Sherlock Holmes - Neue Fälle 51: Das Monsterlabor - Nils Noir - E-Book

Sherlock Holmes - Neue Fälle 51: Das Monsterlabor E-Book

Nils Noir

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Beschreibung

Dr. Watson ist rasend vor Eifersucht. Er vermutet eine Affäre seiner Frau Mary mit dem gut aussehenden Anatomieprofessor aus dem Tennis-Club. Also engagiert er Holmes, um den jungen Mann zu observieren. Schon bald entdeckt der Meisterdetektiv, dass es um viel Grausameres geht, als um Ehebruch. Der Professor experimentiert mit menschlichen Körpern und Mary befindet sich in seiner Gewalt.

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In dieser Reihe bisher erschienen:

3001 – Sherlock Holmes und die Zeitmaschine von Ralph E. Vaughan

3002 – Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge von J. J. Preyer

3003 – Sherlock Holmes und die geheimnisvolle Wand von Ronald M. Hahn

3004 – Sherlock Holmes und der Werwolf von Klaus-Peter Walter

3005 – Sherlock Holmes und der Teufel von St. James von J. J. Preyer

3006 – Dr. Watson von Michael Hardwick

3007 – Sherlock Holmes und die Drachenlady von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)

3008 – Sherlock Holmes jagt Hieronymus Bosch von Martin Barkawitz

3009 – Sherlock Holmes und sein schwierigster Fall von Gary Lovisi

3010 – Sherlock Holmes und der Hund der Rache von Michael Hardwick

3011 – Sherlock Holmes und die indische Kette von Michael Buttler

3012 – Sherlock Holmes und der Fluch der Titanic von J. J. Preyer

3013 – Sherlock Holmes und das Freimaurerkomplott von J. J. Preyer

3014 – Sherlock Holmes im Auftrag der Krone von G. G. Grandt

3015 – Sherlock Holmes und die Diamanten der Prinzessin von E. C. Watson

3016 – Sherlock Holmes und die Geheimnisse von Blackwood Castle von E. C. Watson

3017 – Sherlock Holmes und die Kaiserattentate von G. G. Grandt

3018 – Sherlock Holmes und der Wiedergänger von William Meikle

3019 – Sherlock Holmes und die Farben des Verbrechens von Rolf Krohn

3020 – Sherlock Holmes und das Geheimnis von Rosie‘s Hall von Michael Buttler

3021 – Sherlock Holmes und der stumme Klavierspieler von Klaus-Peter Walter

3022 – Sherlock Holmes und die Geheimwaffe von Andreas Zwengel

3023 – Sherlock Holmes und die Kombinationsmaschine von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)

3024 – Sherlock Holmes und der Sohn des Falschmünzers von Michael Buttler

3025 – Sherlock Holmes und das Urumi-Schwert von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)

