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Nach dem Tod ihrer Mutter zieht die neunzehnjährige Mina zu ihrem Stiefvater nach Miami, um ihr Studium an der U aufzunehmen. Wegen des Schicksalsschlags in sich gekehrt und weil sie in der Uni übersehen wird, ist die junge Frau zunehmend einsam. Während eines Spaziergangs mit ihrem Hund Cody begegnet sie Cassian Sharpe, einem aufstrebenden Eishockeyspieler, der sofort hin und weg von ihr ist. Die beiden verstehen sich auf Anhieb, allerdings fällt es Mina schwer, ihre Gefühle für den charismatischen Sportler zuzulassen. Und als sie ihm endlich ihr Herz geschenkt hat, begeht Cassian einen Fehler, der Minas Welt aus den Angeln hebt und sie auf den harten Boden der Realität aufschlagen lässt. Wird Cassian Mina zurückgewinnen oder wird er sie für immer verlieren?
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Copyright © 2019 Drucie Anne Taylor
Korrektorat: S.B. Zimmer
Satz & Layout © Modern Fairy Tale Design
Umschlaggestaltung © D-Design Cover Art
Ausgabe 01 / 2023
Alle Rechte, einschließlich das, des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte, Ähnlichkeiten mit lebenden, oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Alle Markennamen, Firmen sowie Warenzeichen gehören den jeweiligen Copyrightinhabern.
Nach dem Tod ihrer Mutter zieht die neunzehnjährige Mina zu ihrem Stiefvater nach Miami, um ihr Studium an der U aufzunehmen. Wegen des Schicksalsschlags in sich gekehrt und weil sie in der Uni übersehen wird, ist die junge Frau zunehmend einsam.
Während eines Spaziergangs mit ihrem Hund Cody begegnet sie Cassian Sharpe, einem aufstrebenden Eishockeyspieler, der sofort hin und weg von ihr ist. Die beiden verstehen sich auf Anhieb, allerdings fällt es Mina schwer, ihre Gefühle für den charismatischen Sportler zuzulassen. Und als sie ihm endlich ihr Herz geschenkt hat, begeht Cassian einen Fehler, der Minas Welt aus den Angeln hebt und sie auf den harten Boden der Realität aufschlagen lässt.
Wird Cassian Mina zurückgewinnen oder wird er sie für immer verlieren?
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Danksagung
Über die Autorin
Weitere Werke der Autorin
Rechtliches und Uninteressantes
Gedankenverloren spaziere ich über den Campus. Ich habe immer davon geträumt, einmal Literaturwissenschaften zu studieren, aber ich hatte mir nicht erträumt, dass mich niemand wahrnehmen würde. Für meine Kommilitonen bin ich unsichtbar, die Dozenten erinnern sich nicht an meinen Namen, und ich bin mehr oder weniger allein in einer fremden Stadt. Nach Moms Tod kam ich erst mal bei ihrer besten Freundin unter, aber dann bin ich zu Leroy, ihrem zweiten Ehemann gezogen, weil er in Campusnähe wohnt, und er ist so was wie mein Dad, denn ich kenne keinen anderen als solchen als ihn. Kurz nach der Diagnose hatte sie sich von ihm getrennt und er zog weg, weil er nicht damit zurechtkam, sie verloren zu haben. An seiner Stelle hätte ich um Mom gekämpft, auch wenn es ein Kampf gegen Windmühlen gewesen wäre.
Er hat mir sein Gästezimmer zur Verfügung gestellt, damit ich nicht im Studentenwohnheim wohnen muss. Leroy, Dad, ist ein toller Kerl und ich bin ihm wirklich dankbar, dass er mich bei sich aufgenommen hat. Mom und er haben geheiratet, als ich sechs Jahre alt war, nach zwölf Jahren Ehe hatte sie ihn zum Teufel gejagt. Und ich war mit ihr und ihrer besten Freundin alleine. Wir haben uns abwechselnd um meine Mutter gekümmert. Sue war morgens und vormittags für sie da, ich nachmittags und abends. Meistens habe ich im Krankenhaus für die Schule gelernt, wenn Mom stationär behandelt wurde. So schliefen nach und nach all meine Freundschaften ein und ich war alleine. Den Abschlussball hatte ich mir geschenkt und zur Abschlussfeier war ich auch nicht gegangen, weil es nicht gut um Mom stand. Danach hatte ich mich nur noch um sie gekümmert. Na ja, für vier Monate, weil sie dann den Kampf verloren hat. So kam es dazu, dass ich mit Cody – meinem Jack Russell Terrier – zu Dad gezogen war.
Während ich mich erinnere, rempelt mich jemand an, weshalb meine Tasche runterfällt. »Pass doch auf, Brillenschlange!«, herrscht mich der Typ an und wirft mir einen finsteren Blick zu.
»T-tut mir leid«, stammle ich, gehe in die Hocke und sammle meine Sachen ein, die aus meiner Unitasche gefallen sind. Ich weiß, ich bin unsichtbar, aber sicher nicht die Schuldige, wenn mich irgendein Depp anrempelt. Seufzend richte ich mich auf, schultere den Riemen meiner Tasche und mache mich auf den Weg zur Vorlesung.
* * *
Am Nachmittag spaziere ich nach Hause. Dad hat Cody mit in seine Autowerkstatt genommen, die zwei Blocks von seinem Haus entfernt liegt. Auf dem Heimweg komme ich dort vorbei und kann meinen Hund abholen. Vielleicht gehe ich auf einem Weg mit ihm in den Park, damit er noch etwas Auslauf bekommt. In den letzten Tagen habe ich das sträflich vernachlässigt, weil ich lernen musste. Dad hatte ihn deshalb ausgeführt. Aber heute will ich es wiedergutmachen und einen ausgiebigen Spaziergang mit Cody machen. Er ist sechs Jahre alt, ich habe ihn von Leroy zu meinem dreizehnten Geburtstag bekommen und ich liebe ihn abgöttisch. Cody ist mein Vertrauter, dem ich all meine Geheimnisse und Sorgen anvertraue, und ich habe immer wieder das Gefühl, dass er mich versteht.
Tiere sind wirklich die besseren Menschen.
Ich lasse meinen Blick schweifen. Auf dem Campus ist eine Menge los und ich muss immer wieder anderen Studenten ausweichen, damit sie mich nicht umrennen.
Während ich durch Coral Gables spaziere, genieße ich die Sonne auf meiner Haut. Mom und ich haben in Chicago gelebt, nun lebe ich im Sunshine State.
* * *
Ich erreiche die Werkstatt. »Hey, Dad!«, rufe ich, im nächsten Moment scheppert es. Mein leiblicher Vater kam bei einem Autounfall ums Leben, als ich drei Jahre alt war. Ich kann mich nicht an ihn erinnern und Leroy ist derjenige, der ihn ersetzt hat. Er hat mich immer wie seine Tochter behandelt, weshalb ich ihn als meinen Dad angenommen habe, auch wenn ich noch den Namen meines leiblichen Vaters trage.
»Scheiße«, stößt mein Stiefvater aus und kommt mit dem Rollbrett unter einem Dodge vor. »Hallo, Kleines.« Er steht auf und drückt mir einen Kuss auf die Wange. »Wie waren die Vorlesungen?«
»Ziemlich trocken«, antworte ich. »Wo ist denn Cody?«
Daraufhin pfeift er und mein Hund kommt angelaufen. »Genau hier«, sagt er lächelnd, als mich mein Jack Russell Terrier anspringt.
»Hey, mein Dicker«, grüße ich ihn, gehe in die Hocke und kraule ihn hinter den Ohren und unter dem Maul. »Wollen wir spazieren gehen?«
»Musst du nicht lernen?«
»Doch, aber das kann ich später und morgen erledigen. Es ist doch Wochenende.«
»Du könntest mir morgen hier helfen, wenn du nichts zu tun hast«, schlägt Dad vor, nachdem ich mich aufgerichtet habe.
»Ich kann meine Bücher mitnehmen und hier lernen, okay?«
Er legt den Kopf schief. »Du müsstest morgen nur ein paar Bestellungen für mich erledigen, damit ich Zeit für den Dodge Viper habe, der heute reingekommen ist.« Er räuspert sich. »Der Kunde braucht ihn morgen Abend zurück, ich muss mich also ranhalten.«
»Berechnest du ihm wenigstens einen Aufpreis?«, hake ich mit gehobener Augenbraue nach.
