5,99 €
Märchen sind keineswegs nur für Kinder gedacht und weit mehr als spannende Geschichten. Märchen schenken Trost. Märchen sind weise. Wer sich einlässt und tiefer blickt findet in den traditionellen Märchen aus aller Welt Antworten auf Lebensfragen, Konfliktlösungen und Kraft zum Gelingen des Lebens. In ‚Von Trennung, Tod und Trauer‘ geht es um Abschiednehmen, loslassen, und das Verarbeiten von Trennungsschmerz. Die Helden der Märchen, die Angeline Bauer im vorliegenden E-Book tiefenpsychologisch deutet, nehmen den Leser an der Hand, erleben und erleiden für ihn und mit ihm allerhand Geschicke und führen ihn hin zu einem erlösenden Ende. An einem Punkt des Lebens, an dem man sich ganz und gar verloren glaubt, gibt das Buch Kraft und Hoffnung.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 155
Angeline Bauer
Von Trennung, Tod und Trauer -
Märchen zum Gelingen des Lebens
Impressum
Copyright © Januar 2015 by arp
Ausgabe Januar 2023
Originalausgabe Gütersloher Verlagshau 2002
Herausgeber by arp / Ledererstraße 12 / 83224,Grassau / Deutschland
Alle Rechte vorbehalten
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt und darf auch auszugsweise nur mit Genehmigung des Herausgebers wiedergegeben werden.
Covergestaltung by arp
Coverfoto Angeline Bauer
Besuchen Sie uns auch auf unserer Homepage im Internet: www.by-arp.de
Märchen sind keineswegs nur für Kinder gedacht und weit mehr als spannende Geschichten. Märchen schenken Trost. Märchen sind weise. Dieses Buch richtet sich an Erwachsene, die für sich Hilfe suchen oder Kinder in dieser schwierigen Lebensphase begleiten.
Wer sich einlässt und tiefer blickt findet in den traditionellen Märchen aus aller Welt Antworten auf Lebensfragen, Konfliktlösungen und Kraft zum Gelingen des Lebens.
In ‚Von Trennung, Tod und Trauer‘ geht es um Abschiednehmen, loslassen, und das Verarbeiten von Trennungsschmerz. Die Helden der Märchen, die Angeline Bauer im vorliegenden E-Book tiefenpsychologisch deutet, nehmen den Leser an der Hand, erleben und erleiden für ihn und mit ihm allerhand Geschicke und führen ihn hin zu einem erlösenden Ende.
An einem Punkt des Lebens, an dem man sich ganz und gar verloren glaubt, gibt das Buch Kraft und Hoffnung und Hinweise für das Gelingen des Abschiednehmens.
Inhaltsverzeichnis:
Einführung
Wie können Märchen helfen?
Sterben, tot sein - was ist das?
Trauern und gesunden
Kinder und der Tod
Wie wir helfen können, wenn jemand gestorben ist
Der unschätzbare Wert einer Selbsthilfegruppe
Die Kraft der Märchen im Trauerfall
Zehn Märchen und ihre besondere Bedeutung für das Gelingen des Lebens
Die drei Schlangenblätter
Das Tränenkrüglein
Vom kleinen Hasen, der das Lingzhi-Kraut brachte
Der Ehegatte am Grab seiner Frau
Die alte Frau und der Tod
Der Tod von Isfahan
Von einem der auszog, das Land ohne Tod zu finden
Das alte Mütterchen
Der Tod und der Gänsehirt
Nachwort
Anhang
Alles beginnt
und alles endet
zur rechten Zeit
am rechten Ort.
