202122 - Eike M. Falk - E-Book

202122 E-Book

Eike M. Falk

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Beschreibung

gedanken skizzen notizen ein tagebuch, auch ein erinnerungsbuch, sicherlich ein nachdenkebuch, irgendwie zwischen den zeilen im gras im kies im wasser dort hinten wo der himmel sich spiegelt

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mit dem entweder ist es nicht getan(lisi schuur)

Inhaltsverzeichnis

2020

januar

februar

märz

april

mai

juni

juli

august

september

oktober

november

dezember

2021

januar

februar

märz

april

mai

juni

juli

august

september

oktober

november

dezember

2022

januar

februar

märz

april

mai

juni

juli

august

september

oktober

november

dezember

2020

januar

der dezemberregen ist zum januarregen geworden

der januarregen bricht alle rekorde

die mäuse vom feld sind zu uns in den garten gezogen

unter dem vogelhäuschen ist schlaraffenland

abends steigt nebel auf

im nebel sitzen die gänse und wiehern wie pferde

in einer regenpause kommt eine eule eingeflogen

sie sitzt im judasbaum und betrachtet sich den schaden

———

unregelmäßigkeiten der haut, runzeln, hervortretende äderchen,

alterserscheinungen, ich nehme sie mit einem gewissen schrecken zur kenntnis

(man bleibt ja doch eitel)

nur um sie dann mit dem handtuch abzustreifen, allerdings

sollte ich mir etwas mehr bewegung verschaffen

ich könnte weniger trinken und rauchen

gute vorsätze

ich klappe sie zusammen und deponiere sie hinter der zahnpastatube

vor dem frühstück gehe ich vor die tür

rauchen

der regen hat ausgesetzt, aber der wind schneidet, schießt mir in die haut wie die

geschosse einer erbsenpistole

zwei zerzauste dohlen haben sich einen gelben sack aufgebrochen

das verbuche ich unter glücksmomente

———

die straße, die von angermund (das noch zu düsseldorf gehört)

über duisburg-rahm, großenbaum

nach wedau führt

ist ein einziger klagender seufzer dessen

was schief gelaufen ist

bzw. gar nicht erst ins laufen kam

wir sind verkohlt, verschrödert, vermerkelt

nicht, dass es dem rest der welt besser ginge

aber wir leben nunmal hier

es ist die strecke, die wir nehmen

wenn wir in den steinbruch fahren

meist mittwochs, am späten nachmittag

denn mittwoch abend gibt es im steinbruch jazz

guten jazz, echten jazz

- the pure thing - (the rare)

ein passepartout, der töne auswringt

auf einer kleinen bühne

vor einer handvoll leuten

angermund ist hübsch

neat

wie man im englischen wohl sagen würde

beides ist vernichtend

hier wohnen die wohlhabenden

(ein paar reiche mögen auch darunter sein)

die nach düsseldorf pendeln

in rahm nimmt der reichtum ab

dafür gibt es pferdehöfe

autobahnen haben alle im übermaß

die nehmen wir aber nicht

die sind dicht um diese zeit

wir fahren weiter nach großenbaum

mit großenbaum weiß ich nicht so recht

großenbaum ist übergang

hier zerkaut es sich

hier wird der straßenbelag holpriger

das ist das ruhrgebiet

die holprigen straßen

und der flickenteppich der tarifzonen des nahverkehrs

der dir wie eine landkarte aus der feudalzeit entgegenspringt

eine wabe oberhausen und eine wabe bottrop

die denken immer noch, dass der bergmann nach nebenan auf zeche fährt

wenn wir mit bus und bahn zum steinbruch wollten

würden wir mindestens 1 stunde 13 unterwegs sein

(das wäre die offizielle zeit, man darf aber getrost eine halbe stunde zugeben)

und 6 euro für die einfache fahrt berappen

mit dem auto sind wir in 20 minuten da, selbst im feierabendverkehr

wenn die kids alright wären

würden sie diesen scheißbetrieb jeden freitag auseinandernehmen

aber die kids sind nicht alright

die kids sind viel zu satt

die kids sind hundsgemein brav

protest sieht anders aus

die nächste revolte wird auf sich warten lassen

von revolutionen will ich gar nicht reden

es geht weiterhin ums überleben

ganz egal wie, warum und wofür

(bruno bettelheim 1976)