Dad nickt. »Sicher tue ich das, nur deshalb habe ich den Auftrag angenommen.« Danach grinst mich mein Stiefvater an.
Ich lache leise. »Okay, ich lasse meine Bücher zu Hause, erledige die Bestellungen und du kümmerst dich um den Dodge.« Ich schaue zu dem Auto, unter dem er eben hervorgekommen ist. »Ist das dieser?«, frage ich und nähere mich dem rot lackierten Wagen. »Das ist mal ein wirklich schickes Teil.«
»Oh ja, und der Kerl hat irgendwas daran zerlegt. Ich muss den ganzen Wagen auf den Kopf stellen.«
»Nicht, dass das wieder so ein Idiot ist, der den falschen Sprit getankt hat«, erwidere ich kichernd, weil Dad wirklich oft solche Kunden hat.
»Bevor du den Wagen gleich vollsabberst, solltest du dich um Cody kümmern, der arme Kerl hat den ganzen Tag gewinselt.«
»Ich stelle meine Tasche ab und hole seine Leine, dann mache ich mich auf den Weg.«
»Alles klar.« Dad geht zurück zu dem metallicroten Dodge Viper und legt sich wieder aufs Rollbrett, einen Moment später verschwindet er unter dem aufgebockten Auto.
Lächelnd bringe ich die Unitasche in sein Büro, schnappe mir Codys Leine sowie seinen Ball und verlasse die Werkstatt gefolgt von meinem Hund. Cody weicht mir immer erst von der Seite, wenn ich es ihm erlaube, ansonsten läuft er strikt neben mir. Er wetzt nicht einmal los, wenn ich seinen Ball werfe, ohne ihm vorher ein Kommando gegeben zu haben.
Wir machen uns auf den Weg zum Park, wo ich ihn immer ein wenig rennen lasse, damit er fit bleibt. Später werde ich uns Hotdogs holen. Cody bekommt immer einen eigenen. Es ist zwar nicht besonders gesund, aber gelegentlich mache ich für ihn eine Ausnahme. Ich mag es einfach nicht, wenn er mich aus seinen großen braunen Augen ansieht und winselt, bis ich mit ihm teile. Außerdem bekommt er nur die Wurst und das Brot, ich hingegen nehme immer einen kompletten mit Zwiebeln, Sauerkraut, Ketchup und Senf. So hat Mom ihn immer mit mir gegessen und wann immer ich mir einen kaufe, fühle ich mich ihr nah. Es ist verwunderlich, dass solche Kleinigkeiten ein Gefühl von Nähe erzeugen.
Nach einer Weile erreichen wir den Haulover Park, einen der wenigen hundefreundlichen Parks in der Stadt. »Lauf, Dicker«, wende ich mich an meinen Hund, aber er scheint auf mich zu warten.
Lächelnd gehe ich mit ihm los und lasse meinen Blick schweifen. Mit Cody fühle ich mich sichtbar, anders als auf dem Campus, wo man mich immer übersieht.
Er schnüffelt, läuft herum und schaut ständig zu mir. »Ich komme ja schon«, entschuldige ich mich und folge ihm. Meine Güte, manchmal frage ich mich, wer von uns beiden das Sagen hat. Ich bin ja der Meinung, dass er es hat und ich nur sein Dosenöffner bin. Cody wäre die perfekte Katze, er ist zwar treu wie ein Hund, aber verwöhnt wie ein Perser. »Ich setze mich hier hin und du erkundest die Gegend, okay?«
Er brummt mich an. Okay, nicht nur eine Katze, sondern auch ein kleines Schweinchen ist an ihm verlorengegangen, aber ich liebe ihn.
»Na gut, ich begleite dich.« Ich atme tief durch und gehe gemeinsam mit ihm weiter.
»Penny!«, ruft eine tiefe Stimme, anschließend werde ich umgerannt.
»O Gott«, stoße ich aus und rudere mit den Armen, letztlich plumpse ich aber auf den Hintern. »Au.«
Der Typ dreht sich um und sieht mich mit großen Augen an. »Shit, sorry, ich habe dich gar nicht gesehen.« Er kommt zurück und streckt seine Hand aus.
»Keine Sorge, das passiert mir öfter«, erwidere ich, als ich ohne seine Hilfe aufstehe. Ich schaue mich nach Cody um. »Scheiße, wo ist mein Hund?«
»Wie sieht er aus?«
»Er ist ein Jack Russell Terrier mit einem Schlappohr.«
Er schaut sich um, ebenso wie ich es immer noch tue. »Der dort vorn?«
Ich folge seinem Finger. »Ja genau und … o Gott, hoffentlich ist das eine sterilisierte Hündin«, sage ich erschreckt und laufe auf meinen Hund zu.
»Nein, ist sie nicht, das ist meine«, erwidert er und joggt los.
Ich folge ihm eilig, aber da lässt Cody schon von ihr ab. »Du kleines Ferkel«, tadle ich ihn und leine ihn an. »Tut mir leid, ich … Normalerweise bleibt er bei mir und fällt nicht über wehrlose Hündinnen her.« Meine Wangen glühen, weil ich so verlegen bin.
Er lacht leise. »Ich hätte ihr eine Windel anziehen sollen, momentan lockt sie jeden Rüden an.« Er leint seinen Hund ebenfalls an.
Ich greife in meine Hosentasche und hole mein Handy heraus. »Falls sie Babys bekommen sollte, melden Sie sich, ich helfe Ihnen dabei, sie zu vermitteln.«
»Dafür fehlt mir deine Nummer.« Er schenkt mir ein charmantes Lächeln.
»Die will ich Ihnen gerade geben, Mister …«
»Sharpe, Cassian Sharpe.«
»Mr. Sharpe.«
Er holt sein Smartphone heraus. »Ihre Nummer?«
Ich sage sie ihm an.
»Jetzt fehlt mir noch der Name dazu«, sagt er gut gelaunt.
»Mina King.«
»Also dann, Mina King, ich melde mich.«
»Noch mal sorry, Mr. Sharpe.«
»Cassian«, korrigiert er mich und streckt seine Hand aus.
Ich ergreife sie. »Mina.«
»Freut mich, dich kennenzulernen«, sagt Cassian freundlich.
»Mich auch, aber andere Umstände hätten mich sicher mehr gefreut«, entgegne ich peinlich berührt, weil Cody über seine Hündin hergefallen ist. Allerdings ist es auch grob fahrlässig eine läufige Hündin ohne Schutz in einem Hundepark laufen zu lassen.
»Gehen wir noch ein wenig gemeinsam spazieren?«, fragt er und nimmt seine Sonnenbrille ab. Mich trifft ein Paar ozeanblauer Augen, in seinem linken hat er allerdings einen smaragdgrünen Fleck.
»Äh … ich … Ja«, stammle ich, als ich seine beeindruckenden Iriden sehe.
»Sicher?«, hakt er grinsend nach.
Ich spüre wieder die Hitze in meinen Wangen, weshalb ich den Blick senke. Statt etwas zu sagen, nicke ich ihm zu.
»Okay, freut mich.«
Ich gehe an Cassians Seite und gemeinsam mit ihm durch den Park. Inzwischen hat er die Sonnenbrille wieder aufgesetzt, sein Haar ist unter einem Basecap verborgen. »Warum hast du sowohl Basecap als auch Sonnenbrille auf?«, erkundige ich mich.
»Liegt an meinen Eltern«, antwortet er.
»Verstehe ich nicht«, gebe ich zu.
»Mein Dad ist Silas Sharpe, meine Mom Gabriella Sharpe«, erwidert er.
»Muss man die kennen?« Ich weiß natürlich, wer seine Eltern sind. Sein Dad ist Ex-Footballspieler und seine Mom hat in einigen Filmen mitgespielt, die wiederum meine Mom geliebt hat.
