Western Legenden 27: Dreitausend Rinder - Alex Mann - E-Book

Western Legenden 27: Dreitausend Rinder E-Book

Alex Mann

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Beschreibung

Die Cowboys Mike Sullivan und Jake Gordon treiben dreitausend Rinder nach St. Louis und hoffen auf das große Geschäft. Doch Gateway City hat sich verändert. Die vielen Rinderhändler sind einem großen Konsortium aus dem Osten gewichen, das die Preise drücken will.Als sich Jake und Mike weigern, ihre Rinder zu Dumpingpreisen zu verkaufen, hetzt das Konsortium den beiden Cowboys seine Killer auf den Hals.

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Western Legenden

In dieser Reihe bisher erschienen

9001 Werner J. Egli Delgado, der Apache

9002 Alfred Wallon Keine Chance für Chato

9003 Mark L. Wood Die Gefangene der Apachen

9004 Werner J. Egli Wie Wölfe aus den Bergen

9005 Dietmar Kuegler Tombstone

9006 Werner J. Egli Der Pfad zum Sonnenaufgang

9007 Werner J. Egli Die Fährte zwischen Leben und Tod

9008 Werner J. Egli La Vengadora, die Rächerin

9009 Dietmar Kuegler Die Vigilanten von Montana

9010 Thomas Ostwald Blutiges Kansas

9011 R. S. Stone Der Marshal von Cow Springs

9012 Dietmar Kuegler Kriegstrommeln am Mohawk

9013 Andreas Zwengel Die spanische Expedition

9014 Andreas Zwengel Pakt der Rivalen

9015 Andreas Zwengel Schlechte Verlierer

9016 R. S. Stone Aufbruch der Verlorenen

9017 Dietmar Kuegler Der letzte Rebell

9018 R. S. Stone Walkers Rückkehr

9019 Leslie West Das Königreich im Michigansee

9020 R. S. Stone Die Hand am Colt

9021 Dietmar Kuegler San Pedro River

9022 Alex Mann Nur der Fluss war zwischen ihnen

9023 Dietmar Kuegler Alamo – Der Kampf um Texas

9024 Alfred Wallon Das Goliad-Massaker

9025 R. S. Stone Blutiger Winter

9026 R. S. Stone Der Damm von Baxter Ridge

9027 Alex Mann Dreitausend Rinder

9028 R. S. Stone Schwarzes Gold

9029 R. S. Stone Schmutziger Job

9030 Peter Dubina Bronco Canyon

9031 Alfred Wallon Butch Cassidy wird gejagt

9032 Alex Mann Die verlorene Patrouille

Alex Mann

Dreitausend Rinder

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-VerlagRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-537-1Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

St. Louis 1887

An den Westufern des Mississippi, oben in Missouri, liegt St. Louis, eine gewaltige Stadt. Es war die viertgrößte Stadt der achtunddreißig Staaten, obwohl Chicago immer behauptete, dass bei den Volkszählungen Vororte mit eingerechnet wurden, die gar nicht Teil von St. Louis selbst waren. Aber wen interessierte das? Es war zumindest eine verdammt große Stadt. Eine wachsende Stadt.

Die Gateway City, wie sie auch genannt wurde, bildete das Tor zum Westen. Hier trafen die Eisenbahnen aus Chicago, Cincinnati und New York ein, die Tausende von Emigranten der ersten oder zweiten Generation in die weiten Prärielandschaften des Westens ausspuckten, wo diese Leute dann versuchten, ein Stück Ackerland zu bekommen oder nach Gold suchten. Die Zeit der Indianerkriege in Montana und Dakota war vorbei und nun wuchsen dort große Farmen und kleine Städte heran. Die meisten Menschen, die in diese Gebiete zogen, kamen irgendwann durch St. Louis.

