekunden liefen seinen Sendungen in Scharen davon und sein Programm war so beliebt wie eine ständig nörgelnde Ehefrau.

Warum tat er sich das an? Warum verkaufte er nicht alles an Michael Moses oder besser an dessen Tochter Zizzi, die ihren Vater vor kurzem augenscheinlich entthront hatte. Mit dem Gewinn konnte sich Dellhorst ein ruhiges Fleckchen suchen und dort in aller Ruhe auf das Ende der Welt warten. Aber natürlich würde er nichts dergleichen tun, auch wenn er gerne mit dem Gedanken spielte. Dellhorst hatte den Planeten noch nicht aufgegeben, und er wusste, dass er nicht der Einzige war, dem es so erging. Erst vor einigen Wochen hatte er sich auf einer Messe für unabhängige Unternehmer mit einem Mann namens Neal Sutherland über die globale Lage unterhalten, und sie stellten viele übereinstimmende Ansichten fest. Zum Beispiel empfanden sie es beide als Skandal, dass sich unabhängige Unternehmer im Verborgenen treffen mussten, wie eine Terroristenzelle. Immer in Furcht vor den Schergen der World-Police oder den hauseigenen Schlägertruppen von Moses.

Dellhorst rechnete damit, dass er irgendwann einmal Besuch von einer der beiden Parteien bekommen würde, der ihn einzuschüchtern versuchte. Hier auf Sylt, in der abgelegenen Villa, wäre eigentlich eine gute Gelegenheit gewesen. Im Fall einer echten Notsituation konnte Dellhorst den Hausmeister seiner Villa benachrichtigen, der in einer Hütte am Rande des Anwesens wohnte. Dellhorst verabscheute den Mann, der ständig nur Latzhosen trug und eine Fresse besaß, die zu Mount Rushmore passte. Diesem syphilitischen Kerl würde er nicht einmal mit Handschuhen die Hand schütteln. Dellhorst musste einmal unfreiwillig durch das Fenster der Hütte mit ansehen, wie der Kerl einer Frau auf dem Monitor im knappen, völlig durchnässten Kleid zusah, die einen gewaltigen Sportgleiter wusch. Dabei onanierte er mit kräftigen, ruckartigen Bewegungen. Dellhorst hatte sich gefragt, wem der beiden seine Begeisterung galt. Würde er mit seiner widerlichen Beschäftigung auch fortfahren, wenn die Frau aus dem Bild ging? Sein erster Impuls war es gewesen, den Mann zu feuern, aber schließlich entschied er, dass jeder sein Recht auf abseitige Hobbys hatte. Allerdings achtete er darauf, ihm möglichst selten zu begegnen.

Umso unerfreulicher war sein Erscheinen nur wenige Minuten nach diesem Gedanken. Der Hausmeister klopfte an die Terrassentür und überreichte Dellhorst einen Umschlag. „Draußen steht so ein Typ, der wollte, dass ich Ihnen das gebe“, erklärte er dazu.

Der Umschlag enthielt eine Einladung von Sutherland nach Chicago. Nichts weiter, keine Erklärung, keine Information, gar nichts. Dellhorst wusste, dass Sutherland nicht zum Vergnügen zu diesem Schritt griff. Wollte er ihre Diskussion von der Messe fortsetzen? Sie hatten sich locker für ein weiteres Treffen verabredet, aber nicht auf der anderen Seite des Atlantiks. Die karge Nachricht bewies, dass Sutherland ihn nicht unnötig aufregen wollte, aber natürlich erreichte sie das Gegenteil. Sein junger Freund handelte aus Besorgnis und Rücksichtnahme, doch für Dellhorst wirkte das nur umso befremdender. Er musste diesem Jungspund eine Lektion erteilen und ihm beweisen, wie wenig er, Dellhorst, zum alten Eisen gehörte. Kurz darauf verließ er sein Haus und sah am Eingangstor einen dicken vollbärtigen Kerl mit Hornbrille, der neben einem Mietwagen stand und offenbar auf ihn wartete. „Kann ich Ihnen helfen?“

„Ich bringe Sie zu Ihrer Maschine“, antwortete der Mann mit tiefer, sonorer Stimme. Er war mittelgroß und recht schlampig gekleidet. Sein Hemd trug er über der Hose, in dem vergeblichen Versuch, seine pralle Wampe zu kaschieren, und darüber einen billigen Straßenanzug, den er dem Aussehen nach schon auf dem Hinflug von Chicago getragen hatte.

