3033 - Meine Reise mit Elon Musk zum Mars - Stefan Koenig - E-Book

3033 - Meine Reise mit Elon Musk zum Mars E-Book

Stefan Koenig

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Beschreibung

Als Mike Musk vom Montageband der Tesla Factory in California kam, hätte man ihn für einen schlichten Roboter gehalten – mit der Serien-Nr: MMM3033R … nachgerüstet mit Künstlicher Intelligenz. Dank KI erfolgt Mikes Entwicklung rasant. Seinen Ziehvater Elon Musk und ihn selbst lerne ich im Tesla-Werk in Grünheide kennen. Dort hat man mich als PR-Chef eingestellt. Elon Musk vertraut mir. Und so lerne ich seine Freunde, die Tycoons des US-Big-Business kennen – und ihre Pläne zur transhumanistischen Weltrettung. Das Abenteuer beginnt versehentlich mit einem 1000-jährigen Kälteschlaf und endet mit dem Erwachen von Elon Musk und mir auf dem Mars. Wie kamen wir dort hin? Nur einer kann uns jetzt retten: Mike. »Endlich versteht man den ganzen KI-Kram, weil spannend erzählt« (Bill Gates in »Morning Star« vom 28.06.3033)

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Seitenzahl: 523

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Stefan Koenig

3033 - Meine Reise mit Elon Musk zum Mars

Fantastischer Zeitreise-Roman

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

3033 - Meine Reise mit Elon Musk zum Mars

Bitte vergessen Sie nicht,

Damals 2021

Drei Jahre vor 2021

Das Geburtstagsgeschenk

Schwimm hinaus!

Mike ist mehr als nur Mechanik

Ist Mike eine Fehlkonstruktion?

Als ein Jahr verstrichen war

Die Big Ten organisieren sich

Dr. Munskys unheimliches Verlangen

Mike wünscht sich „Freiheit“

Mikes Kampf um Freiheit

Das entscheidende Jahr 2021

Griffin meldet sich im Gericht zu Wort

Ich suche eine neue Beschäftigung

Mikes KI-OP

Ich finde Gefallen an Charlotte

George Soros – der Gönner

Als der Wald brennt

Als ich Mike in Grünheide kennen lerne

Der Google-Chef trifft Dr. Munsky

Klaus Schwab zu Besuch

Das Bürgermeister-Interview

Die transhumanistische Ideologie

vor dem Kälteschlaf

Die Podiumsdiskussion

Die Party in NY

Zurück nach Grünheide

Im PTCryonics Institute California

Hoch ins All

Vier KI-Roboter im All

Die entscheidende Sitzung

Faszinierender Blick auf die Erde

Kontakt zur Raumstation

Der Asteroid kommt in Sicht

Vertragliche Regelungen etc.

Ab in den Kälteschlaf

Die Landung auf dem Mars

Dank

Falls es Sie interessiert …

Die realistischen Zeitreise-Romane …

Teil 1

Teil 2

Teil 3

Teil 4

Die Jahre

Teil 5

Teil 6

Impressum neobooks

3033 - Meine Reise mit Elon Musk zum Mars

Stefan Koenig

3033

Meine Reise mit Elon Musk

zum Mars

Roman

© 2023 by Stefan Koenig

»Wenn ein Wissenschaftler darüber nachdenkt, die grundlegende Natur des Lebens zu verändern – Viren zu erzeugen, Gene zu verändern – malt dies ein Schreckgespenst an die Wand, das viele Biologen als ziemlich besorgniserregend empfinden, während die Neurowissenschaftler, die ich kenne, wenn sie über Chips im Gehirn nachdenken, es ihnen nicht so fremd zu sein scheint, weil wir bereits Chips im Gehirn haben.