3026 – Sherlock Holmes und der gefallene Kamerad von Thomas Tippner

3027 – Sherlock Holmes und der Bengalische Tiger von Michael Buttler

3028 – Der Träumer von William Meikle

3029 – Die Dolche der Kali von Marc Freund

3030 – Das Rätsel des Diskos von Phaistos von Wolfgang Schüler

3031 – Die Leiche des Meisterdetektivs von Andreas Zwengel

3032 – Der Fall des Doktor Watson von Thomas Tippner

3033 – Der Fluch der Mandragora von Ian Carrington

3034 – Der stille Tod von Ian Carrington

3035 – Ein Fall aus der Vergangenheit von Thomas Tippner

3036 – Das Ungeheuer von Michael & Molly Hardwick

3037 – Winnetous Geist von Ian Carrington

3038 – Blutsbruder Sherlock Holmes von Ian Carrington

3039 – Der verschwundene Seemann von Michael Buttler

3040 – Der unheimliche Mönch von Thomas Tippner

3041 – Die Bande der Maskenfrösche von Ian Carrington

3042 – Auf falscher Fährte von James Crawford

3043 – Auf Ehre und Gewissen von James Crawford

3044 – Der Henkerkeller von Nils Noir

3045 – Die toten Augen des Königshauses von Ian Carrington

3046 – Der grausame Gasthof von Ralph E. Vaughn

3047 – Entfernte Verwandte von Jürgen Geyer

3048 – Verrat aus dem Dunkel von James Crawford

3049 – Die Dämonenburg von Nils Noir

3050 – Die Shakespeare-Verschwörung von J. J. Preyer

3051 – Das Monsterlabor von Nils Noir

3052 – Die Bruderschaft des Feuers von James Crawford

3053 – Der tote Landarzt von Uwe Niemann

3054 – Nebel in der Baker Street von Jürgen Geyer

Das Monsterlabor

Sherlock Holmes - Neue Fälle

Buch 51

Nils Noir

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

In unserem Shop ist dieser Roman auch als E-Book lieferbar.

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Copyright © 2024 Blitz Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier

Redaktion: Danny Winter

Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Logo: Mark Freier

Vignette: iStock.com/neyro2008

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten.

www.blitz-verlag.de

3051 vom 20.08.2024

ISBN: 978-3-68984-048-8

Inhalt

Die Magie von Jack the Ripper

Mrs. Hudsons kalter Untermieter

Ein Monster namens Mo

Das leere Grab der Lora Livingdead

Über den Autor

Die Magie von Jack the Ripper

1.

Das Klopfen an der Tür wurde lauter. Rudy Randall blickte vor zum Fenster. Er könnte über die Feuerleiter türmen und einfach verschwinden, dachte er. Aber wo sollte er dann hin? Sobald er draußen war, gab es kein Zurück mehr. Er würde unter einer Brücke schlafen müssen, verhungern und erfrieren, oder erfrieren und dann verhungern. Keiner auf der Welt würde jemals von ihm erfahren, dem wohl talentiertesten Magier seit Houdini. Das durfte nicht sein. Er musste sich etwas einfallen lassen. Aber was? Ohne einen müden Shilling in der Tasche war es schwer, Landlord zu überzeugen, ihn nicht hinauszuwerfen. Es war zum Verzweifeln. Er hatte doch alles getan, um wieder in Arbeit zu kommen. Doch keiner in dieser Stadt gab ihm ein Engagement. Ein Skandal, wenn man sah, wie tadellos seine Kunststücke vor Publikum funktionierten. Außer vielleicht die Nummer mit der zersägten Jungfrau, die kam bei seiner letzten Aufführung nicht so gut an. Aber das hatte nicht an ihm gelegen. Er hatte seiner Assistentin Ruth etliche Male erklärt, sie solle ihre Beine einziehen. Hätte sie sich daran gehalten, wären die Leute von dem Trick ebenso begeistert gewesen wie von den anderen zuvor, und Ruth säße jetzt nicht im Rollstuhl. Aber das half ihm jetzt auch nicht weiter.

„Ich sag es jetzt zum letzten Mal, Randall.“ Mister Landlord war mittlerweile rasend vor Wut. Die Tür bebte unter seinen Schlägen. „Machen Sie auf, oder ich hole die Polizei.“

Hastig überlegte Rudy, was er jetzt sagen sollte. Er entschied sich, erst einmal die Haare unter dem Waschbecken nass zu machen. Das war eine gute Idee. Mit dem Handtuch auf den Schultern, ging er vor zur Tür. „Guten Morgen, Mister Landlord. Entschuldigen Sie vielmals, dass Sie warten mussten. Ich war gerade dabei, mir die Haare zu waschen. Wie geht es Ihnen heute?“

„Sparen Sie sich das, Randall“, zischte sein Vermieter. Zornesfalten spalteten seine Stirn, wie Krater einen Felsen. „Sie zahlen mir auf der Stelle die sechs Pfund, die Sie mir schulden, oder Sie packen augenblicklich Ihre Koffer. Es reicht.“

Sechs Pfund? Das klang nach sehr viel. Waren es vor zwei Tagen nicht noch vier Pfund gewesen? Wie auch immer. Er würde jetzt kaum mit Mister Landlord verhandeln können. „Aber natürlich“, sagte Rudy freundlich. „Soll ich Ihnen den Betrag jetzt geben? Oder morgen Früh das Doppelte von Ihrer geforderten Summe? Dafür müsste ich das Geld aber vorerst behalten.“ Was für eine wahnwitzige Geschichte war das denn? Rudy wunderte sich über sich selbst. Aber was hätte er sonst tun sollen? Er musste Zeit gewinnen, also lächelte er seinem Vermieter vertrauenswürdig ins Gesicht und hoffte auf einen spontanen Einfall. Tatsächlich kam ihm einer. Der könnte funktionieren.