St. Louis war ein Schmelztiegel der Kulturen. In den 1840ern waren Unmassen von Deutschen in die Stadt gezogen, die die mittelständische Wirtschaft an sich rissen, während Juden in Handel und Geldinstitute investierten. An den hölzernen Piers am Fluss und bei den Gütergleisen am Bahnhof arbeiteten Schwarze und Iren für ein paar Cent die Stunde, indem sie Baumwollballen aus dem Süden, neue Maschinen aus dem Osten, zerlegt und in Kisten verpackt, oder Rinder von der anderen Seite des Flusses ausluden, oder in die Waggons trieben. Über der Stadt lag ständig eine Rußglocke, die aus den Schornsteinen der Schaufelraddampfer, den Essen der Lokomotiven oder den Schloten der Fabriken herrührte.

Licht und Schatten liegen hier eng beieinander, dachte Mike Sullivan, als er an der Spitze einer dreitausend­köpfigen Rinderherde die westlichen Außenbezirke von St. Louis erreichte. Eine Stadt am Mississippi war ein Tor zur Zivilisation. Doch Mike gehörte zu dem Typ Einzelgänger, der bei Zivilisation eher an die Schattenseiten dachte, als ans Licht. Für ihn bestand sie nicht aus tollen Theatern und wohlhabenden Geschäftsleuten, sondern aus armen Schluckern, die sich entweder für einen Hungerlohn in den Fabriken den Rücken krumm schufteten, oder – um doch auf ein paar Dollar am Tag zu kommen – bereit waren, ihre Messer oder Pistolen einmal sprechen zu lassen. Nein, die Stadt war nichts für ihn und bestimmt auch nicht für seinen Partner Jake Gordon.

Jake war zwanzig Jahre älter als er, ein großer schlanker Mann. Seit drei Jahren ritten sie zusammen und Jake war genau der Typ Cowboy, von dem die Groschenhefte romantische Geschichten erzählten. Das Leben als Viehtreiber war anstrengend. War eine Herde erst einmal unterwegs, bestand ihre Woche aus sieben Tagen mit stets vierundzwanzig Stunden harter Arbeit. Tag für Tag musste man störrische, dumme Rindviecher zusammenhalten und gleichzeitig aufpassen, dass einem die eigenen Leute nicht irgendwann revoltierten, eben weil alles so langweilig war. Der Zug dieses Jahr war wohl einer der langweiligsten, den sie je gemacht hatten. Außer ein paar in Richtung Kalifornien und Oregon ziehende Siedler hatten sie niemanden getroffen. Noch vor wenigen Jahren hatten Cowboys nicht nur ein wachsames Auge auf ihre Tiere, sondern auch stets eins auf den Horizont haben müssen, wo man immer wieder Indianer sehen konnte. Erfahrene Cowboys rechneten nie damit, dass es zum Kampf kommen würde. Es stellte sich immer nur die Frage, wie viele Tiere man den hungrigen Stämmen abgeben musste und was man im Gegenzug dafür herausschlagen konnte, etwa ein paar Messer, Tomahawks oder Pfeifen, die man dann in Städten wie St. Louis für teures Geld als Souvenirs an ein paar Greenhorns weiterverkaufte.

Doch nichts davon hatte sich auf diesem Treck ereignet. Sie hatten Tag für Tag ihre Meilen gemacht, sich gelangweilt und abends am Feuer immer wieder dieselben, alten Lieder zusammen gesungen.

Im Gegensatz zu Mike Sullivan schien Jake Gordon nie angespannt zu sein. Er genoss das Leben als Cowboy, auch wenn er jetzt müde aussah. Sein brauner Hut mit der hohen Krone und breiten Krempe war tief in die Stirn gezogen, um die morgendliche Sonne aus dem Osten vor seinen Augen abzuschirmen. Um diese herum hatten sich lange Krähenfüße eingegraben, die zeigten, dass Jake gern lachte, obwohl er ein hartes Leben führte, das ihm selten Anlass dazu gab. Seine Wangen und das Kinn schmückte der Dreck einer ganzen Woche und ein Bart, der auch schon wieder drei Tage alt war.