(Zitat aus dem Film ‚Picknick am Valentinstag‘)
Einführung
Eine der wichtigsten Grunderfahrungen der Menschen ist die Trennung. Unser Leben beginnt mit ihr, wenn wir uns aus der Einheit mit der Mutter lösen, um geboren zu werden, und es endet mit ihr, wenn uns der Tod zwingt, uns von all dem zu trennen, was uns auf dieser Welt lieb und wichtig erscheint. Dazwischen liegen unendlich viele Trennungen. Gewollte oder nicht gewollte. Trennungen von Menschen, Orten, Dingen, Lebensabschnitten, Meinungen, Idealen, und manchmal auch Trennungen von uns selbst oder von dem was wir glauben, dass es uns selbst ausmacht. Und natürlich sind da auch noch die Trennungen, die uns der Tod auferlegt.
Meist gehen Trennungen mit starken Gefühlen einher, die manchmal so übermächtig sind, dass wir befürchten, daran zugrunde zu gehen. Gefühle wie Kummer, Wehmut, Sehnsucht, Angst, Verlorenheit, Einsamkeit und Wut. Trennungen sind Verhängnis, »unfair« und schmerzhaft. Sie isolieren uns und konfrontieren uns mit unseren Ängsten, unserer Schutzlosigkeit und der Vergänglichkeit des Lebens, und oft fragen wir uns: Warum? Warum muss ausgerechnet ich das erleiden?
Dabei vergessen wir, dass niemand ohne Trennungen und Abschiede durchs Leben kommt, und auch andere zu ihrer Zeit mit ihren Trennungen fertig werden müssen. Und dass Trennungen, so grausam sie uns auch erscheinen, notwendig sind und uns einen schöpferischen Impuls geben. Denn Trennungen zwingen uns, weiterzugehen, uns neu zu ordnen und zu definieren, abzulösen, zu befreien von alten Zwängen und grundlegende Erfahrungen zu machen, die wir ohne sie vermeiden würden. In jeder Trennung liegt auch Entwicklung und Wachstum. Nur in beständiger Fortbewegung gelingt es uns, zu werden, was wir sind; wer aber nicht Abschied nehmen kann, wird erstarren.
Wenn ich meine achtzigjährige Mutter zu Grabe tragen muss, wenn ich meinen Wagen zu Schrott gefahren habe und jetzt lernen muss, ohne auszukommen, wenn ich meinen Arbeitsplatz verloren habe, deshalb mein Haus verkaufen und in eine andere Stadt umziehen muss, dann mag ich darin ja noch so etwas wie ein impulsgebendes Prinzip erkennen können. Aber wenn mein fünfjähriges Töchterchen überfahren wurde, wie bitte soll ich das denn noch als schöpferischen Akt wahrnehmen? Es ist scheint doch vollkommen sinnlos!
Tatsächlich ist dieser Schrecken kaum auszuhalten - nichts als Leid und Elend, und niemand weiß, warum das Schicksal uns das auferlegt hat! Aber auch hinter diesem Leid wird am Ende etwas verborgen sein, das für uns jetzt (noch) nicht sichtbar ist, aber doch einen tieferen Sinn ergibt.
Das Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm ‚Das alte Mütterchen‘ (ich werde es später vorstellen) führt das sehr anschaulich vor Augen. Wer glaubt, seine Trauer nie überwinden zu können, dem kann es vielleicht doch ein klein wenig Trost schenken.
Trennung vermeiden und dem Tod entwischen zu wollen, das ist ein sehr menschliches Bedürfnis und uns allen nur zu bekannt. Keine andere Gesellschaft vor uns hat je so enorme Anstrengungen unternommen, um den Tod zu überwinden. Auch die Tatsache, dass Trennungen vom Ehepartner heute eher die Regel sind, kann nicht darüber hinwegtäuschen, wie groß unsere Trennungsängste in Wahrheit sind. Denn der Anstieg der Scheidungsraten hat wohl weniger damit zu tun, dass Menschen inzwischen gelernt hätten, besser mit Trennungen umzugehen, als vielmehr damit, dass sie immer weniger fähig sind, sich auf Nähe einzulassen, weshalb gar keine wirkliche Bindung entstehen kann. Demnach können die hohen Scheidungsraten der westlichen Gesellschaft vielleicht sogar als Indiz dafür gesehen werden, wie groß unsere Angst vor Trennung in Wirklichkeit ist.
