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gedanken skizzen notizen ein tagebuch, auch ein erinnerungsbuch, sicherlich ein nachdenkebuch, irgendwie zwischen den zeilen im gras im kies im wasser dort hinten wo der himmel sich spiegelt
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Seitenzahl: 204
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mit dem entweder ist es nicht getan(lisi schuur)
2020
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dezember
der dezemberregen ist zum januarregen geworden
der januarregen bricht alle rekorde
die mäuse vom feld sind zu uns in den garten gezogen
unter dem vogelhäuschen ist schlaraffenland
abends steigt nebel auf
im nebel sitzen die gänse und wiehern wie pferde
in einer regenpause kommt eine eule eingeflogen
sie sitzt im judasbaum und betrachtet sich den schaden
———
unregelmäßigkeiten der haut, runzeln, hervortretende äderchen,
alterserscheinungen, ich nehme sie mit einem gewissen schrecken zur kenntnis
(man bleibt ja doch eitel)
nur um sie dann mit dem handtuch abzustreifen, allerdings
sollte ich mir etwas mehr bewegung verschaffen
ich könnte weniger trinken und rauchen
gute vorsätze
ich klappe sie zusammen und deponiere sie hinter der zahnpastatube
vor dem frühstück gehe ich vor die tür
rauchen
der regen hat ausgesetzt, aber der wind schneidet, schießt mir in die haut wie die
geschosse einer erbsenpistole
zwei zerzauste dohlen haben sich einen gelben sack aufgebrochen
das verbuche ich unter glücksmomente
———
die straße, die von angermund (das noch zu düsseldorf gehört)
über duisburg-rahm, großenbaum
nach wedau führt
ist ein einziger klagender seufzer dessen
was schief gelaufen ist
bzw. gar nicht erst ins laufen kam
wir sind verkohlt, verschrödert, vermerkelt
nicht, dass es dem rest der welt besser ginge
aber wir leben nunmal hier
es ist die strecke, die wir nehmen
wenn wir in den steinbruch fahren
meist mittwochs, am späten nachmittag
denn mittwoch abend gibt es im steinbruch jazz
guten jazz, echten jazz
- the pure thing - (the rare)
ein passepartout, der töne auswringt
auf einer kleinen bühne
vor einer handvoll leuten
angermund ist hübsch
neat
wie man im englischen wohl sagen würde
beides ist vernichtend
hier wohnen die wohlhabenden
(ein paar reiche mögen auch darunter sein)
die nach düsseldorf pendeln
in rahm nimmt der reichtum ab
dafür gibt es pferdehöfe
autobahnen haben alle im übermaß
die nehmen wir aber nicht
die sind dicht um diese zeit
wir fahren weiter nach großenbaum
mit großenbaum weiß ich nicht so recht
großenbaum ist übergang
hier zerkaut es sich
hier wird der straßenbelag holpriger
das ist das ruhrgebiet
die holprigen straßen
und der flickenteppich der tarifzonen des nahverkehrs
der dir wie eine landkarte aus der feudalzeit entgegenspringt
eine wabe oberhausen und eine wabe bottrop
die denken immer noch, dass der bergmann nach nebenan auf zeche fährt
wenn wir mit bus und bahn zum steinbruch wollten
würden wir mindestens 1 stunde 13 unterwegs sein
(das wäre die offizielle zeit, man darf aber getrost eine halbe stunde zugeben)
und 6 euro für die einfache fahrt berappen
mit dem auto sind wir in 20 minuten da, selbst im feierabendverkehr
wenn die kids alright wären
würden sie diesen scheißbetrieb jeden freitag auseinandernehmen
aber die kids sind nicht alright
die kids sind viel zu satt
die kids sind hundsgemein brav
protest sieht anders aus
die nächste revolte wird auf sich warten lassen
von revolutionen will ich gar nicht reden
es geht weiterhin ums überleben
ganz egal wie, warum und wofür
(bruno bettelheim 1976)