„Wer sind Sie?“, fragte Dellhorst barsch. „Hat Sutherland Sie geschickt?“

„Mein Name ist Pynch. Lester Pynch. Und ich arbeite tatsächlich für Mister Sutherland. Er möchte, dass ich Sie zur Maschine nach Chicago bringe.“

„Und Sie glauben tatsächlich, dass ich hier alles stehen und liegen lasse und mit Ihnen nach Amerika fliege? Ohne den geringsten Hinweis, worum es bei diesem Treffen geht? Das kann unmöglich Ihr Ernst sein?“

Pynch griff in die Innentasche seines Jacketts und Dellhorst wich erschrocken zurück. Jetzt hätte er doch gerne den Hausmeister zur Seite, denn trotz aller charakterlichen und hygienischen Defizite war der ein ziemlicher Brocken von einem Mann.

Lächelnd zog Pynch einen weiteren Umschlag aus der Tasche, den er Dellhorst reichte. „Darin finden Sie Unterlagen, die für Sie interessant sein sollten.“

Dellhorst nahm den Umschlag entgegen und schaute hinein. Er studierte das oberste Blatt. „Gut, Sie haben also ein paar geschäftliche Unregelmäßigkeiten herausbekommen, na und? Ist das hier ein Erpressungsversuch? Falls ja, dann muss ich Ihnen leider sagen, dass ich Ihnen für dieses Wissen keinen Cent bezahlen werde.“

„Es geht nicht um Geld. Und im Übrigen auch nicht um Erpressung“, erklärte Pynch freundlich. „Vielmehr soll dies nur verdeutlichen, dass ich in der Lage bin, jede benötigte Information zu beschaffen.“

„Soll mich das beeindrucken? Ich führe hier keine Bewerbungsgespräche, für welchen Job Sie sich auch immer bewerben wollen. Und wenn ich das tun würde, hätten Sie sich mit diesem unerhörten Auftreten ohnehin schon disqualifiziert, also verschwinden Sie, bevor ich meine Leute rufe.“

Pynch ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Vielmehr wurde er immer ruhiger, je aufgeregter der Mann vor ihm wurde. „Bevor Sie jemanden rufen, sollten Sie noch einmal in den Umschlag sehen, er enthält noch ein weiteres Blatt.“

„Ach ja, haben Sie etwa noch unbezahlte Strafzettel in meiner Vergangenheit entdeckt?“

Pynchs Grinsen verstärkte sich.

Dellhorst zog das zweite Blatt aus dem Umschlag und warf einen Blick darauf.

„Fahren wir!“

*

Zürich, 11:45 Uhr

Lexi Klawitter blickte durch die Kuppel auf die Hagelkörner, die in bedrohlicher Größe auf das Glas hämmerten. Ihre Techniker hatten ihr bereits von feinen Haarrissen berichtet. Wenn die Hagelkörner noch größer wurden, würden sie das Kuppelglas bald zerschmettern. Der Sturm trieb sie fast waagerecht durch die Luft.

