ZONE NULL - Herbert W. Franke - E-Book

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Herbert W. Franke

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Beschreibung

Nach einer globalen Katastrophe haben die zwei überlebenden Supermächte jahrhundertelang in völliger Isolation voneinander existiert. Doch eines Tages bricht eine Expedition in das Gebiet des ehemaligen Gegners auf. Es sind merkwürdige und unheimliche Erfahrungen, die die Expeditionsteilnehmer dort machen: Sie blicken auf eine hoch technisierte Zivilisation, die seit der Katastrophe ganz andere Wege gegangen ist. Die Bewohner leben – aller materiellen Sorgen enthoben – für ihr Spiel, für ihre Forschung, für die Kunst. Sie leben in einem technischen Paradies, doch ist es ein menschliches? Dan wagt als Erster die Kontaktaufnahme … Weitere Inhalte: Thomas Franke: Zone und Null. Ein Roman über die Kunst, nicht zu hassen Jan-Erik Bolz: Kybernetik in der literarischen Science-Fiction anhand selbst gewählter Beispiele Das Titelbild stammt von Thomas Franke.

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Herbert W. Franke

ZONE NULL

Science-Fiction-Roman

SF-Werkausgabe

Herbert W. Franke

Band 8

hrsg. von Hans Esselborn

und Susanne Päch

AndroSF 66

Herbert W. Franke

ZONE NULL

Science-Fiction-Roman

SF-Werkausgabe Herbert W. Franke

Band 8

hrsg. von Hans Esselborn & Susanne Päch

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.

Copyright © 2024 by art meets science – Stiftung Herbert W. Franke

www.art-meets-science.io

Dieses Werk wird vertreten durch die AVA international GmbH, München, www.ava-international.de

Die Originalausgabe ist 1970 im Kindler Verlag erschienen.

Titelbild: Thomas Franke

Lektorat & Korrektorat: Michael Haitel

E-Book-Erstellung: global:epropaganda

Verlag

art meets science – Stiftung Herbert W. Franke

c/o mce mediacomeurope GmbH

Bavariafilmplatz 3

82031 Grünwald

ISBN 978 3 911629 07 2

Zone Null

Das Glas der Kabinenfenster war mit weißer Farbe überstrichen, aber die meisten kratzten sie heimlich weg. Zuerst gab es wenig zu erkennen. Sie waren am Rand des bewohnten Distrikts gestartet, der Schein der Beleuchtungssatelliten drang nur streifend durch die schwarzen Schwaden des Smogs. Graue Rechtecke, tiefe Schattenlöcher darin, da und dort ein unbestimmtes Glitzern.

Dann stiegen sie höher, tauchten von unten in die trägen Massen, starrten ins wirbelnde Dunkel, nur gelegentlich ein Blick in einen Nebelabgrund mit zerfressenen Rändern – dann plötzlich riss der flatternde dunkle Vorhang auf, und über ihnen strahlte der Nachthimmel mit unzähligen Lichtpunkten: die Sterne, von den Lehrprogrammen her gut bekannt, gelegentlich in Planetarien bewundert, und doch erstaunlich. Nirgends waren sie so beschrieben, wie sie wirklich waren, nirgends so gezeigt.

Das Meer des Smogs wogte tief unter ihnen. Allmählich wurden die Schwaden dünner, bildeten Wirbel, Löcher. Unten ahnte man es mehr, als man es sah: das unbekannte Land.

Dort unten, irgendwo musste die Grenze liegen. Keine Befestigungen mehr, Gräben, Drahtverhaue, Wachttürme, keine Panzersperren, Mauern, kein eiserner Vorhang. Nicht viel mehr als eine gedachte Linie. Doch die Sperre war absolut, die Befestigung unüberwindlich. Radar, Seismografen, versteckte Fernsehkameras, dahinter der Ring der Raketenbasen. Vielleicht auch andere Kontrollen, andere Waffen, wer wusste es? Es war gespenstisch, wie sie jetzt so einfach darüber hinwegflogen.

Gegen Morgen erlebten sie ein Schauspiel, wie es sonst nur die Lehrfilme bieten: Die Sterne verblassten, der Himmel überzog sich mit milchigem Rosa, und dann stieg der Sonnenball über den Horizont, viel heller als die blasse Scheibe, die tagsüber durch den Dunst erkennbar war, gleißender sogar als die Beleuchtungssatelliten bei voller Intensität. Jetzt wanderte unter ihnen die Landschaft dahin – ein Muster aus Weiß, Grau und Schwarz, Anflüge von Grün – aufkeimende Pflanzen inmitten der Asche, dazwischen Kreise aus Ocker, Krater, aufgewühlte Erde, Lehm. Ein spiegelndes Adernetz, ein Fluss, in Hunderte Arme gespleißt, daneben eine endlose graue Gerade – das drainierte Bett, jetzt trocken; Berge aus aufgeworfenem Gestein hatten es in seinem Oberlauf gesperrt, und der Strom hatte sich neue Wege gebahnt. Die Zone Null.

Jetzt kippte der Boden, die Motoren sangen höher, der Rumpf des Transporters vibrierte; der Pulk schwenkte ein, folgte den spiegelnden Wasserfäden. Rechts und links Hügelketten, lange Schatten daneben, dann wieder Ebene, Spuren alter Bebauung, eine Zeichnung aus Strichen und Kurven, einst Straßen, Schienen, dort das Skelett einer Brücke, Trümmerhaufen, einst Dörfer und Städte, Abschussrampen, unbeschädigt, aber leer gefegt. Und dann schob sich eine unübersehbare gelb und grau gesprenkelte Fläche heran, riesig und leer, die bald das gesamte Gesichtsfeld einnahm.

Eine Stunde noch. Langeweile, trotz der Erwartung, Flug über das Nichts. Die Soldaten in ihren schweren Ausrüstungen rückten hin und her, eine leise Unterhaltung kam auf, dazwischen lautere Worte, Scherze …

Bis der Lautsprecher die nächste Phase einleitete.

Helme aufsetzen, Funkgeräte einschalten! Gesichtsklappen schließen! Lehnen aufrecht stellen! Köpfe an die Knie! Hände an den Nacken!

Schleusentüren schließen! Landefähre ab!

Es ruckte kurz, der Magen hob sich, das Gefühl des Schwebens … das Aufheulen der Gleitflügel, der sanfte Andruck wie im Lift, einige mühsame Atemzüge lang. Dabei, etwas unangenehm, das Warten auf die Landung – würden sie gut aufsetzen? Das Ganze wie bei einer Übung. War es eine Übung?

Wer noch einen Blick durch die freigekratzten Fenster geworfen hatte, konnte vorn rechts ein matt blinkendes Gebilde erkennen – wie Schaum, der auf Wasser liegt. Unten war nichts mehr davon zu sehen.

Er war zurückgekommen – wie geplant.

Er hatte damit gerechnet, daran geglaubt und daran gezweifelt. Er hatte darauf gehofft und sich davor gefürchtet. Er hatte es sich ausgemalt: das Wiedersehen, die vertraute Umgebung, die Glückwünsche und Ehrungen, und dann die lange, verheißungsvolle Arbeit – die Auswertung der Daten. Das war die selbstverständliche Folge der Schritte im Programm.

