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Ein historischer Roman. Das aztekische Popol Vuh. Der Gegenentwurf zu den ´Naufragios´. Das alles steckt dahinter, wenn der Mythos auf Wanderschaft geht. Wenn den Conquistadoren ein Schnippchen geschlagen und der Herr Huitzilopochtli heimgeführt wird. Dorthin, wo alles begann. Der Mythos kehrt zurück.
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Seitenzahl: 166
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Eike M. (Michael) Falk, 1955 geboren, stammt aus der Pfalz, lebt in Hamburg. Studierte Theaterwissenschaft, später Altamerikanistik und Völkerkunde. Arbeitete u.a. bei der taz, meist aber als Selbständiger, zeitweilig in den abenteuerlichsten Jobs. Hat Spaß daran. Und am Leben. Und überhaupt.
In quexquichcauh maniz cemanahuatl ayc pollihuiz yn itenyo yn itauhca in Mexico Tenochtitlan
Und solange die Welt besteht, nie soll vergehen der Ruhm, die Ehre von Mexico-Tenochtitlan
(Don Domingo de San Antón Muñón Chimalpahin Quauhtlehuanitzin)
Wir werden unseren Herrn Huitzilopochtli zurückkehren lassen …
Wie oft hat er das sagen gehört, wie oft hat er es die Großväter sagen hören …
Und – ist es so gekommen, ist es eingetreten?
Ja, so ist es gekommen. Ja, es ist eingetreten.
Denn so ist es:
Heimgekehrt ist unser Herr Huitzilopochtli.
Nun tanzt er mit den Kachina am heiligen See der Asiwi.
Und wenn die Kachina in die Dörfer kommen, ist auch er dabei …
Inic ompehua tlatohua …
Hier beginnt die Geschichte …
So, hat er gesagt, dass es beginnen solle. So, hat er gesagt, dass jede gute Geschichte beginnt.
Ohne ihn würde die Geschichte nicht erzählt werden. Wenn er nicht gekommen wäre, dieser Tlaxcala-Mann.
Kurz vor Shalako ist er gekommen. Während sie sich auf Shalako vorbereiteten ist er gekommen.
Nun ist, was die Xtianos, die Caxtillanos, lente nennen, Fastenzeit. Es ist die falsche Zeit zu fasten. Sie, die Asiwi, fasten zu anderen Zeiten.
Sie sind Freunde geworden, er und dieser Tlaxcala-Mann. Dieser, er ist einer, mit dem man reden kann.
Ich werde sie dir aufschreiben, verehrter Vater, so hat er gesagt, der Tlaxcala-Mann, erzähle du mir die Geschichte, und ich werde sie niederschreiben in der alten Sprache, in der Sprache der Nahua, der wahren Sprache, so sagte er, so hat er sie genannt, aber da hat er unrecht, die wahre Sprache, das ist die Sprache von Asiwi, das wird er noch lernen, wie er vieles noch lernen wird.
Der Clan hat ihn als jüngsten Sohn zu sich genommen, und wenn es an der Zeit ist, wird er in die Kiva eingelassen werden. Dann wird er einen wahren Namen bekommen. Den Namen der Xtianos wird er ablegen. Er braucht ihn nicht mehr.
Auch sie, die Asiwi, sind getauft worden, wurden mit Wasser übergossen im Namen des falschen Gottes und seines lügnerischen Sohnes. Auch er selbst, ja, auch er hat einen solchen Namen erhalten, es ist lange her. Und lange schon hat er ihn von sich gestoßen. Dieser Name ist nichts. Dieser Name ist Dreck. Er spricht ihn nicht aus. Auch den Namen des Tlaxcala-Mannes spricht er nicht aus. Er nennt ihn Sohn. Denn wie ein Sohn ist er in ihrem Haus.