Tornadowarnungen waren keine Seltenheit mehr, und es wurde bereits angeregt, im Wetterbericht nur noch zu melden, wenn keine Orkanböen zu erwarten waren. Wenn es ausnahmsweise mal nicht stürmte, hing der Himmel voller dunkelgrauer Regenwolken, die nur darauf zu warten schienen, dass die Menschen ins Freie traten, um sie dann zu übergießen. Es wurde seit Tagen nicht mehr richtig hell, weil die Sonne keine Möglichkeit fand, die dichte Wolkendecke zu durchdringen. Die Straßenlaternen in den Städten blieben tagsüber eingeschaltet, und in den Wohnungen der Bevölkerung brannte ständig Licht. Wenn einmal ein Sonnenstrahl eine Lücke fand und wie ein Lichtbalken zur Erde strahlte, wirkte dies auf viele Menschen wie eine göttliche Erscheinung.

Lexi Klawitter vermisste ihre Kindheit, als sie sich kaum in geschlossenen Räumen aufhielt, sondern immer im Freien unterwegs war. Die wohlhabende Familie ermöglichte es ihr, vom Bodensee bis zu den Alpen jedes Fleckchen ihrer schweizerischen Heimat zu erkunden. Dies erfolgte im beiderseitigen Interesse, denn die Eltern mussten sich nicht um ihr Kind kümmern, und Lexi brauchte nicht allein in der großen Villa zu hocken. Die erbte sie später, zusammen mit der Schokoladenfabrik und einer umfangreichen Schokoladensammlung aus aller Welt.

Schon als Kind lebte Lexi ausschließlich für Schokolade und machte sie zu ihrem einzigen Lebensinhalt. Die Pfunde setzen sich bei ihr an wie Bleigewichte an einem Taucher. Leuchtende Hautunreinheiten zierten großflächig ihr aufgedunsenes Äußeres, und sie wirkte auf Menschen beiderlei Geschlechts gleichermaßen abstoßend. Nicht, dass sie das geringste Interesse an Gesellschaft gehabt hätte. Sie wurde eine Einzelgängerin, galt aber bei ihren Mitschülern unverständlicherweise als äußerst lässig. Wenn man Apathie als Coolness und Gefühllosigkeit als innere Stärke missverstand, hatten sie sicher recht.

Klawitter besaß den perfekten Gaumen. Sie konnte aus einer Probe Schokolade jede einzelne Zutat herausschmecken und machte sich bald einen Namen in der Branche. Für sie gab es keine Geheimnisse, jede neue Geschmacksrichtung oder Sorte konnte sie in kürzester Zeit analysieren. Deshalb war sie bei der Konkurrenz gefürchtet. Sie hatte innerhalb ihrer Firma eine eigene Abteilung, in der sie ihre Kreativität austoben konnte. Jedes Jahr begab sich ihre Abteilung zweimal in Klausur, um neue Rezepte zu testen. Es gab keine Grenzen und keine Tabus. Jede Geschmacksrichtung war erlaubt, die Kategorie Kalorienbombe war durchaus wörtlich gemeint. Es war eine Herausforderung an die Tester. Erfahrene Gaumen und stählerne Mägen waren gefordert. Die Jury bestand aus zwölf Personen, die sich durch die Leckereien schlemmen mussten, die durch die Vorauswahl gekommen waren. Die Zahl der Bewerber hatte schon vor Jahren den dreistelligen Bereich überschritten.

Über vierzig Jahre war es nun her, dass sie die Geschäftsleitung übernommen hatte. Sie war längst Multimillionärin und hatte trotz ihrer 68 Jahre keine Ambitionen, sich zur Ruhe zu setzen. So erfolgreich sie im Berufsleben war, so desaströs stand ihr Privatleben daneben. Klawitter verabschiedete jeden Abend ihre Mitarbeiter, die sich gelegentlich noch privat auf ein Bier verabredeten, und war froh, dass diese aufgehört hatten, sie einzuladen. Am liebsten hätte sie ihnen solche Unternehmungen untersagt, bei denen diese Narren sich mit Alkohol und Zigaretten ihren Gaumen ruinierten.

Ein Hagelkorn von der Größe eines Footballs zerbrach direkt über ihr auf der Scheibe und hinterließ einen deutlich sichtbaren Riss im Glas. So hatte sie sich als Kind den Weltuntergang ausgemalt, und wenn man nicht bald etwas unternahm, dann würde sich ihre kindliche Vision bewahrheiten.