„Hey, Jake, was machst du als Erstes, wenn wir endlich da sind?“, fragte Mike Sullivan.

„Mein Pferd in einen schönen Mietstahl bringen, wo es gestriegelt und verpflegt wird.“

„Und dann?“

„Ein Hotel suchen und baden.“

Jake drehte sich in seinem Sattel um, um einen Blick auf die 3.068 Longhorn-Rinder zu werfen, die sie aus dem nördlichen Texas bis hier hochgetrieben hatten. Mit 3.082 waren sie losgezogen. Dreizehn hatten sie bei Flussüberquerungen verloren. Dazu kam eine trächtige Kuh, die zusammen mit ihrem Kalb bei der Geburt verendet war. Vierzehn von über 3.000. Das war eine exzellente Quote und Jake rechnete sich insgeheim bereits einen saftigen Profit aus.

„Wir werden ein gutes Geschäft mit den Tieren machen, Mike. Mindestens ein Drittel der Herde ist erste Qualität. Mindestens. Vielleicht sogar die Hälfte.“

„Ich kann’s kaum erwarten, mein erstes Geld in eine schöne Hure zu stecken. Morgen früh, wenn alle anständigen Männer der Stadt in der Kirche sind, leiste ich mir vielleicht gleich zwei auf einmal.“ Bei dem Gedanken grinste Mike zufrieden.

„Ich glaube, so viele anständige Männer gibt’s in St. Louis nicht. Du wirst dich wohl mit einer begnügen müssen. Außerdem solltest du vorher auch baden. Die Huren hier sind extrem anspruchsvoll und aufgedonnert. Wenn du dir nicht den ganzen Dreck vom Körper spülst, dann wirst du den Geruch ihres Parfüms kaum aushalten.“

„Egal. Hauptsache mal eine richtige Frau. Eine, die täglich badet, und nicht so ’ne Provinznutte wie in den Kaffs, durch die wir durchgekommen sind. Diese hässlichen, fetten Weiber, die schlimmer stinken als die Rindviecher.“

„Glaubst du, die Nutten hier mit ihrem süßen Parfüm sind da so viel besser?“

„Alles ist besser als so was. Da kann ich ja gleich ’ne Kuh besteigen.“ Mike schüttelte sich bei dem Gedanken.

„Ich bin mir sicher, dass du das tun würdest“, meinte Jake und grinste dieses Lächeln, das die Krähenfüße um seine Augen noch tiefer eingrub.

Sie ritten durch die ersten Straßen und die Leute drückten sich auf die Laufstege, die bei Regen als Fußwege herhielten. Die gewaltige Herde grölender Rinder machte ihnen Angst. Die Frauen in ihren grellbunten Kleidern mit Schirmchen und die Herren in ihren eleganten, maßgeschneiderten, gestreiften Anzügen warfen den Cowboys in ihren ausgewaschenen roten und braunen Hemden, den abgewetzten Lederchaps und zerdrückten Hüten abschätzige Blicke zu. Für sie war jeder Mann, der ein Pferd ritt und einen Revolvergurt trug, ein Wild-West-Desperado. Die Menschen in der Stadt hatten schon gar keinen Bezug mehr zum echten Leben. Es war ihnen nicht klar, dass die Arbeit, die die Cowboys verrichteten, lebensnotwendig für zivilisierte Wesen wie sie war, damit sie wenigstens einmal in der Woche ein saftiges Stück Fleisch auf dem Teller hatten.

