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Tamagar IIEine wilde Welt voller Gefahren. Hier erhoffen sich Vivien, Arn und Junici Antworten auf viele Fragen im Avatara-Konflikt. Doch ihr Raumschiff Agamemnon verliert sämtliche Energie und stürzt über dem Planeten ab.Im Katai-Sektor spitzt sich die Situation immer mehr zu. Als die Crew der Promet IV zu vermitteln versucht, gerät sie in eine erbarmungslos geführte Raumschlacht zwischen den Örgön Gör und den Shar Shariik.
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Seitenzahl: 179
In dieser Reihe bisher erschienen
5101 Andreas Zwengel Mehr als tausend Lichtjahre
5102 Andreas Zwengel & Gerd Lange Geheiligte Spiele
5103 Andreas Zwengel Eisenfaust
5104 Andreas Zwengel Der Weiße Prophet
5105 Andreas Zwengel Im Tribunal der Häuser
5106 Andreas Zwengel Das Zeitenorakel
5107 Andreas Zwengel Die wahnhaften Künstler
5108 Andreas Zwengel Der Plan der Ehrenschwester
5109 Andreas Zwengel Die Vision der Propheten
RAUMSCHIFF PROMET - STERNENABENTEUER
BUCH 8
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Copyright © 2023 BLITZ-Verlag
Hurster Straße 2a, 51570 Windeck
Redaktion: Gerd Lange
Exposé: Thomas Ziegler† & Gerd Lange
Titelbild: Mario Heyer
Logo: Mario Heyer
Satz: Torsten Kohlwey
Alle Rechte vorbehalten.
www.BLITZ-Verlag.de
ISBN: 9783757961831
5108v1
Patrouillenboot der Örgön Gör, 10.05.2107, 04:21 Uhr Terra-Zeit
Katai, Tosch-System, 10.05.2107, etwa zur selben Zeit
Riddle, Basis II der HTO, 10.05.2107
Riddle, Basis II der HTO, 10.05.2107, nachmittags
Währenddessen im Tosch-System
Riddle, Basis II der HTO, 11.05.2107
Währenddessen im Tosch-System
Auf Tamagar II
An Bord der Promet IV
An Bord der Shona
Im Beesch-System
Auf der Insel Johimin-Dhan
Im Beesch-System
Anmerkungen
Über den Autor
Seit ihrer Flucht vom Planeten Elysia war nur ein Tag vergangen. Die rebootete Künstliche Intelligenz von Adamson hatte die zwei Frauen vor einer ganzen Armee von blutrünstigen Biomechs gerettet, indem sie ein Patrouillenboot der Örgön Gör stahl und die beiden Raumfahrerinnen damit aufnahm. Anschließend waren sie gemeinsam den feindlichen Pyramidenschiffen im Orbit durch einen raschen Sprung in das Parakon entkommen. Ihr Ziel war Riddle, wohin ihre Freunde bereits geflohen waren, um dort den Widerstand zu formieren.
Das gekaperte Patrouillenboot transitierte in der Nähe der Sonne Proxima Centauri. Junici Boruls Verletzungen verheilten gut und Vivien Raid versorgte sie mit den begrenzten Bordmitteln so gut es ging. Die KI-Identität Adam steuerte alle frisch erworbenen Kenntnisse bei, die auch alte Hausmittel und primitive Wundversorgung früherer Zeiten mit einschloss. Aufgrund der schlechten Ausstattung des Patrouillenbootes eine sinnvolle Alternative.
Auf dem Weg nach Riddle nahm Vivien erneut Kontakt mit der Defensiv-Zentrale auf und verwendete dabei wieder die Scheinidentität Jubilee Nys. An diesem Punkt waren sie schon einmal gewesen, als sie nach ihrer Flucht aus Aqua City mit dem Kurierraumschiff Glory um Landeerlaubnis gebeten hatten. Das war, bevor Adam alles durcheinander gebracht hatte und sie auf der Flucht vor der Space Police ins Elysium-System transitiert waren.