Und jetzt verstand er das Selbstverständliche nicht. Er fühlte sich nicht so, wie er es erwartet hatte, war weder ruhig noch sicher, weder stolz noch zufrieden.

Durch die Kunststoffscheiben blickte er in die Umgebung. Es hätte eine Garage sein können, ein Hangar, eine leere Sporthalle. Irgendwo über ihm, außerhalb seines Gesichtsfelds, brannte trübes Dauerlicht. Die Schatten in den Ecken wirkten wie kantige Löcher. Vor der Rolltür saß ein Posten auf einem Schemel, die MP auf den Knien.

Sie hatten ihm einen Käfig gebaut, ein Plastikgehäuse, einen Palast aus synthetischem Glas, eine Suite von Zellen, viel zu groß für ihn, den Arzt und die Krankenschwester.

Vielleicht war es das: dass er allein war. (Sein medizinischer Überwacher und die Schwester zählten nicht. Es waren Nullen. Das Mädchen war blond und aufreizend hübsch, Pflegerin und Sekretärin. Sie umsorgte ihn mit penetranter Unterwürfigkeit. Der Arzt hatte angedeutet, sie wäre nicht abgeneigt, mit ihm zu schlafen – wenn er diesen verständlichen Wunsch verspürte, nach der langen Expedition …) Pavel, Greg, Josef, Tibor und Sonja; er versuchte, jeden einzelnen des Teams aus der Erinnerung heraus lebendig werden zu lassen, aber sie blieben Schemen. Der Schleier, der vor den Dingen lag, umfasste auch die Gestalten der Vergangenheit. Er war nicht so traurig darüber, ohne die anderen zurückgekommen zu sein, wie er es hätte sein müssen. Nein, daran lag es nicht. Er stieß die Illustrierten beiseite, die Sportzeitschriften, Magazine und Rätselhefte, die sie ihm immer wieder auf den Tisch schoben. Am liebsten hätte er sie zerfetzt oder an die Wand geworfen, aber dann käme der Arzt angerannt, und das blonde Flittchen, und sie würden ihn wieder martern – EKG, Pulsschall, EEG, Blutsenkung, Urin, Gewebeproben; sein Körper war mit Pflästerchen bedeckt, überall dort, wo sie ihm Haut, Muskelfleisch, Knochen entnommen hatten. Sie beobachteten ihn unablässig, beim Wachen, im Schlaf, beim Lesen, Essen, ja selbst auf der Toilette; sie sammelten seine Fäkalien und durchsuchten sie mit ihren Mikroskopen. Sie waren nicht zufrieden mit ihm, weil er sich anders verhielt als ein Held, und sie suchten den Grund in der Verdauung.

War er ein Held? Das Wort lag außerhalb seines Begreifens. Der Ministerpräsident hatte ihn so genannt, der Oberbefehlshaber der Luftstreitkräfte hatte ihm einen Orden überreicht. Die Niederlage wurde zu einem Sieg umfunktioniert. Kadetten hatten Fahnen geschwenkt, und einer von ihnen hatte einen Absatz aus dem Basaltext vorgelesen:

… Soweit das Leben nur ein bloßer Prozess zwischen Mensch und Natur ist, bleiben seine einfachen Elemente allen gesellschaftlichen Entwicklungsformen gemein. Aber jede bestimmte historische Form dieses Prozesses entwickelt die materiellen Grundlagen und gesellschaftlichen Formen weiter. Auf einer gewissen Stufe der Reife angelangt, wird die bestimmte historische Form abgestreift und macht einer höheren Platz. Dass der Moment einer solchen Krise gekommen ist, zeigt sich, sobald der Widerspruch und Gegensatz zwischen der materiellen Entwicklung und der gesellschaftlichen Form Breite und Tiefe gewinnt.

Eine Minute lang hatten sie geschwiegen und jener gedacht, die nicht zurückgekehrt waren. Dann hatten sie wieder auf Jubel umgestellt, ihn durch das Glas wie ein seltenes Tier betrachtet, und schließlich waren sie abgezogen. Das Fernsehen war einige Male gekommen, Regisseure, Fotografen, Beleuchter, die Kameras hatten ihn mit starren Augen eingekreist, später hatte man ihm sein Bild auf den Titelseiten gezeigt, wie er am Fenster saß, höflich lächelnd, den Telefonhörer am Ohr. So wurde er der Freien Welt bekannt.

Inzwischen schien ihn die Öffentlichkeit vergessen zu haben. Nur die Offiziere erschienen täglich, die Ärzte, Psychologen, Soziologen, die Biologen und Physiker, die schweigenden Männer vom IKD, stets kamen sie in Rudeln, setzten sich vor den Lautsprecher, klopften auf die Mikrofone, schalteten ihre Geräte ein, und er saß im Schaufenster, mit Elektroden am Schädel, an der Brust und am Rücken, mit Hygrosonden an den Handflächen, sie fragten, er antwortete, und ihre starren Mienen verrieten nicht, ob sie ihm glaubten. Es bestand auch keine Notwendigkeit dafür, ihm zu glauben oder nicht zu glauben; an den Lügendetektoren konnten sie ablesen, ob er die Wahrheit sprach. Ja, noch mehr: ob er befangen war oder nervös, ob er sich ängstigte, ein schlechtes Gewissen hatte oder etwas verschwieg. Und wenn die Befragung vorbei war, eher ein Verhör, dann steckten sie ihre Notizblöcke ein, schoben die Kugelschreiber in die Taschen der Uniformjacken, reckten sich und gingen hinaus. Noch keiner hatte ihn gegrüßt.

Zuerst hatte er es geduldig ertragen, später ließ er eine leichte Gereiztheit erkennen, zu der er sich berechtigt glaubte, doch dann begann er an seinen Rechten zu zweifeln und bekam Angst davor, sie könnten ihn noch länger in seinem Käfig festhalten, und er wurde wieder höflich, hilfsbereit, zuvorkommend, aber sein Verdacht erhärtete sich bis zur Gewissheit: Vierzig Tage sollte die Quarantäne dauern – jetzt waren es dreiundvierzig Tage. Er war ein Gefangener.

Sie setzten hart auf, aber nicht härter als sonst, die Federn fingen den Impuls ab, sie schwangen auf und nieder. Der Bremsmechanismus rüttelte sie durch, die Wände klappten hoch …

Sie sprangen, rannten los, zehn Meter weit, warfen sich zu Boden … es blieb still. Der Boden, den sie durch die Scheiben ihrer Helme unter sich sahen, bestand aus Grus von glasigen Massen – ähnlich dem Bruch von Sicherheitsglas. Es gab weder Gras noch Bäume, weder Tiere noch Menschen – außer den Angehörigen der Landetrupps. Auch die Geigerzähler schlugen nicht aus. (Das war das Wichtigste, hier lag das große Risiko der Aktion.)

Sie mussten liegen bleiben, bis das Manöver beendet war. Die Fähren setzten dicht nebeneinander auf, und man konnte nicht erwarten, dass alle glatt landeten. Bei den Übungen hatte der Mechanismus gelegentlich versagt, und einzelne Gleiter waren wie Steine zu Boden gefallen. (Nur wenige wussten, dass sie unbemannt gewesen waren; es handelte sich um eine psychologische Maßnahme – die Vorbereitung auf den Ernstfall, bei dem nicht unbedingt alles glattgehen musste.)