Cassian bleibt stehen. »Okay, das ist neu.«
Ich lache leise. »Ich weiß, wer sie sind, aber warum musst du dich ihretwegen verkleiden?«
»Weil man mich erkennt.«
»Oh … okay.«
»Und ich möchte beim Spaziergang mit Penny meine Ruhe haben, weil ich viel zu selten dazu komme, ausgiebig mit ihr spazieren zu gehen«, erklärt Cassian. »Was machst du so, Mina?«
»Ich studiere hier.«
»Stammst du aus Miami?«
»Nein, ich komme aus Chicago, aber bin zu meinem Dad gezogen, um hier studieren zu können.«
»Getrennte Eltern?«
»Mehr … oder weniger«, weiche ich aus und richte den Blick nach vorn. Cody bleibt an meiner Seite, seit ich ihn angeleint habe.
»Tut mir leid.«
»Schon okay, ich komme klar«, winke ich ab. »Was machst du so?«
»Ich bin vorletztes Jahr mit dem Studium fertig geworden und jetzt kümmere ich mich um meine Karriere.«
»Deine Karriere?«
»Ich bin Sportler.«
»Trittst du in die Fußstapfen deines Dads?«
»Nicht wirklich, ich habe mir einen anderen Sport ausgesucht.«
»Welchen?«
»Eishockey.«
»Ziemlich brutaler Sport, genauso wie Football.«
»Es geht. Man ist ganz gut gepolstert und kann Dampf ablassen«, sagt er lachend.
Ich schmunzle. »Hauptsache, es macht dir Spaß.«
»Das tut es.«
»Was hast du denn studiert?«
»Sportwissenschaften, aber ich war immer lieber aktiv, als an der Seitenlinie zu sitzen und zu analysieren.«
»Dann hast du dir ja das Richtige für dich ausgesucht.« Ich schaue zu ihm hoch und lächle ihn an.
Er erwidert es. »Ich bin auch ganz zufrieden.«
»Das ist die Hauptsache.«
* * *
Nach einer Weile verlassen wir den Park. »In welche Richtung musst du jetzt?«, erkundigt er sich.
Ich zeige nach rechts. »Und du?«
»Dort entlang.« Er deutet in die entgegengesetzte Richtung.
»Okay, man sieht sich, Cassian.« Ich führe Cody von ihm weg.
»Mina?«
Als ich ihn höre, drehe ich mich zu ihm um. »Ja?«
»Ich melde mich.«
»Ich bin gespannt.« Ich wende mich ab und mache mich auf den Weg zurück zu Dad, um meine Unitasche zu holen. Danach werde ich mit Cody nach Hause gehen und für das Abendessen sorgen. Dafür, dass Dad mich mietfrei bei sich wohnen lässt – er meint, er sei mein Vater und ich ihm keine Miete schuldig –, koche ich immer für uns, weil er damit heillos überfordert ist. Für mich bedeutet es Normalität und ich habe etwas zu tun, wenn ich nicht gerade für die Uni lerne. Außerdem habe ich dann kein ganz so schlechtes Gewissen, weil ich das Gästezimmer in Beschlag nehme. Ich meine, er ist mir nichts schuldig. Mom hatte ihn nach der Krebsdiagnose verlassen, weil sie nicht wollte, dass er ihr beim Sterben zusieht, dennoch behandelt er mich wie sein eigen Fleisch und Blut. Ich bin ihm wirklich unheimlich dankbar dafür, denn außer ihm habe ich niemanden mehr, der so etwas wie Familie ist. Na ja, seine Mom, aber das war’s dann auch. Freunde hatte ich schon in meiner Heimat nur wenige, hier welche zu finden, fällt mir verdammt schwer. Ich bin wohl nicht dafür geschaffen, soziale Kontakte zu knüpfen.
»Da bist du ja wieder«, sagt Dad, als ich nach einer Weile die Werkstatt betrete.
»Ich war doch mit Cody unterwegs«, erwidere ich irritiert und lasse meinen Hund ins Büro laufen. »Aber ich mache mich jetzt auf den Heimweg. Hast du auf irgendwas Bestimmtes Hunger?«
»Ich habe schon gegessen, Kleines.« Er schenkt mir ein Lächeln. »Wenn du möchtest, kannst du dir eine Pizza bestellen.«
Daraufhin schüttle ich den Kopf. »Nein, ich werde mir ein Sandwich machen, das reicht.« Anschließend gehe ich ins Büro, um meine Tasche zu holen.
»Mina, könntest du morgen einkaufen gehen? Ich habe mit dem Dodge alle Hände voll zu tun und werde wahrscheinlich nicht dazu kommen, weil ich nach der Arbeit mit meinen Kumpels verabredet bin.«
»Klar, kann ich machen. Brauchst du etwas Bestimmtes vom Supermarkt?«, erkundige ich mich, als ich mich zu ihm umdrehe.
Dad wischt seine öligen Hände an einem Lappen ab. »Der Zettel hängt wie immer am Kühlschrank.«
»Und Geld ist in der Keksdose?«
»Richtig«, erwiderte er lächelnd.
»Okay, ich erledige den Einkauf morgen, nachdem ich hier die Bestellungen erledigt habe.«
»Danke, Kleines.« Er beugt sich zu mir und drückt mir einen Kuss auf den Scheitel. »Nun geh schon, damit du für die Uni lernen kannst.«
Ich nicke ihm zu, pfeife und warte darauf, dass Cody zu mir kommt. »Wenn ich später nicht zu Hause bin, sind wir auf der Abendrunde.«
»Alles klar, Kleines.«
»Bis dann.« Gemeinsam mit meinem Hund verlasse ich die Werkstatt meines Dads und mache mich auf den Heimweg. Ich bin froh, dass Cody so gut erzogen ist, dass er mir nicht von der Seite weicht, denn der Verkehr in dieser Stadt ist mörderisch. Obwohl ich noch nicht lange hier bin, ist es mir schon ein paar Mal passiert, dass ich fast überfahren wurde.
* * *
Kaum betrete ich das Haus, klingelt mein Handy. »Nicht auflegen!«, bettle ich, während ich es in meiner Unitasche suche. Ich kippe sie schließlich auf dem Bett aus und finde mein Smartphone. »Hallo?«, melde ich mich, als ich den Anruf entgegengenommen habe.
»Hey, Mina, wie geht’s?«
Ich hebe eine Augenbraue. »Wer spricht denn da?«
»Sorry, ich bin’s, Cassian.«
»Oh«, stoße ich aus. »Ich habe gar nicht mit deinem Anruf gerechnet. Jedenfalls nicht so schnell«, gebe ich zu und spüre die Hitze in meinen Wangen. Glücklicherweise sieht er nicht, dass ich erröte.
»Warum nicht? Ich sagte doch, dass ich mich melde«, erwidert er und da sich der Klang seiner Stimme ein wenig verändert hat, gehe ich davon aus, dass er lächelt.
»Ja schon, aber ich dachte, dass du das nur so daher gesagt hast«, entgegne ich irritiert und setze mich auf die Bettkante. »Warum rufst du an?«
»Weil ich fragen wollte, was du heute Abend machst. Ich bin zu einer Cluberöffnung am Ocean Drive eingeladen und habe keine Begleitung.«
Mir bleibt beinahe das Herz stehen. »Ich … Äh … Was?«
Cassian wiederholt es. »Hättest du Lust?«
»Schon, aber leider keine Zeit«, entgegne ich aufrichtig. »Ich muss unbedingt für die Uni lernen, weil ich eine Mordshausaufgabe aufs Auge gedrückt bekommen habe.«
»Mhm«, gibt er nachdenklich von sich. »Schade.«
»Tut mir leid.«
»Schon gut, ich habe sowieso darüber nachgedacht, die Eröffnung sausen zu lassen und irgendwas Anderes zu unternehmen. Kannst du Hilfe bei deiner Hausaufgabe brauchen?«, erkundigt er sich.
»Nein, eigentlich nicht.«
»Verdammt«, stößt er aus. »Habe ich vielleicht den Hauch einer Chance, dich am Wochenende noch mal zu sehen?«
Ich schlucke. »Na ja, ich denke, ich werde morgen wieder mit Cody im Haulover Park sein. Später wahrscheinlich auch, weil wir immer drei große Runden am Tag gehen. Wenn du willst, könntest du uns gemeinsam mit Penny begleiten.«
Cassian atmet tief durch. »Klingt gut.« Er räuspert sich. »Soll ich dich abholen?«
»Hmpf«, mache ich nachdenklich. »Klar, wieso nicht? Ich schicke dir gleich meine Adresse, okay?«
»Sicher, um wie viel Uhr soll ich denn da sein?«
»Moment.« Ich werfe einen Blick auf die Uhr. »Wie wäre es gegen neun?«
»Passt gut. Ich werde da sein.«
»Alles klar. Bis später, Cassian.«
»Bye, Mina.« Er legt auf und ich senke verdutzt das Handy.