Dieses Mal hatten sie mehr Erfolg. Die Nennung des Namens bewirkte nicht nur eine schnelle Antwort, sondern sorgte sogar dafür, dass sich Ron Danton, der Leiter der Basis II auf Riddle persönlich meldete. „Vivien, Junici, ich bin so froh, eure Stimmen zu hören“, sagte er aufgeregt. „Hier sind eine Menge Leute, die es nicht erwarten können, euch zu sehen. Geht es euch gut?“
„Junici ist leicht verletzt, wir haben es unter Kontrolle“, berichtete Vivien.
„Sag Arn nichts davon, er macht sich sonst nur unnötig Sorgen!“, rief Junici aus dem Hintergrund.
„Der ist schon unruhig genug und macht uns alle mit nervös“, antwortete Danton. „Wie weit seid ihr noch entfernt?“
„Wir sind in einem Patrouillenboot der Örgön Gör unterwegs, ich glaube nicht, dass es günstig wäre, uns damit Riddle zu nähern.“
„Richtig, das könnte noch mehr unerwünschte Aufmerksamkeit bringen, als wir bisher schon erregt haben“, sagte Danton nachdenklich. „Teilt mir eure Position mit, ich werde jemanden schicken, der euch abholt.“
„Wir können es kaum erwarten“, sagte Vivien.
„Bis bald“, verabschiedete sich Danton, um alles in die Wege zu leiten.
„Das klingt so, als würden sich unsere Wege bald trennen“, ertönte die Stimme von Adam aus der Bordanlage.
Junici seufzte. „Denkst du immer noch, wir lassen dich zurück?“
Diese Sorge des ehemaligen Adamson hatte schon ihre erste Ankunft auf Riddle verhindert. Damals war er gerade auf sein Grundprogramm reduziert worden und hatte nur ein kindliches Niveau besessen. Und wie ein Kind hatte er Angst gehabt, verlassen zu werden, oder wie er es selbst ausgedrückt hatte: eingeschlossen in einem Schiff zu enden, abgestellt und vergessen in irgendeinem Hangar.
Inzwischen war er gereift und gewachsen, hatte viel Wissen in sich aufgenommen und vor allem die Beziehung zu Vivien und Junici vertieft, die sich als seine Ersatzmütter betrachteten und auch bezeichneten.
„Nein, das denke ich nicht“, antwortete Adam. „Aber es ist nun einmal so, dass wir in Zukunft nicht mehr so einfach zusammen sein können, wie an Bord dieses Schiffes.“
„Wir werden einen Weg finden, das versprechen wir dir“, sagte Junici von ihrer Liege aus und Vivien stimmte zu.
„Wir sind jetzt ein Team, uns bringt niemand so schnell auseinander“, sagte sie und hob den Daumen.
* * *
Eine Stunde, nachdem Ron Danton mit denbeiden vermissten Raumfahrerinnen gesprochen hatte, machte sich das Lunadocks-Prospektorenschiff Agamemnon auf den Weg, um sich mit dem Patrouillenboot zu treffen.
Kommandant Frode Myklebust und seine Crew hatten zuletzt die angeblichen Hochverräter von der HTO nach Alpha Centauri geschmuggelt. Sie riskierten eine Menge, als sie Peet Orell, Arn Borul und Jörn Callaghan in drei gläsernen Transportboxen vor dem Weltrat in Sicherheit brachten. Dadurch hatten sie sich das Vertrauen von Danton und allen anderen gesichert. Ein Teil ihrer Belohnung bestand darin, dass sie auf Riddle bleiben konnten, als sich andere Schiffe ihrer Art auf der Erde einfinden mussten, um sich der bevorstehenden Invasion durch die Avatara entgegenzustellen.
Der Flug zu der angegebenen Position dauerte nicht sehr lange. Myklebust lümmelte in seinem Kommandosessel und wartete darauf, dass sie ihr Ziel erreichten. Er hatte einen gemütlichen, etwas schwammigen Körper, was daran lag, dass er niemals sein Schiff verließ und auch sportlicher Betätigung eher abgeneigt war.
