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Detlef Schumacher

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Beschreibung

Kriminalinspektor Rudolf Raschs Ermittlungen sind nicht immer erfolgreich. Sie scheitern manchmal an unvorhergesehenen Kleinigkeiten. Er lässt sich aber nicht entmutigen. Weil er sich in der Vergangenheit verdient gemacht hatte, darf er zum ersten Mal Urlaub machen. Seine Vorstellung von unbeschwerten Tagen mündet in einen Aktivurlaub. Wie er ihn meistert, ist humorvoll geschildert. Es ist das letzte Buch über den leicht vertrottelten Polizisten.     

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Detlef Schumacher

Aktivurlaub

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Endlich

Kriminalinspektor Rudolf Rasch war seit Tagen gut gelaunt. Mit Beginn der nächsten Woche würde

er seinen dreiwöchigen Jahresurlaub antreten. Das Urlaubsziel war längst festgelegt: Ein

beschauliches Plätzchen fast unberührter Natur weit außerhalb der Stadt. 111 Kilometer von dieser

entfernt wollte Rasch seiner Angelleidenschaft an einem kleinen See, der sich inmitten eines dichten Waldes befindet, frönen. Ein am Ufer befindliches Blockhaus würde ihm Wohnstatt sein, fernab vom Lärm der Stadt und der Hektik des Arbeitsalltags. Polizeipräsident Schnuller hatte versprochen, ihm die Ruhe zu gönnen, die er sich verdient habe. Leider müsse er aber per Handy abrufbar sein, sollte ein unvorhergesehener Mord seine Anwesenheit erfordern.

Um Rasch spüren zu lassen, dass er ihm die Urlaubsruhe von ganzem Herzen gönne, machte der Polizeipräsident den Vorschlag, die Bürger der Stadt und der umliegenden Orte per Postwurfsendung zu bitten, schwerwiegende Straftaten in den nächsten drei Wochen zu unterlassen. Sollten die sich aus zwingenden Gründen nicht verhindern lassen, sollten sie ausnahmsweise auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.

Rasch war von der Fürsorglichkeit des Poprä (Polizeipräsidenten) sehr gerührt. Er werde ihm und seiner Gattin eine Urlaubskarte schicken, sobald er wieder im Amt sei. An seinem Urlaubsort befinde sich nämlich kein Briefkasten. Er verschwieg, wo sich sein briefkastenloses Urlaubsdomizil befindet. Das deshalb, damit auf freiem Fuß befindliche Kriminelle ihn nicht aufspüren könnten, um sich an ihm zu rächen.  

Auch Lolita Putzi, die er hin und wieder beschlief, erfuhr sein vorübergehendes Urlaubsdomizil nicht. Er ließ sie lediglich wissen, dass sein dreiwöchiges Zuhause ein Wald sei, in dem viele Bäume beieinanderstehen. Sie fürchtete, er könnte von wilden Tieren wie Löwen oder Elefanten zerfleischt werden. Er beruhigte, dass in seiner Umgebung nur Eichhörnchen, Borkenkäfer und ähnliches harmloses Getier heimisch seien. Lolita, die noch nie in einem Wald war, stellte sich unter einem Eichhörnchen ein einhörniges Tier vor, das Rudi mit dem Horn in den Bauch stoßen könnte. Er beruhigte, dass dieses Tierchen lediglich an Baumstämmen hinauf und hinab klettere und deshalb ungefährlich sei.

Seine Nachbarin, die falsche Gerüchte ausstreute, sobald sie ihn zwei bis drei Tage nicht zu Gesicht bekommen hatte, bat er, seine Abwesenheit still zu ertragen; er wolle in Ruhe mal Fische fangen. Er solle seine Angel nicht zu weit auswerfen, ein gefährlicher Haifisch könnte ihn ins Wasser ziehen und dann verschlingen, meinte sie besorgt.

Auch Raschs Kollege Giesbert Schnürschuh hatte Bedenken, als er ihn wissen ließ, dass er sich vorübergehend am Ende der Welt aufhalten werde. Er solle keinen Schritt zu weit gehen, bat Giesbert, er könne sonst abstürzen.   