Diesmal ging alles glatt. Der weißblaue Himmel war von schwarzen Punkten übersät, die zuerst schnell, dann langsamer tiefer sanken. Von jenen Fähren, die in der Nähe herabkamen, hörte man das Sausen der beiden Kränze gegenläufiger Flügelräder, die durch den Aufwind bewegt wurden und die gewonnene Energie über ein Düsenaggregat in Auftrieb umsetzten.

Nach fünf Minuten war alles beendet. Sie hatten die Erlaubnis bekommen, aufzustehen – es drohte keine unmittelbare Gefahr –, und nun lungerten sie in ihren unförmigen Kombinationen untätig herum. Nur ein Trupp entwickelte roboterhafte Geschäftigkeit, eine Fernsehkamera wurde aufgestellt, der Boden gelockert, und dann ordneten sich fünfzig Soldaten in Reih und Glied.

Es knackte im Helmlautsprecher. »Das kann doch nicht wahr sein – der Marinechor in Paradeuniform!« Das war Tibor.

»Ein Strafpunkt für L zehn-sechs. Funkgeräte nur für Dienstgebrauch und in Notfällen.«

Und dann kamen die denkwürdigen zehn Minuten, in denen die Freie Welt von der Aktion erfuhr.

Sondermeldung: Heute, drei Uhr früh, begann das bedeutendste Unternehmen in der Geschichte der Freien Welt. Die vereinigten Verbände haben eine Landeaktion begonnen, die um vier Uhr sechsundzwanzig planmäßig abgeschlossen war. Das Ziel ist die Integration der Zone Null, die Säuberung der verseuchten Landstriche. Ein Team aus Angehörigen der Wissenschaftlichen Akademie, bestehend aus Strahlenmedizinern, Humangenetikern, Virologen, Geologen, Botanikern und Ökologen, hat einen Plan zur Sanierung und späteren Besiedlung ausgearbeitet. Die Bevölkerung, die noch unterdrückt und hermetisch abgeschlossen in den Städten lebt, wird vom Joch der jetzigen Machthaber befreit werden. Die Vorbereitungen für die Umschulung sind getroffen.

Über Rundfunk und Fernsehen wird laufend über das Unternehmen berichtet werden. Wir schalten um zur ersten Übertragung.

CS: Es ist ein stolzer Augenblick für die Menschheit: Bald wird es auf der Erde keinen Zwang mehr geben. Der Preis dafür ist hoch – die Gefahr, der sich unsere Truppen aussetzen. Doch die schwerste Hürde ist genommen, es gibt keine Gegenwehr. Dort, wo sonst jeder Versuch, die Grenze zu überschreiten, rücksichtslos niedergeschlagen wurde, schweigen heute die Waffen. An mehreren Stellen des Sperrgebiets gleichzeitig gelang die Landung. Der Augenblick rückt näher, da wir den restlichen Teil der Welt, der sich unseren Bemühungen zur Verständigung bisher entzogen hat, in Besitz nehmen werden. Wir schalten um in den Distrikt K 11/U 16. Dort wurde soeben eine Fernsehkamera aufgestellt, die den entscheidenden Akt übermitteln wird. Wir blenden uns in die direkte Verbindung zwischen der Befehlsstelle und dem Landekommando ein:

S: »… keine Verluste, eine Bilderbuchlandung.«

HQ: »Radioaktivität?«

S: »Geringfügig – wir messen laufend.«

HQ: »Krankheitskeime? Viren?«

S: »Schwer festzustellen. Bis jetzt nichts Auffälliges. Aber wir behalten die Schutzanzüge an.«

HQ: »In Ordnung. Eben hat sich das öffentliche Funksystem zugeschaltet. Vielleicht schildert ihr einmal, wie man sich fühlt, wenn man als Erster einen neuen Teil der Welt betritt.«

S: »Wir sind stolz! Und ergriffen! Wir alle wissen, was das bedeutet. Die schwerste Arbeit steht freilich noch bevor – es wird lang dauern, bis dieses Land besiedelt ist. Aber wir freuen uns, dass wir einen Beitrag dazu geleistet haben.«

HQ: »Habt ihr keine Bedenken wegen der Verseuchung?«

S: »Alle sind ruhig. Die Radioaktivität ist nicht höher als normal. Die Schutzanzüge sind gut; sie lassen keine Keime durch. Vorderhand atmen wir noch mitgebrachten Sauerstoff, doch wenn die ersten Analysen negativ sind – also nichts Gefährliches festgestellt ist –, schalten wir auf Filter um. Das Licht ist außerordentlich grell, aber das Glas unserer Helme absorbiert alle schädliche Strahlung. Sonst tut sich hier nichts Besonderes. Öd ist es hier und langweilig. Keine Mädchen« (lacht).

HQ: »Jetzt haben wir ein Videobild. Ich glaube, der feierliche Akt beginnt. Der Mann im Vordergrund ist Generalmajor Robin, der Chef der Landetruppen. Er wird einige Worte sprechen.«

Robin: »Hiermit sei dieses Land dem Besitz der Freien Welt überantwortet. Möge diese Stunde der Beginn einer friedlichen und fruchtbaren Entwicklung sein. Es lebe die Einigkeit, das Recht und die Freiheit!«

HQ: Drei Angehörige des Landungsteams ziehen die Fahne der Freien Welt am Flaggenmast hoch, von den Videokameras im Profil gegen den Himmel erfasst. Dazu erklingt die Hymne, vorgetragen vom Chor der Marine – die Stimmen wirken ein wenig gequetscht, denn die Helme müssen geschlossen bleiben. Die Fahne entfaltet sich im Wind. Man hört einzelne Jubelrufe.

Hatten Sie Angst?

Nein.

Es wäre die normale Reaktion gewesen.

Uns war versichert worden …

Haben Sie darauf vertraut?

Ja.

Aber nicht völlig.

Nein, nicht völlig. So sicher war ich mir nicht. Ich wusste nicht, was geschehen könnte. Fernzündung des Treibstoffs? Störung der Steuerung? Lufttorpedos? Es wäre wahrscheinlich schnell gegangen. Wir hätten vielleicht gar nichts gemerkt. Angst hatte ich nicht.

Sie und Ihre Kollegen waren sorgfältig vorbereitet.

Ja.

Sie hatten sich seit Langem mit dem Gedanken an eine Invasion beschäftigt. Hatten Sie nicht irgendeinen Verdacht, als Sie in die Zone Null hineinkamen, und es gab keine Abwehr?

Nein.

Haben Sie sich mit den Angehörigen Ihres Teams darüber unterhalten?

Wir haben kaum gesprochen.

Was empfanden Sie nach der erfolgreichen Landung im Sperrgebiet?

Dasselbe wie alle anderen.

Genauer!

Ich freute mich, dass alles glattgegangen war.

War das alles?

Ich wusste, was die Landung bedeutete. Ich glaube, ich war tief bewegt.

Als Tibor seine Bemerkung über den Marinechor machte, hat jemand gelacht. Wissen Sie, wer es war?