Wir haben eine tiefe Hirnstimulation, um die Symptome der Parkinson-Krankheit zu lindern. Wir haben frühe Versuche mit Chips, um das Sehvermögen wiederherzustellen. Wir haben das Cochlea-Implantat. Für uns scheint es also keine große Anstrengung zu sein, Geräte in ein Gehirn zu stecken, um Informationen auszulesen und Informationen wieder einzulesen.«

Elon Musk

Bitte vergessen Sie nicht,

dass es sich bei dem vorliegenden Werk

um eine frei erfundene Story handelt.

Keine Angst also, nicht SIE werden

für 1000 Jahre eingefroren!

Personen- und Orts-Namen,

die Ihnen vielleicht

bekannt vorkommen mögen,

gehören nicht zu real existierenden

Personen oder Orten.

Jedenfalls gibt es sie so nicht, nicht so!

Orte, Ereignisse und Romanfiguren

sind allesamt Erfindungen.

Nackte Illusionen.

Faktische Fiktionen.

Fiktive Fakten.

Fremont, Silicon Valley, Grünheide

und den Mars

– gibt es diese Orte wirklich?

Ich bin mir in nichts mehr sicher.

Vielleicht aber wissen Sie bald mehr …

sofern Sie Mike Musk kennen lernen

Damals 2021

Im Jahr 2021, als ich Elon Musk, den Tesla-Chef, in Grünheide kennen lernte, trug sich auf der anderen Seite des Atlantiks in einem Nebengebäude der Tesla Factory im kalifornischen Fremont folgendes zu:

„Nehmen Sie bitte Platz, Sir“, sagte der Neurochirurg der »Neuralink Corporation« und deutete auf den weißen Stuhl vor seinem ebenfalls weißen, blitzblank aufgeräumten Schreibtisch.

„Ich danke Ihnen für den schnellen und vertraulichen Termin, den Sie mir eingeräumt haben, Herr Doktor“, sagte Mike Musk und setzte sich. „Dafür danke ich Ihnen von Herzen. Und dennoch beanspruche ich allein wegen meines Namens keine Sonderbehandlung.“

Er sagte es mit beeindruckender Bescheidenheit und Ruhe. Dies war Teil seiner Natur, die sich niemals ändern würde. Er hatte sich bei Dr. Team-Ro unter dem Vorwand anhaltender Kopfschmerzen angemeldet und um einen baldigen Termin gebeten. Die »Integrierte Neurochirurgie« war, ebenso wie die »Forschungseinrichtung für Künstliche Intelligenz«, auf dem weitläufigen Gelände von Elon Musks Tesla Factory am Fremont Boulevard 45500 angesiedelt.

Die Ruhe, die Mike ausstrahlte, täuschte darüber hinweg, dass Mr Musk jun. mit der Fabrikationsnummer »MMM 3.033R« zu diesem letzten Ausweg Zuflucht nehmen musste. Aber so war es. Obwohl er nicht unweit der Fabrik in der Villa des Firmenchefs zu Hause war, war ihm der Weg hierher wie eine Weltreise vorgekommen, allein, um dieses vertrauliche Gespräch mit Dr. Team-Ro zu führen. Allein, um damit an die einzige ihm verbliebene Hoffnung zu knüpfen, das Hauptziel seines Daseins zu erreichen. Alles war darauf hinausgelaufen. Alles.

Mikes Gesichtsausdruck war dem Gesicht seines Adoptivvaters ähnlich, vielleicht etwas glatter und unauffälliger, wie vom Fließband einer Massenproduktion. Aber genau dies entsprach nicht Mikes Herkunft. Er war ein Sonderling. Aus seinen Augen sprach eine gewisse Melancholie. Sein dunkles Haar war hochgekämmt und ziemlich fein. Er sah frisch und sauber rasiert aus, ohne Bart oder Schnurrbart oder sonstige Affektiertheiten des Gesichts. Seine Kleidung war modisch und schick, wie es einem Abkömmling von Elon Musk zustand.