Doch wir sollten nicht vergessen: Ein Leben ohne Schmerz wäre auch ein Leben ohne Fülle! Wer keinesfalls riskieren will, eine Liebe zu verlieren, muss ohne Liebe bleiben. Und wer niemals sterben will, darf nie geboren werden. Also kann die Vermeidung von Trennung und Tod nicht der Weg sein, sondern es kommt darauf an, zu lernen, damit umzugehen.
Das Geheimnis der Mythen
Der Schriftsteller Elie Wiesel hat einmal gesagt:
Gott hat die Menschen erschaffen, weil er Geschichten liebt.
Märchen sind kein ‚Kinderkram‘, sondern vor allem Geschichten für Erwachsene!
Immer wieder haben sich Menschen darüber ereifert, was sie eigentlich vom Tier unterscheidet. »Die Fähigkeit zu lieben«, meinen die einen. »Dass sie eine Sprache besitzen«, meinen die anderen. »Dass sie die göttliche Macht anerkennen«, ist die nächste Spekulation, und so geht das weiter. Nun, vielleicht hat Elie Wiesel ja recht, vielleicht macht es den Menschen aus, dass er Geschichten erzählen kann. Denn all die anderen Argumente scheinen mir viel weniger schlüssig. Dass auch Tiere lieben und ihre ureigene Sprache besitzen, ist längst erwiesen. Und dass sie die göttliche Macht anerkennen, davon bin ich fest überzeugt - wenn auch nicht im Denken, so doch ganz sicher im Innersten ihres Wesens.
Überall auf der Welt, ob in den reichen und angeblich so fortschrittlichen Industriestaaten oder in der tiefsten Abgeschiedenheit des Dschungels, erzählen sich Menschen Märchen und erklären ihren Kindern anhand von Mythen, was an sich unerklärlich erscheint - die Erschaffung der Welt zum Beispiel oder der Tod und das Reich, in das wir gehen werden, wenn unsere Seele den Körper verlässt.
In Mythen wohnt eine unermessliche Kraft, die es uns ermöglicht, aus der Kleinheit unseres selbstbezogenen Ichs in eine Welt voller Größe, göttlicher Liebe, edler Taten und Vollkommenheit hinüberzuwechseln und verstehen zu lernen, was in uns vorgeht, welche Wünsche, Hoffnungen, Sehnsüchte wir haben und wie wir unsere Aufgaben bewältigen können.
Ein Kind, von seiner Klassenlehrerin einmal gefragt, was ein Mythos ist, hat die kluge Antwort gegeben: »Ein Mythos ist etwas, das innen wahr ist, aber nach außen hin nicht wahr ist.« Ein Erwachsener, gebildeter Mensch, hätte das nicht annähernd so gut ausdrücken können. Auf der Ebene unseres alltäglichen Seins ist ein Mythos nicht wahr, aber je tiefer wir hinabsteigen auf den Grund unserer Seele, desto näher kommen wir seiner Wahrheit. Und wenn wir lernen zuzuhören und uns auf die Bilder der Mythen und Märchen einzulassen, dann enthüllen sie uns die Geheimnisse unserer Seele.
Wie können Märchen helfen?
Wenn wir verstanden haben, dass Mythen und Märchen nicht einfach irgendwelche Geschichten sind, die irgendjemand irgendwann einmal zufällig erfunden hat, sondern Geschichten, die vom Urgrund der menschlichen Seele geborgen wurden, und die uns die Wahrheit des Seins auf einer anderen, tiefer liegenden Ebene erklären, dann können wir auch annehmen, dass Mythen und Märchen uns in Krisensituationen weiterhelfen können.
Die Sprache des Bewusstseins sind Worte,
die Sprache des Unbewussten sind Bilder
Im Bereich des Bewusstseins sind wir im Stande zu verdrängen, was uns zu grausam erscheint und womit wir uns nicht auseinandersetzen wollen. Dann reden wir darüber hinweg und verbannen »das Unaussprechliche« aus unserem Denken. Aber nachts, in unseren Träumen, kommen die verdrängten Ereignisse zu uns zurück, denn das Unbewusste lässt sich nicht ausschalten.