„Das doppelte?“, fragte Landlord misstrauisch. Er hob den Kopf und streckte seinen Bauch raus. „Und wie, mein lieber Mister Randall, gedenken Sie, bis morgen Früh eine solch hohe Summe aufbringen zu können?“

„Ich habe einen todsicheren Tipp für das Fünf-Uhr-Rennen in Epsom“, erklärte Rudy seinem Vermieter. „Die Sache kann gar nicht schiefgehen. Ich muss das Geld nur setzen und am Schalter warten, bis die Pferde durch die Zielgrade gelaufen sind, um mir den Gewinn auszahlen zu lassen.“

„Sie wollen mich wohl verschaukeln, wie?“ Mister Landlords Nasenflügel flatterten. Er schnaufte wie ein Ochse.

„Aber nein, Mister Landlord. Sie werden sehen. Morgen, bevor das erste Schiff aus dem Hafen gelaufen ist, werde ich Ihnen zwölf Pfund auf den Tisch legen. Versprochen.“

Nun entspannten sich Landlords Züge und ein breites Grinsen zog sich durch sein faltiges Gesicht. Rudy hatte seine Sache anscheinend gut gemacht.

„Alright, Randall. Ich bin ja kein Unmensch“, sagte Mister Landlord großzügig und wischte sich mit dem Handballen den Speichel von den Lippen, an dem noch Reste seiner gerade vertilgten Eierspeise klebten. „Also, wenn Sie mir morgen Früh zwölf Pfund zahlen, vergesse ich all die Unannehmlichkeiten, die Sie mir bereitet haben, und wir beide fangen noch einmal ganz von vorn an. Sie haben doch sicher vor, das Zimmer hier noch länger zu mieten, nicht?“

„Aber natürlich“, sagte Rudy und blickte über seine Schulter in die heruntergekommene Rattenhöhle, in der er hauste. Sie war nass, kalt und schmutzig, und nicht die Hälfte von dem Wert, was er im Monat dafür bezahlen musste. „Das Zimmer ist doch sehr hübsch. Natürlich möchte ich hierbleiben, Mister Landlord. Unbedingt sogar.“

„Schön, dass es Ihnen immer noch so gut gefällt, Randall.“ Landlord kratzte seinen freiliegenden Bauch zwischen Unterhemd und Hosensaum. „Bei der Lage, überlegen Sie doch mal. Mitten im wunderschönen Bankside District. Da finden Sie nichts für den Preis.“

Eine absolute Lachnummer, dachte Rudy. In der verruchten Gegend, mit all den Prostituierten und dem Abschaum vor der Tür, wer würde hier schon wohnen wollen, außer man ist bettelarm wie er und es bleibt einem nichts anderes übrig.

„Sie haben absolut recht, Mister Landlord. Ich bin auch sehr dankbar und glücklich, hier wohnen zu dürfen. Einen schönen Tag, Ih...“

„Ach, eines noch!“, sagte Landlord schnell, bevor Rudy die Tür ins Schloss fallen ließ. „Ein Mister Macintosh zieht heute Abend neben Ihnen ein. Wie er mir sagte, sei er ein Reporter, der hier im Viertel für einen Artikel recherchiert, an dem er schreibt. Es geht um die Frauenmorde der letzten Wochen. Ich wollte nur, dass Sie Bescheid wissen.“

„Vielen Dank für die Information, Mister Landlord.“ Warum erzählte ihm der Alte das? Rudy war es völlig egal, wer hier neben ihm wohnte. Er hatte verdammt noch mal ganz andere Sorgen. Bis morgen Früh musste er irgendwoher zwölf Pfund beschaffen.

2.