„Oh Mann, ich hasse die Stadt“, murmelte Jake, als er die Männer auf den Gehwegen musterte, die ihm hochnäsige Blicke zuwarfen. „Ich hasse ihre Menschen und ich hasse diesen Gestank.“

„Eine Stadt hat auch angenehme Seiten.“

„Die wiegen all das hier nicht auf. Und was sind das für angenehme Seiten? Wir huren rum, wir spielen ... In ein paar Tagen werden die meisten unserer Jungs fast das ganze Geld durchbringen, was sie sich so hart erarbeitet haben. Die Stadt bringt lediglich all die schlechten Seiten eines Menschen zum Vorschein.“

„Und du? Hast du nicht Lust auf eine Frau und eine kleine Partie Poker? Das ist doch das wahre Leben, Jake.“

„Nein. Das ist nur billiges Vergnügen. Natürlich werde ich ein paar Spiele machen und ein oder zwei Mädchen vögeln. Aber das wahre Leben lassen wir gerade hinter uns und ich bin froh, wenn wir wieder dahin zurückkehren.“

Sie ritten schweigend eine Weile nebeneinander her und drängten die Tiere näher zum Fluss heran.

„Ich denke, ich werde heute noch mal auf den Pferdemarkt gehen“, sagte Mike.

„Willst du etwa Lucy Long verkaufen?“, fragte Jake überrascht und warf einen traurigen Blick auf die braune Mustangstute.

„Du spinnst wohl. Ich könnte mich nie von meiner Besten trennen. Aber weißt du, Lucy wird langsam alt und es gibt ein paar Sachen, die kann ich mit ihr nicht mehr machen. Sie ist nicht mehr die Ausdauerndste.“

„Jup. Aber sie ist auf kurze Strecken schnell und ungeheuer friedlich.“

„Ja, ich will sie auch behalten. Aber ich brauche eben noch ein Arbeitstier.“

„Ich glaube nicht, dass du hier eines finden wirst.“

„Ich hab gehört, dass St. Louis einen großen Pferdemarkt hat.“

„Ja, aber nur für Typen, die von Pferden keine Ahnung haben. Glaub’s mir. Die verkaufen Gäule, die so ein Stadtschnösel vor seine Kutsche oder ein tumber Bauer vor den Pflug spannt.“

„Mir wurde erzählt, dass die hier tolle Rennpferde haben.“

„Rennpferde? Vergiss es, Mike, das sind die dümmsten Viecher, die du haben kannst. Die werden nur für Rennen gezüchtet und den ganzen Tag in kleinen Boxen gehalten, in denen sie sich nicht mal drehen können. Alles, was ihre Besitzer wollen, ist, dass sie bei den Meilenrennen aufdrehen. Die armen Tiere sind so verblödet, die kriegst du nie wieder hin. Glaub mir, kauf dir ein Pferd, wenn wir wieder unten in Texas sind. Ich kenne da ein paar Rancher, die haben tolle Tiere. Vorher brauchst du doch keins, oder?“

„Wenn du meinst, Jake.“

Sie trieben ihre Rinder am Fluss entlang zur Eads Bridge, dieser mächtigen Stahlkonstruktion, die seit einigen Jahren den Mississippi überspannte. Die Brücke war das beeindruckendste, von Menschenhand geschaffene Bauwerk, das Jake je gesehen hatte. Er bewunderte Ingenieure, die imstande waren, so etwas zu bauen, und sie waren ­vermutlich die einzigen Menschen in der sogenannten Zivilisation, vor denen er so etwas wie Respekt hatte. Hätte er einen anderen Weg im Leben eingeschlagen, wäre er vielleicht Ingenieur geworden.

Als sie mitten auf der Brücke waren, schnaufte gerade ein Frachtdampfer unter den Brückenbögen hindurch, und der versoffene Kapitän hatte nichts Besseres zu tun, als seine Dampfpfeife zu betätigen, um die Tiere zu erschrecken. Gott sei Dank war es auf der Brücke viel zu eng für einen großen Ausbruch und der vordere Teil der Herde, der bereits das Ostufer erreicht hatte, bildete eine natürliche Barriere für die Viecher, die unruhig wurden. Trotzdem schoben und drängelten einige der erschreckten Kühe, die direkt über dem Dampfer standen, nach vorn und Jake befürchtete, dass in einer Panik ein paar schwächere Tiere erdrückt werden könnten. Doch die Situation beruhigte sich schnell.