Wieso will er mich denn wiedersehen?
Ich bin davon ausgegangen, dass der gemeinsame Spaziergang mit unseren Hunden eher zwanghaft als zwanglos war – was womöglich daran gelegen hat, dass Cody über seine Hündin hergefallen ist. Hoffentlich wird sie nicht trächtig, denn ich habe ganz sicher nicht das Geld, mich gemeinsam mit Cassian um Hundewelpen zu kümmern. Und ich wette, Dad wäre auch nicht begeistert davon, wenn Cassian mir die Hundebabys aufs Auge drücken würde.
Kopfschüttelnd verwerfe ich die Gedanken an das, was geschehen kann, und räume meine Unitasche wieder ein, den Kleinkram jedenfalls. Die Bücher und meinen Block lege ich auf den Schreibtisch, an dem ich einen Moment später Platz nehme.
Cody legt sich auf meine Füße, die immerzu kalt sind, um sie mir zu wärmen. Seitdem er das macht, brauche ich zu Hause keine Socken mehr. Aber hier ist es wesentlich wärmer, als in meiner Heimat und somit habe ich immer wieder Angst, dass ich Käsefüße bekomme. »Meine Güte, worüber zerbreche ich mir hier eigentlich den Kopf?«, brumme ich und atme tief durch.
Ich muss diesen Stoff in den Kopf bekommen und mich konzentrieren!
* * *
Gegen sieben Uhr habe ich kapituliert und den Unikram zur Seite gelegt, danach habe ich mir etwas zu essen gemacht. Jetzt ist es halb neun und ich weiß nicht, ob ich mich umziehen soll oder nicht.
Seufzend gehe ich in mein Schlafzimmer, um mir etwas Bequemeres anzuziehen. Jeans und Bluse weichen Caprihose und Shirt, damit ich mich bewegen kann, falls Cody meint, er muss sich noch einmal nach einer Herzensdame umsehen, die er beglücken kann.
Ich schlüpfe in meine Sneaker, binde meine langen schwarzen Haare zu einem Messy Bun zusammen und laufe wieder nach unten. Es klopft an der Tür, was mich wundert, denn ich habe keine Viertelstunde gebraucht. Als ich sie erreiche, öffne ich diese und sehe mich Cassian gegenüberstehen. »Hey«, sage ich überrumpelt.
»Hi, sorry, ich bin etwas zu früh.«
»Stimmt.« Ich schaue hinter mich. »Cody!«
Mein Hund kommt sofort angelaufen.
»Möchtest du hier in der Gegend spazieren gehen oder im Park?«, erkundigt sich Cassian.
Ich neige den Kopf. »Was ist dir denn lieber?«
»Ich richte mich nach dir.«
Seufzend greife ich zu Codys Leine und taste meine Hosentaschen ab. »Kannst du einen Moment warten? Ich habe mein Handy und meinen Schlüssel oben liegen lassen.«
»Guten Abend«, sagt Dad, als er an Cassian vorbeikommt. »Oh, Mr. Sharpe, was machen Sie denn hier?«
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen. »Ihr kennt euch?«
»Mr. Sharpe ist der Kunde mit dem Dodge Viper«, antwortet er gut gelaunt und schiebt sich an mir vorbei. Hinter mir bleibt er stehen. Sicher hat er sich zu Cassian umgedreht.
»Ich gehe mit Ihrer Tochter und unseren Hunden spazieren«, antwortet Cassian freundlich.
»Ach so, dann habt einen schönen Abend«, sagt Dad und ich hole tief Luft.
»Ich bezweifle, dass ich mein Handy brauche«, wende ich mich an Cassian.
Er schenkt mir ein charmantes Lächeln. »Hol es lieber. Man weiß nie, was passiert, außerdem brauchst du deinen Schlüssel.«
»Okay. Warte kurz.« Ich befestige die Leine an Codys Halsband und drücke sie Cassian in die Hand, dann mache ich mich eilig auf den Weg nach oben. Dort stecke ich mein Handy und den Schlüssel in die Hosentaschen, auch zwanzig Dollar, falls ich Hunger oder Durst bekommen sollte, wobei Erstes wohl eher nicht eintreten wird. Dennoch stehe ich lieber auf der sicheren Seite und habe Geld bei mir, falls wir uns entscheiden sollten, einen Kaffee trinken zu gehen, damit er mich nicht einladen muss.
Als ich wieder an die Tür komme, unterhalten sich Cassian und Dad über den Dodge. Sie nehmen mich gar nicht wahr, weshalb ich mich räuspere. »Da bin ich wieder«, sage ich lächelnd, als sie mich fragend ansehen.
»Alles klar, dann viel Spaß beim Spaziergang«, entgegnet Dad gut gelaunt und drückt mir einen Kuss aufs Haar. »Passen Sie gut auf meine Kleine auf.«
»Mache ich, Mr. Fletcher.« Cassian reicht ihm die Hand, die mein Stiefvater schüttelt.
»Bis später, Mina.«
»Bye, Dad«, sage ich leise und schiebe mich an ihm vorbei nach draußen. Ich nehme Cassian die Leine ab.
Als er endlich die Tür geschlossen hat, seufze ich erleichtert.
»Dein Vater ist nett«, meint Cassian.
»Eigentlich ist er mein Stiefvater.«
»Oh okay, trotzdem ist er nett.«
»Er ist toll«, erwidere ich und ringe mir ein Lächeln ab. »Gehen wir?«, frage ich dann, als ich zum Gehweg hinter mir deute.
»Klar.« Cassian kommt gemeinsam mit Penny an Codys und meine Seite. »Wieso studierst du eigentlich in Miami und nicht in Chicago?«
»In Chicago wurde ich nicht angenommen, aber in Miami, also habe ich Dad gefragt, ob ich bei ihm einziehen darf, er sagte ja und so bin ich hier gelandet.«
»Und wegen deiner Mom, nicht wahr?«
Ich nicke. »Stimmt.«
»Woran ist sie eigentlich … Sorry, diese Frage stellt man nicht.«
Daraufhin hole ich tief Luft. »Sie hatte einen Hirntumor.«
»O Fuck.«
»Kann man so sagen«, gebe ich leise zurück und räuspere mich. Am Gehweg angekommen, wende ich mich nach links Richtung Park, weil ich keine Idee habe, wo wir sonst mit unseren Hunden spazieren gehen könnten.
»Es tut mir leid, ich hätte nicht mit dem Thema anfangen sollen, aber ich weiß nicht, worüber ich mit dir reden soll. Es scheint so, als hätten wir komplett unterschiedliche Interessen.«
Ich schnaube amüsiert und schaue zu ihm hoch, da er um einiges größer ist als ich. »Wir haben noch gar nicht über unsere Interessen gesprochen, Cassian.«
»Stimmt auch wieder.« Er schmunzelt, was ihn unheimlich niedlich wirken lässt, auch wenn er eher ein harter Kerl ist, der Eishockey spielt.
»Also, was machst du gern?«, möchte ich wissen, als wir miteinander durch die Straßen laufen.
»Sport, nicht nur Eishockey. Ich gehe auch gern laufen, boxe und habe ein Pferd.«
»Du reitest?«, frage ich überrascht.