lange gerade

schlaglöcher

scheinwerfer im gegenlicht, regenkaleidoskopisch

(es regnet immer, wenn wir in den steinbruch fahren)

das duisburger unfallkrankenhaus mit dem helikopterlandeplatz auf dem dach

tempo 30

die eisenbahnersiedlung

das eisenbahngelände ist brachland

wo früher krupps kanonen verladen wurden

soll neu bebaut werden

irgendwann

irgendwann ist immer, hier

ich wollte schon längst mal rauf aufs gelände

dieses frühjahr aber bestimmt

wenn der sumpfdotter blüht

fotografieren, mit der leica

ein stück legende zur legende legen

wenn ich kann: das gras wachsen hören

wenn es ginge: liegen bleiben

was wir hören: das gebrumme der a3

nochmal um die ecke, dann

auf den parkplatz einbiegen

aussteigen, durch regenpfützen waten

wir sind da

es gibt auf dieser welt nichts und niemanden

dessen bloßes sein nicht einen zuschauer voraussetzte

(hannah arendt)

wir werden unseren zweck erfüllen

———

steinbruch

kamerasession

fuji und leica

wie du mich so ich dich

weißweinschorle

speckpfannekuchen

putenfleisch auf grünen nudeln

also wie immer

ja, so ungefähr

wieso ungefähr, fragt die kellnerin

weil meine gesprochene rede sich gerne verzwirnt

es funktioniert etwa wie lumineszenz

der januar spielt mal wieder den vorgezogenen frühling

ein täuschungsmanöver

denn um fünf ist es stockfinster

und der winter kommt bestimmt noch angelatscht

zwei frauen am nebentisch

(mittlere büroetage)

besprechen die vergangene weihnachtsfeier

sie reden wie schaufensterpuppen

drei deckenstrahler weiter

funkeln vier brillengläser

wie die augen einer kobra

die sich von den erdmännchen ertappt sieht

jeder hinterhalt ist zwecklos

eine frau fotografiert man nicht total

jedenfalls nicht digital

das foto, das über uns an der wand hängt

schwarzweiß, verbogenes eisen

(wir sind in duisburg, nichtwahr ...)

bildet in seinem inneren eine weinende echse ab

(die kobra lässt grüßen)

doch, doch - es ist tatsächlich so

die tränen bluten

die echse blutet sich aus

wie ein opfertier auf dem altar der götter

es wird zeit eine rauchen zu gehen

die frauen vom nebentisch rauchen auch

die a3 rauscht und sprudelt wie flüssige lava

die bäume strecken ihre kahlen äste aus

es klingt dramatischer als es ist

es ist normal

ich richte die kamera zur decke und drücke ab

12 uhr mittags bei sonnenfinsternis ohne double

einmal muss die tafel beschrieben werden

einmal muss das glas geleert sein

zwei kaffee und ein blick hinter die kulissen

die kamera greifen

draufhalten

den abend fühlbar machen

die leica säuselt wie r2d2 auf dem wüstenplaneten

das waren noch zeiten

oder

das werden noch zeiten werden

wenn wir die alten blechbüchsen recyceln

alles schon mal dagewesen

wo sind wir eigentlich?

eine gute frage, die ich nicht an jedem tag beantworten kann

längeres nachdenken hemmt meine finger

ich beginne nachlässig zu werden

gehe aufs klo

betrachte meinen schatten während ich pinkle

etwas uneins mit sich selbst

achte ich darauf ihn nicht zurückzulassen

nach dem händewaschen

reibe ich ein staubkorn aus meinem rechten auge

füttere damit den inneren schweinehund

ich bin schon an so vielen orten gewesen

die wie dieser waren

geworden wären

geblieben sind

ich komme nicht mehr raus aus der nummer

es muss etwas dran sein

ich muss schonmal hier gewesen sein

am selben abend

der dieser abend ist

war

als der spindeldürre mann durch die tür trat

und die welt sich in die eigene achsel schnitt

draufhalten

den auslöser drücken

und noch einmal

das vergangene und künftige einsammeln

finger umschlingen sich

handspiel

durch dick & dünn

hör mal schätzelein, schreibst du tagebuch?