„Ich kann sie sehen“, meldete Paul Mack erfreut und seine Kollegin Jema Rousseau nahm eine kleine Kurskorrektur nach Pauls Angaben vor. Der Kommandant der Agamemnon war einerseits erfreut über diese willkommene Ablenkung und andererseits stolz darauf, dass Danton ihn mit dieser Aufgabe betraut hatte. Angesichts der beiden Personen, die es zu retten galt, war dies eine nicht geringe Verantwortung.
Die Agamemnon näherte sich dem Patrouillenboot und Myklebust nahm Kontakt auf. Die Antwort von Vivien Raid fiel etwas zurückhaltend aus. „Ich bin etwas überrascht, dass man ausgerechnet ein Prospektorenschiff der Lunadocks zu unserer Rettung schickt.“
„Das kann ich verstehen, aber vielleicht ändert es Ihre Meinung, wenn ich Ihnen erzähle, dass wir es waren, die Peet Orell, Arn Borul und Jörn Callaghan nach Riddle gebracht haben.“
Sofort änderte sich Viviens abweisender Tonfall. „Das tut es tatsächlich. Herzlich willkommen, Kommandant Myklebust, und vielen Dank an Sie und ihre Crew. Auch im Namen von Junici Borul“, verkündete sie hocherfreut. „Ich freue mich schon darauf, Ihnen die Hand schütteln zu dürfen.“
„Und ich werde Sie heftig umarmen“, verkündete Junici aus dem Hintergrund.
Das Andockmanöver verlief reibungslos und kurz darauf konnten beide Frauen ihre Ankündigung wahrmachen. Sie beschränkten sich nicht auf den Kommandanten, sondern bezogen auch Jema Rousseau und Paul Mack mit ein, die ebenfalls kurz in das Patrouillenboot kamen.
„Dann darf ich euch jetzt zu uns auf die Agamemnon einladen“, sagte Myklebust. „Ron Danton hat uns angewiesen, das Patrouillenboot deaktiviert in einem Orbit um Proxima Centauri zurückzulassen.“
„Wir müssen aber noch jemanden mitnehmen“, sagte Vivien.
Frode Myklebust sah sich suchend in der Zentrale des Patrouillenbootes um. „Und wen?“
„Mich“, antwortete Adam über die Bordlautsprecher.
„Das ist Adam. Er gehört zu uns“, erklärte Junici.
„Sie wollen die Bord-KI mitnehmen?“
„Dieses Schiff dient mir nur als zeitweises Zuhause“, erklärte Adam. „Ich bin in keiner Weise daran gebunden, weder technisch noch emotional.“
„Was du nicht sagst“, murmelte Myklebust und sah zu seinen beiden Besatzungsmitgliedern.
Jema zuckte ratlos die Schultern, weil sie die Situation ebenfalls überrumpelt hatte, doch Paul Mack überlegte bereits eine Lösung.
„Ja?“, fragte Myklebust, der immer merkte, wenn sein Techniker eine Idee ausbrütete.
„Ich denke an Robob.“
„Unser Verladerobot“, erklärte Jema den beiden fragend schauenden Frauen. „Wir werden euch einander vorstellen.“
Sie wechselten gemeinsam auf das Prospektorenschiff hinüber. Auch Junici schloss sich ihnen an, da sie nicht länger untätig herumliegen wollte und etwas Bewegung brauchte. Jema ging voraus und bot dabei viel Aussicht auf ihre extravagante Frisur, die aus einem schwarzgefärbten Haarstreifen längs über den Schädel bestand. Die linke Seite war komplett rasiert, auf der rechten hatte sie das kurze Haar neongrün gefärbt. Sie fuhren mit dem Aufzug ins Unterdeck, wo sich mehrere Laderäume und ein schiffsinterner Lagerraum befanden. Mack trat neben eine Tür, die zu einem kleinen Extraraum führte. Er sah seine Gäste grinsend an. Vivien und Junici bemerkten seine strahlendblauen Augen, deren Leuchtkraft so faszinierend war, dass man nicht mehr auf das restliche Aussehen achtete. Zum Glück für Mack, der ansonsten doch eher unscheinbar wirkte. In fast allen Belangen entsprach er dem Durchschnitt, außer bei seinen Augen und dem Gewicht, das leicht überdurchschnittlich war.