lange gerade
schlaglöcher
scheinwerfer im gegenlicht, regenkaleidoskopisch
(es regnet immer, wenn wir in den steinbruch fahren)
das duisburger unfallkrankenhaus mit dem helikopterlandeplatz auf dem dach
tempo 30
die eisenbahnersiedlung
das eisenbahngelände ist brachland
wo früher krupps kanonen verladen wurden
soll neu bebaut werden
irgendwann
irgendwann ist immer, hier
ich wollte schon längst mal rauf aufs gelände
dieses frühjahr aber bestimmt
wenn der sumpfdotter blüht
fotografieren, mit der leica
ein stück legende zur legende legen
wenn ich kann: das gras wachsen hören
wenn es ginge: liegen bleiben
was wir hören: das gebrumme der a3
nochmal um die ecke, dann
auf den parkplatz einbiegen
aussteigen, durch regenpfützen waten
wir sind da
es gibt auf dieser welt nichts und niemanden
dessen bloßes sein nicht einen zuschauer voraussetzte
(hannah arendt)
wir werden unseren zweck erfüllen
———
steinbruch
kamerasession
fuji und leica
wie du mich so ich dich
weißweinschorle
speckpfannekuchen
putenfleisch auf grünen nudeln
also wie immer
ja, so ungefähr
wieso ungefähr, fragt die kellnerin
weil meine gesprochene rede sich gerne verzwirnt
es funktioniert etwa wie lumineszenz
der januar spielt mal wieder den vorgezogenen frühling
ein täuschungsmanöver
denn um fünf ist es stockfinster
und der winter kommt bestimmt noch angelatscht
zwei frauen am nebentisch
(mittlere büroetage)
besprechen die vergangene weihnachtsfeier
sie reden wie schaufensterpuppen
drei deckenstrahler weiter
funkeln vier brillengläser
wie die augen einer kobra
die sich von den erdmännchen ertappt sieht
jeder hinterhalt ist zwecklos
eine frau fotografiert man nicht total
jedenfalls nicht digital
das foto, das über uns an der wand hängt
schwarzweiß, verbogenes eisen
(wir sind in duisburg, nichtwahr ...)
bildet in seinem inneren eine weinende echse ab
(die kobra lässt grüßen)
doch, doch - es ist tatsächlich so
die tränen bluten
die echse blutet sich aus
wie ein opfertier auf dem altar der götter
es wird zeit eine rauchen zu gehen
die frauen vom nebentisch rauchen auch
die a3 rauscht und sprudelt wie flüssige lava
die bäume strecken ihre kahlen äste aus
es klingt dramatischer als es ist
es ist normal
ich richte die kamera zur decke und drücke ab
12 uhr mittags bei sonnenfinsternis ohne double
einmal muss die tafel beschrieben werden
einmal muss das glas geleert sein
zwei kaffee und ein blick hinter die kulissen
die kamera greifen
draufhalten
den abend fühlbar machen
die leica säuselt wie r2d2 auf dem wüstenplaneten
das waren noch zeiten
oder
das werden noch zeiten werden
wenn wir die alten blechbüchsen recyceln
alles schon mal dagewesen
wo sind wir eigentlich?
eine gute frage, die ich nicht an jedem tag beantworten kann
längeres nachdenken hemmt meine finger
ich beginne nachlässig zu werden
gehe aufs klo
betrachte meinen schatten während ich pinkle
etwas uneins mit sich selbst
achte ich darauf ihn nicht zurückzulassen
nach dem händewaschen
reibe ich ein staubkorn aus meinem rechten auge
füttere damit den inneren schweinehund
ich bin schon an so vielen orten gewesen
die wie dieser waren
geworden wären
geblieben sind
ich komme nicht mehr raus aus der nummer
es muss etwas dran sein
ich muss schonmal hier gewesen sein
am selben abend
der dieser abend ist
war
als der spindeldürre mann durch die tür trat
und die welt sich in die eigene achsel schnitt
draufhalten
den auslöser drücken
und noch einmal
das vergangene und künftige einsammeln
finger umschlingen sich
handspiel
durch dick & dünn
hör mal schätzelein, schreibst du tagebuch?