fragt mich der kellner

(die bedienung hat gewechselt)

der mich so nennen darf

der mich nennen darf wie er will

seitdem wir zu den stammgästen gehören

ja, ich schreibe so vor mich hin

versuche die gesichtslosigkeit zu hintergehen

nur einer dieser straßen

wozu ich 100 seiten bräuchte, 200

wie sie im rückspiegel verschliert

lichttupfer, farbflecken

die ich in einen eimer sammele

mit ihnen häuserzeilen, autokolonnen

brennnessel und löwenzahn

am brachfeld das büdchen

das ich kenne, das jeder kennen sollte

weil es bereits in den 50er jahren da stand

nur die bretter sind alle 10 jahre erneuert worden

ein büdchen, das nach schalke schreit

auch das wandert in den topf

schalke in duisburg?

ja, das gibt es

kann passieren

ich rühre den eimer um

versuche auf seiner oberfläche ein gesicht zu entdecken

was mir nicht gelingt

ich muss eine zutat vergessen haben, was

mich mürrisch macht

es braucht ein ablenkungsmanöver

2 finger heben

weißweinschorle im doppelpack

zweifacher blues von stadt zu stadt

turbinen, treibhausluft, auf allen tischen

tulpen im glas

biegen sich links

biegen sich rechts herum

suchen luft, licht, liebe

dürfen sie nicht erwarten

1 haarsträhne hinters ohr schieben

die liebe in der turbine kleinhacken

(wir sind wo wir sind, ja - )

1 schwindelgefühl

man muss auch wissen, wann gut ist

2 finger heben, später musik

rauchen

2 finger heben

musik

rauchen

heimfahrt über die a3, die nun frei ist

kaltbefrachtet

nebel wie gelatine

———

meine liebste, die ein mondkind ist

trägt sternenstaub auf der haut

versteht sich auf die kunst

zaubernüssen ihr geheimnis zu entlocken

in einer steckte der hundt krambambuli

du armer, sagte meine liebste

———

frühlings erwachen

was verwirren könnte: der zeitpunkt -> im januar

wenig verwunderlich: wenn die liebe leuchtet

ma-ma-man könnte des schönen nie genug

nie-nie-nie oh!

sich gewöhnen

lebensemphase

motiv und wirkung: dir zugeeignet

es eignet sich dir

das leben: grundsätzlich

und im besonderen unentwegt

ein garten

zwischen den teichen

ein kleines rasenstück

darauf

doch hier übertönen

die sänger im laub dessen

der wo-wo-wollte doch nur

dich

loben wollte ich dich

lieben

———

heute morgen hätte ein flugzeug im garten landen können

es waren aber deine träume so laut

drehte mich zwar zur seite

blieb aber nicht stumm

unstillbar

der wunsch dich zu berühren

beschwörung:

träume sind heilig

bezähmung:

dein gesicht

betrachtung eines engels

(ganz ohne übereilung)

———

31/1 nachts

11,8 grad

beim bauern schlüter in den bäumen

drüben, überm feld, singt die nachtigall

wir vermuten, dass er aus finnland stammt ( er - denn es sind ja die jungs, die

singen), dass er hier hängen geblieben ist, weil ihm die temperaturen freundlich

genug erschienen

und nun singt er - umsonst, vergebens

weil sich die hiesigen mädels noch in ihrem winterquartier in andalusien verlustieren

wir wünschen ihm, dass er bei stimme bleibt

februar

schwarze tage mit dauerregen und endlosstaus

die luft ist aufgeladen mit flüchen

ich lasse einen dpd-wagen vor mir auf die meine, die schnellere spur wechseln

der fahrer dankt es mir, ein winkender arm aus dem seitenfenster

was mich daran erinnert, mir eine zigarette anzuzünden

ich rauche gerne im stau

mit runtergekubeltem fenster

(daher der winkende arm als zaunpfahl)