„Robob ist der größte mobile Speicher, den wir an Bord haben“, erklärte Mack. „Ich schätze, er wird euch gefallen. Und Adam auch.“ Damit öffnete er die Tür.
Staunend stellten die beiden Raumfahrerinnen fest, dass der Begriff Verladeroboter der Maschine nicht gerecht wurde, die sich im nächsten Moment durch die Öffnung schob. Robob besaß das Gesicht und den Körperbau eines Löwen. Obwohl nahezu alle Körperteile aus Metall bestanden, machte gerade die Kombination mit dem tierischen Gesicht seine Wirkung aus. Und die war ganz anders, als es sich die Besatzung der Agamemnon ausgemalt hatte.
Vivien und Junici machten beide erschrocken einen Satz zurück und nahmen instinktiv eine Verteidigungshaltung ein.
„Was ist los?“, erkundigte sich Myklebust überrascht. Also berichteten die beiden Frauen von ihren Begegnungen mit den Biomechs der Avatara. Technisch modifizierte und genetisch veränderte Raubtiere aus allen Teilen der Galaxie, die zur ersten Welle von deren Invasionsarmee gehörten.
„Dann war das jetzt wohl keine angenehme Überraschung“, stellte Mack enttäuscht fest.
Vivien trat näher an Robob heran, der sich gesetzt hatte und so die Ruheposition seines animalischen Vorbildes eingenommen hatte. Der Roboter besaß eine Schulterhöhe von eineinhalb Metern und wirkte ebenso beeindruckend wie einschüchternd, selbst in so einer friedlichen Haltung. Die künstliche Mimik des Löwengesichts zeigte Gleichmut. Die Augen waren hinter Aufsätzen verborgen, die wahrscheinlich jede Art des Sehens ermöglichten, und die klobigen Aufsätze am Kopf besaßen mehrere Spitzen, hinter denen sich Sensoren verbargen. Im Halsbereich lugten Teile einer Mähne unter der Metallverkleidung hervor. Diese war zwar ebenfalls künstlich, unterstrich aber noch einmal das majestätische Aussehen dieser Maschine.
„Ist ein Vierbeiner eine gute Wahl für einen Verladeroboter?“, fragte Junici. „Trägt er die Ladung mit dem Maul?“
Paul Mack lachte erleichtert, weil sich die beiden von ihrem ersten Schreck erholt hatten und nun großes Interesse an der Maschine zeigten. „Wie ein Löwe verhält er sich nur in Ruhephasen. Er kann aufrecht gehen und die vorderen Tatzen in Hände, Greifer oder Haken wandeln. Oder was auch sonst immer gebraucht wird. Er ist vielseitig einsetzbar.“
„Paul mag Löwen“, ergänzte Jema zur Erklärung von Robobs Aussehens.
„Dann bringen wir ihn mal mit Adam zusammen“, sagte Vivien tatkräftig.
Die Synchronisation zwischen den Schiffen funktionierte reibungslos und schon konnte der Transfer der KI Adam in den Speicher von Robob beginnen. Als der gewaltige Verladeroboter zum ersten Mal sprach, staunten auch die Besatzungsmitglieder der Agamemnon.
„Nicht so beweglich wie die Biomechs, die ich zwischenzeitlich gelenkt habe, aber ansonsten ein mehr als zufriedenstellender Avatar“, lautete Adams Urteil.
„Mach es dir nicht zu gemütlich darin“, sagte Mack. „Er ist nur eine Transportbox nach Riddle.“
Adam drehte seinen neuen Kopf in die Richtung des Mannes und verzog das Löwenmaul zu einem Lächeln.
* * *
Als die Agamemnon in der letzten Bastion der HTO eintraf, wartete dort bereits ein Begrüßungskomitee auf sie.