Ich habe gelacht. Wir hatten uns früher einmal über den Chor amüsiert. Es hatte nichts mit den Feierlichkeiten zu tun.

Lieben Sie Musik?

Ja.

Was für Musik?

Nun, … nicht gerade Chorgesang.

Hatten Sie damals irgendwelche Zweifel am Gelingen der Besetzung?

Nein.

Wir haben eine Bemerkung von Ihnen registriert … es war, warten Sie …

Ich weiß, was Sie meinen … Ich wusste, dass noch wichtige Aufgaben bevorstanden. Unsere Situation – ich meine, die unseres Teams – war von jener aller übrigen verschieden. Wir waren länger auf den Einsatz vorbereitet worden. Alles ging vor sich, wie wir es unzählige Male geübt hatten, es war nichts Überraschendes mehr dabei. Und außerdem … die Aufgabe der anderen war beendet, unsere fing erst an.

Dan – Kybernetiker, Homöostase bei komplexen und sehr komplexen Systemen, Organisationskybernetik, Spieltheorie, allgemeine Formalismen für strategische Konzepte.

Pavel – Soziologe, Verhaltenslehre des Menschen, Informationswege in Soziostrukturen, politische Konzepte; Theoretiker der Umschulung.

Greg – Linguist, Übersetzungsautomaten, alte Sprachen, Geschichte; Spezialist für das Brechen von Codes.

Josef – Schwachstromtechniker, Funker, Erfahrung mit Hör- und Sehfunkübertragungen; Verwalter der Vorräte.

Tibor – Elektrotechniker, Feinmechaniker, Waffentechniker, Pilot.

Sonja – Sprecherin, Fernsehansagerin, Dolmetscherin; mit achtzehn Jahren Jahresbeste im Zehnkampf.

Sie lehnten in den harten Kissen des Ballonwagens. Sie trugen ihre Schutzanzüge und schwitzten unter der ungewohnt stechenden Sonne. Tibor hockte hinter dem Steuerrad und fluchte.

Vor ihnen fuhren sechs der Transporter und, allen weit voran, der Rover, der automatische Analysewagen. Seine besondere Aufgabe: Kontrolle der Radioaktivität. Erst zweimal hatte er Alarm gegeben, sie hatten strahlende Inseln umfahren, aber es war eher eine Vorsichtsmaßnahme gewesen, sie hätten die Strahlung ohne Weiteres, auch längere Zeit hindurch, vertragen. Übertriebene Sicherheit – so würden sie wohl weiterhin verfahren müssen, wenn sie Erfolg haben wollten. Aber Sicherheit schränkt den Freiheitsgrad ein, dachte Dan. Doch er sagte nichts.

Wieder war es Tibor, der aussprach, was alle dachten. »Warum lassen sie uns nicht die verdammten Masken abnehmen? Man kann sich ja nicht einmal den Schweiß abwischen. Die Sichtscheibe läuft an – wie soll ich da steuern?«

»Hättest Scheibenwischer einbauen müssen.«

Die Radioaktivität lässt sich kontrollieren. Das Problem waren die Krankheitserreger. Hatte hier jemand entkeimt? Niemand wusste es. Sporen und Viren altern nicht, bleiben virulent. Eine genaue Analyse dauert Tage … Mikroskop, Stereoscan, Immuntest. Doch selbst das sind nur Stichproben.

»Seid still«, bat Josef.

»Tut sich was im Äther?«

»Eine Menge!«

»Lass uns mithören!«

Er ließ den Schalter nach rechts klicken, und alle horchten. Es knackste, heulte, summte.

»Sind unsere Geräte entstört?«

»Ja. Es kommt von draußen.«

Josef wies nach vorn. Noch war nichts zu sehen als Grus – eine Wüste, ohne Abwechslung, ohne Anhaltspunkte, künstlich eingeebnet, trostlos.

»Sonst nichts? Morsezeichen? Sprache? Geh auf andere Wellenlängen!«

»Tu ich die ganze Zeit. Nichts. Nur diese Geräusche. Es ist aber kein leeres Rauschen … Horcht!«

Es sang, hoch, tief, hoch, tief.

Sie hörten es den ganzen Tag – es änderte sich nicht, doch es wurde lauter.

Am Abend wurde das Zeichen zum Halten gegeben. Der Rover schlug einen Kreis, durchschnüffelte die umrundete Fläche. Kein Zeigerausschlag.

»Freigegeben!«

Der Tross rückte nach – fünfzehn Fahrzeuge, zehn Mannschaftswagen, fünf Transporter. Die Soldaten stiegen aus, plump in ihren Anzügen, aber bald standen die Zelte, waren die Luftschleusen bereit.

Die sterilisierende Flüssigkeit überrieselte sie. Das Aerosol hing in der Luft wie Nebel, und sie warteten auf den Niederschlag. Die automatische Uhr beseitigte die Sperre, sie stießen den Deckel auf, stiegen hinein, schälten sich aus ihren Rüstungen.

»Das tut gut!«

»Jetzt eine kalte Dusche!«

»Wir haben zwölf Liter Wasser pro Tag; also seid sparsam!«

»Regnet es hier nie?«

»Vielleicht kontrollieren sie das Wetter.«

Sie blickten durch die Fensterschlitze in der welligen Kunststofffolie, in Augenhöhe rings um das Zelt angeordnet. »Warum lassen sie sich nicht sehen?«

»Wissen sie nicht, dass wir kommen?«

»Sie verlassen ihre Städte nie.«

»Und die automatische Verteidigung?«

»Ist außer Funktion – sonst wären wir nicht so weit gekommen.«

»Vielleicht sind sie wehrlos, haben Angst.«

»Vielleicht leben sie nicht mehr.«

»Und die Funksignale?«

»Erinnere Josef nicht an die Signale, sonst setzt er sich sofort wieder an seinen Kasten. Er soll lieber ein paar Konserven herausrücken.«

»Und ein paar Dosen Bier!«

Auf zwei Luftmatratzen saßen sie beisammen und fühlten sich wohl. Sie hatten gelernt zu essen, wenn Essen auf dem Programm stand, und zu schlafen, wenn Schlafen auf dem Programm stand, sie waren drei Jahre lang ausgebildet worden, nicht immer in dieser Besetzung, doch so hatte sich die Mannschaft schließlich ergeben – als die stabilste Kombination, die möglich war. Sie waren einander sympathisch, vertrugen sich, ohne sich anzuöden; sie wussten genau, dass Pavel ausgewählt worden war, weil er Ruhe ausstrahlte und Differenzen zu schlichten verstand. Tibor hatte gegensätzliche Charaktereigenschaften; er war lebhaft und erregte sich oft über Kleinigkeiten. So kam es nie zu jener lähmenden Erstarrung, wobei jeder nur vor sich hinbrütet. Aber niemand zweifelte daran, dass Tibor, wenn es hart auf hart ging, einer der Zähesten war. Und Sonja? Wahrscheinlich hatte man aus ähnlichen Gründen eine Frau eingeschaltet; so gab es immer Spannung – eine unterdrückte Spannung allerdings, denn die dunkelblonde Sonja strahlte Kälte aus wie Eis.