Während der Traum des einzelnen Individuums aus seinem persönlichen (individuellen) Unbewussten kommt, sind Märchen sozusagen Träume, die aus dem kollektiven Unbewussten stammen. Man könnte auch sagen, Märchen und Mythen sind die Träume der Menschheit. Und wie der individuelle Traum sind auch Märchen meist symbolisch verschlüsselt und haben neben dem, was sie uns ganz offenkundig erzählen, oft auch noch eine hintergründige Botschaft zu vermitteln. Wollen wir diese »Botschaft hinter der Botschaft« ganz verstehen, müssen wir das Märchen deuten. Dieses Deuten, dieses sich mit dem Thema des Märchens auseinandersetzen und sich drauf einlassen ist das, was uns hilft, unsere Gefühle zu ergründen, Zusammenhänge zu verstehen und Lösungen für uns zu finden.
Die Kraft der Märchen liegt also im intensiven Umgang mit ihnen. Wir alle kennen das aus unserer Kindheit. Das eine Märchen haben wir gehört, bestaunt und dann beiseite geschoben. Das andere wollten wir aber wieder und wieder hören - denn es vermittelte uns ein tiefes Wissen über etwas, das gerade jetzt für uns wichtig war und das wir deshalb ergründen wollten.
Das ist die Art, wie Kinder ein Märchen »interpretieren«. Sie hören hin, immer und immer wieder, bis ihre Seele die wichtige Botschaft verstanden hat und sie sich wieder etwas Anderem zuwenden können.
Die Märchen, die ich für Sie ausgewählt habe, behandeln verschiedene Aspekte von Tod, Trauer und Abschiednehmen. Die Interpretationen, die ich dazu anbiete, sind aber alleine und ausschließlich für Erwachsene gedacht. Sollten Sie einem Kind ein Märchen vorlesen, dann anfangen Sie keinesfalls an zu interpretieren, sondern warten Sie ab, wonach es fragt, was es bereit ist zu sehen und selbst aufdecken will. Hören Sie vor allem zu, und wenn das Kind eine Frage hat, geben Sie ihm eine klare und verständliche Antwort.
Märchen können ebenso wie Träume auf vielfältige Weise erfahren und interpretiert werden, und Interpretationen sagen immer auch etwas über den Interpretierenden aus. Ich versuche in meiner Arbeit die Zusammenhänge zu erspüren und das Augenmerk des Lesers auf das zu richten, was mir thematisch passend und wichtig erscheint. Selbstverständlich fiele eine Interpretation entsprechend anders aus, würde man eine andere Perspektive wählen. Das beinhaltet aber auch, dass eine Interpretation niemals falsch oder richtig sein kann.
Der Tod im Märchen
Kaum etwas wird in unserer Gesellschaft derart tabuisiert und negativ betrachtet wie der Tod. Doch der Tod gehört zum Leben wie der Schatten zum Licht.
Es gibt kaum eine Facette menschlicher Existenz, mit der sich Märchen und Mythen nicht beschäftigen würden. So begegnet uns im Märchen auch immer wieder der Tod und fordert uns auf, ihn anzunehmen und zu verstehen. Er zeigt sich uns in den verschiedensten Gestalten. Manchmal ist er erschreckend und fürchterlich, zieht als klapperndes Gerippe unter einem schwarzen Umhang oder als Schnitter und Sensenmann umher. In anderen Märchen wird er wieder als wunderschöner Jüngling beschrieben oder als Ritter, der noch schöner als die Sonne ist, oder er wird gar »Bruder« genannt. Oft ist er auch weiblich und zeigt sich als schwarze Alte oder grausame Menschenfresserin. Aber auch als Göttin oder gütige Mutter, die einen heimholt in ihren Schoß oder als schöne, edle Dame begegnet uns der Tod in Märchen und Mythen.