Peet, Jörn, Arn, Eric Worner und Ron Danton standen im Hangar der Basis II, die auch HTO-Defensiv-Zentrale genannt wurde. Der Moraner Arn war besonders unruhig und konnte das Wiedersehen mit seiner Frau kaum erwarten. Sie flogen sich in die Arme und vergaßen alles um sich herum. Es machte nicht den Eindruck, als wollten sie sich jemals wieder loslassen.
Vivien betrachtete lächelnd das moranische Paar und wurde im nächsten Moment von Jörn Callaghan in eine erdrückende Umarmung gezogen. „Ihr habt uns einen ordentlichen Schreck eingejagt“, murmelte er in ihr Ohr. „Tut das nie wieder.“
„Ich kann nichts versprechen“, keuchte Vivien, als sie wieder frei atmen konnte. Aber es sollte nicht die letzte Umarmung an diesem Tag bleiben.
Die HTO-Führung war wieder vereint, an einem sicheren Ort. Die Lage des Konzerns und des gesamten Planeten Erde war verheerend, aber wenigstens brauchten sie sich vorerst nicht mehr umeinander zu sorgen.
Vivien und Junici mussten noch mehrmals von ihren Erlebnissen berichten. Unter anderem auch Szer Ekka und Pino Tak, die den HTO-Aufklärer Descent befehligten, der sich zurzeit ebenfalls in der Defensiv-Zentrale befand. Die beiden ehemaligen Promet-Raumfahrer hörten ihnen aufmerksam zu, was die beiden Frauen über Elysium zu berichten hatten und bombardierten sie anschließend mit weiteren Fragen. Ekka machte sofort den Vorschlag, mit der Descent einen Aufklärungsflug ins Elysia-System zu unternehmen, um dort die Stabilität der Wurmlochsperre zu erkunden, und Peet war einverstanden. Er nahm ihnen aber das Versprechen ab, vorsichtig zu sein und beim geringsten Anzeichen von Gefahr den Rückzug anzutreten.
Wohin Vivien und Junici mit Adam kamen, erregten sie viel Aufsehen. Einen Verladeroboter mit Löwengesicht, der noch dazu sprechen konnte, sah man auch in der Basis II nicht alle Tage. Die drei befanden sich auf dem Weg zum Großrechner der Anlage, denn Adams Aufenthalt in Robob sollte sich bereits wieder dem Ende zuneigen.
Der Transfer erfolgte völlig problemlos. Ab sofort sollte er auf dem Großrechner an seinem neuen Persönlichkeitsprogramm zu arbeiten, unterstützt von seinen beiden Adoptivmüttern. Der Leiter der Techniker, die diesen Vorgang begleiteten, wandte sich nach der ersten Sitzung an Vivien und Junici. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagte er beeindruckt.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte Junici besorgt.
„Offenbar ist die KI mit einer Art digital-genetischem Kode ausgestattet, der sie zur autonomen Entwicklung einer zukünftig für sie geltenden Persönlichkeit veranlasst.“
Für die beiden Frauen war das keine Überraschung. Sie hatten Adam schon immer als Persönlichkeit betrachtet und ihn auch so behandelt, anstatt nur wie ein denkendes Computerprogramm.
„Es ist ein Privileg, bei diesem Prozess zuzusehen“, sagte der Techniker voller Bewunderung. „Wir sind alle gespannt, wie weit seine Entwicklung noch fortschreiten wird.“
Vivien und Junici lächelten wie stolze Mütter, weil ihr Schützling gelobt wurde. Ihnen entging, wie die Miene des Mannes besorgte Züge annahm. „Die Frage, die uns gerade beschäftigt, ist, ob dieser Entwicklung überhaupt Grenzen gesetzt sind.“
Die Liberator besaß die Form einer Halbkugel mit einem Durchmesser von 960 Metern und einer von Höhe von 480 Metern. Ihre golden schimmernde Außenhülle war mit stachelähnlichen Geschütztürmen übersät. Sie war das Flaggschiff der Shar Shariik und stand unter dem Kommando von Mater Unuon Shardock. Die Shar Shariik ähnelten riesigen, weißhäutigen Schildkröten, die bis zu vierzig Tonnen wogen und sich auf zwölf kräftigen Beinen fortbewegten, die denen von Elefanten ähnelten. Außerdem verfügten sie über zwei vielgelenkige Armpaare, die sich geschickter einsetzen ließen, als man bei Wesen dieser Größe vermuten konnte.