fragt mich der kellner
(die bedienung hat gewechselt)
der mich so nennen darf
der mich nennen darf wie er will
seitdem wir zu den stammgästen gehören
ja, ich schreibe so vor mich hin
versuche die gesichtslosigkeit zu hintergehen
nur einer dieser straßen
wozu ich 100 seiten bräuchte, 200
wie sie im rückspiegel verschliert
lichttupfer, farbflecken
die ich in einen eimer sammele
mit ihnen häuserzeilen, autokolonnen
brennnessel und löwenzahn
am brachfeld das büdchen
das ich kenne, das jeder kennen sollte
weil es bereits in den 50er jahren da stand
nur die bretter sind alle 10 jahre erneuert worden
ein büdchen, das nach schalke schreit
auch das wandert in den topf
schalke in duisburg?
ja, das gibt es
kann passieren
ich rühre den eimer um
versuche auf seiner oberfläche ein gesicht zu entdecken
was mir nicht gelingt
ich muss eine zutat vergessen haben, was
mich mürrisch macht
es braucht ein ablenkungsmanöver
2 finger heben
weißweinschorle im doppelpack
zweifacher blues von stadt zu stadt
turbinen, treibhausluft, auf allen tischen
tulpen im glas
biegen sich links
biegen sich rechts herum
suchen luft, licht, liebe
dürfen sie nicht erwarten
1 haarsträhne hinters ohr schieben
die liebe in der turbine kleinhacken
(wir sind wo wir sind, ja - )
1 schwindelgefühl
man muss auch wissen, wann gut ist
2 finger heben, später musik
rauchen
2 finger heben
musik
rauchen
heimfahrt über die a3, die nun frei ist
kaltbefrachtet
nebel wie gelatine
———
meine liebste, die ein mondkind ist
trägt sternenstaub auf der haut
versteht sich auf die kunst
zaubernüssen ihr geheimnis zu entlocken
in einer steckte der hundt krambambuli
du armer, sagte meine liebste
———
frühlings erwachen
was verwirren könnte: der zeitpunkt -> im januar
wenig verwunderlich: wenn die liebe leuchtet
ma-ma-man könnte des schönen nie genug
nie-nie-nie oh!
sich gewöhnen
lebensemphase
motiv und wirkung: dir zugeeignet
es eignet sich dir
das leben: grundsätzlich
und im besonderen unentwegt
ein garten
zwischen den teichen
ein kleines rasenstück
darauf
doch hier übertönen
die sänger im laub dessen
der wo-wo-wollte doch nur
dich
loben wollte ich dich
lieben
———
heute morgen hätte ein flugzeug im garten landen können
es waren aber deine träume so laut
drehte mich zwar zur seite
blieb aber nicht stumm
unstillbar
der wunsch dich zu berühren
beschwörung:
träume sind heilig
bezähmung:
dein gesicht
betrachtung eines engels
(ganz ohne übereilung)
———
31/1 nachts
11,8 grad
beim bauern schlüter in den bäumen
drüben, überm feld, singt die nachtigall
wir vermuten, dass er aus finnland stammt ( er - denn es sind ja die jungs, die
singen), dass er hier hängen geblieben ist, weil ihm die temperaturen freundlich
genug erschienen
und nun singt er - umsonst, vergebens
weil sich die hiesigen mädels noch in ihrem winterquartier in andalusien verlustieren
wir wünschen ihm, dass er bei stimme bleibt
schwarze tage mit dauerregen und endlosstaus
die luft ist aufgeladen mit flüchen
ich lasse einen dpd-wagen vor mir auf die meine, die schnellere spur wechseln
der fahrer dankt es mir, ein winkender arm aus dem seitenfenster
was mich daran erinnert, mir eine zigarette anzuzünden
ich rauche gerne im stau
mit runtergekubeltem fenster
(daher der winkende arm als zaunpfahl)
habe festgestellt, dass es die zeit verschwinden hilft
eine einpassung an das umgebende
sirenengeheul, blaulichtfeuer im morgendunkel
was schlimmes also
ich werde zu spät zur arbeit kommen
was mir egal ist
jenseits von eden startet die erfolgsspur
beginnt das demographische desaster
unverzagt strampeln meine füße
stop and go
versucht mir wdr2 zu erklären
warum die co2abgabe keine steuererhöhung ist