Cassian nickt. »Ja, wieso nicht?«
Grinsend neige ich den Kopf. »Ich habe noch nie einen Mann getroffen, der gern reitet.«
»Gibt wohl immer ein erstes Mal«, kontert er lachend. »Und was machst du gern?«
»Ich liebe Bücher, deshalb studiere ich Literaturwissenschaften, und ich mag Tiere, aber Cody ist bisher mein einziges Haustier. Ich stehe auf Trödelmärkte, besuche sie ständig, und ich schaue gern Filme.«
»Du gehst nicht gern aus oder unter Leute?«
Ich winke ab. »Nicht wirklich.«
»Warum nicht?«
»Oh«, gebe ich nachdenklich von mir. Ich muss ihm nicht unbedingt auf die Nase binden, dass mich die meisten Menschen übersehen. »Ausgehen endet in unserem Alter meistens in einem Club und ich finde es dort viel zu laut. Und Menschen sind … anstrengend.«
»Menschen sind anstrengend?«
Ich nicke zustimmend. »Sehr sogar.«
»Warum denkst du so?«
Seufzend bleibe ich stehen. »Ich bin der Meinung, dass Tiere die besseren Menschen sind. Sie danken dir für jede Streicheleinheit, sie hintergehen dich nicht, sie sind immer ehrlich zu dir, und sie sind nicht nachtragend, wenn du mal einen schlechten Tag hast.«
Cassian nickt zustimmend. »Das ist wahr.«
»Und Tiere brechen dir nicht das Herz.«
»Auch wahr«, sagt er. »Penny ist die treueste Seele, die ich kenne.«
»Genauso geht’s mir mit Cody.«
Wir gehen schweigsam weiter. Leider ist es eine erdrückende Stille, weil ich glaube, mit meinen Worten etwas kaputtgemacht zu haben, andererseits ist es meine ehrliche Meinung und mit der halte ich mich nicht zurück.
* * *
»Sollen wir uns ein wenig setzen?«, fragt Cassian interessiert, als wir schon eine Weile mit den Hunden durch den Park spaziert sind.
»Klar.« Ich nehme Cody an die kurze Leine, da ich verhindern will, dass er Penny noch einmal bespringt, und nehme auf der Parkbank Platz. Mein Hund legt sich auf meine Füße.
»Wurde dir schon mal das Herz gebrochen?«, möchte er urplötzlich wissen, nachdem er sich neben mich gesetzt hat.
Ich schaue ihn ratlos an. »Wie kommst du auf diese Frage?«
Er zuckt mit den Schultern. »Na ja, du sagtest, Tiere brechen einem nicht das Herz.«
»Es ist doch so. Mein Hund hat mich noch nie enttäuscht, Menschen schon.«
»Wer hat dich enttäuscht?«, hakt er interessiert nach.
Ich seufze schwer. »Menschen, die ich für Freunde gehalten habe. Als meine Mom krank wurde, haben sich ihre Freunde größtenteils von ihr abgewandt, ich hatte nur noch ihre beste Freundin an meiner Seite, die quasi im Schichtdienst mit mir gearbeitet hat, wenn es um Moms Betreuung ging.«
»Was ist denn mit deinem Stiefvater? War er nicht für dich da?«
»Doch, aber Mom hat ihn verlassen, nachdem sie die Diagnose bekommen hat. Sie hat ihn sogar rausgeworfen und da er von hier stammt, ist er in seine Heimat zurückgekehrt. Ich stand telefonisch mit ihm in Kontakt und er hat mir geholfen, die Beerdigung vorzubereiten, bei der auch zugegen war, und er hat sich mit mir um die ganzen Formalitäten gekümmert.«
»Dann warst du also nicht ganz alleine«, stellt er fest.
»War ich nicht, aber trotzdem einsam.«
»Weil deine Mom nicht mehr bei dir war, oder?«
Ein eiskalter Schauer läuft mir über den Rücken. »Können wir das Thema wechseln?«
»Klar, tut mir leid«, antwortet er und lehnt sich zurück. Sein Blick schweift über die Gehwege. »Was machst du so, wenn du nicht gerade lernst?«
»Dann helfe ich meinem Dad in seiner Autowerkstatt.«
»Du schraubst an Autos?«, hakt er perplex nach.
Als ich ihn ansehe, zeigt seine Miene seine Überraschung. »Nein«, sage ich kichernd. »Ich helfe ihm bei der Buchhaltung und den Bestellungen, damit er ein wenig entlastet wird.«
»Hat er keinen Steuerberater oder Angestellten dafür?«
»Doch, ich leiste nur die Vorarbeit für den Steuerberater und hefte Rechnungen und so was ab. Ich mach’s ganz gern.«
»Und sonst machst du nichts außerhalb der Uni?«
»Nicht wirklich«, erwidere ich kopfschüttelnd.
Cassian hebt eine Augenbraue. »Wirklich gar nichts?«
»Nein.«
»Okay, das ist … Wow.«
»Was ist es?«
»Ich finde es krass«, sagt er schulterzuckend.
»Okay«, sage ich seufzend. »Was machst du denn alles neben dem ganzen Sport und deiner Arbeit?«
»Ich kümmere mich um meine Tiere, treffe Freunde, gehe auf Partys, ins Kino oder fliege in den Urlaub.«
»Urlaub würde ich auch gern mal machen, aber mir fehlt das Geld«, gebe ich zu. »Und im Moment steht das Studium an erster Stelle.«
»Du kannst doch in den Urlaub fliegen, wenn du Semesterferien oder das Studium hinter dir hast.«
»Dafür muss ich erst mal einen Job finden, um ihn bezahlen zu können«, erwidere ich schmunzelnd. »Aber du hast recht. Ich habe noch eine ganze Menge Zeit, um Urlaub zu machen.«
Er nickt. »Richtig.«
Ich lege den Kopf in den Nacken. Die Sonne ist inzwischen untergegangen und die Luft wird langsam frischer.
»Hättest du Lust, noch einen Kaffee trinken zu gehen?«, fragt er plötzlich.
»Und dann schweigen wir einander an?«
»Nein«, antwortet er mit geneigtem Kopf. Cassian schenkt mir ein Lächeln. »Ja oder nein?«
Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr, eines der wenigen Erbstücke, die ich von Mom habe. »Es ist spät geworden.«
»Das ist ein Grund, aber kein Hindernis.«
»Na gut, aber nur einen Kaffee und danach gehe ich nach Hause, weil ich morgen zu tun habe.«
»Was hast du denn zu tun?«
»Dinge eben.«
Cassian hebt eine Augenbraue. »Dinge?«
Ich schnaube amüsiert. »Ich helfe meinem Dad, danach muss ich einkaufen, lernen und mich an die Hausaufgabe setzen.«
»Dann sehen wir uns morgen wahrscheinlich.«
»Stimmt, der Dodge Viper, der fertig werden muss«, sinniere ich. »Dad war schon den ganzen Tag damit beschäftigt.«
»Damit habe ich fast gerechnet. Ich weiß auch nicht, was auf einmal kaputt war.«
»Ich glaube, der Nachteil ist einfach, dass der Wagen nicht mehr hergestellt wird, oder?«
»Richtig.« Cassian erhebt sich und nimmt Pennys Leine in die Hand. »Wie sieht’s mit dem Kaffee aus?«
Ich stehe ebenfalls auf. »Lass uns gehen. Kennst du ein nettes Café in der Nähe?«
»Ich kenne einige.«
»Na dann.« Ich gehe wieder an seine Seite. Cassian bietet mir seinen Arm an. Kurzerhand hake ich mich bei ihm ein. »Wie oft trainiert man eigentlich, wenn man professionell Eishockey spielt?«
»Normalerweise dreimal die Woche, vor wichtigen Spielen kann es auch häufiger vorkommen.«
»Und wie läuft so ein Training ab?«
»Man übt Torschüsse, spielt gegen Teamkameraden, macht Ausdauertraining.«
»Das klingt nach ziemlich wenig«, stelle ich fest.
»Natürlich gibt’s da noch mehr, aber ich möchte dich nicht mit Details langweilen.«
»Ich werde gern mit Details gelangweilt.«
»Okay, wie wäre es, wenn du dir mal ein Training ansiehst, das wäre Langweilen Deluxe.«
Ich lache auf. »Das bezweifle ich. Aber ich kann nur zu einem Training kommen, das nachmittags stattfindet, weil ich morgens in den Vorlesungen sitze.«
»Hast du unter der Woche gar keinen freien Vormittag?«
»Ich muss nachsehen«, antworte ich aufrichtig.
»Mach das.«
»Werde ich, sobald ich zu Hause bin, okay?«
Cassian schenkt mir ein Lächeln. »Finde ich gut und wenn wir mehr wissen, nehme ich dich einfach mal mit zu einem Training.«
Skeptisch betrachte ich ihn. »Geht das denn so einfach?«
»Klar.«
»Und wenn ich eine Spionin von einem gegnerischen Team wäre?«, hake ich lachend nach.