Die Laternen warfen ihr fahles Licht auf den Boulevard of Broken Dreams. Hier standen die Mädchen ohne Träume, deren letztes Fünkchen Hoffnung auf ein besseres Leben längst erloschen war. Charlotte Hummingbird war eine von Ihnen. Nach ihrem Abschluss an der Mädchenschule vor etwa zehn Jahren, wollte sie auf ein Gymnasium gehen. Doch blieb ihr dieser Wunsch verwehrt, da der höhere Bildungsweg nur Knaben zustand. Frustriert darüber, ging sie auf die Straße, um für die Gleichberechtigung der Frau zu demonstrieren. Am Anfang noch allein, zählten bald hundert Aktivistinnen zum festen Stamm ihrer Bewegung, die sich zunehmend radikalisierte. Immer häufiger kam es zu Straßenschlachten, die man sich mit der Polizei lieferte. Barrikaden wurden errichtet und Häuser brannten. Das Ende vom Lied war die Zerschlagung von Charlottes Gruppe und ihre Inhaftierung. Als sie nach zwei Jahren aus dem Gefängnis herauskam, waren ihre Kräfte geschwunden. Sie dachte nicht mehr daran, die Faust zu erheben, denn von nun an ging es nur noch ums Überleben. Vergeblich zog sie durch die Straßen und versuchte, an Arbeit zu kommen. Sie war bereit, anzunehmen, was sie kriegen konnte, aber keiner wollte sie haben. Dem Hungertod nahe, sah sie irgendwann keinen anderen Ausweg mehr. Endstation Bankside.

„Was soll es denn kosten, Miss?“

Charlotte sah diesen auffällig gut gekleideten Herrn auf sich zukommen. Ein Freier aus Midtown, nach seinem Gewand zu urteilen. Allerdings sprach er mit Cockney-Akzent, was Charlotte verwunderte. Ein Arbeiter war der feine Schnösel nicht. Seine Hände waren viel zu gepflegt und ohne Schwielen. Dieser Kerl hier hatte nie wirklich hart anpacken müssen.

„Ein Pfund für eine halbe Stunde Open Air“, klärte Charlotte. „Oder zwei Pfund für eine Runde auf dem Zimmer, Süßer.“

„Ein Zimmer wäre sicherlich bequemer“, sagte der Mann und trat näher an Charlotte heran. Tröpfchen von Regen prasselten auf seinen Zylinder, dessen Krempe er tief ins Gesicht gezogen trug. „Aber ich mag es gern roh.“

Charlotte ärgerte es, dem Snob eine Auswahlmöglichkeit gegeben und ihm nicht nur die Zimmer-Variante angeboten zu haben. Aber wie hätte sie auch ahnen können, dass der adrette Herr es vorzieht, in der Gosse zu bumsen. „Bezahlt wird aber im Voraus, mein Hübscher.“

Das Geschäftliche erledigt, führte Charlotte den ganz in Schwarz gehüllten Herren durch eine dunkle Gasse. Ein paar heruntergekommene Gesellen standen versammelt um eine Feuertonne. Sie sangen Shantys und tranken billigen Rum.

„Wir können dort heruntergehen, zur Brücke. Dort stört uns niemand.“ Charlotte wies dem Freier den Weg die Treppe hinunter, zum Bankside Pier. Unter dem hohen Kalksteinbogen der Brücke blieben sie stehen.

„Kommen Sie mit Ihren anderen Kunden auch hierher?“ Der Mann blickte unter seinem Hut hervor. Zum ersten Mal sah Charlotte seine Augen. Sie waren kalt und finster, wie der Fluss, der hinter ihm lag.

„Hören Sie, Mister, das ist kein Rendezvous. Sparen Sie sich Ihr Gelaber. Ich mach die Schere und Sie stecken ihn rein, bis Sie gekommen sind. Ende der Romanze.“

Der Mann verzog angewidert sein Gesicht. „Wie vulgär!“, sagte er. „Die Stimmung ist dahin.“

„Wie?“ Charlotte, die schon dabei war, ihr Unterkleid von den Beinen zu streifen, sah den Mann fragend an. „Heißt das, du willst mich nicht vögeln?“

„Nein, mein Vögelein.“ Der Mann trat einen Schritt auf sie zu und legte behutsam eine Hand auf ihre Wange. „Ich werde dich töten.“