Sie sahen sich überraschend ähnlich, wie sie so dasaßen in ihren lehmbraunen Anzügen aus schmiegsamem Stoff, der im Innern der Schutzkombination weder knüllte noch rieb. Sie sahen aus wie Geschwister, obwohl sich Geschwister selten so ähnlich sehen, und sie waren sich einig wie die Angehörigen einer Sekte.

Pünktlich um zwanzig Uhr, wie vorgesehen, kam über Funk ein Lagebericht aus dem Hauptquartier, der nicht viel mehr besagte, als dass es keine Zwischenfälle gegeben habe. Danach gab der Offizier vom Dienst die Tagesinstruktionen durch Ausgabe von Treibstoff und Proviant für morgen, Einteilung der Wachen.

Danach kam der Befehlshaber der Abteilung zu einem kurzen Besuch in ihr Zelt. Eigentlich war er ihr Vorgesetzter, aber er gab sich freundschaftlich. Er setzte sich auf die Gummimatratze – neben Sonja, worüber sie alle verstohlen lächelten.

»Kaffee oder Bier?«

»Habt ihr noch Mineralwasser?«

Er hatte den Rang eines Obersten, doch seine Machtbefugnisse reichten weit darüber hinaus. Es war ein offenes Geheimnis, dass er im IKD eine führende Rolle spielte. Seine Scherze waren plump, doch er schien es nicht zu merken, und so wirkten sie nie peinlich; seine Versuche, mit Sonja zu flirten, brachten ihm nur gelassene Antworten ein. Wieder registrierten sie es mit Genugtuung; keiner hatte bei Sonja Erfolg gehabt – jeder hatte es versucht –, und nun gaben sie sich damit zufrieden und empfanden es als eine Art Treue, dass sie den Offizier abblitzen ließ.

»Ihr habt einen Sonderauftrag«, sagte der Oberst, »und ihr seid sorgfältig darauf vorbereitet worden. Die Schwierigkeit liegt darin, dass niemand genau weiß, was ihr tun sollt. Wir wissen zu wenig über die Bewohner der Städte. Was wir wissen, ist Jahrhunderte alt, überholt. Das habt ihr alles gelernt: die gesellschaftliche Ordnung, die Verhaltensweisen, die ethischen Werte, die Sprache … Ich fürchte nur, dass das meiste sinnlos ist, dass ihr damit nichts anfangen könnt. Wahrscheinlich hat sich alles verändert, ist die Entwicklung weitergegangen – auch bei uns hat sich einiges getan.

Aber in welcher Richtung ging die Entwicklung? Hat ihre Technik weiterhin so große Fortschritte gemacht? Wie sieht ihr politisches System heute aus? Wie läuft ihr Leben ab? Woran arbeiten sie? Welche Ziele haben sie? Wir wissen nicht einmal, wie sie aussehen. Sind sie durch Mutationen verändert? Sind sie degeneriert?«

»Vielleicht leben sie nicht mehr.«

»Aber es gibt doch Anzeichen – die Funksignale …«

»Automaten, die ihre Schöpfer überlebten?«

»Niemand kann sagen, ob die Signale Bedeutung haben.«

»Seit der Isolation gab es keine Nachricht mehr von drüben.«

»Wir waren es selbst, die abgeriegelt haben.«

»Ja, weil wir erkannt haben, dass die größte Gefahr für die Störung eines Systems in der Infiltration von fremdem Gedankengut liegt.«

»Fremdes Gedankengut ist nicht unbedingt schlecht.«

»Es ist destruktiv – für das eigene System, das nach anderen Prinzipien funktioniert.«

»Ob es richtig war oder falsch, was damals geschah … jetzt sind wir in die nächste Phase der Geschichte eingetreten.«

»Warum gerade jetzt?«

Der Oberst beachtete diese Frage nicht. Er veränderte seine Stellung auf der Luftmatratze und versuchte sich bequemer zu setzen.

»Was ich jetzt sagen werde, ist streng geheim. Es betrifft die Vorgeschichte und darf auf keinen Fall an die Öffentlichkeit dringen. Es könnte Unruhe stiften. Das ist auch der Grund dafür, dass es euch erst jetzt mitgeteilt wird.«

Tibor räusperte sich, aber er sagte nichts.

»Die Versuche, die Sperre zu durchbrechen, begannen schon sehr früh, eigentlich schon kurz nach der Isolation. Selbstverständlich wurde der Funkverkehr abgehört, aber wir sind sicher, dass die abgefangenen Zeichen ohne semantischen Inhalt waren. Die Analyse deutete eher auf Steuersignale für Kontrollgeräte, und wir wissen ja, dass diese aktiv waren.

Wir haben das systematisch überprüft – zuerst mit Versuchstieren, später mit Automaten. Die Sperre war lückenlos. Ob am Boden, in der Luft oder unter der Erde, unsere Objekte wurden abgefangen. Sie wurden geortet – und sie wurden zerstört. Nicht immer auf die gleiche Art, aber stets wirkungsvoll. Manchmal waren es ferngesteuerte Flugkörper, manchmal Energiefelder, Licht, Schall oder Elektrizität, manchmal konnten wir nicht feststellen, was sie vernichtet hatte.«

»Und ein direkter Angriff? Wurden auch schnelle Raketen abgefangen?«

»Das ist ein weiteres Kapitel unserer Erfahrungen mit diesem Land. Wir bereiteten uns natürlich auf einen Angriff vor – aus vorsorglichen Gründen selbstverständlich. Plötzlich kam eine Warnung; es ist bis heute ungeklärt geblieben, wie sie von unseren Plänen Wind bekamen.«

»Vielleicht dachten sie nur logisch?«

»Unvermittelt kündigten sie eine Demonstration ihrer Stärke an. Ihr wisst, dass der Mond Sperrgebiet ist, aber ihr wisst nicht, warum. Sie benutzen ihn als Zielscheibe. Jedes Jahr erfolgt auf der Hinterseite, von der Erde aus unsichtbar, aber durch die Seismografen genau zu orten, eine Explosion. Offenbar handelt es sich um eine Kernwaffe unbekannter Art. Sie haben bereits ein richtiges Muster in den Mondboden gepflügt … witzigerweise ein Sechseckmuster – man weiß nie, wo der nächste Einschlag erfolgt, aber er liegt stets präzise in einem Rasterpunkt.«

»Eine wirksame Abschreckung!«

»Und jetzt?«

»Das Bombardement hat aufgehört.«

»Wann?«

»Vor fünf Jahren.«

»Eine Finte?«

»Wozu?«

»Was steckt dahinter?«

»Vielleicht ist ihr System zusammengebrochen.«

»Vielleicht fühlen sie sich stark genug, um auf eine solche Abschreckung verzichten zu können.«

»Eine Geste der Versöhnung?«

Der Oberst hob die Schultern, rutschte auf seinem Sitz hin und her, wobei er näher an Sonja rückte.