Er ist ein escribano, ein tlacuilo, das war er bei seinen Leuten. Er hat gesagt, erzähle mir die Geschichte, verehrter Vater, und ich schreibe sie auf. So sagte der Sohn. Doch der Vater sagte: lehre du mich schreiben, so werde ich dir die Geschichte erzählen, indem ich sie niederschreibe werde ich sie dir erzählen, und so soll sie zum letzten Male erzählt sein. Denn wenn er sie niedergeschrieben hat, dann wird er sie zum Bündel in der Kiva legen, dort, wo bereits liegt, was die Großväter aufgezeichnet haben nach der alten Art der Mexica. Die Bilderschrift ihrer großen Wanderung, ihres Weges, ihres weiten Weges von Mexico-Tenochtitlan bis hierher, nach Asiwi.
Niemand mehr soll davon erfahren. Was er tut, es ist das Tun eines alten Mannes, der sich nach Art alter Männer erinnert was einst geschah. Damit soll es beendet sein.
Von all denen, die von den Großvätern herstammen, ist er der Letzte, der noch das Nahuatl spricht. Nicht mehr sehr gut, wie er nun weiß, da er mit dem Sohn zu reden begann, doch er wird sie wieder erlernen, er wird die Sprache neu erlernen, und er wird lernen, wie man sie niederschreibt in der Art der Xtianos, in den Zeichen der Caxtillanos.
Seine Kinder und Enkelkinder, und auch die anderen alle, die von den Großvätern herstammen, sie kümmert das nicht, sie wollen nichts mehr wissen davon, diese Vergangenheit bedeutet ihnen nichts, nicht diese Geschichten, die Geschichten von Asiwi, diese allein, nur diese gibt es für sie. Und das ist gut so. Er ist einverstanden. Lassen wir es ruhen. Soll es beendet sein. Die Prophezeiung hat sich erfüllt. Unser Herr Huitzilopochtli ist zurückgekehrt, heimgekommen ist er.
Doch es war anders, als die Großväter es sich haben vorstellen können, es ist alles ganz anders gekommen …
Der Sohn, er ist ein guter Sohn, und ein guter Lehrer ist er. Diese Tlaxcala-Leute, das waren die ärgsten Feinde der Mexica, von denen die Großväter herstammten, ihre Todfeinde waren es.
Manchmal streiten sie darüber. Es ist gut jemanden zu haben, mit dem man gut streiten kann. Der Sohn, er ist stolz auf seine Leute, die Tlaxcala tlaca, so nennt er sie. Das muss man verstehen. Seinen Stolz muss man achten. Viel mehr ist ihm nicht geblieben.
Er ist kein junger Mann mehr, aber er ist auch nicht alt. Er hat vieles gesehen und vieles erlebt. Er hat unter den Caxtillanos gelebt, er kennt sie, er weiß, wie es mit ihnen ist. Das wird von Vorteil sein für die Asiwi. Es ist gut zu wissen. Es ist gut vorbereitet zu sein.
Der Sohn, er hasst die Caxtillanos, wie nur ein Mensch hassen kann. Die Caxtillanos, sie haben seine Frau geschändet und dann haben sie seine Frau erschlagen und ihre drei kleinen Kinder dazu. Da hat er Rache genommen. Zwei Caxtillanos bereits hatte er getötet, und es wären mehr Leben geworden, die er genommen hätte, doch dann sind sie über ihn gekommen, sein Versteck haben sie ausfindig gemacht, und er hat fliehen müssen, fort und fort – so ist er nach Asiwi gekommen.
Er braucht Zeit. Es wird ein neues Leben geben, eine neue Heimat, neue Leute, unsere Leute. Er ist noch nicht zu alt. Er wird eine gute Frau finden. Kinder werden kommen.
Der Sohn, er hat uns von den Caxtillanos berichtet. Noch immer sind ihre Waffen fürchterlich, doch noch immer sind ihrer nicht viele und es werden nicht mehr.
Die jungen Leute sind zornig. Sie wollen, dass sie gehen, die Caxtillanos, sie wollen, dass sie zurückkehren, woher sie gekommen sind. In Asiwi, allerdings, hier gibt es nicht viel zu spüren, gibt es nicht viel zu erleiden von den Caxtillanos. Die Caxtillanos, sie bleiben lieber dort, im Osten, am großen Fluss.
Doch lebt einer ihrer Priester hier, mitten unter ihnen lebt er, ein Haus haben sie errichten müssen, für ihn und für seinen falschen Gott. Dieser Priester erregt Zorn. Er spricht gegen die Kiva, er steckt seine Nase überallhin, er ist ein Ärgernis. Dass man ihn töten müsse geht die Rede.