Doch auch mit der ewigen Sehnsucht der Menschen, den Tod zu überlisten oder ihm auf immer zu entfliehen, beschäftigt sich das Märchen. Und wer genau hinsieht, kann in den Märchenbüchern der Welt sogar entdecken, was uns erwartet, wenn wir tatsächlich Ersatzteillager menschlicher Organe klonen oder den absolut gesunden Menschen, der einhundert, zweihundert, tausend Jahre alt wird. Keine sehr schönen Aussichten, da ist der Tod gnädiger.
Wie schon gesagt: Dem Märchen ist nichts fremd, und wer sucht und lernt hinzusehen, wird in Märchen und Mythen auf alles, was ihn bewegt, eine Antwort finden.
Der Tod als Symbol
Oft ist der Tod im Märchen aber auch als Destruktion zu verstehen, die sich auf geistige Prozesse bezieht. Dann ist er ein Symbol der Wandlung - durch ihn endet etwas Altes, damit etwas Neues aufkeimen kann.
»Und solange du das nicht hast, dieses: Stirb und werde! bist du nur ein Gast auf der dunklen Erde«, schrieb in diesem Sinne Johann Wolfgang von Goethe.
So steht der Tod nicht nur für das konkrete Ende eines Lebens sondern auch:
für das überschreiten einer Grenze
für die Suche nach Erfüllung und Fruchtbarkeit
für Krankheit und Gesundung
für einen Neuanfang
für den Wunsch oder die schicksalhafte Aufforderung, sich zu verändern
Eingefahrene Gewohnheiten, die vielleicht einmal nützlich waren, nun aber eher hinderlich sind, müssen überdacht und verändert werden. Blockaden müssen losgelassen werden. Für neue geistige Prozesse muss Platz geschaffen und schmerzliche Trennungen müssen durchgestanden werden.
Aber das alles ist leichter gesagt als getan, und oft stirbt man dabei wirklich »einen kleinen Tod«.
Sterben, tot sein - was ist das?
Diese Frage ist so alt wie die Menschheit. Theologen, Philosophen, Dichter, Ärzte und Schamanen, Wissenschaftler und Menschen wie du und ich haben versucht, darauf eine Antwort zu finden, und so sind unzählige Erklärungsmodelle entstanden.
Der Tod biologisch gesehen
Im Lexikon wird der biologische Tod folgendermaßen definiert: Tod nicht rückgängig zu machende Beendigung der biologischen Prozesse in einem Organismus.
Das beinhaltet bei Menschen und höheren Tieren den Stillstand des Blutkreislaufs und des Herzens, Stillstand der Atmung und aller Reflexe und das Erlöschen der Aktionsströme im Gehirn.
Da diese Funktionen nicht alle gleichzeitig zusammenbrechen, kann auch nicht sofort nach dem letzten Atemzug vom absoluten Tod ausgegangen werden und es ist einige Minuten lang (in wenigen Ausnahmefällen sogar noch bis zu einer halben Stunde) eine Wiederbelebung möglich. Während dieser Zeitspanne spricht man vom »klinischen Tod«. Wurde reanimiert, das heißt der bereits klinisch Tote durch Herzmassagen und Beatmung ins Leben zurückgeholt, hängt die Qualität des wiedererlangten Lebens davon ab, wie weit sich das Gehirn erholen kann. Denn schon drei bis vier Minuten nach Stillstand des Kreislaufs kann von einer vollen Wiederherstellung nicht mehr ausgegangen werden.
Ist das Gehirn unrettbar verloren, spricht man vom Gehirntod. Zwar können in dieser Phase unter Umständen Blutkreislauf und Atmung noch künstlich in Gang gehalten werden, der Betroffene wird jedoch nie wieder in ein bewusstes Leben zurückkehren.
Erst bei endgültigem Stillstand des Kreislaufs spricht man vom biologischen bzw. »absoluten« Tod.