»Vielleicht ein Zeichen der Resignation. Sie müssen bemerkt haben, dass sich unser technischer Stand dem ihren nähert – wir holen auf, besonders auf dem wichtigsten Gebiet, dem der Kybernetik. Vor zwanzig Jahren haben wir unsere groben Probeobjekte durch miniaturisierte Automaten ersetzt. Einige waren nicht größer als Spielwürfel. Einige haben wir als Gesteinsbrocken oder Holzsplitter getarnt, einige in Tiere eingebaut, in Vögel oder Fluginsekten. Sie wurden trotzdem abgefangen, aber immerhin – sie konnten ein gehöriges Stück weit eindringen.«

»Wie steht es jetzt? Ist das Abwehrsystem noch in Betrieb?«

»Soweit wir festgestellt haben, nein. Seit fünf Jahren kommen wir mit unseren Automaten bis an den Rand ihrer Städte. Unsere jetzige Aktion ist die Konsequenz daraus.«

»Aber niemand kann sicher sein …«

»Niemand. Natürlich nicht. Wir tragen ein Risiko. Aber der negative Fall interessiert uns im Moment nicht. Wir stellen uns auf den positiven Fall ein. Morgen werden wir die Stadtgrenze erreichen. Wir haben den Befehl, einzudringen. Und dann beginnt eure Aufgabe. Wir werden euch beschützen.«

Dan lag auf dem Rücken und starrte zur Decke. Das Lager war weich, der Ventilator trieb einen schwachen Luftzug über ihn hinweg. Die Luft kam aus der Umwälzanlage, aus den Filtern, und nicht von außen. Es gab keine Verbindung mit der Außenwelt. Die Tür war abgeschlossen und ließ sich nur mit einem Spezialschlüssel öffnen, die Fenster waren keine Öffnungen, sondern durchsichtige Stellen in der Kunststoffwand.

Er richtete sich auf, schwenkte die Beine über die Kante, setzte die bloßen Füße auf die gewärmten Fliesen. Leise, um seine beiden Mitbewohner nicht zu wecken, stand er auf und trat ans Fenster. Ein plattes Gesicht starrte ihm entgegen, sein Spiegelbild? Plötzlich verschwamm es, ein paar Schritte, hohl und laut, draußen der Posten, nun wieder weiter entfernt … er hielt seine Maschinenpistole umkrampft, zog sich Schritt für Schritt zurück …

Schon jetzt war Dan kein Mensch mehr. Er war ein Monster, das man heimlich im Schlaf beobachtet, das einen das Gruseln lehrt, selbst wenn es im Käfig sitzt, dem man zutraut, dass es andere anspringt, zerfleischt, auffrisst, das auf unbegreifliche Art Einfluss ausüben kann, verzaubert, behext, entseelt, Scheusal, Gott, Golem, Missgeburt, Ungetüm … man sollte ihrem Willen entsprechen, sollte ihnen geben, was sie erwarteten, sollte ihnen die Panik in die Knochen jagen, das Grauen ins Gehirn …

Dan brach in Gelächter aus, als der Posten weglief, sich an die finsterste Ecke zurückzog. Dann erst merkte er den Grund: Er ertappte sich dabei, dass er das Gesicht an die Scheibe presste und Grimassen schnitt, die Lippen verzog, die Zunge herausstreckte, die Augen rollen ließ, die Wangen aufblies …

Er taumelte zum Lager zurück und versank in ein dumpfes Brüten.

Schlafen, traumlos schlafen …

Doch sobald er die Augen schloss, wurden die Erinnerungen lebendig. Irgendetwas rief den Speicherinhalt seiner Gehirnzellen ab, ohne dass er sich dagegen wehren konnte. Es strömte, verwirrend, chaotisch, überflutete ihn, ertränkte ihn …

Nachwirkungen der Pharmaka?

Folge der Verhöre?

Vielleicht kam es nur vom Nichtstun, von der Leere seines Daseins. Müdigkeit, Überdruss, Langeweile … Vielleicht war es die Hoffnungslosigkeit. Er hatte keine Zukunft – was sollte er erwarten? Er hatte keine Aufgabe mehr und sah kein Ziel.

Er hatte diese Leere schon einige Male kennengelernt – es war nicht sein erster Einsatz gewesen. Wenn alles vorbei war, die Besetzung, die Analyse, die Übernahme der Kontrollen, die Umschulung, die Eingliederung, dann hatte er sie gefühlt. Ein Ziel zu erreichen ist immer ein Verlust. Man muss ihn hinnehmen, versuchen, sich wiederzufinden, sich einzugliedern in neues funktionelles Geschehen, ohne dass man nackt und hilflos ist.

Er hatte sie gefühlt, aber nur für kurze Zeit. Es gab weitere Aufgaben, ja eigentlich war alles nur Vorbereitung auf die eine große Aufgabe.

Sie begannen immer wieder von vorn. Unterricht, Training, Berechnungen, Simulationen, Prüfungen, Diskussionen, Programme. Die Isolierung. Der Countdown. Besetzung, Analyse, Übernahme der Kontrollen, die Umschulung, die Eingliederung. Rückkehr, die Pause, in der die Langeweile wächst und die Ungeduld. Eine neue Aufgabe …

Sie hatten Erfolg gehabt.

Stets geht alles glatt.

Alles ist erprobt.

Durch Simulationen geprüft.

In Planspielen vorbereitet.

Die Programme sind fehlerlos.

Enthalten alle Möglichkeiten.

Sind auf Unwahrscheinlichkeiten eingestellt.

Beziehen selbst das Unvorhersehbare ein.

Die Entscheidungen sind zwingend

die Urteile begründet

die Risiken kalkuliert

die Rechnungen korrekt

die Systeme transparent

die Funktionen überschaubar

die Methoden effektiv

die Resultate vorhersehbar

Störungen werden beseitigt

Widerstände gebrochen

Misserfolg ist ausgeschlossen

Das schwächste Glied der Kette ist der Mensch.

Das schwächste Glied der Kette ist der Mensch.

Doch der Mensch ist flexibel

anpassungsfähig

fähig zu lernen

kann sich entwickeln

Unzulänglichkeiten ablegen

Widerstand aufgeben

Emotionen unterdrücken

Reflexe beherrschen

Impulse drosseln

sich in den Griff bekommen

Wir führen Sie – zur Perfektion

Wir schulen Sie

Wir beseitigen Ihre Schwächen

Wir schalten Ihre Instinkte aus

Wir legen eine Basis nutzvoller Motivationen an

Wir lehren Sie Objektivität

Wir lehren Sie Sachlichkeit

Wir lehren Sie das kühle Denken

Wir befreien Sie von überalterten Denkgewohnheiten

Wir befreien Sie von anarchischen Trieben

Wir befreien Sie von menschlichen Bindungen

Wir stellen Ihnen eine Aufgabe

Wir setzen Ihnen ein Ziel

Wir geben Ihrem Dasein Sinn …

Dan zuckte zusammen, horchte auf. Die Augen waren ihm zugefallen, er war eingenickt. Sein Körper brauchte Erholung, aber seine Gedanken kamen nicht zur Ruhe, quälten ihn, verwirrten ihn. Er versuchte die Bilder zu ordnen, durchforschte sich selbst – sachlich, wie er es gelernt hatte, kühl, kritisch, auch im Stress … er und die Mitglieder des Teams, sie waren perfekt geschult, beherrschten die Routinen, hatten sich in der Gewalt, kannten ihre Fähigkeiten, wussten ihr Instrumentarium zu gebrauchen, hatten stets einen Katalog heuristischer Methoden zur Hand, wenn die Bestimmungsstücke zur Lösung der auftretenden Probleme fehlten.