Rasch hätte ein Urlaubsgebiet im Süden Deutschlands wählen können, doch wollte er der Stadt in erreichbarer Nähe sein. Sollte während seines Urlaubs ein Krieg ausbrechen, der die Verkehrsverbindungen lahmlegte, dann ließen sich 100 Kilometer in einem mehrtägigen Fußmarsch bewältigen. Auch im Falle einer Schweinepest könnte er den im Wald ansässigen Wildschweinen entkommen. Wildschweine sind nicht gewillt, einem Menschen 111 Kilometer nachzujagen. Dieses Wissen hatte Rasch einem Buch entnommen, das Gefahren nennt, die einem in einem Wald drohen. Diese Lektüre sowie das Büchlein Angeln an deutschen Gewässern führte Rasch in seinem Wanderrucksack mit.  Weil der nicht alles fassen konnte, füllte Rasch auch ein kleines Köfferchen mit Notwendigem. Als notwendig erachtete er, was ihm während der drei Wochen dienlich sein könnte und müsste. Da er noch keine Urlaubserfahrung besaß, auch nicht über einen solchen Zeitraum, holte er sich aus dem Internet das entsprechende Wissen.

Die Gattin des Poprä, die sich als nützliche Ratgeberin hervortun wollte, riet Rasch, keine leicht entzündbaren Dinge mitzuführen. Sie berief sich dabei auf ein schreckliches Beispiel aus eigener Erfahrung. Sie hatte während einer Urlaubsreise Lockenwickler mitgenommen, die eines schönen Urlaubstages auf ihrem Kopf explodierten. Ihr Kopfoberfläche glich dann einer Brandrodung mit verkohlen Haarresten. Für den Rest des Urlaubs und auch nach diesem sah sie sich gezwungen, ein Kopftuch zu tragen. Die muslimische Ortsgruppe der Stadt lud sie daraufhin zu einem Bekennergespräch ein, da man glaubte, sie wolle zum Islam konvertieren. Sie werde Christin bleiben, sagte sie, um dereinst reinen Gewissens vor Gott hinzutreten. Der Vorsitzende der muslimischen Ortsgruppe versuchte ihr klarzumachen, dass Allah auch ein Gott sei. Aber einer, dessen Lebensunterhalt nicht mit Kirchensteuern gesichert werden müsse. Der Islam kenne keine Kirchensteuer, besser gesagt Moscheesteuer. Er rechnete ihr vor, was sie bis zu ihrem Lebensende an Kirchensteuern noch entrichten müsste. Ihr Lebensende setzte er dabei ins hundertste Lebensjahr. Wieviel Schmuck und Kosmetika ihr durch diese unnötige Unsumme verloren gehen würden, machte sie wankend. Ihre Frage, ob sie im Falle der Konservierung – der Begriff Konvertierung war ihr nicht geläufig – das Kopftuch bis ans Lebensende tragen müsse, bejahte der Oberislamist. Diese Antwort machte, dass sie Christin blieb. Ihrem Gatten, dem Poprä, blieb sie wochenlang gram, weil der Schuld an den explodierenden Lockenwicklern hatte. Der hatte sie herstellen lassen, um Diebe, die während des Urlaubs in die Wohnung eindringen würden, unschädlich zu machen. Die pinkfarben fluoreszierenden Wickler wären bestimmt ein begehrtes Beutestück.

Er müsse wegen seiner Halbglatze keine Lockenwickler mitnehmen, erklärte Rasch.

Das sei nur als warnendes Beispiel zu verstehen, meinte die Chefgattin und wies ihn darauf hin, im Wald nicht zu rauchen. Sie wusste natürlich, dass er nicht raucht.

Rasch benötigte ein ganzes Wochenende, um im Rucksack und im Köfferchen zu verstauen, was ihm wichtig schien. Handy und Dienstpistole nebst einer Schachtel Patronen waren die ersten Utensilien, die er unterbrachte. Einer seiner Polizeikollegen hatte ihm den Tipp gegeben, auch ein Päckchen Kondome einzupacken. Für alle Fälle.

Ersatzschnürsenkel, Sonnenschutz- und Schuhcreme gehörten zu den weniger wichtigen Kleinigkeiten, die Rudolf dennoch im Köfferchen verstaute. An Nachtkleidung würde ihm das Nachthemd genügen. Da er eine zweite Garnitur Tageskleidung als Gepäck nicht unterbringen konnte, kleidete er sich am Tage des Aufbruchs in den Urlaub doppelt.