Ob er dafür sprechen soll oder dagegen – er weiß es noch nicht. Die jungen Leute sind ungeduldig, sie fordern, wie es bei jungen Leuten üblich ist drängen sie zur Tat. Doch will dies genau überlegt sein, es gilt abzuwägen. Wie werden die Caxtillanos handeln? Was werden sie tun? Werden sie ihre Krieger gegen uns schicken? Wir werden uns vorbereiten müssen. Wir werden beraten. Wir werden uns vorbereiten.
Denn eines ist gewiss: sie haben hier nichts zu suchen. Wir wollen sie hier nicht haben. Wir sind die Asiwi. Dies ist Halona. Der Ameisenhaufen in der Mitte der Welt.
Er, der Vater. Als er ein Kind war, da bereits ist er neugierig gewesen. Er war es als Kind und es hat ihm Ärger bereitet und er ist es nun als alter Mann noch ebenso wie zuvor und es wird ihm Ärger bereiten.
Die Sprache der Caxtillanos, sie hat er erlernt, vor vielen Jahren hat er sie erlernt, damals, als die Caxtillanos zum zweiten Male kamen und gekommen waren um zu bleiben.
Wenn es galt mit ihnen zu reden, Verhandlungen zu führen, dann ist er stets dabei gewesen. Zuerst aus Neugierde, später ist er dazu gebeten worden. Niemanden drängte es danach sich mit den Caxtillanos einzulassen.
Die Caxtillanos, sie fürchten sie, fürchten sie sehr, unsere Nachbarn, die Diné, die sie Indios de Navajo nennen. Mehr noch aber fürchten sie deren Vettern, die wilden Stämme, die im Süden in den Bergen leben, aber auch im Osten, weit jenseits des großen Flusses, auf der Steppe, auf der Prärie. Apachú hat man sie in Asiwi genannt von jeher – Apachú, den Feind. Nun sind sie die Feinde der Caxtillanos. Ihre schlimmsten Feinde sind sie. Die Caxtillanos können sie nicht bezwingen.
Die Apachú, sie nehmen ihnen ihr Vieh – die Rinder, die Schafe, die Pferde. Schon sind sie zu besseren Reitern geworden als die Caxtillanos es sind. Und wenn die Caxtillanos sie verfolgen, hinaus auf die Prärie, dann kehren sie nicht wieder, so sagt der Sohn, und wenn sie doch wiederkehren, so sind ihrer weniger, als die, die aufgebrochen waren. Und ihre Herden haben sie nicht zurückgewinnen können.
Man muss nachdenken. Man muss sehr genau überlegen. Es mag sein, dass die Caxtillanos schwächer geworden sind. Vielleicht auch hat ihr Gott sie verlassen.
Es wird eine Entscheidung geben, es wird zu beschließen sein. Auch er wird für den Tod des Priesters sprechen. Sein Wort gilt etwas in der Kiva. Es wird zu beschließen sein. Der Priester soll sterben. Auch braucht er dessen amatl, das Papier zur Aufzeichnung der Geschichte. Noch verrichten sie ihre Übungen auf Rindenstücken, doch schon beherrscht er die Kunst, bald wird er sie vervollkommnet haben. Der Sohn, er ist ein guter Lehrer.
Bald wird er beginnen können. Er wird die Geschichte erzählen. Anhand der Bilderschrift der Großväter wird er sie erzählen. Wenn er die Bilder sieht, wird die Erinnerung zurückkehren, dann wird er wissen was zu erzählen ist. Er ist bereit ...
Inic ompehua tlatohua:
Hier beginnt die Geschichte:
Hier ist das Bild:
Der Adler auf dem Nopal, auf dem Tuna Kaktus.
Dieses Bild, das ist Mexico-Tenochtitlan,
die schöne, die stolze, die weiß strahlende Stadt,
die Stadt in der Mitte des Wassers,
dort, wo das Rohr steht, wo die Binsen wachsen,
wo das Rohr flüstert, wo die Binsen wispern,
der Ort, wo der große Tuna Kaktus steht,
auf dem der Adler sitzt,
wo der Adler seine Flügel breitet,
der Ort, wo die Schlange zischelt,
wo die Fische springen, dort,
wo das gelbe und das blaue Wasser
ineinanderfließen, dort,
in der Mitte des Wassers,
im Herzen der Welt.