das böse wort wird gar nicht erst in den mund genommen
ich darf es gleich ohne kauen runterschlucken
unter einer brücke bin ich zum stehen gekommen, werfe die kippe aus dem fenster
das befördert die müllbilanz der stadt
———
grauregen
tropfnässe
jeder tropfen verschlingt etwas zeit
(wie man so vom tröpfeln der zeit spricht)
da die zeit jedoch
sowohl die universale
als auch die meine
ein unendlichkeitsbedürfnis hat
verliere ich nicht einen tag
das gilt in gleicher weise
für die meisen und die tauben
und den buchfinken, der
wie augustinus schrieb
in einer beständigen gegenwart lebendig bleibt
———
9/2
in erwartung des sturmes
fühle ich mitleid mit der welt
das meiste mitleid mit mir selbst
obwohl ich es gar nicht brauche
es ist tiefe traurigkeit
eine wie glockenblumen
———
beiläufige notiz
zum bevorstehenden verschwinden der marquesas-inseln von der
meeresoberfläche:
es wird uns der kopf rasiert
wie einem grasbüschel, der am wegsaum übersteht
kleine notiz für alle
die auf den untergang der menschheit warten:
ich bin da gar nicht so optimistisch
———
3 möwen auf dem dach
schmelzen den schnee
sie sind die großen schmelzmeister
bahnen der sonne den weg
links
rechts
links
durch die gitterstäbe
dann nochmal rechts
an den mülltonnen vorbei
dort schlachten die ratten
alte landschaftsmaler aus
breughel und bosch
gerne genommen
von der geflügelindustrie
damit legt es sich
apokalyptischer
einen grünen landwirtschaftsminister
gibt es (fast umsonst) obendrauf
der darf sich die füße
blutig schrammen
im rost
das alles tut er
aus solidarität mit den
polnischen leiharbeiterinnen
bevor er wieder vor die presse tritt
in diesem geflügelhof
geht es humaner zu
als im erzbischöflichen zölibat
und die ratten
und die pest
und die möwen
fressen die kadaver
———
das wörtchen verdenken
man muss verschroben sein
verquer
verstört
um sich zu verdenken
ver
heißt es im grimmschen wörterbuch
verstärkt die bedeutung
des denkens
es ist ein über sich hinaus daraus geworden
ein überbordendes
———
dem pianisten mit der sprache folgen
herztöne, dann steigt es zu kopf
von dort breitet es sich aus
das buch entgleitet meinen fingern
———
17/2
tage. in minutentakt. endlosschleifen. zeit. zeit. schau dich um. da steht sie. und da sitzt die liebste. sitzt in ihrem lieblingssessel. zimmert gedichte. texte. die das dach abdecken, abheben lassen. nichts besonderes, sagt sie. während das dach zum himmel fliegt. schrammt knapp an einer 747 vorbei. die ganz verdutzt vom weg abkommt, und statt paris amsterdam ansteuert. genever anstelle von absinth. da werden die leute sich aber wundern. macht nichts, sagt die liebste, grün machen beide. was die gesichtsbemalung betrifft. ganz normal, sagt sie. klaubt ihr handy vom boden. geht aber noch, sagt sie. februar. der kälteste monat. beweist sich wie kalle, der eckensteher, der jung mit dem tüdelband. den kennt im rheinland keiner. heute ist er taxidriver in new york. ist er. könnte er sein. sofern die liebste das so haben möchte. bei den hobbits schläft sie ein. aber ich kriege sie schon. setze meine hoffnung auf moria und den balrog. obwohl ich im stillen vermute, dass ich ihr mit dem genever eher imponieren könnte. aufs imponieren kommt es mir aber nicht an. ich möchte sie fangen. genau. mit den armen auffangen und küssen.
schon bin ich vom weg abgekommen. wie die 747. oder bilbo im nebelgebirge. homeward bound. nein. es geht ja doch erst los. die erde ist cool und rund. the one witch. die den genever ausschenkt. jenseits der piemontkirsche gibt es kaum noch eine steigerung. mund zu mund. die betonung liegt freilich auf dem kaum noch. liebestrunken. liebesumsunken. niedergestreckt von gefühlen. genossen.