Als er sich von der neugierig aus dem Fenster guckenden Nachbarin verabschiedete, stellte die erstaunt fest, dass er zugenommen habe. Er habe sich wohl ausreichend Fett angefressen, um nicht vom Fleisch zu fallen. Endlich besitze er auch einen strammen Hintern und nicht mehr einen so schlaffen Arsch.

„Das Klatschweib drei Wochen nicht zu sehen und zu hören, wird meine Erholung günstig beeinflussen“, murmelte Rasch.

Ab in den Urlaub

Vor dem Haus hielt ein Taxi. Dem entstieg ein Mann, der Rudolf fragte, ob er derjenige sei, der befördert werden wolle.

„Von hier nach dort“, erwiderte Rasch. Die Nachbarin sollte das Urlaubsziel nicht hören.

Der Taxifahrer verstaute Raschs Gepäck. Rasch nahm auf dem Beifahrersitz Platz und los ging die Fahrt.

„Ihre Gattin soll sicherlich nicht erfahren, wohin Ihre Reise führt“, meinte der Chauffeur verständnisvoll.

„Sie ist nicht meine Gattin, sondern meine neugierige Nachbarin. Die ist so hellhörig, dass sie die Flöhe husten und das Gras wachsen hört.“

„Würden Sie mir bitte sagen, wohin Sie gebracht werden wollen“, bat der Fahrer.

„Können Sie schweigen?“, fragte Rasch.

Der Gefragte guckte Rasch verdutzt an und hätte dabei beinahe den Straßenverlauf aus den Augen verloren.

„Schauen Sie nach vorn“, forderte Rasch, „ein Mensch wechselt die Straßenseite. Sie könnten ihn überfahren.“ Und weiter: „Meine Frage nach Ihrer Verschwiegenheit zielt auf die Frage, ob Sie den Mund halten können. Mit anderen Worten, ob sie mein Reiseziel für sich behalten werden.“

„Selbstverständlich, Herr Bond“, kam die Antwort.

„Warum Bond?“

„Weil Sie in geheimer Mission unterwegs sein wollen. Wie James Bond zum Beispiel.“

„Papperlapapp, ich bin nicht James Bond. Ich bin Deutscher. Meine Absicht ist es, meinen Jahresurlaub in einer ruhigen, nicht von Fremden überlaufenen Gegend zu verbringen. Inmitten von Bäumen, einem Wald also, will ich ungestört weilen. Gestört nur vom Zirpen der Grillen, dem Summen der Bienen, dem Klopfen des Spechts und dem Rascheln der Blätter.“

Raschs Gesicht verklärte sich.

Der Taxifahrer: „Verstehe! Sie sind Chef eines großen Unternehmens mit vielen Arbeitnehmern. Die können nerven.“

„Quatsch!“, verließ Rasch sein verträumt sein, „ich bin … - sagen Sie mal, weshalb wollen Sie wissen, wer oder was ich bin? Sie sind neugierig wie meine Nachbarin. Hat Ihre Neugier einen Grund?“

„Meine Neugier ist das Ergebnis Ihrer Neugier“, verteidigte der Chauffeur seine Neugier.

Für Kriminalinspektor Rasch nahm die Unterhaltung Züge eines polizeilichen Verhörs an. Er fühlte sich in die Rolle des Verhörten gedrängt. Dieses Vorgehen hat doch sicherlich einen Grund, resümierte er.

„Waren Sie einst informeller Mitarbeiter der Stasi?“, drehte er den Spieß um.

Erschrocken trat der Chauffeur auf die Bremse.

