Western Legenden 22: Nur der Fluss war zwischen ihnen - Alex Mann - E-Book

Western Legenden 22: Nur der Fluss war zwischen ihnen E-Book

Alex Mann

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Beschreibung

Seit Jahren rivalisieren die Familien der Madigans und der Newmans um das Weideland rings um Ilion Town. Die einen benötigen es für ihre Schafherden, die anderen für ihre Rinder. Als Johnny Madigan einen Schießwettbewerb gewinnt, darf er die schönste Frau des Countys wählen. Johnny entscheidet sich für die junge Helen Newman und verliebt sich in sie. Doch Helen ist die Ehefrau eines Mitglieds des Newman-Clans. Der lange schwelende Konflikt eskaliert. Obwohl die ältesten Söhne beider Familien ruhig und besonnen sind, kommt es zu einem erbitterten Weidekrieg, der beide Familien in den Abgrund zu ziehen droht.

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WESTERN LEGENDEN

In dieser Reihe bisher erschienen

9001 Werner J. Egli Delgado, der Apache

9002 Alfred Wallon Keine Chance für Chato

9003 Mark L. Wood Die Gefangene der Apachen

9004 Werner J. Egli Wie Wölfe aus den Bergen

9005 Dietmar Kuegler Tombstone

9006 Werner J. Egli Der Pfad zum Sonnenaufgang

9007 Werner J. Egli Die Fährte zwischen Leben und Tod

9008 Werner J. Egli La Vengadora, die Rächerin

9009 Dietmar Kuegler Die Vigilanten von Montana

9010 Thomas Ostwald Blutiges Kansas

9011 R. S. Stone Der Marshal von Cow Springs

9012 Dietmar Kuegler Kriegstrommeln am Mohawk

9013 Andreas Zwengel Die spanische Expedition

9014 Andreas Zwengel Pakt der Rivalen

9015 Andreas Zwengel Schlechte Verlierer

9016 R. S. Stone Aufbruch der Verlorenen

9017 Dietmar Kuegler Der letzte Rebell

9018 R. S. Stone Walkers Rückkehr

9019 Leslie West Das Königreich im Michigansee

9020 R. S. Stone Die Hand am Colt

9021 Dietmar Kuegler San Pedro River

9022 Alex Mann Nur der Fluss war zwischen ihnen

Alex Mann

Nur der Fluss war zwischen ihnen

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2020 BLITZ-VerlagRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-532-6Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Personenregister

Der Madigan-Clan

Henry Priam Madigan – Oberhaupt der Familie

Patricia Madigan – Ehefrau von Henry

Hector Madigan – Ältester Sohn und Vormann der Ranch

Varinia Madigan – Hectors Frau

Steve Madigan – Sohn

Johnny Madigan – jüngster Sohn der Familie

Joanna Madigan – Tochter

Chrysea Madigan – Tochter

Der Newman-Clan

Nestor Newman – Oberhaupt der Familie

Anderson Anse Madigan – Ältester Sohn und Vormann der Ranch

Peter Newman – Sohn

Robert Newman – Sohn

William Newman – Sohn

Helen Newman – Peters Frau

Weitere Personen

Pat Galloway – Bürgermeister von Ilion Town

John Patcull – Sheriff von Ilion Town, Freund von Anse Newman

James Mallory – Kopfgeldjäger, Söldner der Madigans

Die Wettbewerbe

Johnny Madigan hielt den Atem an, peilte über den langen Lauf seiner Winchester die letzte Flasche an und drückte ab. Der Schuss krachte, gleich darauf war das Splittern von Glas zu hören. Dann brandete Jubel auf.

„Bravo, Johnny, was für ein Schuss“, jubelten die umstehenden Madigans.

Johnny nahm das Gewehr von der Schulter und grinste seinen letzten Herausforderer, Peter Newman, selbstzufrieden an.