Daraufhin zuckt er mit den Schultern und lacht ebenfalls. »Dann ist eben unsere Spielstrategie raus.«
»Ich könnte sie ja auch ins Internet stellen«, necke ich ihn.
»Dann lass aber bitte den Sharpe-Eagle aus.«
»Den Sharpe-Eagle?«, echoe ich verdutzt. »Was soll das sein?«
»Mein besonderer Move.«
»Und wie sieht der aus?«, möchte ich wissen.
»Das siehst du, wenn du dir eins unserer Spiele ansiehst.«
Ich seufze. »Ich bin leider kein Sportfan, Cassian.«
»Vielleicht kann ich dich ja zu einem machen, auch wenn du in den letzten Minuten einen anderen Eindruck gemacht hast.«
Schmunzelnd schüttle ich den Kopf. »Das glaube ich nicht und sorry.«
»Ich nehme die Herausforderung und wette, ich schaffe es«, gibt er sich siegessicher.
»Ich werde mir dein Scheitern sehr gern von der Tribüne aus ansehen.«
»Ha!«, stößt er so laut aus, dass ich zusammenzucke.
»Was ist denn jetzt los?«, frage ich lachend.
»Du sagtest gerade, dass du dir mein Scheitern von der Tribüne aus ansehen wirst.«
Ich lache immer noch leise. »Ja und?«
»Damit hast du eingeräumt, dass du dir mindestens eines meiner Spiele ansiehst.«
Daraufhin verdrehe ich die Augen. »Ich lasse dich mal in dem Glauben.«
»Na gut.«
Wir erreichen ein Café. »Möchtest du draußen sitzen?«, erkundige ich mich.
»Wenn dir nicht kalt ist, wäre es mir lieber«, sagt er, als er zu mir hinunterschaut. »Und für die Hunde ist es auch schöner, wenn sie nicht im lauten Gastraum festsitzen.«
»Mir ist es auch ganz recht.«
Cassian sucht einen Tisch aus, um den herum ein wenig Platz ist, sodass Penny und Cody ihre Ruhe haben werden. Und ich finde es gut, da ich es auch nicht mag, zu dicht an anderen Tischen zu sitzen.
Nachdem er Kaffee für uns beide bestellt hat, sieht er mich nachdenklich an.
»Was ist?« In der Annahme, dass ich etwas im Gesicht habe, reibe ich meine Wangen.
Cassian schenkt mir ein charmantes Lächeln, das seine blauen Augen strahlen lässt. »Nichts, ich sehe dich nur an.«
Ich räuspere mich. »Okay.«
»Darf ich das nicht?«
»Doch, sicher«, erwidere ich.
»Aber?«
Ich seufze. »Nichts.« Noch ein Räuspern. »Was machen wir eigentlich, wenn Penny wirklich trächtig geworden ist?«
Was ist das denn für eine dämliche Fragestellung?
Am liebsten würde ich mir an den Kopf fassen, aber ich unterdrücke den Drang gerade noch rechtzeitig.
»Dann müssen wir uns um die Vermittlung der Welpen kümmern, wenn sie alt genug sind«, antwortet er gelassen.
»Die müssen auch versorgt werden. Impfungen, Wurmkuren und so was, das ist alles recht … kostspielig«, gebe ich zu bedenken. »Ich habe nicht so viele Ersparnisse, dass ich mich im großen Stil daran beteiligen kann.«
Cassian winkt ab. »Ich hätte ihr die Windel anziehen müssen, es ist nicht deine Schuld, dass Cody sie besprungen hat.«
»Aber es wären seine Babys.«
»Schon.«
»Das heißt, du willst dich allein darum kümmern?«
Daraufhin schüttelt er den Kopf. »Ich fände es schön, wenn du mir zumindest ein wenig zur Hand gehen würdest. Ich bin bald wieder viel unterwegs und kann dann nicht die ganze Zeit darauf warten, dass Penny die Babys bekommt. Vielleicht könntest du in der Zeit auf sie aufpassen, denn meine Mom wäre sicher überfordert, wenn Penny wirklich trächtig ist und ausgerechnet bei ihr die Babys bekommen würde.«
Ich atme tief durch. »Ich müsste mit Dad sprechen.«
»Meine Wohnung liegt recht nah am Campus, du könntest in der Zeit dort wohnen. Dann hättest du es auch näher zur Uni.«
Meine Augenbraue gleitet von selbst in die Höhe. »Du kennst mich doch gar nicht. Was machst du denn, wenn ich dir die Bude leerräume?«
Cassian lacht leise. »Schlimmstenfalls komme ich die Sachen bei dir abholen, immerhin weiß ich, wo du wohnst.«
»Touché«, entgegne ich kichernd und lehne mich zurück. »Ich denke, ich werde Penny zu mir nehmen. Da weiß ich, wo ich eine Kiste für sie aufstellen kann, aber erst mal sollten wir abwarten, ob sie wirklich trächtig ist.«
»Stimmt.«
Ich trinke einen großen Schluck Kaffee und lasse meinen Blick schweifen. »Sagst du mir Bescheid, wenn du mehr weißt?« Ich bin fest davon überzeugt, dass sich unsere Wege nach heute nicht mehr kreuzen werden. Wir haben keine Gemeinsamkeiten, außer unserer Tierliebe, dann kann eine Freundschaft wohl kaum funktionieren – jedenfalls glaube ich das.
Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile über dies und jenes, aber nicht über weltbewegende Dinge. Es ist Smalltalk, der mich schnell langweilt, jedoch zeige ich es Cassian nicht. Immer wieder wirft er einen Blick auf die Uhr, schließlich tue ich es ihm gleich. »Ich denke, ich werde mich jetzt auf den Heimweg machen.«
Er sieht mich überrascht an. »Schon?«
»Na ja, gleich ist Mitternacht und ich muss morgen früh raus«, antworte ich. »Sorry.« Ich greife in meine Hosentasche und hole den Zwanziger heraus. Danach winke ich die Bedienung heran.
»Darf’s noch etwas sein?«
»Die Rechnung bitte?«, antworte ich auf ihre Frage und warte darauf, dass sie sie holen geht.
»Alles klar. Zahlt ihr gemeinsam oder getrennt?«
»Gemeinsam«, erwidert Cassian, während ich »getrennt« sage. Er neigt den Kopf. »Ich lade dich ein.«
»Danke«, sage ich seufzend und stecke den Geldschein wieder ein.
* * *
»Danke für den schönen Abend, Mina«, sagt Cassian, nachdem wir bei mir angekommen sind.
»Ich danke dir auch«, entgegne ich und hole den Haustürschlüssel heraus. »Meldest du dich wegen Penny?«
Er nickt. »Klar, darf ich mich sonst auch melden?«
»Sicher«, antworte ich überfordert. »Also dann, wir sehen uns.«
Cassian ergreift meine Hand und zieht mich sanft zurück. »Sehen wir uns wieder?«
Mein Mund klappt auf und zu, als wäre ich ein Fisch auf dem Trockenen, der um Sauerstoff ringt.
»Hm?«
Ich schnappe nach Luft. »Ja … äh … klar, wieso nicht?«
»Das frage ich dich«, sagt er lächelnd und sieht mir in die Augen. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass deine Augen wie Smaragde wirken?«
Daraufhin schüttle ich den Kopf. »Nicht wirklich, aber das wäre auch ziemlich kitschig.«
Seine Mundwinkel zucken, jedoch zeigt er mir diesmal kein Lächeln. »Tut mir leid, manchmal habe ich … kitschige Anfälle.«
Schmunzelnd neige ich den Kopf. »Gut zu wissen.«
Cassian hebt seine Hand an meine Wange. »Tut mir leid«, raunt er.
»Na gut, also, wir sehen uns.« Ich trete einen Schritt nach hinten, stolpere fast über meinen Hund, aber fange mich rechtzeitig. »Bis bald, Cassian.«
»Bis bald, Mina.« Er schenkt mir ein sanftes Lächeln, dann wendet er sich ab und macht sich gemeinsam mit Penny auf den Weg.
Seufzend drehe ich mich weg und verschwinde ins Haus. Ich hänge Codys Leine weg und lasse ihn laufen.