Klimamanipulation schien die Lösung des Problems zu sein, wenn niemand bereit war, etwas an seinem Verhalten zu ändern. Aber es war immer noch ein Eingriff in ein natürliches Gefüge, der längerfristig nicht ohne Auswirkungen bleiben konnte. Welche Folgen eine solche Technologie in den falschen Händen haben konnte, hatte die Eröffnung von Germania gezeigt, der neuen Zentrale von World-Market in der Sonora-Wüste. Sie war vor Ort gewesen und musste alles hautnah miterleben.

Eine Gruppe von Ökoterroristen brachte die bisher einzige funktionsfähige Wetterstation mit der Lizenz zur Klimaveränderung unter ihre Kontrolle. Diese war für das Klima um das Germania-Areal verantwortlich.

Inzwischen war die gewaltige World-Market-Anlage nur noch ein Trümmerfeld, zerstört von einem Orkan und Gewitterstürmen. Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu dreihundertachtzig Stundenkilometern hatte die künstlich erzeugte Naturgewalt an dem architektonischen Meisterwerk gerüttelt und gezerrt. Die neue Firmenzentrale von Michael Moses war dem Klimaanschlag der Ökoterroristen komplett zum Opfer gefallen. Germania war nur noch ein teilweise qualmendes, teilweise überflutetes Trümmerfeld, in dem genmanipulierte Rattenfrösche herumsprangen. Mutationen, die genau so aussahen, wie sie hießen, und die Ökoterroristen zu Hunderten über das Transportröhrensystem eingeschleust hatten.

Über Kragencom wurde ihr mitgeteilt, dass ihr Besuch eingetroffen sei, und sie gab Anweisung, ihn nach oben zu ihr in die Kuppel zu schicken. Lexi hatte auf eine Einladung von Sutherland gewartet, ohne zu wissen, ob sie jemals kommen würde. Als Sutherland ihr sagte, er wolle nicht länger zusehen, wie seine Heimat zerstört wird, hatte sie ihm spontan ihre Unterstützung zugesagt, was auch immer er austüfteln würde. Inzwischen schien er einen Plan zu haben. Vielleicht hatte er bereits eine Möglichkeit gefunden, auf das Wetter einzuwirken. Es fiel ihr schwer zu glauben, dass die Moses-Bande über die einzige funktionierende Station verfügt haben sollte. Keiner konnte ihr erzählen, dass die militärischen Möglichkeiten der Wettermanipulation nicht längst erforscht waren. Sie waren einfach viel zu verlockend: Nebel erzeugen, zur Tarnung der Truppen oder von Transporten. Dauerregen auf die Stellungen des Feindes, damit alles im Schlamm versank. Blitzeinschläge, um deren Technik lahmzulegen. Große Hitze oder Kälte, um die Kämpfer zu behindern und zu zermürben. Wie gesagt, Einsatzmöglichkeiten gab es jede Menge. Erst in zweiter Linie wurde darüber nachgedacht, wie Regen gezielt zur Bewässerung eingesetzt werden konnte. Wie man durch gezielte Sonneneinstrahlung Rekordernten erzielte. Vor allem aber, wie man bisher unkontrollierbare Naturkatastrophen wie beispielsweise Überschwemmungen oder Lawinenabgänge im Vorfeld verhindern konnte.

Die Lifttüren öffneten sich und ein mittelgroßes Männlein trat heraus. Der Mann sah sie über den oberen Rand seiner Hornbrille an und Klawitter wusste sofort, dass weit mehr in ihm steckte, als sein schlampiges Äußeres erahnen ließ. Selbst wenn er nur ein Laufbursche für Sutherland sein sollte, so verriet dies eine Menge, denn Neal arbeitete nur mit den Besten.