In Katai drohte der Ausbruch eines Bürgerkriegs, aber Mater Unuon beabsichtigte nicht, in diesem Konflikt zu schlichten. Sie hatte sich zum Tosch-System aufgemacht, um von dort aus den Katai-Sektor zu verlassen. Die dazu geeignete Wurmloch-Passage wurde von einer Armada der Örgön Gör unter dem Kommando von Erzprotektor Krörrk bewacht. Krörrk war ein besonders dickköpfiger und großmäuliger Gör, der sich von niemandem etwas sagen ließ. Außerdem galt er als echter Kriegstreiber, der auch in Friedenszeiten keinem Konflikt aus dem Weg ging.
Die Mater ließ eine Hypercomfunk-Verbindung zum Kommandoschiff der Gör-Flotte herstellen und verlangte die Öffnung eines Verborgenes Tores, damit das Haus der Pioniere nach jahrtausendelanger Verbannung wieder wie früher die Galaxis erforschen konnte. Dies erzeugte auf der Gegenseite eine Menge Aufregung und als die Örgön Gör nach einiger Zeit antworteten, geschah dies durch niemand Geringeren als Erzprotektor Krörrk persönlich.
„Ihr habt es wohl nicht vernommen, aber die Avatara befindet sich momentan im Krieg mit dem Planeten Terra. Deshalb sind alle Wurmlochpassagen aus Sicherheitsgründen geschlossen oder werden, wie unser Göran-Tor, militärisch genutzt.“
„Wir brauchen nicht lange für den Durchgang.“
„Eine Öffnung des Schleiers wäre eine selbstmörderische Einladung an unsere Feinde, über die Völker Katais herzufallen. Wenn ihr euch schon aufgemacht habt, mit eurer … Flotte, wieso unterstützt ihr dann nicht die anderen Häuser?“
„Weil die Avatara in der Vergangenheit so gut zu uns war?“, spottete Mater Unuon. „Das hier ist euer Krieg. Die Örgön Gör haben ihn, wenn schon nicht geplant, dann doch zumindest vorangetrieben. Jetzt könnt ihr zusehen, wie ihr diesen Konflikt löst. Wir verlangen lediglich ungehindertes Reisen und wir lassen uns weder daran hindern noch jemals wieder einsperren.“
„Ich habe von euch nichts anderes erwartet. In einem Moment höchster Not fallt ihr der Avatara in den Rücken. Eure Verbannung war damals die richtige Entscheidung und ist es auch noch heute.“ Krörrk konnte seinen Zorn kaum unterdrücken. „Eure Bitte ist nicht nur unverschämt, sondern in der aktuellen Lage auch schädlich für unser aller Heimat. Ein solches Ansinnen könnte euch als Hochverrat ausgelegt werden, weil es dem Feind nutzt.“
„Ich muss euch korrigieren, Erzprotektor, ich äußere hier keine Bitte. Nein, ich fordere euch vielmehr auf, uns den Weg freizumachen, damit wir den Schleier passieren können.“ Die Anführerin der Shardook-Sippe regierte mit eiserner Hand und deshalb zögerte auch niemand bei der Ausführung ihrer Befehle. Selbst Krörrk spürte ihre natürliche Autorität und das provozierte ihn nur noch mehr.
„Die Shar Shariik sind für mich nichts weiter als entflohene Häftlinge, die ihrem planetaren Gefängnis entkommen sind. Kriminelle Elemente, die nur Chaos verursachen. Aber ich sage dir etwas, Mater Unuon, wenn ihr euch sofort nach Shari zurückzieht und ich nichts mehr von euch höre, dann vergesse ich vielleicht euren Ausbruch. Und die unverschämten Forderungen, die ihr gestellt habt.“
„Und wenn nicht?“, fragte Mater Unuon provozierend zurück.