„Um Gottes willen!“, wehrte der sich, „ich verdiente und verdiene mein Brot auf ehrliche Weise. Ich habe fünf hungrige Mäuler zu stopfen.“

„Fünf Mäuler? So viele? Sie hätten sich in der Zeugung zurückhalten sollen. Die fünf Mäuler sind meine Frau, unser 12jähriger Sohn, unser Hund, unsere Katze und ich.“

„Geben Sie wieder Gas“, verlangte Rasch. „Ist ja interessant“, fuhr er fort, „sie besitzen einen Hund? Ich besaß auch einen.“

„Ach was“, staunte der Fahrer und brachte das Auto wieder in Fahrt, „lief er davon?“

„Er wurde ermordet. Er war ein treuer und fleißiger Spürhund.“

„Spürhund? Soso! Was spürte er? Schmerzen?“

„Idiot“, wollte Rasch sagen, beließ es aber bei der Äußerung „er roch.“

„Der meine stinkt auch hin und wieder. Ein richtiger Stinker ist er.“

Rasch wackelte verzweifelt mit dem Kopf; mit dem Fahrer war kein vernünftiges Gespräch zu führen. Er sah aus dem Seitenfenster, machte erstaunte Augen und blaffte den Chauffeur an: „Waren Sie früher Karussellbetreiber?“

„Wieso?“

„Weil das Auto an meinem Haus vorüberfährt. Vor ihm sind wir doch vorhin losgefahren. Sie kutschieren mich im Kreis.“

„Wenn Sie wieder aussteigen möchten?“ Der Chauffeur hielt das Auto an.

Die auf dem Bürgersteig befindliche Rasch-Nachbarin, in ein Gespräch mit einer Frau vertieft, unterbrach dieses erstaunt und fragte den aus dem Seitenfenster guckenden Kriminalinspektor: „Da bist du ja wieder, Rudolf? Ist dein Urlaub schon beendet? War wohl ein Kurzurlaub?“

Rasch zog den Kopf zurück, blieb der Nachbarin die Antwort schuldig und verlangte vom Taxichauffeur, die Fahrt fortzusetzen.

„Diesmal geradeaus und nicht wieder im Kreis, Sie Drehwurm!“, befahl er.

„Mir wäre lieb, wenn Sie mich den Ort wissen lassen, den Sie zu erreichen wünschen“, formulierte der Chauffeur.

Der spricht aber gedrechselt, stellte Rasch für sich fest. Um sprachlich nicht plump zu gelten, antwortete er: „Mich treibt das Verlangen, Dummsdorf zu erreichen, einen Ort der Stille, in dem ich 

mich von der Tage Müh‘ und Last erholen kann.“

„Habe ich richtig gehört: Dummsdorf?“, fragte der Chauffeur zweifelnd.

„Natürlich Dummsdorf oder haben Sie Paris verstanden?“

„Paris wäre für Sie keine Erholung“, lächelte der Fahrer. „Die Fahrt dorthin käme Sie auch sehr teuer.“

„Dummsdorf liegt näher; etwa 111 Kilometer entfernt. Das habe ich per Internet ermittelt“, erklärte Rasch. „Was wird mich die Fahrt kosten?“

Der Fahrer schätzte eine Summe, die Rasch zur Frage veranlasste, ob in ihr die Märchensteuer enthalten sei.

Der Gefragte bejahte und erhielt von Rasch die unfreundliche Bemerkung, dass Taxipreise ein sichtbarer Ausdruck kapitalistischer Profitgier seien. Er steigerte sich zur Äußerung, dass Taxifahrer

die Urform des machtbesessenen Kapitalisten sei.

„Soll ich das als Wertschätzung oder als Beleidigung hinnehmen?“, wollte der Chauffeur wissen.

„Das überlasse ich Ihnen. – Und nun ab nach Dummsdorf!“

„Augenblick, den Ort muss ich erst ins Navi eingeben. Dorthin bin ich noch nie gefahren.“

„Dass ich mich dort aufhalten werde, verschweigen Sie natürlich. Wenn nicht, bekommen Sie es mit mir zu tun.“

„Das klingt sehr bedrohlich. Soll ich das als tätlichen Angriff auf mich als Taxifahrer hinnehmen?“

„Nicht als Angriff – als Warnung.“

Damit war die Unterhaltung vorerst beendet. Der Chauffeur hatte Dummsdorf als Zielort im Navi eingegeben und steuerte das Fahrzeug in diese Richtung.