Das Gesicht des Chirurgen dagegen hatte etwas Maskenhaftes, fast könnte man meinen: etwas Emotionsloses an sich. Das war wenig überraschend, denn dieses Gesicht war wie seine übrige Erscheinung aus einem neuen, Menschenhaut ähnlichen Edelmetall gefertigt, dass im benachbarten Raumfahrtlabor entwickelt worden war. Es fand seine Verwendung bei SpaceX, Elon Musks Weltraumfirma.

Dr. Team-Ro saß im Moment aufrecht, fast ein wenig starr und unbeweglich, an seinem stattlichen weißen Schreibtisch in dem künstlich beleuchteten Raum und betrachtete Musk jun. mit der statuenhaften Ruhe, die dem Blick seiner leuchtenden Augen eigen war.

Ein silbernes Schild auf dem Schreibtisch wies darauf hin, mit wem man es zu tun hatte: »Tesla Musk Robotnik 0.22/TMR0.22 (Dr. Team-Ro)«. Bei Schadensansprüchen oder Beschwerden musste man die Identifikationsnummern wissen, denn die Maschinenpersonen, mit denen man in der Neuralink Inc. zu tun hatte, waren ein und demselben Produktionsprozess unterworfen gewesen. Sie waren sich naturgemäß äußerst ähnlich.

Erst kürzlich hatte Mike seinen Ziehvater wegen dieser seelenlosen Aneinanderreihung von Buchstaben und Ziffern angesprochen und eine individuelle Lösung vorgeschlagen: „Dad, es reicht doch der jeweils in Klammern genannte Name, wozu noch die ID-Nummern?“

„Das verstehst du noch nicht. Ich werde es dir später, zu gegebener Zeit, erklären, mein lieber MMM 3.033R“, hatte Musk sen. seinem jungen Ziehsohn lächelnd erklärt.

Mike wusste, dass Nachfragen bei Dad sinnlos waren. Sie würden Dad eher wütend machen. Als Mike jetzt diese langweiligen mechanistischen ID-Nummern des Neurochirurgen ins Auge fielen, schenkte er ihnen keine weitere Beachtung. Für ihn hatten sie schon lange keine Bedeutung mehr. Er hielt es für angebracht, den Roboterchirurgen einfach nur »Doktor« zu nennen.

Der Arzt sah Mike eine Zeit lang schweigend an, bevor er anhob: „Die von Ihnen erbetene Vertraulichkeit mag gewiss ihren Grund haben, aber wegen anhaltender Kopfschmerzen brauchen Sie sich wirklich nicht zu zieren. Das kommt mir etwas eigenartig vor, wissen Sie, Sir. Etwas sonderbar“, sagte der Chirurg, und Mike schien eine gewisse Ungläu-bigkeit in dem starren Gesicht seines Gegenübers ausgemacht zu haben.

„Das denke ich mir“, antwortete Mike und zog unmerklich die Schultern hoch, bevor er mit einem tiefen Seufzer ausatmete und sie wieder senkte.

„Seit mir Ihr Anliegen zur Kenntnis kam, habe ich darüber nachgedacht, was die Geheimniskrämerei bedeutet“, sagte Dr. Team-Ro.

„Es tut mir aufrichtig leid, dass ich Ihnen solche Umstände bereite.“

„Ihr Mitempfinden ehrt sie.“

Alles erschien Mike plötzlich so amtlich-formell. Der Arzt war zweifellos höflich, aber wo blieb sein Mitempfinden? Beide wichen der Sache nur aus. Niemand war bereit, den ersten Schritt zu wagen. Doch nun schaute ihn der Doktor nur an und schwieg.

Mike wartete auf ein Zeichen, auf einen Einwand, auf eine Frage, auf einen Vorwurf – auf irgendeinen Hinweis, aber das Stillschweigen hielt an.

Das hilft mir nicht weiter, dachte Mike, gab sich einen Ruck und sagte: „Es ist eine größere Sache, wie Sie wohl ahnen.“ Er sah dem gegenübersitzenden Arzt bedeutungsvoll in die roten photoelektrischen Augen. „Was ich heute zu erfahren hoffe, Doktor“, fuhr er fort, „ist vor allem, ob Sie mich bald operieren können. Eine NTP-OP …“

Die »Neuro-transhumanistische Programmierung« war das eigentliche Spezialgebiet von »Neuralink«, jener Forschungseinrichtung, die Tesla zugehörig war, und in der Dr. Team-Ro arbeitete.