Diese Unterscheidungen sind äußerst wichtig für Ärzte, die Organverpflanzungen vornehmen, denn erst wenn der Gehirntod diagnostiziert ist, darf ein Organ entnommen werden - der Blutkreislauf sollte bei einer Entnahme jedoch möglichst noch bestehen.
Der Tod aus philosophischer Sicht
Die Philosophie bemüht sich um eine Sinndeutung des Todes, aus der sich eine Weisung für die Lebensgestaltung und/oder eine Antwort auf die Frage nach einem Leben nach dem Tod ziehen lässt.
Sehr oft wird der Tod mit einer Art Schlaf verglichen. Wir finden diese Analogie in der Antike bei Dichtern und Denkern wie z. B. Homer, Platon, Cicero, Aristoteles, Horaz und vielen anderen. Aber auch moderne Autoren sprechen von »Todesnacht« (Körner), vom »ewigen Schlaf« oder vom »letzten Schlaf«.
Andere betrachten den Tod nicht so sehr als Zustand sondern als »Übergang« in ein anderes Leben, wie wir es unter anderem in unzähligen keltischen Mythen nachlesen können. Voraussetzung für dieses Denkbild ist allerdings der Glaube an die Existenz einer Seele und deren Unsterblichkeit.
Für Philosophen und Denker, die die Existenz einer Seele abstreiten, bedeutet der Tod die totale Vernichtung.
Der Tod aus religiöser Sicht
Für Christen ist der Tod eine Art Heimkehr in den Schoß Gottes und wird mit Begriffen wie »ewige Ruhe« und »immer währender Frieden« assoziiert. Aber auch Sühne (Fegefeuer und Hölle) und Recht-Fertigung (jüngstes Gericht) spielen in religiöser Hinsicht eine Rolle. Im Gegensatz zu den Juden, die noch immer auf den »Erlöser« warten, vertrauen die Christen darauf, das Jesus Christus durch seine Auferstehung die Menschen erlöst und den Tod für sie überwunden hat. Der Tod ist für den Christen darum eine Art Schlafzustand, aus dem er am Tag des jüngsten Gerichtes erwachen wird.
In anderen Glaubenstraditionen existierten und existieren aber auch andere Vorstellungen vom Leben und Sterben. So versuchten orientalische Weise mit Hilfe von Gebeten und Meditationen ihr wahrnehmendes Bewusstsein zu schärfen und erkannten sich darüber als reine Erfindung des Geistes.
Tantrische Buddhisten gingen davon aus, dass die Welt der Toten nur eine Art Zwischenzustand ist, aus der heraus Seelen reinkarnierten, und sie versuchten, sich durch ihre Lebensführung auf diese Reinkarnation vorzubereiten, bzw. Einfluss auf sie zu nehmen.
In der Türkei entdeckten Archäologen eine Grabstätte, die etwa hunderttausend Jahre zuvor von Neandertalern angelegt worden war. Die Überreste, die man in dieser Grabstätte fand, zeigten, dass diese frühen Menschen ihre Toten auf einem Bett von Blumen und blühenden Zweigen bestatteten, woraus der Schluss gezogen werden kann, dass für sie eine Bestattung Anlass zu einer Feierlichkeit bot, und dass sie an den Übergang in eine andere Welt glaubten.
Auch im Glaubensbild der Heiden war die Idee der Wiedergeburt und Erneuerung grundlegend verwurzelt. Die »Große Göttin« war immer genau so eng mit dem Tod wie mit dem Aspekt des Gebärens verbunden und galt als »Herrscherin über den Kessel der Erneuerung«. In diesen Kessel gingen die Seelen nach ihrem Tode, und aus ihm heraus wurden sie wiedergeboren. Das Leben und das Sterben wurden als sich ergänzende Seiten desselben Kreislaufs gesehen und garantierten durch ihr rhythmisches Zusammenwirken das Überleben der materiellen Welt. Tod und Geburt waren gleichwertig - zwei Wege führten durch dasselbe Tor: der eine hinein, der andere hinaus.