„Unentschieden“, verkündete der Schiedsrichter des Wettbewerbs, Pat Galloway, Bürgermeister von Ilion Town. „Ich fürchte, wir können die Flaschen so weit entfernt aufstellen, wie eure Kugeln reichen, ihr beide würdet doch immer treffen.“

„Die Flaschen sind eben zu groß“, sagte Newman. „Lassen Sie uns auf eine Scheibe in 200 Yards Entfernung schießen. Jeder hat nur einen Schuss. Der Bessere gewinnt.“

Der Bürgermeister warf Johnny Madigan einen fragenden Blick zu.

„Einverstanden“, sagte dieser lakonisch.

Der Bürgermeister und zwei Cowboys der Madigan Farm besorgten sich eine große Holztafel und schlugen einen Nagel in die Mitte, an dem sie einen Strick befestigten. An diesem banden sie einen Kohlestift an und zogen in verschiedenen Abständen Kreise um den Nagel. Dann hängten sie die Zielscheibe an einen Zaunpfahl.

„Du darfst zuerst“, sagte Johnny Madigan zu seinem Herausforderer.

Als der Bürgermeister zurückgekehrt war, brachte Peter Newman sein Gewehr in Anschlag. Der Schuss krachte und alle konnten den Einschlag der Kugel nahe bei dem Nagel sehen.

Der Bürgermeister nahm ein kleines Fernglas zu Hilfe. „Was für ein Schuss! Ich würde sagen, er ist nur einen Finger breit von der Mitte eingeschlagen.“

Nun war die Reihe an Johnny Madigan. Er peilte sein Ziel an, stützte den linken Ellbogen an seinen Rippen ab und stand ruhig da. Sein Finger spannte sich um den Abzug, als eine kurze Windböe über die Schießbahn zog. Madigan setzte ab, wartete, bis der Wind sich beruhigt hatte, und peilte sein Ziel dann von Neuem an. Der Schuss peitschte auf und die kleine Petroleumlampe, die auf dem Zaunpfahl stand, an dem die Scheibe hing, zersplitterte.

Lange Gesichter bei den Madigans. Die Newman-Cowboys brachen in schallendes Gelächter aus. „Bravo, Johnny, das war dein Meisterschuss“, höhnten sie.

Doch Johnny Madigan drehte sich siegesbewusst zu Peter Newman um. „Gewonnen“, sagte er mit einem selbstsicheren Grinsen.

„Du spinnst wohl?“

„Ich hab den Nagel getroffen. Die Kugel ist daran abgeglitten.“

„Das können wir ja überprüfen“, sagte der Bürgermeister.

Und dann gingen alle auf die Zielscheibe zu. Johnny Madigan, Peter Newman und Bürgermeister Galloway beugten sich nach vorn. „Tja“, sagte der Bürgermeister schließlich. „Ich denke, Johnny hat recht. Wir haben den Nagel nicht ganz eingeschlagen. Jetzt sitzt er tief im Holz. Er hat direkt ins Zentrum getroffen.“

Jetzt war es an den Madigan-Cowboys, zu jubeln.

„Kannst du mit dem Ergebnis leben, Peter Newman?“, fragte der Bürgermeister mit unsicherem Blick.

Doch der Verlierer reichte dem Sieger einfach nur wortlos die Hand.

*

„Sieht so aus, als hätte dein Bruder gewonnen“, sagte Anse Newman zu Hector Madigan.

Die beiden Cowboys standen etwas abseits, jeder hielt ein Glas Bier in der Hand. Gemeinsam hatten sie das Wettschießen interessiert verfolgt. Es war der zehnte Geburtstag von Ilion Town, einer kleinen Stadt im Dakota-Territorium.

Zwei Rancher hatten hier in der Gegend ihr Glück gefunden. Henry Priam Madigan war einer der bedeutendsten Schafzüchter des Landes. Seine gewaltigen Herden fraßen die grünen Hänge an den Ausläufern der Rocky Mountains kahl. Nestor Newman dagegen war Rinderzüchter. Zwischen beiden Familien gab es oft große Spannungen, das Land, auf das sie ihre Herden trieben, war freies Weideland. Aber da, wo einer seine Herde grasen ließ, war für die Tiere des anderen meist kein Platz mehr. Newman schimpfte auf den alten Madigan, weil dessen Schafe das Gras kahl fraßen, dass die Wiesen viel länger benötigten, um sich zu erholen. Madigan beklagte sich dagegen, dass die Newman-Rinder ständig an den besten Wasserstellen zu finden waren.