habe festgestellt, dass es die zeit verschwinden hilft

eine einpassung an das umgebende

sirenengeheul, blaulichtfeuer im morgendunkel

was schlimmes also

ich werde zu spät zur arbeit kommen

was mir egal ist

jenseits von eden startet die erfolgsspur

beginnt das demographische desaster

unverzagt strampeln meine füße

stop and go

versucht mir wdr2 zu erklären

warum die co2abgabe keine steuererhöhung ist

das böse wort wird gar nicht erst in den mund genommen

ich darf es gleich ohne kauen runterschlucken

unter einer brücke bin ich zum stehen gekommen, werfe die kippe aus dem fenster

das befördert die müllbilanz der stadt

———

grauregen

tropfnässe

jeder tropfen verschlingt etwas zeit

(wie man so vom tröpfeln der zeit spricht)

da die zeit jedoch

sowohl die universale

als auch die meine

ein unendlichkeitsbedürfnis hat

verliere ich nicht einen tag

das gilt in gleicher weise

für die meisen und die tauben

und den buchfinken, der

wie augustinus schrieb

in einer beständigen gegenwart lebendig bleibt

———

9/2

in erwartung des sturmes

fühle ich mitleid mit der welt

das meiste mitleid mit mir selbst

obwohl ich es gar nicht brauche

es ist tiefe traurigkeit

eine wie glockenblumen

———

beiläufige notiz

zum bevorstehenden verschwinden der marquesas-inseln von der

meeresoberfläche:

es wird uns der kopf rasiert

wie einem grasbüschel, der am wegsaum übersteht

kleine notiz für alle

die auf den untergang der menschheit warten:

ich bin da gar nicht so optimistisch

———

3 möwen auf dem dach

schmelzen den schnee

sie sind die großen schmelzmeister

bahnen der sonne den weg

links

rechts

links

durch die gitterstäbe

dann nochmal rechts

an den mülltonnen vorbei

dort schlachten die ratten

alte landschaftsmaler aus

breughel und bosch

gerne genommen

von der geflügelindustrie

damit legt es sich

apokalyptischer

einen grünen landwirtschaftsminister

gibt es (fast umsonst) obendrauf

der darf sich die füße

blutig schrammen

im rost

das alles tut er

aus solidarität mit den

polnischen leiharbeiterinnen

bevor er wieder vor die presse tritt

in diesem geflügelhof

geht es humaner zu

als im erzbischöflichen zölibat

und die ratten

und die pest

und die möwen

fressen die kadaver

———

das wörtchen verdenken

man muss verschroben sein

verquer

verstört

um sich zu verdenken

ver

heißt es im grimmschen wörterbuch

verstärkt die bedeutung

des denkens

es ist ein über sich hinaus daraus geworden

ein überbordendes

———

dem pianisten mit der sprache folgen

herztöne, dann steigt es zu kopf

von dort breitet es sich aus

das buch entgleitet meinen fingern

———

17/2

tage. in minutentakt. endlosschleifen. zeit. zeit. schau dich um. da steht sie. und da sitzt die liebste. sitzt in ihrem lieblingssessel. zimmert gedichte. texte. die das dach abdecken, abheben lassen. nichts besonderes, sagt sie. während das dach zum himmel fliegt. schrammt knapp an einer 747 vorbei. die ganz verdutzt vom weg abkommt, und statt paris amsterdam ansteuert. genever anstelle von absinth. da werden die leute sich aber wundern. macht nichts, sagt die liebste, grün machen beide. was die gesichtsbemalung betrifft. ganz normal, sagt sie. klaubt ihr handy vom boden. geht aber noch, sagt sie. februar. der kälteste monat. beweist sich wie kalle, der eckensteher, der jung mit dem tüdelband. den kennt im rheinland keiner. heute ist er taxidriver in new york. ist er. könnte er sein. sofern die liebste das so haben möchte. bei den hobbits schläft sie ein. aber ich kriege sie schon. setze meine hoffnung auf moria und den balrog. obwohl ich im stillen vermute, dass ich ihr mit dem genever eher imponieren könnte. aufs imponieren kommt es mir aber nicht an. ich möchte sie fangen. genau. mit den armen auffangen und küssen.

schon bin ich vom weg abgekommen. wie die 747. oder bilbo im nebelgebirge. homeward bound. nein. es geht ja doch erst los. die erde ist cool und rund. the one witch. die den genever ausschenkt. jenseits der piemontkirsche gibt es kaum noch eine steigerung. mund zu mund. die betonung liegt freilich auf dem kaum noch. liebestrunken. liebesumsunken. niedergestreckt von gefühlen. genossen.