Konnte es Probleme geben, vor denen sie versagten? Fragen, die nicht ins Schema passten? Aufgaben, die sie überforderten?

War Perfektion relativ?

Gab es noch unbekannte Denkbereiche?

War ihr Wissen unzureichend?

Hatten sie sich getäuscht?

Wieder ertappte sich Dan bei unsachlichen Gedankensprüngen, beim Abirren in einen Dschungel abstruser Vorstellungen, bei unkontrollierten Emotionen.

Was war es, das ihn so hoffnungslos verwirrte?

Er sammelte sich, konzentrierte sich auf einen Punkt.

Was war es, das da in ihm Raum gewann, ihm die Herrschaft über sich selbst streitig machte?

Zweifel, ein schlechtes Gewissen …?

Es dauerte lange, bis er es einsah, denn er hatte das Zweifeln verlernt. Die Ausbildung, die Lehrprogramme, die Politgespräche, die Psychostabilisation, das autogene Training – alles das hatte den Zweck gehabt, Sicherheit zu geben, Zweifel zu beseitigen. Und nun war das Gerüst, an dem er stets Halt gefunden hatte, unversehens zusammengebrochen, und er suchte in den Trümmern nach Anhaltspunkten.

Das war es: Erzweifelte.

Als er das einsah, öffneten sich Abgründe, und die Sprünge liefen bis in die fernsten Winkel des Gebäudes seiner Überzeugungen.

Waren die Besetzungen begründet gewesen?

Hatten sie den Einwohnern Gutes gebracht?

War ihre Aufgabe sinnvoll?

War die Freie Welt wirklich frei?

Waren ihre Ideale richtig?

Und wenn das nicht so war – was blieb?

Sie saßen wieder in ihren Fahrzeugen, steckten in den schweren Anzügen, schwitzten, schaukelten mit dem trägen Fahrzeug auf den Kissen der Ballonreifen. Die Kolonne fuhr vor ihnen und zog eine Staubfahne hinter sich her. Die Funksignale sangen ihre eintönige Melodie, einschläfernd, aber nicht beruhigend.

Plötzlich Pavel: »Halt an!«

Josef zögerte, doch Pavel bat: »Seht – was ist das? – dort drüben!«

»Wir sollten nicht zurückbleiben!«

»Nur einen Augenblick – das möchte ich mir ansehen!«

Pavel öffnete die Tür und ließ sich hinuntergleiten. Schwerfällig tappte er durch den Sand.

Es war so etwas wie ein schwarzer Stab, der dort im Grus steckte, an seinem oberen Ende eine Bewegung, ein gedämpftes Blinken.

»Schalt den Geigerzähler ein!«

»Schon geschehen.«

Erst lief Pavel zielbewusst auf die Stelle zu, eine flache Erhebung in etwa dreißig Meter Entfernung, dann plötzlich zögerte er, blieb stehen, alle sahen es: Der Stab war nicht mehr da.

»Habt ihr das gesehen?«

»Er ist im Boden versunken.«

»Unsinn! Er wurde durchsichtig und schließlich unsichtbar.«

»Hier dürfte es gewesen sein.« Pavel kniete nieder und wühlte Erde auf. »Es muss doch eine Spur zu finden sein!«

»Komm zurück! Sie rufen uns – wir müssen aufschließen.«

Inzwischen waren die zwei letzten Fahrzeuge, die die Nachhut bildeten, herangekommen und hatten gehalten. Von vorn forderte man sie dringend auf, so schnell wie möglich nachzukommen.

Pavel kam an den Wagen zurück und stieg missmutig auf. Die Fahrzeuge setzten sich in Bewegung. Josef versuchte das verlorene Terrain wieder wettzumachen, und der Wagen schwankte so stark, dass sie sich festhalten mussten. Zwanzig Minuten später kam die Stadt in Sicht.

»Sie nähern sich dem verbotenen Distrikt. Sie haben noch zehn Meter bis zur Grenze.

Acht Meter.

Sechs Meter.

Sie tragen selbst die Verantwortung für die Folgen.«

Vor ihnen lag eine Linie, von fern besser sichtbar als von nah, jetzt schon fast verwischt, die Andeutung einer Bodenwelle, zu regelmäßig, um natürlichen Ursprungs zu sein, das Terrain dahinter ein wenig anders, ein veränderter Farbton, abweichende Textur.

»Noch vier Meter.

Noch zwei Meter.

Sie überschreiten die Grenze.

Sie befinden sich im verbotenen Distrikt …«

»Halt den Mund, Tibor! Spar dir die Scherze! Wir haben auf anderes zu achten!«

»So – und worauf? Wenn du eine Erleuchtung hast, dann heraus damit!«

Die Stadt lag noch fern, doch jetzt tauchte sie merklich über den Horizont. Was sie sahen, hatte noch nie ein Mensch gesehen: einen matt blinkenden Strich am Horizont, hängende Netze ohne sichtbare Verspannung. Wabentürme aus silbernem Gitterwerk. Und je näher sie kamen, umso deutlicher war zu erkennen, dass der Himmel darüber nicht normal durchsichtig war, sondern das Licht auf seltsame Weise brach oder krümmte. Es sah aus, als ginge von dem riesigen Bauwerk eine blauschwarze Flamme aus.

»Rätselhaftes Ding.«

»Was kann man von hier aus schon erkennen?«

»Diese Netze – vielleicht Absorber für Sonnenenergie.«

»Sicher ist die dunkle Flamme der Grund dafür, dass die Satellitenbeobachtung keine vernünftigen Bilder ergab. Sie wirkt wahrscheinlich als Verzerrungslinse. Außerdem steht sie nicht ruhig – sie oszilliert. Darum führten unsere Rekonstruktionsversuche zu so schlechten Ergebnissen.«

»Bald wissen wir mehr!«

»Hoffen wir es!«

Ohne Zwischenfall hatten sie die Stadtgrenze erreicht. Die Kolonne war in einem breiten Bogen ausgeschwärmt. Noch geschah nichts.

Vor ihnen, schwach nach außen gekrümmt, erstreckte sich eine spiegelnde Wand – ohne Öffnung, ohne Stützen, gleichförmig, fehlerlos. Nirgends gab es einen Blick ins Innere; die einzige erkennbare Bewegung rührte von ihrem eigenen Spiegelbild. Je länger sie die Wand anstarrten, umso deutlicher sahen sie sich selbst, etwas verwischt, etwas verzerrt. Da und dort blinkte die Linse eines Fernglases, drehte sich eine Antenne.

Weiter oben bog die Wand leicht nach außen, bildete einen Überhang. Sie waren nicht so dicht herangefahren, dass sie darunter standen, aber das Hindernis unterband die Sicht. Noch nie waren sie so nahe ans Ziel herangekommen – und sahen jetzt nichts als sich selbst.

»Radioaktivität null.«

»Soweit erkennbar: keine Krankheitskeime.«

»Keine Funksignale.«

Josef drehte hastig an den Knöpfen – nichts. Auch das singende Auf und Ab des Dauersignals war verstummt.