Ilion Town war ursprünglich kaum mehr als eine Ansammlung von Hütten. Es gab ein paar Saloons, in denen die Cowboys der beiden Clans ihren Whiskey tranken und ein paar Läden, wo all das gekauft oder bestellt werden konnte, was auf den Ranches nicht verfügbar war. Ilion Town war ein ansehnliches Städtchen, in dem die Menschen ein langweiliges Leben führen würden, wenn es nicht hin und wieder Streitereien zwischen den Madigans und Newmans geben würde. Von einer richtigen Fehde konnte keine Rede sein, aber es war auch klar, dass niemals Freundschaft zwischen den beiden Familien herrschen würde. Daher war Bürgermeister Pat Galloway froh, dass die Mitglieder beider Clans das Stadtfest zum Anlass nahmen, ausgelassen miteinander zu feiern.

„Johnny hält sich jetzt bestimmt mal wieder für den Größten“, sagte Hector Madigan ruhig.

„Denkst du, dass du besser schießt?“, fragte Anse Newman.

„Oh, ich weiß, dass ich besser schieße. Aber ich muss mir hier nichts beweisen. Du doch auch nicht?“

Hector schüttelte mit dem Kopf. „Ich weiß, dass ich schießen kann.“

Die beiden Cowboys stießen miteinander an. Sie waren die jeweils ältesten Söhne beider Clans und damit auch die Vormänner ihrer Väter. Hector Madigan und Anse Newman waren großartige Cowboys. Beide waren hochgewachsen und hatten durch ihre körperlich schwere Arbeit ein breites Kreuz bekommen. Sie waren gutaussehende Männer, die ein hohes Ansehen in der Stadt genossen. Hector war selbst Familienvater, Anse bekennender Junggeselle.

*

„So, Johnny“, sagte der Bürgermeister, als die Jubelschreie der Madigan-Cowboys abgeebbt waren. „Du weißt, was jetzt kommt. Als Sieger des Wettschießens darfst du die Wahl treffen, wer die schönste Frau in Ilion Town sein soll.“

Diese Wahl war der einzige Grund, warum Johnny Madigan überhaupt an dem Wettschießen teilgenommen hatte. Er war ein junger Schönling, der erst im letzten Herbst achtzehn Jahre alt geworden war. Ihm fehlte die athletische Gestalt seines Bruders Hector, doch die meisten Frauen in Ilion Town waren sich darüber einig, dass er ein engelsgleiches Gesicht besaß.

Ein Bürgerkomitee hatte eine Vorentscheidung getroffen. Drei Frauen standen zur Wahl.

Maria Anne Henderson war die Tochter eines Ladenbesitzers. Sie war zwanzig Jahre alt, hatte lange braune Haare, grüne Augen und eine milchweiße Haut.

Joanna Madigan war Johnnys ältere Schwester, schon fast dreißig. Obwohl sie eine strahlende Schönheit war, mit ihren schwarzen Haaren und der sonnengebräunten Haut, hatte sie noch keinen Mann gefunden.

Und dann war da noch Helen Newman, die ausgerechnet Peter Newmans Frau war. Helen war ein Mädchen aus dem fernen Osten, sechsundzwanzig Jahre alt, mit blonden Haaren, die ihr bis tief in die Taille reichten. Ihr Körper war wohl geformt, ihre Augen von einem hellen Blau, ihre Nase klein und gerade, ihre Lippen voll und verführerisch.