verschossen in die liebste. verschossen wie sommersprossen im winter. die nur noch narrativ aktiv sind. aber so nah bist du mir, dass ich die musik in deiner nackenhaut spüre. tyrannosaurus rex, als sie noch ungekürzt die saiten zupften mit verspieltem vergnügen.

das ist alles ganz schön & gut, aber jetzt schreibe ich ein gedicht über zwei glühbirnen (matt) auf goldenem grund & eine erinnerung an eine weite ausfallstraße in denver, die zum flugplatz führte & so lang war, dass sie gar nicht wusste, wann sie aufhören sollte. aus welchem grund sie sich einfach bis nach nebraska fortsetzte und dort im platte river von der brücke stürzte & nicht mehr gesehen ward.

wardrobe ist ein interessantes wort, fällt mir bei der gelegenheit ein. es gibt den berufsstand der wardrobiere, die reicht dir die kleidung aus dem schrank. du siehst nur ihre hand, die fein und weiß und leicht gerunzelt erscheint.

18/2

mit den fingern wellen in die luft malen. hinterhersehen, wie sie sich weiterbewegen. darin schwimmen lernen. man lernt es nämlich neu, weil es eine neue art von schwimmen ist. bald 9 uhr abends. und liebe. dass der liebsten das sternbild der zwergameise nicht geläufig ist, wundert mich sehr. da brauch ich ihr mit velikovsky gar nicht erst kommen. das brauche ich ganz bestimmt nicht. wir lieben uns. und der mond war letzte nacht eine sehr schmale sichel. und die liebste hat schön gelesen und schön ausgesehen und 103 gesichter gemacht. sie lebt jedes einzelne wort und bringt sie allesamt zum leben. beim zuhören bekomme ich eine gänsehaut, und ich glaube, so geht es anderen zuhörern auch. ich wollte ihr gerne eine perle ins haar flechten. damit ich sie später suchen gehen kann. wenn ich ehrlich bin, wollte ich das jede stunde so machen. ich hätte nicht erwartet, dass ich noch so liebeshungrig sein würde. manchmal fürchte ich, dass ich die liebste damit erschrecken könnte. manchmal erschreckt sie mich, das beruhigt mich dann wieder und ich sage mir: es ist gut so, wie es ist. wir sind erwachsene kinder, die damit umgehen können. wir rauchen zigarren und kommen uns wie drachen vor, die kein feuer mehr spucken mögen, nur wohlriechend dampf abblasen. und dann den kopf zur erde neigen und mit den gänseblümchen einen schwatz halten.

ja. ist mir schon klar. aber ich betone: ich bin ein erwachsenes kind. der einzige unterschied zum kindlichen kind besteht darin, dass man eine längere erfahrung im kindsein hat. was einem nicht sonderlich viel nützt, denn: es fällt noch genauso schwer, sich auf der drehscheibe zu halten. und: in der tonne rollen geht auf die bandscheiben. wenn ich eine katze wäre, würde ich mich jetzt auf meinem schoß einrollen. soll er doch sehen, wie er damit klarkommt ...

halb 11. der mond ist auf die andere seite des hauses verzogen. vorhin sichelte er noch genauso schmal wie gestern. jetzt futtert er sich wohl was an. wie ich. biojoghurt heidelbeer-cassis. cassis ... kir royal. habe ich schon lange nicht mehr getrunken.

jetzt aber gibt es bourbon mit absinth und zitronensaft. angeblich der erste cocktail. der, in new orleans soll das gewesen sein, in eierbechern gereicht wurde. da die englischsprachigen gäste das französische wort coquetier nicht richtig aussprechen konnten landeten wir, wir, die menschheit insgesamt, sowie die liebste und ich im besonderen, beim cocktail. der köstlich schmeckt, ohne frage, und ohne die möglichen folgen zu hinterfragen - trinken wir. folgerichtig, d.h., wie aus dem biojoghurt ein sazerac wurde (so wird das gesöff genannt). wir hören billie holiday vom letzten nickel singen.