 

Zielort Dummsdorf

Rudolf Rasch erging sich gedanklich in seine Urlaubsvorhaben. Dummsdorf war nicht der Ort, an dem er urlauben wollte. Es würde der Wald sein, der sich ca. vier Kilometer von diesem Dorf entfernt befindet. Das hatte Rasch per Google Earth ermittelt. Auf diese Weise hatte er auch in Erfahrung gebracht, dass sich inmitten dieses Waldes und in unmittelbarer Nähe eines größeren Gewässers eine Blockhütte befindet, die einst ein Landschaftsmaler bewohnt hatte. Der verließ sie, als der Herrgott ihn bat, im Jenseits zu malen. Rasch ließ das seelisch kalt. Er würde die Blockhütte beziehen und seiner Angelleidenschaft am Waldgewässer frönen. Er hoffte auf eine Vielzahl genießbarer Fische und die Stille, die er drei Wochen genießen könnte. Kein Mensch würde seine Ruhe stören, denn kein Mensch wüsste von seiner Waldeinsamkeit. Ausgenommen der Taxichauffeur. Den aber hatte er zur Verschwiegenheit verpflichtet. Würde der auch wirklich schweigen? Taxichauffeure waren schwatzhaft wie Friseure. Was, wenn der unbedacht den Mund öffnete und einem Fahrgast mitteilte, wohin er Kriminalinspektor Rudolf Rasch gefahren hatte.

Hahaha, beseitigte Rasch innerlich lachend seine Befürchtung, der Chauffeur wusste ja nicht, wen er im Fahrzeug hatte. Das würde er ihm auch nicht auf die Nase binden. Doch wollte er auf Nummer Sicher gehen.

Nach ca. fünfzig gefahrenen Kilometern fragte er den Fahrzeuglenker, ob er wisse, wen er an Bord habe. Genauer gesagt, ob er das vermute.  

Der Chauffeur schüttelte den Kopf und sagte, dass ihm das egal sei und ihn nicht interessiere. Wer nach Dummsdorf gebracht werden wolle, habe schon alles über sich gesagt.

„Na hören Sie mal“, brauste Rasch auf, „soll das heißen, dass Sie mich als Mensch niederen Geistes einstufen?“

„Ich denke mir mein Teil meist stufenlos. Ein Gelehrter sind Sie jedenfalls nicht; das sieht man.“

Rasch verschlug es die Sprache.

Der Chauffeur weiter: „Wenn Sie mir sagen würden, wie Sie heißen, welchen Beruf Sie ausüben, welchen schulischen Abschluss Sie erreicht haben, wann Sie …“ - 

„Stopp!“, unterbrach ihn Rasch, „das könnte Ihnen so passen, in meine Intimsphäre einzudringen, um diese Angaben an irgendeinen Geheimdienst weiterzureichen. Womöglich an die russische Mafia. Vielleicht arbeiten Sie in deren Auftrag.“

„Sind Sie so wichtig, dass Sie die russische Mafia fürchten?“

„Ich bin überhaupt nicht wichtig! Punkt und Basta! Bringen Sie mich schnellstens nach Dummsdorf!“

„Unerhört“ grummelte Rasch „der will doch tatsächlich erreichen, dass ich mich individuell entblöße. Den muss ich nach meiner Rückkehr im Auge behalten. Vielleicht gelingt es mir, ihn so auszuquetschen, dass er seine Mittäterschaft in einer kriminellen Vereinigung zugibt.“

Rasch rieb sich zufrieden die Hände, weil er sich vorstellte, eine Bande von Verbrechern unschädlich zu machen. Das würde seinen Bekanntheits- und Dienstgrad sowie sein Gehalt erhöhen.“ 

„Wann werden wir Dummsdorf erreicht haben?“, fragte er den Taxichauffeur, um den auf seine eigentliche Aufgabe hinzulenken.

„Gegen 12 Uhr, wenn nichts dazwischenkommt.“

„Was sollte dazwischenkommen?“

„Ein Verkehrsunfall, verursacht durch ein über die Straße eilendes Reh, durch eine gehbehinderte Oma, durch einen stur aufs Handy starrenden Teenager, durch einen Betrunkenen oder einen geistig Verwirrten, durch …“ -

„Halten Sie ein, Sie Gruselfritze“, verlangte Rasch, „noch mehr solche Beispiele und ich wechsle das Fahrzeug. Sie sollten ein Buch schreiben mit dem Titel ‚Wie ich Personen überfuhr‘.“

Es wundert den Leser, dass der hartgesottene Kriminalinspektor Rudolf Rasch solche Furcht empfand. Mögliche Erklärung: Er fühlte sich im Taxi der Fahrgewalt des Chauffeurs hilflos ausgesetzt. Die Dienstpistole konnte er gegen ihn nicht richten, weil die sich im Gepäck, das im Kofferraum des Autos lagerte, untergebracht war.