Als Johnny Madigan die drei schönsten Frauen zwischen dem Mississippi und dem Pazifik betrachtete, da war es nur eine, die ihn in den Bann zog. Gewiss, seine Schwester war eine blendende Schönheit, aber sie war seine Schwester. Maria Henderson war ebenfalls nicht zu verachten und sie hatte ein Auge auf ihn geworfen. Aber Johnny mochte keine grünen Augen. Nein, es war Helen Newman, von der er seinen Blick nicht abwenden konnte. Gewiss, sie war verheiratet und nicht nur mit irgendwem, sondern mit einem Newman, aber ihr golden schimmerndes Haar, ihre makellose Gestalt und vor allem die verführerische Unschuld, die aus ihren Augen leuchtete, hob sie von ihren Konkurrentinnen ab.

Johnny schüttelte sich bei dem Gedanken, was dieses Mädchen, die ja eigentlich schon eine Frau war, mit Peter Newman machte, wenn sie ihr Bett teilten. Sie war fast zehn Jahre älter als Johnny und erfahrener. Er hatte bisher nur ein paar Mädchen in Ilion Town geküsst.

„Nun, Johnny? Wer ist die schönste Frau der Stadt?“, unterbrach Pat Galloway seine Gedanken.

Ohne seinen Blick von ihr zu wenden, antwortete Johnny: „Helen Newman.“

Wieder jubelte die Menge.

Maria Henderson warf Johnny einen zornigen Blick zu, den er aber ebenso übersah wie die Überraschung seiner Schwester, die auf ihren Bruder gehofft hatte. Als Schönheitskönigin würde sie vielleicht endlich einen Mann finden.

Aber Johnny Madigan hatte nur Augen für Helen.

*

„Hat dein Junge gerade meine Schwiegertochter zur schönsten Frau der Stadt gewählt?“, fragte der alte Nestor Newman ungläubig, als der Schützenkönig und die Schönheitskönigin zusammen die Tanzfläche betraten.

„Er scheint ein geschickterer Diplomat zu sein, als sein alter Vater.“ Henry Madigan stützte sich auf die Bar, die vor dem Saloon der Stadt aufgebaut worden war. Dort wollte er mit dem alten Nestor in Ruhe über die Nutzung kleiner Seen und Wasserstellen auf den Weiden reden.

Die entspannte Stimmung des Stadtfestes hatte auch die beiden Rancher erfasst und so war es bisher ein von gegenseitigem Verständnis geprägtes Gespräch gewesen.

„Ich wünschte, er hätte das nicht getan“, sagte Nestor Newman.

„Was?“

„Meine Schwiegertochter zur Schönheitskönigin zu wählen, war ein Fehler.“

„Warum denn? Es ist doch eine schöne Geste gegenüber der ganzen Stadt gewesen, dass zwischen unseren Familien kein böses Blut herrscht.“

Nestor Newmans Miene verfinsterte sich. „Du kennst dieses Mädchen nicht. Als sie zu uns kam, da war ich stolz auf meinen Sohn, dass er sich eine so schöne Frau angeln konnte. Aber dann erkannte ich, dass dieses Mädchen aus Chicago anders ist, als die Frauen hier im Westen. Ihr fehlt Bescheidenheit, Demut und – es verletzt mich, das sagen zu müssen – Anstand. Sie kokettiert gerne mit Männern, denn sie weiß, dass sie eine schöne Frau ist.“ Seine traurigen Augen richteten sich auf Henry Madigan. „Ich denke, wir beide wissen, welchen Ruf dein Jüngster bei den Frauen hier im Ort genießt. Deswegen sehe ich es nicht gern, dass die beiden so zusammenfinden.“

„Traust du Peter nicht zu, seine Frau im Zaum zu halten?“ Henry Madigan lächelte, um den alten Rinderkönig zu beruhigen.

Doch nichts konnte dessen Stimmung bessern. „Kein Mann kann dieses Mädchen zügeln. Ich wünschte, ich hätte sie von meinem Land verjagt, bevor mein Junge sie geheiratet hatte.“

*

Helen Newman wollte an diesem Nachmittag mit niemand anderem mehr tanzen, als dem jungen Johnny Madigan. Die neidischen Blicke ihres Mannes, der am Tanzen nur wenig Interesse hatte, bemerkte sie nicht.