* * *
Cassian hat sich nicht mehr gemeldet und wenn ich versucht habe, ihn anzurufen, landete ich auf der Mailbox. Ich weiß nicht, warum ich ihn nicht erreichen kann, aber ich war sowieso davon überzeugt, dass wir uns nach dem gemeinsamen Abendspaziergang nicht wiedersehen würden.
Ich habe gerade die Vorlesung verlassen und genieße die frische Luft, nachdem ich den ganzen Tag in Hörsälen verbracht habe. Dad hat mir sein altes Auto geschenkt, das er ein bisschen aufgemotzt hat, allerdings fallen ständig irgendwelche Reparaturen an, die dafür verantwortlich sind, dass ich es lieber stehen lasse. Außer heute, weil ich spät dran war.
Als ich zu meinem Wagen gehe, sehe ich, dass ein paar Jungs vom Footballteam daran gelehnt stehen. Ich atme tief durch, laufe weiter und schließe das Auto auf. »Sorry, könntet ihr bitte von meinem Auto weggehen? Sonst kann ich nicht losfahren.«
Sie ignorieren mich.
Ich schnaube, steige ein und haue mit voller Wucht auf die Hupe.
Sie springen regelrecht von der Motorhaube.
Genervt kurble ich das Fenster runter und beuge mich raus. »Das nächste Mal lehnt euch an eure Autos!« Ich starte den Motor und manövriere den Wagen aus der Parklücke. Diese Footballspieler denken immer, dass ihnen die Welt gehört, und das kann ich auf den Tod nicht ausstehen.
* * *
»Dad?«, rufe ich in die Werkstatt.
Cole, sein einziger Angestellter, kommt unter einem Wagen hervor. »Leroy macht gerade eine Spritztour mit einer Kundin.«
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen. »Eine Spritztour?«
»Ja, die Dame war der Überzeugung, dass sie Klopfgeräusche hört und nachdem Leroy nichts gefunden hat, wollte sie unbedingt, dass er sie auf eine Spritztour begleitet, damit er es auch hört.«
»Ah ja«, erwidere ich. »Wo ist Cody?«
»Liegt im Büro in seinem Körbchen.«
»Okay, dann hole ich ihn mal und mache mich auf den Heimweg.«
Er nickt mir zu. »Ich sage Leroy Bescheid.«
»Danke, Cole.« Ich schenke ihm ein Lächeln, anschließend wende ich mich ab, um meinen Hund zu holen. Ich bin froh, dass Cody nicht den ganzen Tag zu Hause herumsitzt, sondern Dad die Möglichkeit hat, ihn mitzunehmen. Ich würde ihn ja sogar in die Uni mitnehmen, allerdings dürfte ich das nur, wenn er mein eingetragenes Begleittier wäre.
»Komm, Dicker!«, rufe ich, als ich die Bürotür öffne. Cody springt sofort auf und rennt auf mich zu. »Ich habe dich auch vermisst.« Ich streichle ihn hinter den Ohren und kraule ihn, was ihn zum Brummen bringt. »Du wärst besser ein Schweinchen geworden, so wie du grunzt«, stelle ich kichernd fest und richte mich auf. »Komm, wir fahren nach Hause.« Ich lasse ihn an mir vorbeigehen und mache mich gemeinsam mit ihm auf den Weg zu meinem Auto. Nachdem ich Cody auf den Beifahrersitz gelassen und mit seinem Geschirr angeschnallt habe, habe ich hinter dem Steuer Platz genommen.
Ich starte den Motor und manövriere meinen Wagen aus der Parklücke. Während ich fahre, klingelt mein Handy. Dummerweise habe ich keine Freisprechanlage, weshalb ich den Anruf nicht entgegennehmen kann. Wenn es wichtig ist, wird die Person noch mal anrufen oder ich rufe einfach zurück. Weil der Verkehr stockend ist, mache ich das Radio an.
»Nun zu den Sportnachrichten. Cassian Sharpe, der Erfolgsstürmer der Miami Bats, hat heute seine Vertragsverlängerung unterschrieben. Damit ist das Zittern vorbei und der Erfolgsstürmer bleibt uns für mindestens eine weitere Saison erhalten«, sagt der Sprecher.
»Wie schön, dass er uns erhalten bleibt, nicht wahr?«, wende ich mich voller Sarkasmus an Cody.
Mein Hund dreht den Kopf ein wenig und scheint mich zu fragen, ob das mein Ernst ist. Was soll ich sagen? Er ist nun mal mein einziger Vertrauter, also unterhalte ich mich auch mit ihm.
* * *
Eine gottverdammte Stunde haben wir nach Hause gebraucht und dann habe ich nicht mal sofort einen Parkplatz gefunden. Ich bin genervt und mein Tag ist gelaufen, aber ich bin meinem Hund noch seinen Spaziergang schuldig. Normalerweise drehe ich immer große Runden durch den Park, da ich aber keine Lust habe, noch mal dorthin zu laufen, muss er sich heute mit einer großen Runde durch die Siedlung zufriedengeben.
Cody läuft ein paar Meter vor mir, als wir nach Hause gehen. Ich werfe indes einen Blick auf mein Handy. Ich kenne die Nummer nicht, weshalb ich die Rufnummerübertragung deaktiviere und zurückrufe. In meiner unmittelbaren Nähe klingelt ein Telefon und als ich mich Dads Haus nähere, sehe ich auch, wessen Smartphone es ist.
Cassians.
»Hallo?«, meldet er sich.
Seufzend lege ich auf, stecke mein iPhone weg und gehe auf ihn zu. »Dass ich dich noch mal wiedersehe.«
Er dreht sich zu mir um und lächelt mich an. »Hey, sorry, ich war ziemlich eingespannt und dann wurde mir auch noch mein Handy geklaut.«
Ich nicke langsam. »Schon gut, du bist mir keine Rechenschaft schuldig.«
Cassian atmet tief durch. »Ich wollte dir bloß mitteilen, dass Penny wirklich trächtig ist.«
»Oh«, stoße ich aus. »Tut mir leid.«
»Und ich brauche Hilfe bei ihrer Versorgung. Das Ganze scheint, sie mitzunehmen, und ich bin viel unterwegs.«
»Ich muss zur Uni.«
»Für vormittags habe ich jemanden, es geht um die Nachmittage und du könntest sie doch mitnehmen, wenn du mit Cody spazieren gehst.«
»Mhm.«
»Du würdest mir einen Riesengefallen tun und ich würde es dir auch bezahlen.«
Ich winke ab. »Da mein Hund das Ganze verschuldet hat, will ich kein Geld dafür, Cassian. Wir waren uns einig, dass wir uns gemeinsam um sie kümmern.« Ich räuspere mich. »Und Glückwunsch zur Vertragsverlängerung.«
»Danke, aber woher weißt du davon?«
»Ich habe es vorhin im Radio gehört.« Ich ziehe den Schulterriemen meiner Tasche höher. »Sei mir nicht böse, aber es war ein langer Tag und ich muss noch eine Runde mit Cody gehen.«
»Darf ich euch begleiten? Penny sitzt im Auto und es wird ihr guttun, ein wenig zu laufen«, sagt er.
»Okay, möchtest du kurz reinkommen oder wartest du?«
»Ich hole Penny, dann komme ich mit rein. Ich stehe seit einer Stunde hier und hoffe darauf, dass du nach Hause kommst.«
»Oh«, stoße ich überrascht aus. »Ich lasse die Tür auf, komm einfach rein.«
»Alles klar.«
Unsere Wege trennen sich und ich mache mich auf den Weg ins Haus. Die Tür lehne ich an, damit er hereinkommen kann, anschließend laufe ich nach oben. Da ich mir in der Mittagspause das Kleid versaut habe, als ich meinen Kaffee verschüttet habe, muss ich mich umziehen.
Ich hole eine Dreiviertelhose aus dem Kleiderschrank, ebenso ein Top. Danach ziehe ich das Kleid und die Jeansjacke aus.
»Mina?«
»Ich bin oben in meinem Zimmer.«
Schritte nähern sich.
»Und ich bin nicht angezogen, warte bitte im Flur!«, rufe ich ihm zu.
»Oh, alles klar.«
Ich steige schnell in die Hose und ziehe das Top über, danach schlüpfe ich wieder in die Ballerinas. Als ich die Tür öffne, steht Cassian davor.