Jake warf einen Blick auf das nach Norden dampfende Schiff und sah die dunkel gekleidete Person neben dem Brückenhäuschen, die ihnen hämisch zuwinkte.

„So ein Hurensohn“, zischte Mike, der am Fuß der Brücke auf dem Ostufer stand.

„Ja, wir sollten ein paar brennende Öllampen auf seinen beschissenen Baumwollfrachter werfen.“ Jake klang weit weniger aufgeregt, ärgerte sich aber auch über den Streich des Kapitäns.

Am östlichen Ufer, in East St. Louis, befanden sich riesige, offene Stallanlagen, die zu den National Stockyards gehörten. Jake, Mike und ihr Trupp trieben die Rinder dahin, wo sie in kleinen Gruppen zu etwa anderthalb bis zwei Dutzend in die kleinen Koppeln gedrängt wurden. Dicht an dicht lagen diese Parzellen, umgeben von mannshohen Holzzäunen. Die ganze Anlage war mindestens eine halbe Meile lang. Drei Straßen zogen sich von hier bis fast an den Bahnhof. Zurzeit war die Hälfte der Koppeln leer, da die Rindersaison erst anfing. Doch noch zwei andere Trupps hatten ihre Tiere raufgebracht. Sie kamen aus den westlichen Territorien und mit geübtem Blick konnte Jake erkennen, dass sie ihre Tiere viel zu schnell angetrieben hatten, denn ihre Hüftknochen waren deutlich zu sehen. Keine Konkurrenz für seine fetten Rinder. Er würde gute Geschäfte machen, wenn er schnell war.

„Gehen wir ins Alberton?“, fragte Mike und meinte damit das große Hotel der National Stock Company.

„Spinnst du, die sind viel zu teuer. Lass uns was Gemütliches in der Stadt suchen.“

„Ach komm schon. Du weißt, dass alle Händler sich vermutlich jetzt gleich ins Alberton drängeln, weil sie gesehen haben, dass eine neue große Herde in die Stadt getrieben wurde. Schon in zwei Stunden können wir das Geschäft abgewickelt haben und uns den angenehmen Lastern widmen.“

Jake schnaufte schwer auf. „Also gut. Sag Steve, dass er die Herde noch in die Koppeln treiben soll, dann können die Jungs in die Stadt gehen, wenn sie mögen. Wir treffen uns morgen früh im Alberton. Wenn die Herde verkauft ist, zahlen wir sie aus.“

„Geht klar, Jake.“

Neue Zeiten

In seinen besseren Sachen kam sich Jake immer etwas unwohl vor. Nach Monaten hatte er mal wieder ein heißes Bad genommen, hatte sich die Stoppeln vom Kinn rasiert und nur seinen Schnurrbart geschont. Dann hatte er seine beste Hose und seine sauberste Jacke angezogen, die aus einem groben braunen Stoff gefertigt waren und ihm zusammen mit dem dunkelblauen Arbeitshemd und seinem zerdrückten Hut immer noch nicht wirklich ein elegantes Aussehen gaben. Und er hatte sich seinen Revolvergürtel wieder umgeschnallt, in dem ein alter, zerkratzter Navy Colt steckte. Es war die einzige Pistole, die er je besessen hatte, und er konnte sich immer auf sie verlassen, wenn er glaubte, sie benutzen zu müssen. Nun trug er sie nicht, weil er befürchtete, sich schießen zu müssen, sondern einfach, um aufdringliche Leute, mit denen er sich auf keinen Fall unterhalten wollte, fernzuhalten.