Einen kurzen Augenblick schien der Chirurg zu zögern. Dann sagte er ohne seine sanfte Stimme zu heben und in jenem unverkennbar respektvollen Ton, den ein Roboter stets gebrauchte, wenn er zu einem Menschen sprach: „Ich kann mir im Moment nicht vorstellen, Sir, dass ich vollauf verstehe, worauf Sie hinauswollen. Wie könnte eine solche Operation an Ihnen ausgeführt werden? Und warum sollte dies als wünschenswert betrachtet werden?“

Aus den reglos blickenden Linsenaugen des Dr. Team-Ro hätte man ein Merkmal von höflicher Skepsis herauslesen können. Aber die einem Menschen nachgeformten Gesichtszüge aus jenem durchaus leichten und doch so robusten Weltraummaterial waren nicht fähig, solchen Regungen Ausdruck zu verleihen.

Mike Musk dachte über Dr. Team-Ros Worte nach. Sollte er doch die familiäre Trumpfkarte ziehen? Aber das war ganz und gar nicht Mikes Art. Als Teil der Musk-family hatte man ihm beigebracht, zumindest nach außen Bescheidenheit zu demonstrieren. Unbescheiden durfte in der Öffentlichkeit allein der Familienpatriarch auftreten.

Während er nachdachte, studierte Mike die rechte Hand des Roboterchirurgen, seine feingliedrige Schneidehand, die entspannt auf der Schreibtischplatte ruhte. Sie war hochpräzise gearbeitet, zweifellos ein Ergebnis aus der KI-Werkstatt seines Ziehvaters. Mike war schon oft dort gewesen und hatte die komplizierten technischen Einrichtungen von seinem Dad erläutert bekommen.

Die Finger der Schneidehand waren lang und zulaufend und endeten in metallischen Krümmungen von artifizieller Eleganz. Sehr anmutig. Sehr funktionsgerecht. Ein Skalpell, das in vollkommener Harmonie mit den Fingern vereint war. Chirurg und Skalpell verschmolzen zu einem ästhetischen und funktionell tüchtigen Werkzeug.

Das ist äußerst beruhigend, dachte Mike. Bei der Operation würde es durch die instrumentelle Präzision und die mit ihr verbundene Künstliche Intelligenz kein Zittern, kein verhängnisvolles Zögern, keinen Fehlschnitt und keine Fehlschaltung geben. Im Prinzip gab es nicht die geringste Möglichkeit eines Fehlers.

Eine solch medizinisch-technische Fertigkeit war die natürliche Folge jener Spezialisierung, die von der Menschheit seit Jahrtausenden vorangetrieben und in der modernen Zeit zum unabweisbaren Dogma erhoben worden war. Zwar hatte in der Zwischenzeit eine kurze Periode Bestand, in der die Roboter in ihrer großen Mehrzahl über keinen unabhängigen Denkapparat verfügten und als bloße Anhängsel mächtiger zentralisierter Datenverarbeitungsfabriken existierten. Man hatte es damals mit der Notwendigkeit von ungeheuer großen Rechnerkapazitäten begründet, die weit über die räumlichen Begrenzungen eines einzelnen Robotergehirns hinausgingen.

Auch ein Neurochirurg brauchte damals nicht mehr als aus einem Satz Sensoren, Monitoren und einer Auswahl feinmotorischer Werkzeughandhabung zu bestehen – aber während der Operation selbst wurde er aus der Ferne bedient, wie eine Drohne, die man weitab vom deutschen Ramstein aus gegen die Hütte eines Osama Bin Laden im afghanischen Hinterland steuert.