verschossen in die liebste. verschossen wie sommersprossen im winter. die nur noch narrativ aktiv sind. aber so nah bist du mir, dass ich die musik in deiner nackenhaut spüre. tyrannosaurus rex, als sie noch ungekürzt die saiten zupften mit verspieltem vergnügen.
das ist alles ganz schön & gut, aber jetzt schreibe ich ein gedicht über zwei glühbirnen (matt) auf goldenem grund & eine erinnerung an eine weite ausfallstraße in denver, die zum flugplatz führte & so lang war, dass sie gar nicht wusste, wann sie aufhören sollte. aus welchem grund sie sich einfach bis nach nebraska fortsetzte und dort im platte river von der brücke stürzte & nicht mehr gesehen ward.
wardrobe ist ein interessantes wort, fällt mir bei der gelegenheit ein. es gibt den berufsstand der wardrobiere, die reicht dir die kleidung aus dem schrank. du siehst nur ihre hand, die fein und weiß und leicht gerunzelt erscheint.
18/2
mit den fingern wellen in die luft malen. hinterhersehen, wie sie sich weiterbewegen. darin schwimmen lernen. man lernt es nämlich neu, weil es eine neue art von schwimmen ist. bald 9 uhr abends. und liebe. dass der liebsten das sternbild der zwergameise nicht geläufig ist, wundert mich sehr. da brauch ich ihr mit velikovsky gar nicht erst kommen. das brauche ich ganz bestimmt nicht. wir lieben uns. und der mond war letzte nacht eine sehr schmale sichel. und die liebste hat schön gelesen und schön ausgesehen und 103 gesichter gemacht. sie lebt jedes einzelne wort und bringt sie allesamt zum leben. beim zuhören bekomme ich eine gänsehaut, und ich glaube, so geht es anderen zuhörern auch. ich wollte ihr gerne eine perle ins haar flechten. damit ich sie später suchen gehen kann. wenn ich ehrlich bin, wollte ich das jede stunde so machen. ich hätte nicht erwartet, dass ich noch so liebeshungrig sein würde. manchmal fürchte ich, dass ich die liebste damit erschrecken könnte. manchmal erschreckt sie mich, das beruhigt mich dann wieder und ich sage mir: es ist gut so, wie es ist. wir sind erwachsene kinder, die damit umgehen können. wir rauchen zigarren und kommen uns wie drachen vor, die kein feuer mehr spucken mögen, nur wohlriechend dampf abblasen. und dann den kopf zur erde neigen und mit den gänseblümchen einen schwatz halten.
ja. ist mir schon klar. aber ich betone: ich bin ein erwachsenes kind. der einzige unterschied zum kindlichen kind besteht darin, dass man eine längere erfahrung im kindsein hat. was einem nicht sonderlich viel nützt, denn: es fällt noch genauso schwer, sich auf der drehscheibe zu halten. und: in der tonne rollen geht auf die bandscheiben. wenn ich eine katze wäre, würde ich mich jetzt auf meinem schoß einrollen. soll er doch sehen, wie er damit klarkommt ...
halb 11. der mond ist auf die andere seite des hauses verzogen. vorhin sichelte er noch genauso schmal wie gestern. jetzt futtert er sich wohl was an. wie ich. biojoghurt heidelbeer-cassis. cassis ... kir royal. habe ich schon lange nicht mehr getrunken.
jetzt aber gibt es bourbon mit absinth und zitronensaft. angeblich der erste cocktail. der, in new orleans soll das gewesen sein, in eierbechern gereicht wurde. da die englischsprachigen gäste das französische wort coquetier nicht richtig aussprechen konnten landeten wir, wir, die menschheit insgesamt, sowie die liebste und ich im besonderen, beim cocktail. der köstlich schmeckt, ohne frage, und ohne die möglichen folgen zu hinterfragen - trinken wir. folgerichtig, d.h., wie aus dem biojoghurt ein sazerac wurde (so wird das gesöff genannt). wir hören billie holiday vom letzten nickel singen.