»Tut mir leid, ich wollte nicht herumstreunen, deshalb dachte ich, ich komme zu dir nach oben«, erklärt er und ich sehe einen roten Schein auf seinen Wangen.
»Schon okay.« Als ich an ihm vorbei in den Flur möchte, bleibt er im Weg stehen. »Wir sollten los, ich will nicht ewig draußen sein.«
Cassian nimmt mein Gesicht in seine Hände und sieht mir in die Augen. »Ich habe dich vermisst.«
Irritiert hebe ich eine Augenbraue. »Du hättest jederzeit herkommen oder meinen Dad in der Werkstatt anrufen können. Er hätte dir meine Handynummer gegeben.«
Er schüttelt den Kopf. »Das habe ich getan, er hat sie mir nicht gegeben und herkommen konnte ich nicht.«
»Okay.« Ich halte den Blick in seine Augen und hole tief Luft. »Könntest du mich jetzt los…« Weiter komme ich nicht, weil er mich küsst. Cassians Kuss ist sanft, nicht fordernd, dennoch überfällt er mich damit. Ich entziehe mich ihm. »Warum hast du das getan?«
»Weil ich seit Wochen nur an dich denken kann.«
»Na dann.« Wieder möchte ich an ihm vorbeigehen, aber er ist wie ein Fels – unerschütterlich. »Können wir bitte rausgehen?«
Er räuspert sich. »Klar.«
Aus Sicherheitsgründen halte ich Abstand zu ihm, damit er mich nicht noch einmal küsst. Meine Lippen pulsieren immer noch von seinem Kuss und es hat sich schön angefühlt, aber ich kenne ihn gar nicht. »Cody!«
Mein Hund kommt sofort angelaufen, Penny sitzt am Fuß der Treppe, wo Cody schwanzwedelnd wartet.
»Mina?«
»Ja?«
Cassian kommt vor mich und sieht mich reuevoll an. »Es tut mir leid.«
»Schon gut.«
»Was ich dich damals schon fragen wollte …«, beginnt er und ich hebe eine Augenbraue. »Würdest du vielleicht mal mit mir ausgehen? Ich weiß, du bist kein Fan davon, aber ich dachte ans Kino oder so.«
»Ich habe in nächster Zeit ziemlich viel zu lernen.«
Cassian betrachtet mich skeptisch. »Du willst mir aus dem Weg gehen, nicht wahr?«
»Merkt man das?«, frage ich ertappt und spüre die Hitze in meine Wangen steigen.
»Ein bisschen vielleicht.« Er lächelt. »Wir könnten auch einen Filmabend machen. Hier oder bei mir. Bei mir könnte ich dir gleich alles zeigen, damit du dich auskennst, wenn du auf Penny aufpasst.«
Ich stoße seufzend die Luft aus. »Ein Filmabend klingt gut.«
»Okay, heute Abend?«
Daraufhin schüttle ich den Kopf. »Heute nicht, ich bin fix und fertig.«
Cassian wirkt unzufrieden, weshalb ich einlenke und ihm den morgigen Abend anbiete. »Klingt gut. Gegen acht?«
Ich nicke ihm zu. »Das ist machbar, aber es kann sein, dass ich ein bisschen später komme.«
»Damit kann ich leben.«
»Also, morgen«, bestätige ich und schnappe mir Codys Leine. »Können wir gehen? Ich muss gleich noch lernen.«
»Klar.«
Gemeinsam verlassen wir das Haus und ich stecke den Schlüssel in meine Hosentasche. Das Handy habe ich in der Gesäßtasche. »Hast du vorhin versucht, mich anzurufen?«, erkundige ich mich.
»Ja, weil ich endlich in die Cloud kam und die Kontakte herunterladen konnte.«
»Ich saß im Auto, sonst hätte ich den Anruf angenommen.«
»Warst du der Anrufer, der wieder aufgelegt hat?«, möchte er nun wissen.
Ich grinse verlegen. »Ja, aber nur, weil ich gesehen habe, dass du derjenige bist, der den Anruf angenommen hat. Sonst hätte ich etwas gesagt.«
Er nickt. »Warum hattest du die Rufnummernübertragung aus?«
»Das ist so eine Angewohnheit, wenn ich eine Nummer nicht kenne und zurückrufe, will ich nicht, dass derjenige weiß, dass ich es bin.«
Cassian schmunzelt. »Gut zu wissen. Sollte sich meine Nummer noch einmal ändern, schreibe ich dir eine Nachricht.«
»Das ist eine gute Idee«, stimme ich gut gelaunt zu. Dass er mich vorhin geküsst hat, ist erst mal vergessen. Ich hoffe nur, dass er keinen weiteren Annäherungsversuch unternimmt. Er ist nett und ich finde ihn sympathisch, aber ich will keine Nummer in seinem Buch der One-Night-Stands oder so sein. Zwar weiß ich nicht, ob er überhaupt in Miamis Betten herumkommt, aber einen erfolgreichen Mann wie ihn, hat man nie für sich allein. Und ich möchte mich nicht ständig mit anderen Frauen messen müssen. Vor allem sehen die wesentlich besser als ich aus, denn ich mache nicht besonders viel aus mir. Farbenfrohe Kleidung trage ich auch nicht. Ich bin eben gern für mich, eine stille Zeitgenossin und mag es nicht, wenn ich zu viele Menschen um mich herum habe.
»Was für Filme schaust du?«, möchte er wissen, als wir langsam durch die Straße gehen.
»Das ist unterschiedlich«, erwidere ich. »Mal schaue ich gern Thriller, mal Horrorfilme, manchmal auch Romanzen.« Ich schaue zu ihm hoch, da er wesentlich größer als ich ist. Sein Kinn ist durch ein Grübchen geteilt und wenn er lächelt, hat er auch welche auf den Wangen, was sein markantes Gesicht etwas weicher wirken lässt. »Und du?«
»Sportfilme.«
»Das war irgendwie klar.«
»Ja, es gibt allerdings ziemlich wenige übers Eishockey.«
»Dafür eine Menge über Football«, halte ich dagegen. »Da fällt mir ein, dass ich Daddy ohne Plan echt lustig fand.«
»Der war wirklich lustig.«
»Durftest du als Kind auch in die Mannschaftskabine deines Dads?«, frage ich interessiert.
»Ja, ich war ständig dort, weil er mich immer zum Training mitgenommen hat. Als Teenager auch noch, weil er alles dafür getan hat, dass ich mal in seine Fußstapfen trete, aber ich habe lieber Hockey gespielt«, erzählt er gut gelaunt.
»War dein Dad enttäuscht?«
»Er war sogar fuchsteufelswild«, antwortet er lachend. »Er verstand nicht, warum ich das Footballteam sausen ließ, weil ich lieber Eishockey gespielt habe.«
»Aber jetzt versteht ihr euch wieder?«
Cassian nickt. »Ja, wir sind ein gut eingespieltes Team.«
»Klingt sportlich«, stelle ich fest.
»Höre ich da Sarkasmus?«, hakt er lauernd aber grinsend nach.
»Ein bisschen vielleicht«, necke ich ihn.
* * *
Der Spaziergang war ungezwungener als der letzte. Wir haben viel gelacht und in seiner Gegenwart fühlte ich mich heute wohler als vor einem Monat. Inzwischen haben wir uns voneinander verabschiedet. Cassian hatte angeboten, mich morgen abzuholen, aber da ich ihm keine Umstände machen will, werde ich mit meinem Auto zu ihm fahren. Er wohnt mitten in Coral Gables, was ein gutes Stück von mir weg ist. Morgens fahre ich meistens mit dem Bus zur Uni, nachmittags mache ich den Umweg über Dads Werkstatt, um Cody zu holen, einen Spaziergang mit ihm zu machen und dann nach Hause zu gehen. Ich könnte auch zu ihm laufen, allerdings bin ich an den Wochenenden immer extrem faul veranlagt.
»Hey, Kleines«, sagt Dad, als er nach Hause kommt.
Ich war stundenlang mit Cassian unterwegs und brüte nun über meinen Büchern. Ich hebe den Blick und nehme die Brille ab. »Hey, Dad.« Ich stehe auf, gehe zu ihm und drücke ihn. »Wie war die Spritztour mit der Kundin?«
Er verdreht die Augen.