es wird bestimmt lustig werden unterm blauen mond zu sitzen

doch bis so einer kommt

kann man noch jahre in der sonne schwitzen

am eierbecher nippen

tarotkarten ziehen

da da da singen

aha aha

wir werden nun raus auf die terrasse gehen

die lichter am teich leuchten golden

die goldfische werden angeschwommen kommen wie zahme haie

ich wette mit dir:

im sommer werden sie durch den reifen springen

und purzelbäume schlagen

aha aha ja ja

ja

———

rosenmontag

wind, wind

regen, regen

kälte, kälte

3 jecken an der bushaltestelle

(1 eisbär, 1 löwe und 1 nordkoreanischer general)

halten stand

jedes weitere wort

könnte glück bedeuten

———

drei eiswürfel im cinzano, das

reicht gerade für uns zwei

dass wir nicht heißlaufen

im gewirbel der arme hände

lippen küssen

schau, dort sichelt sich der mond

wie ein wärmekissen, ein

wangenrot

auf deiner zunge

vergeh ich mich, ein

akrobat, dessen

schatten tanzt auf der wand

der

kennt den rhythmus

eres tu

eres tu

para siempre

eres tu

dass ich dich weiß

das bist du

———

wie eine tüte musik, sagst du

klingt deine haut

und machst es mir vor

schallend

wie eine tüte musik

wie ein purzelbaum schlagender affe

der ananastörtchen verteilt

in der fußgängerzone

wenn die tüte leer ist

bläst er sie auf und

lässt sie zerplatzen

schallend

eine tüte musik

———

ich saß da

ich versuchte mir eine vorstellung zu machen

was ich als erstes sah: die gesichter zweier tiger, die

zwischen tropischem gestrüpp heraussahen

sie schienen zu lächeln, ja

in ihren grünen augen saß ein lächeln, in

ihren geschlossenen mündern, die

so gar nichts schreckliches hatten

darüber stolperte ich

denn tiger sollten doch

aber: die liebe, dachte ich

vermutlich

weil ich nichts anderes zu denken hatte

so also

schließt sich der kreis

weil ich mir eine vorstellung zu machen versuchte

dachte ich

ungestüm

doch die tiger

blieben bei ihrem lächeln

———

vor der nacht

und vor dem einschlafen

und bevor die träume mich erwecken

einige erinnerungslücken

die wie alte kirschbäume duften

die auf einer wiese stehen

die ich als kind zuletzt besuchte

ich würde es zeichnen können

———

was vergessen ist?

ich glaube, nun habe ich es begriffen

wenn man bereits im gehen nicht mehr weiß, was es war

———

ich sehe sterne, aber die bleiben nicht, die lassen sich von den wolken forttreiben

ich möchte einspruch erheben, finde aber keine instanz, die sich zuständig fühlt

was gelogen ist

ich habe gar nicht erst gesucht, habe vielmehr stockstarr im regen auf der terrasse

gesessen, geraucht, und dem verschwinden der sterne zugesehen

bald werden keine mehr übrig sein, dann werden die schiffe in seenot geraten, der

kabeljau wird sie in die tiefe ziehen und atlantis auferstehung feiern

ich werde das alles von der terrasse aus beobachten, und wenn das orchester nicht

mehr zu hören sein wird, springe ich

märz

10/3

abends

der erste frosch meldet sich an

der alte hausfrosch ists, der seine bande zusammenruft

sie antworten

manche müssen noch übers feld

andere sind schon nebenan

aber sie kommen

sie sind alle wieder da

freude

sturm, regen den ganzen tag

aber 11,8 grad um 21 uhr

dieselbe temperatur wie bei der nachtigall im januar

die immer noch singt (die mädels lassen auf sich warten)

die frösche aber sind früh dran, gut zwei wochen früher als üblich

der bewuchs am teich ist noch nicht so doll

da heißt es den reiher fernhalten

die nachbarskatze (obwohl sie eine liebe ist) vergraulen

und daumen drücken

die anderen werden auch bald nachrücken

wir halten uns auf dem laufenden

14/3

erster nachmittag, der nicht mit regen durchsetzt ist

es gibt sonne, reichlich

die frösche paaren sich

die fische erkunden das gewässer

gigi segelt darüber hin

gigi ist unser kleines hölzernes segelboot, das wir uns vor zwei jahren anschafften.