Hier ist das Bild: Hier sind die Großväter, nach denen der Herrscher geschickt hat, der Huey Tlatoani, der große Sprecher.
Hier sind die Namen der Großväter:
Iztacquauhtli – Der weiße Adler
Mazacoyotl – Der große Coyote
Necoc Yaotl – Zu beiden Seiten Feind
Hier ist das Bild: der Herrscher ist es. Es ist Cuauhtemoc, der Herabstürzende Adler. Der Herrscher spricht. Höflich ist seine Rede, wie es sich für einen großen Herrscher geziemt.
So spricht er: Meine Väter, meine Großväter, einen Gefallen habt ihr uns getan, große Freude habt ihr uns bereitet, da ihr gekommen seid zu hören, da ihr gekommen seid unsere Worte zu empfangen. Denn seht, bitter ist unsere Not, aussichtslos ist unsere Lage, rings sind wir von Feinden umgeben, groß ist ihre Zahl, vielmal größer als die unsere. Groß ist die Macht der Krieger von Castilla, die von jenseits des Himmelswassers kamen, und mit ihnen sind die von Tlaxcala und Huexotzinco, die von Cholula, die Chalca und die Acolhua. Sie alle haben sich gegen uns gewandt. Nicht lange mehr werden wir bestehen können, nicht lange mehr werden wir kämpfen können. Unsere tapferen Krieger, sie sterben dahin, und die Alten, die Frauen und Kinder müssen Hunger leiden. Bald ist es vorbei. Bald ist es zu Ende gegangen mit unserer geliebten Stadt Mexico-Tenochtitlan. Denn auch die Götter haben uns verlassen und unser Herr Huitzilopochtli spricht nicht mehr.
Nun ist die Zeit gekommen, da sich die Prophezeiung erfüllt.
Ihr kennt sie nicht, ihr werdet nicht davon wissen, denn als ein großes Geheimnis ist es gehütet worden. Doch nun werde ich euch davon sprechen, dann werdet ihr verstehen.
Zur Zeit des älteren Moctezuma ist es gewesen, des Ilhuicamina, des Himmelsschützen. Strahlend stand sie in ihrer Pracht, unsere Stadt Mexico-Tenochtitlan, über alles erhaben war die Macht der Mexica. Und Moctezuma, der Ilhuicamina, der Himmelsschütze, er gedachte teilhaben zu lassen diejenigen, die zurückgeblieben waren in Aztlan, der alten Heimat, von woher aufgebrochen waren einst unsere Vorfahren.
Damals noch gab es viele mächtige Nahualli, Zauberer, die alle Geheimnisse kannten, die Geheimnisse des Himmels und der Erde kannten sie, die Geheimnisse des Wassers und des Feuers. So groß war die Macht der Nahualli, dass sie sich nach Belieben verwandeln konnten in jegliche Gestalt eines jeglichen Tieres.
Diese Zauberer, sechzig an der Zahl, ließ der Herrscher zu sich rufen, ihnen trug er auf nach Aztlan zu gehen, Kunde zu geben von der Größe und der Macht, die den Mexica zugekommen durch die Gunst des Herrn Huitzilopochtli, Kunde zu bringen von denen, die zurückgeblieben.
Die prächtigsten Geschenke sollten sie mit sich führen, die kostbarsten Gewänder, die edelsten Steine, Gold und Federn, Kakao und alle Sorten von Blumen.
Doch niemand wusste, wo Aztlan lag, wie man nach Aztlan gelangen konnte.
So zogen die Nahualli nach Tollan, der ehrwürdigen Stadt der Tolteken, nach der Stadt unseres Herrn Quetzalcoatl zogen sie, Wissen zu erlangen, nach dem Coatepec, dem Schlangenberg, stiegen sie hinauf, zu den Göttern zu beten, Copal zu räuchern, sie fasteten, Blutopfer brachten sie dar, ihre Zauber wirkten sie dort, bis sie wussten, bis sie sich verwandelten, bis sie die Gestalt annahmen von allerlei Tieren: Ozelot die einen, andere Jaguare, in Berglöwen und Coyoten, in Adler, Fledermäuse und Eulen verwandelten sie sich.