»Empfang sehr schwach! Bitte, lauter.«

»Wir haben bereits auf höchste Sendeleistung geschaltet!«

»Keine Verbindung zur Befehlsstelle – Blackout!«

»Was bedeutet das, Josef?«

»Es bedeutet, dass wir uns in einem Medium befinden, das die elektromagnetischen Wellen reflektiert oder absorbiert.«

Tibor zog zwei Elektroden aus einem Kästchen und drehte ein Potenziometer über mehrere Teilstriche. »Josef hat recht, die Luft ist stark ionisiert.«

Sie brüllten in die Mikrofone, konnten sich aber kaum verständigen.

»Es bedeutet, dass wir keine Anweisungen von außen mehr erhalten!«

»Kolonne kehrt! Tausend Meter zurücksetzen. Dort ein Lager errichten! Vorwärts!« Der Oberst schrie es in ein Megafon.

Dreißig Minuten später hatten sie die Zelte aufgestellt. Der Funkverkehr war wieder normal.

Wie war Ihre Reaktion auf die Beeinträchtigung des Funkverkehrs?

Ich habe ihn zur Kenntnis genommen.

Waren Sie beunruhigt?

Nein. Die Erscheinung war physikalisch erklärbar.

Die Verbindung zur Befehlsstelle war unterbrochen. Sie waren von der übrigen Welt abgeschnitten. Und das sollte Sie überhaupt nicht berührt haben?

Ich hatte das Bewusstsein, dass wir nun auf uns allein gestellt waren. Aber darauf waren wir ja vorbereitet. Mir war so, als hätte die Aktion erst jetzt begonnen.

Wie haben die übrigen Mannschaften reagiert?

Wir steckten in dicken Anzügen, in denen wir uns kaum bewegen konnten. Private Äußerungen über Funk waren verboten. Es gab keine Gelegenheit, sich über die Gefühle anderer ein Bild zu machen.

Gab es Unruhe? Litt die Disziplin?

Nichts dergleichen.

Haben Sie den Rückzug als eine Niederlage empfunden?

Nein, als taktisches Manöver.

Spielen Sie Dame oder Schach?

Ja. Aber nicht besonders gut.

Ärgern Sie sich, wenn Sie verlieren?

Nur wenn ich Fehler gemacht habe.

Wie war das Verhältnis der Angehörigen des Spezialistenteams untereinander?

Wie immer. Gut.

Haben Sie sich über die Situation unterhalten?

Ja.

Befanden sich alle körperlich wohl?

Ja.

Wie war die Laune?

Gut.

Hatte jemand Vorahnungen oder dergleichen?

Nein.

Riet jemand zur Umkehr?

Nein.

Es muss Ihnen doch klar gewesen sein, dass Sie im Begriff waren, sich mit einer unbekannten Macht auseinanderzusetzen. Es muss doch gewisse Bedenken darüber gegeben haben, ob sich Ihre Aufgabe überhaupt erfüllen ließ?

Wir rechneten mit Schwierigkeiten, doch wir hatten keine Bedenken.

Vielleicht war das der Grund: weil man ihn ausgeschlossen hatte. Die Männer, die ihn mit Fragen quälten, gehörten derselben Abteilung an wie er. Die meisten aber waren ihm unbekannt, es waren junge Kräfte, Nachwuchs; aber auch jene, mit denen er früher zu tun gehabt hatte, ließen nicht merken, dass sie sich daran erinnerten. Dabei bestand kein Unterschied zwischen ihnen und ihm: Wäre irgendein Beliebiger von ihnen an seiner Stelle, so hätte er nicht anders handeln können. Und säße er, Dan, mit jenen anderen draußen, so hätte er versucht, genauso emotionslos zu konstatieren und abzuwägen wie sie jetzt.

Was wollten sie wissen? Was erwarteten sie? Eine unvorhersehbare Reaktion? Das Zeichen einer Veränderung? Einer Abweichung? Sie mussten doch wissen, dass er – wie jeder andere von ihnen – hundertfach geprüft worden war, unter schwersten Bedingungen, im echten Einsatz.

Seine Stabilität war erwiesen.

Wie würde er reagieren, einer Person gegenübergestellt, in deren Leben es einen verborgenen Bereich gab, dessen Vergangenheit sich der Aufklärung entzog? Die Menschen, die ihm bisher gegenübergestanden waren, gaben keine Probleme auf, oder es wurden keine gestellt. Lehrer, Betreuer, Ärzte, Kollegen … Die Einzigen, mit denen eine Auseinandersetzung nötig schien, waren die Bewohner der besetzten Länder – als sie noch nicht eingegliedert waren. Stellten sie Probleme?

Auf den Formularen waren ihre Verhaltensweisen katalogisiert. Die Zuordnung von Gestimmtheiten, Intentionen und Handlungen zu den Auslösern bestand zwar nur in einer Wahrscheinlichkeitsfunktion, aber gerade die grundlegenden Reaktionsweisen waren durch scharfe Peaks erkennbar. Nur Unwesentliches deutete sich in den flachen Bäuchen der typischen Gaußverteilung an. Aus einer Analyse ihrer Sprache ergaben sich ihre Gewohnheiten und Werteinschätzungen, Sympathien und Antipathien, Statussymbole und Tabus –

angezapfte Telefonleitungen

abgehörter Funkverkehr

automatische Sprache-Schrift-Umsetzung

Wort- und Silbenzahlen

Satzschachtelung

Statistik der Zusammenhänge

Information zweiter Ordnung

Textpartituren

Netze von Bedeutungsklassen

Katalog der Assoziationen und Innovation

Sprache als Ausdruck des Denkens

Sprache als Modellfall kreativen Verhaltens

Sprache als Handlung

Der Computer lieferte die Worthäufigkeit, Synonyme, Homonyme, die Grammatik, die semantischen Zusammenhänge, das Schema der Sprachlogik, die Pragmatik. Daraus formte sich das psychische Verhalten eines repräsentativen Querschnitts. Abweichungen, abzulesen an Streubreiten und Differenzfaktoren. Durchschnitt. Untere und obere Spitze. Varianz. Integrale Kennzahlen, horizontal und vertikal aufgeschlüsselt.

Wo bleibt der Raum für Überraschungen? Das System lässt keine Überraschung zu. Überraschung ist Ausdruck partieller Unkenntnis. Überraschung weist auf Mangel von Wissen hin, deutet Leerstellen an. Bisher hatten sie keine Leerstellen festgestellt.

Ein Wirkungsgefüge – kompliziert, aber glasklar. Ein probabilistisches System, aber stochastisch beschreibbar. Der Schein eines freien Willens, in Wirklichkeit determiniert. Zehntausend Möglichkeiten des Eingriffs. Reize, Auslöser, Fallen, Suggestion, Überredung, Logik, Rhetorik, Sophistik. Freiwillige Unterwerfung. Freiheitsverlust für Freiheitsgewinn. Lange Schrittfolgen, aber effektiv. Markoffketten.

Es gab auch rasch wirkende Methoden

direkte Eingaben von Signalen

Veränderungen des Nervennetzes

Mikrochirurgie

Viren und RNS

Hypnotika

Stimulantia

Analgetika

Neuroleptika

Tranquilizer