Charlotte erstarrte. Ehe sie sich versah, an Flucht denken oder schreien konnte, spürte sie einen Schlag. Er glühte wie Feuer in ihrem Gesicht. Alles verschwamm vor ihren Augen. Wie durch einen Schleier sah sie den schwarzen Mann. Er hielt ein Messer in seiner Hand, dessen Klinge im Mondschein blitzte, kurz bevor sie in ihrem Unterleib versank. Blut breitete sich unter ihrem Korsett aus. Die Klinge im Bauch, taumelte Charlotte vor zum Wasser. Der Geruch von altem Fisch stieg ihr in die Nase. Sie kannte ihn nur zu gut, auch wenn sie ihn schon lange nicht mehr wahrgenommen hatte. Er war ekelerregend. Doch diesmal roch sie ihn gern.

3.

Im Treppenhaus war es stockduster. Als Rudy hinauf in seine Bude schlich, wäre er beinahe über den Blumenkübel gestolpert, der bei Mister Landlord vor der Wohnungstür stand. Dadurch hätte er den alten Fettwanst mit Sicherheit geweckt. Wenn er gehört hätte, wie Rudy nach Hause kam, wäre er direkt aus seiner Wohnung gestürmt, um zu erfahren, wie es bei dem Rennen gelaufen war. Was hätte er Landlord dann sagen sollen? Rudy wusste es nicht, da er sich die Geschichte mit der Wette nur ausgedacht hatte, um seinen Rauswurf hinauszuzögern. Da hörte er Schritte. Sie kamen von unten, langsam die Treppen hoch, gerade als Rudy seinen Schlüssel im Schloss versenkte. Tip tap, tip tap, tip tap. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und immer schneller, während die Schritte langsam näher kamen und mit einem Mal verstummten.

„Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt?“ Erschrocken fuhr Rudy herum. Sein Blick ging ins Dunkel. Außer Schwärze sah er nichts. Erst nach und nach erkannte er die Silhouette eines Mannes. Er stand nur ein paar Yards von ihm entfernt. Wer auch immer es war, Landlord war es definitiv nicht, beruhigte sich Rudy.

„Oh nein, keineswegs“, flüsterte Rudy. „Ich bin gerade selbst erst nach Hause gekommen. Und als ich hörte, wie sie die Treppen hochkamen, habe ich kurz abgewartet, um zu sehen, wer es ist. Hier in der Gegend läuft viel Gesindel herum, wissen Sie.“

„Tut es das?“

„Ja, das tut es, Mister ...?“

„Macintosh“, stellte der Herr sich vor. „Sie dürfen aber Mathew zu mir sagen. Wir sind doch jetzt Nachbarn, nicht wahr, Mister ...“

„Rudy Randall. Sehr erfreut.“ Sie gaben einander die Hände, bevor Rudy seinem Nachbarn eine angenehme Nachtruhe wünschte. Er wandte sich zu seiner Tür, um sich in seiner Rattenhöhle schlafen zu legen. Ein letztes Mal, bevor er unter die Brücke wanderte. Beinahe drin, fragte ihn sein Nachbar: „Mögen Sie Cognac, Rudy?“

„Cognac?“ Rudy stand auf dem Schlauch. Er blickte über seine Schulter zu Macintosh. Was war das noch gleich?War das nicht dieser Whisky für feine Leute?Doch ja, das war er. „Nein, Cognac, habe ich noch nie getrunken, Mathew.“

„Dann wird es aber Zeit“, sagte Macintosh. „Ich habe einen sehr leckeren in meiner Kammer. Kommen Sie, wir gießen uns einen hinter die Binde.“

„Jetzt?“ Verunsichert blickte Rudy sich um. Er wusste gerade nicht so recht, was er von der Einladung halten sollte. Wäre es nicht falsch, in seiner Situation, Fünfe gerade sein zu lassen?

„Natürlich, jetzt“, entgegnete Macintosh. „Man muss die Feste feiern, wie sie fallen.“

Die Bude von Macintosh war, ebenso wie Rudys, ein Loch. Aber er hatte saubere Handtücher am Waschbecken hängen und strahlend weiße Bettwäsche, die aprilfrisch roch. Mit Sicherheit hatte er selbst für diesen Komfort gesorgt. Landlord gab einen Dreck auf die Wäsche, die er seinen Mietern aufs Zimmer legte. Er wusch alles unten am Ufer der Themse und hing sie danach zum Trocknen oben aufs Dach. Dementsprechend sah sie auch aus.