Trotz seiner Jugend verströmte Johnny Madigan diese abenteuerliche Wildheit eines Westerners. Dieselbe Wildheit hatte Peter Newman verströmt, als er im Auftrag seines Vaters nach Chicago gekommen war, um Geschäfte zu erledigen. Damals hatte er Helen kennen gelernt, und sie verliebten sich ineinander. Doch Helen musste bald feststellen, dass der Westen ganz andere Männer zu bieten hatte als Peter, der in seinem tiefsten Innern eine ruhige Natur war und sich nach einem einfachen Leben sehnte.

Johnny Madigan versprach, anders zu sein. Er gefiel ihr. Und sie spürte, dass sie ihn auch reizte. Er verband diese Wildheit eines Westerners mit einer gewissen Eleganz, denn im Gegensatz zu den anderen Viehtreibern, die auf der Newman-Ranch arbeiteten, und die ein gewaschenes Arbeitshemd für gute Kleidung hielten, hatte Johnny eine feine schwarze Hose, ein weißes Hemd mit Krawatte und eine blaue Samtweste an. Und auch die kecke Art, mit der er seinen schwarzen Hut trug, faszinierte sie.

„Wieso haben Sie mich ausgewählt?“, fragte Helen, nachdem sie sich etliche Tänze lang nur angesehen hatten.

„Es war die Wahl zur schönsten Frau von Ilion Town. Sie war einfach.“ Männer versuchten Frauen ein lässiges Lächeln zu schenken, doch nur wenige konnten es so wie Johnny.

„Warum haben Sie ...“

„Warum so förmlich? Ich bin Johnny.“ Das Lächeln war immer noch da.

„Johnny. Warum hast du nicht deine Schwester gewählt?“

„Weil sie nur die zweitschönste Frau in der Stadt ist.“

„Aber ich bin eine Newman. Und ich bin verheiratet.“

„Hätte mich das vielleicht hindern sollen?“

Es war genau die Antwort, die sie sich erhofft hatte. „Hast du mich gewählt, weil du meinen Mann vorher beim Wettschießen geschlagen hast? Um ihn zu demütigen?“

„Dein Mann hat bei meiner Wahl keine Rolle gespielt.“

Die Musik klang aus, sie standen allein auf der Tanzfläche.

„Ich bin etwas erschöpft. Und ich habe Durst.“

„Dann begleite ich dich zur Bar.“ Johnny bot Helen seinen Arm.

Als sie sich bei ihm unterhakte und ihren Körper an seinen presste, überkam ihn ein Schauer. Er spürte, dass er bei Helen Newman Chancen hatte.

*

Die Feier ging bis spät in die Nacht. Es wurde noch lange getanzt, getrunken und gespielt. Als es auf Mitternacht zuging, leerte sich die Stadt langsam. Die Cowboys der Newmans und Madigans verließen einer nach dem anderen Ilion Town. Und auch die Familienangehörigen schnappten sich irgendwann ihre Frauen und Kinder und fuhren auf die Ranches hinaus.

Nur zwei blieben allein zurück, Peter und Anse Newman. Anse hatte angefangen, mit John Patcull zu trinken, der der zuständige Deputy Sheriff für Ilion Town und ein alter Weggefährte von ihm war. Die beiden verband eine sehr enge Freundschaft, die bereits viele Menschen zu den seltsamsten Spekulationen verleitete. Doch außer ihren gemeinsamen Saufgelagen gab weder Anse Newmans noch John Patculls Verhalten diesen Gerüchten ernsthaft Nahrung. Die beiden hingen über ihrem vermutlich letzten Whiskey, als ein ziemlich aufgewühlter Peter zu seinem großen Bruder an die Bar kam.

Nervös fingerte er an der Krempe seines Huts. „Hast du Helen gesehen, Anse?“

„Natürlich“, sagte der älteste der Newman-Brüder und kicherte angetrunken. „Sie hat den ganzen Abend mit Johnny Madigan getanzt.“

„Ich weiß. Und jetzt kann ich sie nicht finden.“

„Sie wird mit Will oder Rob heimgefahren sein.“ Will und Rob waren ihre anderen Brüder.

