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Die Kurzcharakteristiken sollen denen den Mut stärken, denen er durch eine abwertende Bezeichnung genommen ist. Wer diese Darstellungen als Selbstbespiegelung nutzt, kann sich besser erkennen.
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Unter diesem Sammeltitel finden sich zehn Anleitungen, die pädagogischen Grundsätzen grundsätzlich widersprechen. Sie sind deshalb jugendgefährdend und sollten Minderjährigen sowie labilen Erwachsenen unzugänglich sein. Da die menschliche Existenz nicht nur von Verboten und moralischen Zwängen bestimmt ist, sondern auch Fehlverhalten birgt, soll all denen, die nicht recht wissen, wie sie sich erfolgreich daneben benehmen können, Folgendes hilfreich sein. Der außergewöhnliche Wert desselben ergibt sich aus seinem ungewöhnlichem Inhalt, der Eltern, Lehrer und ähnliche Vernunftpersonen auf die Palme bringen wird. Der Verfasser ist sich der Gefahr bewusst, in die er sich mit diesem Leitfaden begibt, doch stärkt ihn der Mut, ihr zu trotzen.
Philosoph Trantut, dem die Weisheit entkommen war, dass Faulheit die Glieder stärke, fand Befürworter bei denen, die sich mit großem Fleiß von jeder Tätigkeit fernhalten. Diese Schar der Fleißlosen, die sich aus eigenem Antrieb trieblos zeigt, wird als schlechtes Beispiel für die Heranwachsenden und die schon Ausgewachsenen hingestellt. Dabei bleibt unerwähnt, dass es großer Anstrengung bedarf, sich nicht vom Strom der Tatbereiten mitreißen zu lassen. Einer Mehrheit beharrlich zu trotzen, kann nicht hoch genug geschätzt werden.
Der Tagedieb, der hier als Einzelwesen vorgestellt wird, stiehlt nicht den Tag, auch nicht die Nacht, da beide Tagezeiten unstehlbar sind. Er müsste Sonne, Mond und Sterne an sich bringen, doch geht das nicht, wie jeder weiß. Dennoch sagt man Tagedieb zu jemandem, der sich gern und lange dem Nichtstun hingibt. Die Bezeichnung Tagedieb wird allerdings kaum mehr verwendet, da sie überholt ist. Heutzutage bedient man sich modernerer Fassungen wie „faules Schwein“, „arbeitsscheues Subjekt“ oder „Gammler“. Der Tagedieb erfuhr früher auch andere Bezeichnungen. So hat der Dichter Joseph von Eichendorff dem Taugenichts ein literarisches Denkmal gesetzt. Mit dessen Wortkunst kann die Charakterisierung des Tagediebs hier nicht erfolgen.
Wer den festen Vorsatz hat, ein solcher sein zu wollen, sollte schon am frühen Morgen, kaum dass er lustlos dem Bett entstiegen ist, durch herzhaftes Gähnen andeuten, dass er den nächsten Schlaf ersehnt. Eingedenk der Tatsache, dass der, der schläft, nicht sündigt. Insofern ist die verhaltene Beweglichkeit des Tagediebs verständlich. Hinzu kommt die Tatsache, dass Schlaf gesund ist. Nichts spricht also dagegen, ein Tagedieb zu sein.
Wenn selbiger dann mit mäßigem Drang die morgendliche Toilette vornimmt, dann vollzieht er dabei ebenfalls einen gesundheitsstabilisierenden Vorgang, denn Stress und überhastete Eile schon am Tagesbeginn führen zur nervlichen Überbelastung und schaffen Voraussetzungen für den frühen Eintritt eines Schlaganfalls.
Der schleppende Gang zum Frühstückstisch wird von missliebigen Personen als Trägheit eingestuft, obwohl der Körper sich auf den Tagesrhythmus einstellen muss. Was wäre das für ein Gewinn, wenn er schon in den Vormittagsstunden erschlafft. Gemächlichkeit bereits in der Jugendzeit beugt vorzeitiger Alterung vor. Kräfteverschleiß lässt sich hier mit der nachlassenden Kraft eines alternden Automotors vergleichen.
Die dann folgenden Tagesaufgaben, gleich welcher Art, sollte der Tagedieb nach eigenem Ermessen und der ihm zur Verfügung stehenden Kräfte erledigen. Auch hierbei ist ihm Mäßigung geraten. Übereifer kann zur Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit führen, die Ungenauigkeit nach sich zieht.
Um seine Emotionen vernünftig zu steuern, lenkt der Tagedieb sein Sinnen schon ab der Tagesmitte auf den Feierabend hin, der ihn durch Nichtstun erquicken soll.
Das im Tierreich vorhandene Pendant des Tagediebs ist die Schnecke. Deren bedächtige Vorwärtsbewegung zeigt, dass man auch langsam zum Ziel kommt. Man nennt es ‚Schneckentempo‘, wobei die ihr Haus tragende Schnecke schwerer zu tun hat als die Nacktschnecke. Der Tagedieb trägt sein Haus nicht auf dem Rücken, auch geht er nicht nackt; es sei denn, er ist Nudist. Nudist als Kurzform von ‚Nudel ist‘.
Weise Sprüche belegen, dass ein mäßiges Tempo weniger Unfälle verursacht. Der Tagedieb lässt sich von solchen leiten, die da lauten: Eile mit Weile, Kommst du heute nicht, kommst du morgen, wer langsam geht, kommt auch ans Ziel oder altersspezifisch: Immer langsam mit den jungen Pferden bzw. Ein alter Mann ist doch kein D-Zug.
Soweit zum Tagedieb. Seine gezeigte Zurückhaltung ist hoffentlich begreiflich geworden, und er wird deshalb rücksichtsvoller behandelt.