*

Athen, 14:37 Uhr

Elias Kokoris, Eigner der Kokoris-Reederei mit Sitz in Piräus, stand in der Seitentür eines firmeneigenen Gleiters und betrachtete den Kampf eines seiner größten Tanker mit einem vielarmigen Seeungeheuer. Über das Com-System in seinem Helm flehte ihn der Pilot an, endlich einen sicheren Abstand einnehmen zu dürfen, doch Kokoris ignorierte die Bitte. Ungerührt sah er der Zerstörungsorgie des Genmonsters zu. Es war nicht der erste Fall dieser Art. Gigantische Meeresungeheuer spielten seit Wochen mit seiner Flotte Schiffe versenken. Er hatte bereits fünf Schiffe eingebüßt, die nun auf dem Grund des Mittelmeeres und des Atlantiks ruhten. Einem halben Dutzend weiterer war es mit knapper Not und schwer beschädigt gelungen, einen rettenden Hafen zu erreichen, aber sie waren für lange Zeit außer Gefecht gesetzt. Wenn es in diesem Tempo so weiterging, dann war er in zwei Monaten aus dem Geschäft und pleite. Etwas, das er sich zuvor nie hatte vorstellen können, denn dazu war er schlichtweg zu reich.

Doch es gab zwei Gruppierungen, die in den letzten Wochen radikal in das Weltgeschehen eingegriffen hatten und damit eine Menge Probleme für die gesamte Bevölkerung des Planeten im Allgemeinen und Kokoris im Speziellen auslösten.

Zum einen eine lose Vereinigung von Ökoterroristen, die einen sofortigen Stopp aller Wettermanipulationen und Genexperimente verlangte. Allerdings hatte sie den friedlichen Protest längst aufgegeben und Aktionen gestartet, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Mit katastrophalen Folgen. Um die Gefahren von Genexperimenten zu verdeutlichen, machten sie Genexperimente, die – ob gewollt oder nicht – schrecklich schief gingen. Sie schufen gigantische Insekten, um sie vor World-Market-Filialen auszusetzen. Die Mutationen begnügten sich allerdings nicht damit, als mahnendes Anschauungsmaterial zu dienen, sondern attackierten und töteten Menschen. Sie entzogen sich der Kontrolle ihrer Schöpfer und pflanzten sich ungehindert fort.

Die Ökoterroristen hatten damit ungewollt eine weitere Bedrohung für diese an Bedrohungen nicht gerade armen Welt geschaffen. Indirekt spielten sie damit auch der zweiten Gruppierung in die Hände, der Gai-Front. Die Gaianer fühlten sich durch die mutierten Rieseninsekten an ein Ereignis erinnert, das vor elf Jahren in Zentralasien stattfand. Dort stürzte ein Forschungsraumschiff ab, das außerirdische Lebensformen an Bord hatte, die für einen geplanten Astro-Zoo in Peking bestimmt waren. Einige dieser Lebensformen überstanden das Unglück und breiteten sich in der Folge auf Terra aus. Sie versetzten Menschen und Tiere in Angst und Schrecken, einige heimische Tierarten wurden damals von ihnen beinahe komplett ausgerottet.

Wesen wie dieses Tentakelmonster unter Kokoris, das gerade mit einem einzigen Schlag die Brücke des Tankers zertrümmerte, hatten ganze Walherden verschlungen und den Rest in die Flucht geschlagen.

„Wir müssen jetzt umkehren!“, rief der Pilot aufgeregt. „Das Vieh hat uns entdeckt.“

Elias Kokoris sah mit Schrecken, dass das Genmonster zwei seiner Tentakel zu dem Gleiter in die Höhe streckte, und gab endlich die Anweisung, sich zu entfernen. Für seinen Tanker konnte er ohnehin nichts mehr tun. Neben dem finanziellen Schaden kam auch noch die ökologische Katastrophe, falls es dem Wesen gelang, die Transporttanks zu knacken, sodass sich der Inhalt ins Meer ergoss.