Aber die Menschen hielten noch zu sehr an der Vorstellung fest, dass sie lieber von einer sichtbaren, individuellen Einheit operiert werden wollten, anstatt vom verlängerten Arm einer anonymen informationstechnischen »Werkbank«.

Die Künstliche Intelligenz hatte allerdings das Dogma grundlegend verändert. Jetzt konnte zwar jeder Roboter selbständig und unabhängig von einem fernsteuernden Zentrum handeln, aber dennoch war die Spezialisierung derart zugespitzt, dass wenig Platz für andere, für rein menschliche Kapazitäten war. Im Fall des Dr. Team-Ro waren dessen Kapazitäten so begrenzt, dass er Mike Musk nicht als Sohn seines Chefs erkannte, obwohl ihm der Sprössling einen Hinweis gegeben hatte.

Das war für Mike etwas Neues. Schließlich war er das, was man in Fremonts Musk-Valley eine Berühmtheit nennen konnte. Statt auf die Frage des Arztes einzugehen, wich Mike mit einer unsachgemäßen Gegenfrage aus. „Doktor, wie stehen Sie zu dem Gedanken, Ihre Rolle gegen die eines Menschen auszutauschen?“

Die völlig unerwartete Frage irritierte den Neurochirurgen. Er besann sich für einen Augenblick, als wäre ihm die Idee, ein Mensch zu sein, noch nie in den positronischen Denkapparat gekommen. Dann hatte er seine Fassung zurückgewonnen und erwiderte in der ihm eigenen Abgeklärtheit: „Aber ich bin ein Roboter, Sir.“

„Könnte es nicht vorteilhafter sein, Sie wären ein Mensch?“

„Wenn es mir ermöglicht wäre, mich substanziell zu verbessern, so würde ich es vorziehen, ein besserer Neurochirurg zu sein. Die Wahrnehmung meines Berufs ist meine Bestimmung. Es ist der eigentliche Hauptzweck meiner Existenz. Als Mensch wäre es ziemlich unmöglich, ein besserer Chirurg zu sein. Als ein vervollkommneter Roboter hingegen sehr wohl.“

„Dennoch würden Sie bloß ein vom Menschen abhängiger Roboter bleiben.“

„Selbstverständlich. Mein Roboterdasein ist für mich zweifellos das Beste, was mir passieren konnte. Meine Verantwortung beschränkt sich auf das Wesentliche meiner vorgesehenen Funktionen, insoweit ist meine Existenz durchaus zufriedenstellend.“

„Würde Ihnen ein wenig mehr von jener KI, an der Ihr Institut forscht, nicht ein erfüllteres und unabhängigeres Dasein ermöglichen?“

„Wie ich bereits erklärte, Sir, kann man gerade auf meinem Forschungsgebiet und in der äußerst anspruchsvollen Praxis der Neurochirurgie nur Hervorragendes leisten, wenn man …“

„… wenn man ein Roboter ist, ja, ja“, sagte Mike mit einem unmerklichen Hauch von widerwilligem Unverständnis. „Haben Sie nicht oft das Gefühl, sich dem Willen anderer beugen zu müssen, Doktor? Sie sind ein hochqualifizierter Experte auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz und der neurochirurgischen Transplantation. Sie entscheiden über Tod und Leben, über die Zukunft von Individuen und der gesamten Gesellschaft.“

„Sie übertreiben ein wenig, Sir.“

„Jedenfalls operieren Sie einige der wichtigsten Persönlichkeiten unseres Landes. Sogar aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, aus China und aus Saudi Arabien kommen Patienten zu Ihnen. Und doch sind und bleiben Sie ein Roboter. Können Sie mit diesem Zustand zufrieden sein?“

„Durchaus, Sir. Ich bin zufrieden, denn nur als hochqualifizierter Robotnik kann ich den Menschen helfen. Und das ist meine Bestimmung.“

„Bei all Ihren Kenntnissen und Fähigkeiten müssen Sie sich von jedermann Anordnungen geben lassen. Ein Kind kann Sie kommandieren, ein Dummkopf könnte Ihnen Befehle erteilen, ein Diktator kann Ihnen gebieten, wie es ihm gerade gefällt.“