auch gigi ist früh dran in diesem jahr. ich habe sie vom winterdock aus dem

gartenhäuschen geholt, sie soll sich tummeln, noch ist der teich ein freies gewässer,

die seerosen werden erst ende april zur oberfläche auftauchen

15/3

gigi im liebestaumel der frösche

gigi bekommt es dicke

16/3

erster tag des lockdowns

die sonne ist da. der himmel ist da. wir fahren an den rhein.

eine unserer lieblingsstrecken: vom wasserwerk in wittlaer zum aschlöksken.

das aber hat zu. kein bier am deich. trotzdem schön.

auf dem rückweg: drei ältere herren sitzen auf einer bank, streiten sich lautstark von

wegen dem sicherheitsabstand.

einer von ihnen hat vorhin schon da gesessen, stöpsel im ohr. hat wohl der

rheinischen gelauscht und vor sich hingeträumt. nun haben sich die beiden anderen

kerle einfach dazugesetzt. die bank ist für alle da, maulen sie. keiner will weichen.

drei alte männer, die sich bespeicheln.

uns ahnt: es wird der letzte ausflug für lange zeit gewesen sein.

macron: wir sind im krieg

der papst betet vor dem pestkreuz

17/3

einen clip gesehen:

arnold schwarzenegger sitzt an einem tisch und füttert seine zwergesel

bleibt zuhause, sagt er, vergesst die restaurants, füttert eure esel

(corona in kalifornien)

ein weiterer clip:

kauft klopapier!

(corona in deutschland)

wir gedenken uns arnies rat anzuschließen, auch ohne esel. aber wir haben ja die

fische und die frösche, und der garten könnte doch mal ... oder?

aber hallo!

die kommenden tage scheinen wettermäßig vielversprechend.

18/3

der plan steht. der garten soll etwas umgemodelt, vor allem aber die terrasse

verschönert, zu einem außenwohnzimmer gestaltet werden.

das alte sofa mit dem rosenmuster steht schon seit letztem herbst draußen, hat den

winter bravourös überstanden und wird es noch ein paar jahre machen.

fehlen noch weitere accessoires. schränkchen, tische, hocker etc. kein problem. die

gibt der keller locker her. bilder sollen gemalt, die nebenseiten der terrasse,

verblichenes holz, neu gestrichen werden, auch der schuppen, die außenverkleidung

des gartenhäuschens ...

da heißt es farben bestellen ...

obi hat’s: schwedenrot, moosgrün, schokoladenbraun. wird ein paar tage dauern.

aber mit den bildern kann es heute schon losgehen ...

acryl auf holz, dann lackieren. das hält alle wetter aus. nicht für die ewigkeit,

freilich ...

die welt sieht nicht nach sterben aus

sie sieht auch nicht danach aus, dass es gerichtsvollzieher geben könnte

die sonne scheint von einem blassblauen himmel

ein leichter wind weht

die kieselsteine unter meinen füßen zeigen gesichter

tiergesichter, gnomgesichter

menschen - keine

menschen sind zum verewigen nicht gut genug

menschen glauben sich selbst verewigen zu können

darum sterben sie, als ob sie niemals laufen gelernt hätten

holz in allen varianten geben keller, werkraum, schuppen her.

also: an die arbeit ... auf geht’s ...

60 km stau an der polnischen grenze. in görlitz gibt es woda & toaleta ...

die himmelstreppe zur halde norddeutschland wird gesperrt. von wegen dem

gefährlich engen gegenverkehr. ja klar, verstehe, wer sich schnaufend ans geländer

hängt ...

ach, scheiße - da wollte ich eigentlich auch mal wieder hin ...

19/3

die malerei

mit den KELLs geht es los

also mit uns, denn die KELLs, das sind wir:

Kettu, Eike, Lasse, Lisi

(eine hymne haben wir auch:

wir sind die KELLs und

wir sind die größten

wir machen unsinn

und das macht spaß

…)

ein altes holzkästchen, das man aufklappen kann, gibt den rahmen

so ähnelt es einem triptychon

bunt soll es werden