Er setzte sich an die Bar, um ein Bier zu trinken, bis Mike kam. Die Einrichtung des Alberton bestand aus den edelsten, polierten Hölzern. Auf den Regalen hinter der Bar standen die Flaschen von mehr Whiskey-­Sorten, als Jake in seinem ganzen Leben getrunken hatte. Doch Whiskey war ihm jetzt ohnehin zu stark. Er war hierhergekommen, um Geschäfte zu machen, und dafür brauchte er einen klaren Kopf.

„Ich hätte gern ein Lager“, sagte er und durchsuchte seine Taschen nach fünfzig Cent, weil er wusste, dass jeder Cent, den er zusätzlich auszahlte, mit einem unverschämten Selbstverständnis als Trinkgeld einbehalten werden würde. Und er arbeitete zu hart für sein Geld, um einem Mann großzügige Geschenke zu machen, dessen einziger Job darin bestand, ein Glas mit Bier zu füllen.

„Bitte sehr, Mister“, meinte der Barkeeper, der Jake mit seinen parfümierten Haaren, dem weißen Hemd und der schwarzen Weste nur zu sehr den Unterschied zwischen seiner und dieser Welt klar werden ließ. Wahrscheinlich verdiente er mit seinem Stundenlohn im Jahr sogar mehr, als für Jake bei einem Viehtrieb herumkam.

„Danke sehr“, sagte er und trank einen Schluck, während der Barkeeper seine Gläser polierte, ohne ihn weiter zu beachten. Wahrscheinlich sollte diese Ignoranz Verachtung ausdrücken, weil er sein Bier passend bezahlte und nichts extra dazugab.

„Wie stehen die Preise für Rinder im Moment?“

Der Barkeeper zog seine dünnen Augenbrauen etwas in die Höhe. Jetzt musterte er ihn ganz genau und sein Blick verriet, dass er sich Jake in seinen nicht zusammenpassenden Sachen und dem Cowboyhut überlegen fühlte. Schließlich setzte er ein arrogantes Lächeln auf. „Ich bin kein Fachmann und es interessiert mich auch nicht. Aber sie müssten jetzt so bei achtundzwanzig Dollar liegen.“

„Für das Pfund?“

Der Barkeeper lächelte. „Nein, für eine 500-Pfund-Kuh.“

„Das ist ja lächerlich. Ich habe letztes Jahr noch fünfunddreißig Dollar bekommen. Ich hatte geschätzt, dass ein kräftiges Tier jetzt wenigstens um die vierzig Dollar einbringen müsste, oder täusche ich mich da? Ich glaube kaum, dass die Nachfrage im Osten kleiner geworden ist, seit ich das letzte Mal hier war.“

„Das nicht. Aber es gibt jetzt nur noch wenige Firmen, die in dem Geschäft tätig sind. Alles wird monopolisiert. Es gibt keine Konkurrenz mehr im Fleischgeschäft, wie übrigens in vielen anderen Geschäftszweigen auch. Dadurch werden die Preise gedrückt.“

Jake schwenkte sein Bier im Glas hin und her und kratzte sich nachdenklich an der Stirn. „Ich lasse mich sicherlich nicht unter dreißig Dollar das Tier drücken.“

„Das liegt allein bei ihnen, Mister. Und es interessiert mich auch wenig. Aber da Sie anscheinend ein Jahr aus St. Louis weg waren und sich hier nicht mehr ganz auskennen, gebe ich Ihnen einen Rat. Verkaufen Sie Ihre Herde hier. Sie können mit denen verhandeln, aber wenn man auf Ihre Bedingungen nicht eingeht, dann akzeptieren Sie die, die man Ihnen anbietet. Es ist besser für Sie.“

„Was wollen Sie damit sagen?“

„Ich werde überhaupt nichts mehr sagen, weil es mich nichts angeht und auch nicht interessiert. Nur noch so viel: Es sind im letzten Jahr einige Trecktreiber ums Leben gekommen, weil sie schlauer sein wollten.“