„Wenn Sie wünschen, später als 12 Uhr in Dummsdorf anzukommen, dann lassen Sie mich das wissen“, sagte der Chauffeur.

„Auf keinen Fall später“, überwand Rasch seine Furcht, „geben Sie nur ordentlich Gas. Je früher ich dieses rollende Vehikel verlassen kann, desto sicherer fühle ich mich.“

Nun fühlte sich der Taxifahrer beleidigt. „Mein Pkw ist kein Vehikel. Er ist ein Fahrzeug in fahrsicherem Zustand, jüngst vom TÜV geprüft. Ein modernes Auto, das sogar spricht.“

„Nun übertreiben Sie aber, Herr Aufschneider“, wurde Rasch zynisch. „Ein sprechendes Auto – das habe ich noch nicht gehört. Vielleicht behaupten Sie noch, dass Ihre Zahnbürste sprechen kann.“

„Die nicht, aber mein Auto.“

„Hahaha! Entschuldigen Sie, dass ich lache. Ein sprechendes Auto.“

Eine Fliege setzte sich auf Raschs Nase. Mit einer raschen Handbewegung verjagte er sie. Sie kehrte zurück. Wieder Verjagen, wieder Rückkehr.

Rasch zornig zum Taxichauffeur: „Statt mir die Sprechfähigkeit ihres Autos vorzuflunkern, sollten sie für die Fliegenlosigkeit des Fahrzeuginnenraums sorgen.“

„Wie meinen?“

„Mich stört eine Fliege, die mir ständig auf der Nase tanzt. Ich hasse Fliegen! Reichen Sie mir bitte die Fliegenklatsche!“

„Eine was?“

„Eine Fliegenklatsche! Das Schlagzeug, mit der man Fliegen totklatscht.“

„Eine solche führe ich nicht mit.“

„Das glaube ich ja nicht. In jedem ordentlichen Haushalt gibt es eine Fliegenklatsche.“

„Sie befinden sich in keinem Haushalt, sondern in einem Taxi.“

Dem Taxichauffeur wurde zunehmend bewusster, weshalb sein Fahrgast nach Dummsdorf wollte.

„Als Halter und Führer dieses der Öffentlichkeit dienlichen Fahrzeugs sind Sie verpflichtet, es fliegenfrei zu halten. Man könnte es sonst für ein Fliegzeug halten.“

Rudolf Rasch näherte sich der Phase, die er sehr gern bediente, nämlich der Belehrung eines Bürgers über dessen Pflichten. 

„Da Sie keine Fliegenklatsche mit sich führen, müssen sie doch eine Möglichkeit wissen, wie man das lästige Vieh aus dem Fahrzeug verbannt.“

Die Fliege ließ sich, als ginge sie das alles gar nichts an, erneut auf Raschs Nase nieder.

Der Chauffeur: „Eine Möglichkeit wäre, ein Fenster zu öffnen, um die Fliege entfliegen zu lassen. Doch weiß ich aus Erfahrung, dass der Luftzug eines fahrenden Autos ihr die Kraft nimmt, nach draußen zu gelangen.“

„Dann halten Sie das Auto an“, meinte Rasch barsch.

So geschah es. Rasch wollte das Seitenfenster herunterlassen, der Chauffeur aber sagte, dass es für die Fliege bequemer wäre, durch eine geöffnete Tür nach draußen zu gelangen.  

„Wie vornehm“, lästerte Rasch, „soll ich Madame Fliege die Hand reichen, um sie aus dem Auto zu geleiten?“

„Eine Fliege hat keine Hand“, belehrte der Chauffeur.

„Das weiß ich“, wurde Rasch ungehalten und öffnete die Tür. Die Fliege verließ das Auto. Rasch folgte ihr.

„Wo wollen Sie hin?“, fragte der Fahrer, der fürchtete, sein Fahrgast wolle das Weite suchen und sich um die Bezahlung drücken.

„Ich will Wasser lassen“, kam die Antwort.

„Sind Sie von der Feuerwehr?“