„Nein“, erwiderte Peter energisch. „Sie hätte mir doch Bescheid gesagt.“

„Bist du dir sicher? Du hast den ganzen Abend nicht einmal mit Helen getanzt und sie nur finster angestarrt. Du weißt doch, wie sie ist. Sie tanzt gern, flirtet gern und sie will umkämpft werden. Und du schaust sie einfach nur finster an.“

„Trotzdem kann sie mir doch sagen, wenn sie nach Hause fährt.“

Anse Newman legte seinen Ellbogen auf John Patculls Schulter. „Was sollen wir jetzt tun? Sie suchen?“

Peter Newmans Blick verriet, dass er genau das von seinem Bruder erhoffte.

„Gott, Pete! Fahr nach Hause! Helen wird sicher schon in eurem Bett liegen und schlafen wie ein Bär im Winter, weil sie sich mit Johnny Madigan die Seele aus dem Leib getanzt hat.“

„Meine Sorge ist nur, dass dieser Johnny Madigan mit im Bett liegt.“

John Patcull kicherte. „Und dein Bruder soll ihn dann dort hinaus schleifen oder was?“

„Ach halt’s Maul“, polterte Peter.

„Beruhige dich, Pete“, erwiderte Anse. „Fahr heim und geh ins Bett. Wenn ich morgen wieder nüchtern bin und du nicht neben Helen aufwachst, dann sehen wir weiter.“

Peter Newman setzte sich seinen zerdrückten Hut auf und richtete seinen finsteren Blick auf John Patcull. „Gute Nacht, Anse. Ich will nicht wissen, in welchem Bett du morgen früh aufwachen wirst.“

Das Aufgebot

Anse Newman wachte in seinem eigenen Bett auf. Er war mächtig verkatert und kam nur langsam wieder auf die Beine. Er wusch sein Gesicht in einer Schüssel mit Wasser, zog sich ein frisches Hemd und seine Arbeitshose an und ging von seinem Zimmer im ersten Stock der Newman Villa zum Esszimmer. Dort schlug ihm eisiges Schweigen entgegen. Sein Vater, seine Mutter und seine Brüder saßen am Tisch und hatten ihre Blicke gesenkt. Jemand fehlte. Es war Helen. „Guten Morgen“, sagte er nervös.

„Guten Morgen, Anse“, erwiderte sein Vater. „Setz dich.“

Seine Mutter stand auf und schenkte ihm eine Tasse Kaffee ein. Anse brauchte jeden Morgen einen starken Kaffee, aber besonders heute, da der Whiskey immer noch seine Gedanken vernebelte.

„Du bist gestern als Letzter nach Hause gekommen, Anse?“, fragte Nestor Newman.

„Ja.“

„Hast du Helen gesehen?“

Das durfte nicht sein. Das durfte nicht passieren. „Nein.“

„Sie ist gestern nicht zurückgekehrt“, sagte Peter und seine Stimme war voller Verbitterung. „Sie hat sich von Johnny Madigan mit nach Hause nehmen lassen.“

„Das weißt du doch gar nicht, Pete.“

„Wir alle haben gesehen, dass Helen mit dem jungen Madigan getanzt hat“, erklärte sein Vater. „Und wir alle haben sie das letzte Mal an diesem Abend mit ihm zusammen gesehen.“

„Und was wollt ihr jetzt tun?“

„Ich nehme zwanzig von unseren Jungs, reite zu den Schaftreibern und fordere Helen zurück“, sagte Peter angriffslustig.

Anse nahm gelassen einen Schluck Kaffee. „Deine Frau kannst du nicht mit zwanzig Colts zurückerobern, Peter. Das kannst du nur allein.“

„Helen kann ich vielleicht allein zurückholen, aber die Madigans werden dabei nicht unbeteiligt zusehen.“