In solcherlei Gestalt fanden sie den Weg nach Aztlan, in nur einer Nacht fanden sie ihn, in nur einer Nacht hatten sie die Reise vollendet, den anderen Morgen bereits fanden sie sich, in ihre menschliche Gestalt zurückverwandelt, am Ufer des Sees, in dessen Mitte sie lag, die Insel, unsere Heimat Aztlan, und aus der Mitte der Insel ragte er empor, in den Himmel hinauf ragte er, Colhuatepec, der gespaltene Berg, und auf dessen Gipfel Chicomoztoc, die sieben Höhlen, woher wir gekommen waren, und wo Coatlicue wohnte, die Mutter unseres Herrn Huitzilopochtli.
Dies alles kam den Nahualli bekannt vor, wie sie es sahen, seltsam vertraut erschien es ihnen, und als sie die Leute, die rings am See ihrer Arbeit als Fischer nachgingen, als sie diese das gewohnte Nahuatl sprechen hörten, da endgültig wussten sie, dass sie am rechten Ort waren.
Und die Fischer fuhren sie hinüber nach der Insel und brachten sie vor den Ältesten.
Höflich näherten sich ihm die Zauberer, ihre Geschenke breiteten sie vor ihm aus, von den Geschicken der Auswanderer gaben sie Bericht, wie ihnen aufgetragen war, um eine Unterhaltung mit der Herrin Coatlicue baten sie.
Der Älteste hörte ihnen freundlich zu und dankte für ihre Aufmerksamkeiten. Doch weder die Kunde vom Aufstieg der Mexica noch die mitgebrachten Geschenke vermochten ihn zu beeindrucken. Die Namen, von denen die Nahualli gesprochen hatten, sagten ihm nichts, nach dem Geschick derer erkundigte er sich, die einst fortgezogen waren. Sehr verwunderte es ihn, als man ihm erklärte, dass sie alle längst von der Erde gegangen waren. In Aztlan gab es den Tod nicht.
Doch war er gerne bereit, sie zur Herrin Coatlicue zu führen.
So machten sie sich auf den Weg.
Bald gelangten sie an einen Abhang von Sand und Steinen. Leicht stieg der Älteste darüber hinweg, doch die Nahualli versanken darin, allesamt versanken sie darin, bis an die Knie steckten sie darin fest und konnten sich nicht weiter fortbewegen.
Wie der Älteste ihrer Lage ansichtig wurde, zeigte er sich sehr bekümmert. So, sprach er zu ihnen, so verstehe ich nun wohl, warum ihr euch nicht länger halten könnt, warum ihr so früh dahingehen, warum ihr sterben müsst. Es ist dies eure Unrast, eure Suche nach Ruhm und Ehre, von der ihr mir gesprochen habt, es sind dies die Pracht und Verschwendung, in der ihr lebt, und es sind die üppigen Speisen, die ihr zu euch nehmt, solche wie den Kakao, den ihr mitbrachtet, dies alles führt dazu, dass ihr schwer geworden seid, dass ihr alle Leichtigkeit verloren habt. Den Berg werdet ihr nicht bezwingen können, doch will ich gehen und unsere Herrin Coatlicue zu euch führen.
So geschah es, so ging er davon, und so, in seiner Begleitung, kam sie wenig später den Berg hinabgestiegen, unsere Herrin Coatlicue.
Fürchterlich war ihre Erscheinung. Ihr Gesicht starrte vor Dreck, verfilzt waren ihre Haare, ihr Kleid war ein Fetzen, Staub und Schmutz, vollkommen zerlöchert war es, und überall aus den Löchern züngelten Schlangen hervor, manchmal sah man nur ihre Köpfe, manchmal kamen sie in ganzer Länge hinausgeschossen, ein einziges Zucken und Krümmen von Schlangenleibern war es, sehr entsetzten sich die Nahualli, gänzlich zu Boden warfen sie sich, es war, als ob sie tiefer noch hineinkriechen wollten in Sand und Geröll, so schrecklich war ihre Erscheinung, so furchterregend stand sie vor ihnen, unsere Herrin Coatlicue, Die-mit-dem-Kleid-von-Schlangen, denn so lautete ihr Name: Coatlicue, die Mutter unseres Herrn Huitzilopochtli.