„Setzen Sie sich, Rudy. Ich schenke uns ein.“

Macintosh entkorkte eine Flasche und füllte etwas von dem bernsteinfarbenen Inhalt in zwei polierte Gläser. Auch die hatte er sich anscheinend selbst mitgebracht.

„Sie sind Reporter, richtig?“, fragte Rudy und wunderte sich im selben Moment darüber, wie man es als Schreiberling schaffte, sich solch elegante Kleidung leisten und zudem Cognac trinken zu können. Bisher hatte er immer geglaubt, Reporter wären ständig Suchende, die hungrig auf eine heiße Story waren, mit der sie absahnen konnten. Hungrig sah Macintosh nicht aus, eher etabliert.

„Ganz recht, Rudy. Wie ich höre, haben Sie schon mit unserem Verwalter über mich gesprochen?“

„Gesprochen eigentlich nicht“, sagte Rudy. „Mister Landlord erwähnte es nur vorhin, als er bei mir vor der Tür stand, um seine Miete einzutreiben.“

Macintosh lachte herzlich. „Das kann ich mir gut vorstellen. Als ich ihm heute die Miete im Voraus gab, funkelte es in seinen Augen. Geld scheint für diesen widerlichen Fleischklops alles zu sein.“

„Aber ist es das nicht auch?“

„Aber nein, mein Lieber“, widersprach Macintosh. „Geld in der Tasche zu haben, ist großartig. Aber wenn es dir in den Kopf steigt, wird es zu einem Elend, weil der Kopf nicht sein Platz ist.“

Rudy sah sein Gegenüber bewundernd an. Wortgewandt und weltmännisch tänzelte er durch den Raum, leichtfüßig wie ein Marquis, der alle Facetten des Lebens kannte und gelebt hatte.

„Und, was treiben Sie so, Rudy?“ Macintosh ließ sich auf einem der billigen Stühle ohne Bezug nieder wie auf einem Thron, nippte etwas Cognac aus seinem Glas und lächelte.

„Ich zersäge Jungfrauen“, sagte Rudy trotzig.

„Das klingt aber nicht sehr nett“, bemerkte Macintosh lächelnd. „Ist Ihnen Scotland Yard schon auf den Fersen?“

„Soweit ich weiß, noch nicht“, antwortete Rudy ironisch. „Aber morgen bestimmt, wenn ich Mister Landlord nicht sein Geld gebe.“

Macintosh amüsierte sich prächtig über das, was Rudy von sich gab. „Sie sind ein lustiger Geselle, Rudy“, bemerkte er freudig und fragte interessiert: „Aber sagen Sie, was hat es mit den Jungfrauen auf sich? Ich nehme an, es handelt sich um eine Showeinlage und Sie zersägen Sie nicht wirklich, oder?“

„Richtig, Mathew“, bestätigte Rudy. „Das heißt, normalerweise nicht. Meine letzte Assistentin jedoch habe ich zersägt“, gestand er mit betrübter Miene, stellte aber klar: „Ein Unfall.“

„Sie sind ein Zauberer?“

„Richtig.“

„Na, die Show muss ich mir ansehen“, sagte Macintosh vergnügt. „Wann und wo treten Sie auf?“

„Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen eine Vorführung in meinem Zimmer geben.“ Tiefe Verbitterung klang in Rudys Stimme. „Ein Engagement habe ich zurzeit nicht.“

„Verstehe“, sagte Macintosh. „Daher auch Ihre Geldknappheit?“

„Wieder richtig“, erwiderte Rudy. Tränen traten in seine Augen. Macintosh erhob sich von seinem Stuhl und legte Rudy eine Hand auf die Schulter. „Lassen Sie den Kopf nicht hängen. Sie werden Ihre Show bekommen. Ich sehe es ganz deutlich vor mir. Ein riesiges beleuchtetes Banner, auf dem steht: Die Rudy Randall Zaubershow.“