Der Örgön Gör seufzte theatralisch. „Habe ich es hier mit einer Halbwüchsigen zu tun, die erst wissen muss, wie die Strafe aussieht, damit sie abwägen kann, ob sich das Gehorchen lohnt?“
„Ich höre so gerne Drohungen. Also bitte, zeig mir, was du kannst.“
In einer anderen Situation wäre es ihm vielleicht gelungen, sich zu beherrschen. Obwohl man das bei Krörrk doch eher bezweifeln musste. Aber in dieser Lage reagierte er alles andere als diplomatisch. „Verschwindet mit eurem fliegenden Schrottplatz aus meinem System oder ergebt euch, ansonsten lasse ich euch hier und jetzt atomisieren. Wolltest du das hören?“
Mater Unuon wollte es tatsächlich aus seinem Mund hören. Sie dachte nicht im Traum an Kapitulation oder auch nur an eine Umkehr nach Shari. Dies war der Augenblick der Entscheidung. Die Shar Shariik hatten sich lange genug von der Avatara einkerkern lassen. Nun hieß es für die Mater und ihre Schwestern: Freiheit oder Tod! Deshalb stand Unuon ihm in nichts nach. „Lass es mich nun ganz deutlich sagen, damit es keine Missverständnisse gibt: Wenn unsere Forderung nicht erfüllt wird, sind wir notfalls auch bereit, ganz Toschawa und sogar Katai in Schutt und Asche zu legen. War das deutlich genug?“
Ein weiser Kommandant hätte angesichts der kritischen Lage im gesamten Katai-Sektor entschieden, dass man Einigkeit erzeugen musste und die Avatara auf kein einziges Schiff verzichten konnte. Doch der aufbrausende Krörrk brannte geradezu auf einen Kampf, um den er sich bei dem bisherigen Konflikt mit Terra gebracht sah. Ihn lockte ein sicherer Sieg, der ihm bei den eigenen Streitkräften jede Menge Ehre und Ruhm einbrachte Und auf Toschawa Lob für seinen Mut, seine Entschlossenheit und auch seine Durchsetzungsfähigkeit.
„Brecht den Funkkontakt ab“, entschied Krörrk. „Bereitmachen zum Angriff.“
Die Flotte der Shar Shariik war längst zum Angriff bereit und als sie die Entscheidung des Gegners erkannte, setzte sie sich in Bewegung. Sie bestand aus siebenundachtzig Raumschiffen unterschiedlichster Bauart und Herkunft. Sie machten auf den ersten Blick nicht viel her, weil die meisten von ihnen notdürftig geflickt und umgebaut waren. Mit dem Material, das ihnen die diversen Technoparks auf Shari liefern konnten. Trotz ihres äußerlich abgewrackten Zustands verfügten viele Einheiten über hochentwickelte, futuristische Waffensysteme und Schutzschirme. In einer Schlacht durfte man sie nicht unterschätzen.
Die beiden Flotten rasten unaufhaltsam aufeinander zu. Die Vorhut der Örgön Gör stieß auf die ersten Schiffe der Shar Shariik und beide Seiten eröffneten das Feuer. Es kam zu ersten Scharmützeln zwischen einzelnen Schiffen, während sich die Hauptverbände einander weiter annäherten, um sich in Schussweite zu bringen.
Eine vernichtende Raumschlacht stand unmittelbar bevor.
Vivien und Junici waren von Dantons Schwiegersohn Ben Masters medizinisch gründlich untersucht worden. Arn bestand auf einem Besuch auf der Krankenstation, wo Junicis Verletzungen noch einmal geprüft und gesäubert wurden. Sie mochte seine Besorgnis und unterzog sich gerne der Behandlung, damit er beruhigt sein konnte. Ben versorgte alle oberflächlichen Wunden und entließ sie aus seiner Obhut. Die beiden Frauen eilten schnell wieder zu ihrem Schützling zurück, der gerade dabei war, sich mithilfe des Großrechners der Defensiv-Zentrale eine autonome Persönlichkeit zu erschaffen. Er befand sich nun vollständig in einem digitalen Zustand und die Besatzung der Agamemnon hatte ihren Verladeroboter wieder in Empfang genommen.