es wird bestimmt lustig werden unterm blauen mond zu sitzen
doch bis so einer kommt
kann man noch jahre in der sonne schwitzen
am eierbecher nippen
tarotkarten ziehen
da da da singen
aha aha
wir werden nun raus auf die terrasse gehen
die lichter am teich leuchten golden
die goldfische werden angeschwommen kommen wie zahme haie
ich wette mit dir:
im sommer werden sie durch den reifen springen
und purzelbäume schlagen
aha aha ja ja
ja
———
rosenmontag
wind, wind
regen, regen
kälte, kälte
3 jecken an der bushaltestelle
(1 eisbär, 1 löwe und 1 nordkoreanischer general)
halten stand
jedes weitere wort
könnte glück bedeuten
———
drei eiswürfel im cinzano, das
reicht gerade für uns zwei
dass wir nicht heißlaufen
im gewirbel der arme hände
lippen küssen
schau, dort sichelt sich der mond
wie ein wärmekissen, ein
wangenrot
auf deiner zunge
vergeh ich mich, ein
akrobat, dessen
schatten tanzt auf der wand
der
kennt den rhythmus
eres tu
eres tu
para siempre
eres tu
dass ich dich weiß
das bist du
———
wie eine tüte musik, sagst du
klingt deine haut
und machst es mir vor
schallend
wie eine tüte musik
wie ein purzelbaum schlagender affe
der ananastörtchen verteilt
in der fußgängerzone
wenn die tüte leer ist
bläst er sie auf und
lässt sie zerplatzen
schallend
eine tüte musik
———
ich saß da
ich versuchte mir eine vorstellung zu machen
was ich als erstes sah: die gesichter zweier tiger, die
zwischen tropischem gestrüpp heraussahen
sie schienen zu lächeln, ja
in ihren grünen augen saß ein lächeln, in
ihren geschlossenen mündern, die
so gar nichts schreckliches hatten
darüber stolperte ich
denn tiger sollten doch
aber: die liebe, dachte ich
vermutlich
weil ich nichts anderes zu denken hatte
so also
schließt sich der kreis
weil ich mir eine vorstellung zu machen versuchte
dachte ich
ungestüm
doch die tiger
blieben bei ihrem lächeln
———
vor der nacht
und vor dem einschlafen
und bevor die träume mich erwecken
einige erinnerungslücken
die wie alte kirschbäume duften
die auf einer wiese stehen
die ich als kind zuletzt besuchte
ich würde es zeichnen können
———
was vergessen ist?
ich glaube, nun habe ich es begriffen
wenn man bereits im gehen nicht mehr weiß, was es war
———
ich sehe sterne, aber die bleiben nicht, die lassen sich von den wolken forttreiben
ich möchte einspruch erheben, finde aber keine instanz, die sich zuständig fühlt
was gelogen ist
ich habe gar nicht erst gesucht, habe vielmehr stockstarr im regen auf der terrasse
gesessen, geraucht, und dem verschwinden der sterne zugesehen
bald werden keine mehr übrig sein, dann werden die schiffe in seenot geraten, der
kabeljau wird sie in die tiefe ziehen und atlantis auferstehung feiern
ich werde das alles von der terrasse aus beobachten, und wenn das orchester nicht
mehr zu hören sein wird, springe ich
10/3
abends
der erste frosch meldet sich an
der alte hausfrosch ists, der seine bande zusammenruft
sie antworten
manche müssen noch übers feld
andere sind schon nebenan
aber sie kommen
sie sind alle wieder da
freude
sturm, regen den ganzen tag
aber 11,8 grad um 21 uhr
dieselbe temperatur wie bei der nachtigall im januar
die immer noch singt (die mädels lassen auf sich warten)
die frösche aber sind früh dran, gut zwei wochen früher als üblich
der bewuchs am teich ist noch nicht so doll
da heißt es den reiher fernhalten
die nachbarskatze (obwohl sie eine liebe ist) vergraulen
und daumen drücken
die anderen werden auch bald nachrücken
wir halten uns auf dem laufenden
14/3
erster nachmittag, der nicht mit regen durchsetzt ist
es gibt sonne, reichlich
die frösche paaren sich
die fische erkunden das gewässer
gigi segelt darüber hin
gigi ist unser kleines hölzernes segelboot, das wir uns vor zwei jahren anschafften.