Nur stammelnd vermochten die Abgesandten ihre Botschaft zu übermitteln, zagend, zitternd vernahmen sie die Antwort.
So sprach unsere Herrin Coatlicue: Diese Worte überbringt meinem Sohn. Als er aufbrach, damals, als er fortzog von Aztlan, mit seinen Kindern, den Mexica, da sagte ich ihm, dass er bald zurückkehren, dass er nicht säumen, dass er seine alte Mutter nicht zu lange alleine lassen solle. Doch wie es scheint, gefällt es ihm, wo er nun ist, wie es scheint, gefällt ihm dies üppige Leben, das ihr dort führt, wie mir berichtet wurde. Hat er alles vergessen? Hat er vergessen, wie es einst gewesen ist? Hat er seine alte Mutter vergessen? Doch sagt ihm dies: Bald wird seine Zeit abgelaufen sei. So, wie er anderer Länder eroberte, so werden andere kommen, die sein Land erobern werden. Fremde werden kommen, alles werden sie ihm nehmen, vertreiben werden sie ihn. Nicht mehr viel Zeit ist ihm gegeben. Sagt ihm dies. Sagt ihm, dass er zurückkehren soll.
Ganz in Tränen aufgelöst ist sie gewesen, die Haare raufte sie sich, unter Jammern und Wehklagen wandte sie sich ab, stieg sie den Berg hinan, unsere Herrin Coatlicue.
So ging die Erzählung des Huey Tlatoani, des großen Sprechers, des verehrten Cuauhtemoc.
Diese Worte also, sprach er weiterhin, brachten sie zurück, die Nahualli, brachten sie zu Gehör dem Moctezuma, dem Ilhuicamina, dem Himmelsschützen.
Jahre sind darüber hingegangen, fast schon war es vergessen, fast schon war es, dass keiner mehr daran glaubte, daran dachte, doch nun hat es sich erfüllt, nun ist es eingetreten. Doch wie es eingetreten ist, das hat niemand wissen, das hat niemand ahnen können, und niemand konnte vorhersehen, dass er nicht mehr zu uns sprechen würde, unser Herr Huitzilopochtli.
Was sollte geschehen? Was war zu tun? Wir haben die Tonalpouhque befragt, die Wahrsager, und die Tonalpouhque haben gesagt, dass es ein gutes Zeichen sei, dass es gerettet wurde aus dem Kampf, das heilige Bündel, und auch die Gewänder, der Schmuck, der Putz unseres Herrn Huitzilopochtli, als gutes Omen sollten wir es betrachten. Dass sich die Prophezeiung nun erfüllen werde, sagten sie. Doch wie? Das sagten sie nicht. Was sollte geschehen? Was war zu tun? Unser Herz war voller Zweifel, voller Qual. Lange haben wir mit uns gerungen, doch in einem Traum wurde uns die Antwort offenbar: Wenn er nicht mehr zu uns spricht, unser Herr Huitzilopochtli, so liegt es an uns die Prophezeiung in Erfüllung gehen zu lassen, so liegt es an uns, ihn zurückkehren zu lassen.
Und dies soll eure Aufgabe sein: Geht. Bringt ihn zurück. Geleitet unseren Herrn Huitzilopochtli zurück nach Aztlan.
Auch die Gewänder, den Schmuck, den Putz unseres Herrn Huitzilopochtli nehmt mit. Diese bringt nach Cuauhtitlan, nach Xaltocan oder Tepetzinco. Sollte der Feind noch nicht bis dorthin vorgedrungen sein, so lasst dies alles zurück bei verlässlichen Freunden, die es verbergen mögen. Doch mit dem heiligen Bündel zieht weiter. Zieht nach Aztlan. Oh, meine Väter, meine Großväter, ich weiß, wie schwer die Bürde ist, die Last, die ich euch auferlege, doch es