auch gigi ist früh dran in diesem jahr. ich habe sie vom winterdock aus dem
gartenhäuschen geholt, sie soll sich tummeln, noch ist der teich ein freies gewässer,
die seerosen werden erst ende april zur oberfläche auftauchen
15/3
gigi im liebestaumel der frösche
gigi bekommt es dicke
16/3
erster tag des lockdowns
die sonne ist da. der himmel ist da. wir fahren an den rhein.
eine unserer lieblingsstrecken: vom wasserwerk in wittlaer zum aschlöksken.
das aber hat zu. kein bier am deich. trotzdem schön.
auf dem rückweg: drei ältere herren sitzen auf einer bank, streiten sich lautstark von
wegen dem sicherheitsabstand.
einer von ihnen hat vorhin schon da gesessen, stöpsel im ohr. hat wohl der
rheinischen gelauscht und vor sich hingeträumt. nun haben sich die beiden anderen
kerle einfach dazugesetzt. die bank ist für alle da, maulen sie. keiner will weichen.
drei alte männer, die sich bespeicheln.
uns ahnt: es wird der letzte ausflug für lange zeit gewesen sein.
macron: wir sind im krieg
der papst betet vor dem pestkreuz
17/3
einen clip gesehen:
arnold schwarzenegger sitzt an einem tisch und füttert seine zwergesel
bleibt zuhause, sagt er, vergesst die restaurants, füttert eure esel
(corona in kalifornien)
ein weiterer clip:
kauft klopapier!
(corona in deutschland)
wir gedenken uns arnies rat anzuschließen, auch ohne esel. aber wir haben ja die
fische und die frösche, und der garten könnte doch mal ... oder?
aber hallo!
die kommenden tage scheinen wettermäßig vielversprechend.
18/3
der plan steht. der garten soll etwas umgemodelt, vor allem aber die terrasse
verschönert, zu einem außenwohnzimmer gestaltet werden.
das alte sofa mit dem rosenmuster steht schon seit letztem herbst draußen, hat den
winter bravourös überstanden und wird es noch ein paar jahre machen.
fehlen noch weitere accessoires. schränkchen, tische, hocker etc. kein problem. die
gibt der keller locker her. bilder sollen gemalt, die nebenseiten der terrasse,
verblichenes holz, neu gestrichen werden, auch der schuppen, die außenverkleidung
des gartenhäuschens ...
da heißt es farben bestellen ...
obi hat’s: schwedenrot, moosgrün, schokoladenbraun. wird ein paar tage dauern.
aber mit den bildern kann es heute schon losgehen ...
acryl auf holz, dann lackieren. das hält alle wetter aus. nicht für die ewigkeit,
freilich ...
die welt sieht nicht nach sterben aus
sie sieht auch nicht danach aus, dass es gerichtsvollzieher geben könnte
die sonne scheint von einem blassblauen himmel
ein leichter wind weht
die kieselsteine unter meinen füßen zeigen gesichter
tiergesichter, gnomgesichter
menschen - keine
menschen sind zum verewigen nicht gut genug
menschen glauben sich selbst verewigen zu können
darum sterben sie, als ob sie niemals laufen gelernt hätten
holz in allen varianten geben keller, werkraum, schuppen her.
also: an die arbeit ... auf geht’s ...
60 km stau an der polnischen grenze. in görlitz gibt es woda & toaleta ...
die himmelstreppe zur halde norddeutschland wird gesperrt. von wegen dem
gefährlich engen gegenverkehr. ja klar, verstehe, wer sich schnaufend ans geländer
hängt ...
ach, scheiße - da wollte ich eigentlich auch mal wieder hin ...
19/3
die malerei
mit den KELLs geht es los
also mit uns, denn die KELLs, das sind wir:
Kettu, Eike, Lasse, Lisi
(eine hymne haben wir auch:
wir sind die KELLs und
wir sind die größten
wir machen unsinn
und das macht spaß
…)
ein altes holzkästchen, das man aufklappen kann, gibt den rahmen
so ähnelt es einem triptychon
bunt soll es werden