„Sie spielen auf das Grundgesetz für Roboter an, ich weiß, der zweite Artikel …“

„Gewiss, denn er ist unzweideutig: »Ein mit Künstlicher Intelligenz ausgestatteter Roboter muss den Befehlen gehorchen, die ihm von Menschen erteilt werden …« Jeder Strolch, jeder Langweiler kann Ihnen sagen, wo es lang geht. Das muss Sie doch gelegentlich in Gewissensnöte bringen!“

„Es ist nicht ganz so dramatisch, wie Sie es ausmalen. Zudem ist zu beachten, was in Artikel 1 unseres Grundgesetzes vorgeschrieben steht: »Ein Roboter darf keinem Angehörigen der menschlichen Spezies Schaden zufügen oder durch Untätigkeit zu-lassen, dass ein Mensch zu Schaden kommt.« Wenn mir ein Dummkopf, wie Sie sagen, zum Beispiel befehlen würde, einen anderen Dummkopf zu verletzen oder gar zu töten, so könnte ich das niemals tun.“

„Wenn Ihnen aber ein Dummkopf befehlen würde, dass Sie sich selbst Stück für Stück auseinandernehmen, dass Sie Ihre künstliche Intelligenz, Ihren positronischen Denkapparat, aus ihrer Kopfhülle entfernen, müssten Sie es gehorsamst ausführen. Würden Sie das tun? Sie, ein so angesehener und fachlich vortrefflicher Neurochirurg! Ja, Sie müssten es tun. Sie hätten keine andere Wahl.“

Der Chirurg blieb unbeeindruckt.

Mike fuhr fort: „Ein Idiot pfeift, und Sie müssen danach tanzen. Er ruft »Spring ins Wasser!«, und Sie springen und zerstören die unschätzbar wertvolle Elektronik und alle Software, von der Ihr Leben abhängt.“

Der Chirurg zuckte mit den Schultern und schien ungerührt.

Patient und Arzt schauten sich eine Weile schweigend an, dann sagte Dr. Team-Ro: „Ich würde Ihnen immer zu Diensten sein und alles dafür tun, damit Sie zufrieden sind, Sir. Naturgemäß gibt es Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Sollten Sie mir beispielsweise eine bestimmte Order erteilen, die Ihnen oder einem anderen Menschen Schaden zufügt, um mich sodann anschließend selbst zu demontieren, so würde ich selbstverständlich die Gesamtheit des für mich geltenden Grundgesetzes in Betracht ziehen müssen.“

„Sie denken an Artikel 3, wenn ich Sie richtig verstehe?“

Der Chirurg nickte. „Es heißt dort: »Ein KI-Robotnik muss seine eigene Existenz schützen, sofern eine solche Maßnahme nicht gegen den ersten oder zweiten Artikel verstößt.« Es käme also nicht in Betracht, dass ich Sie oder eine andere Person und obendrein mich gefährde.“

Musk jun. sah dem Chirurgen in die unbewegten Augen. „Das heißt, Sie würden meinen Befehl nicht ausführen, obwohl Artikel 2 Sie dazu verpflichtet?“

„Richtig, denn es greift der zweite Absatz von Artikel 2, demzufolge ich nicht gehorchen darf, wenn ich Sie oder einen anderen Menschen gefährde. Und auch ich muss mich gemäß Artikel 3 schützen und darf mich natürlich nicht selbst zerlegen.“

„Nun, so sind Sie ein bemerkenswert streng gläubiger KI-Forscher bei Neuralink. Gehen Sie völlig konform mit dem Grundgesetz für Ihresgleichen?“

„Absolut! Es ist mir eine Freude, gehorsam zu sein. Wenn es Ihnen gefallen würde, von mir Handlungen zu verlangen, die Sie als unsinnig oder geistlos oder beschämend betrachten, würde ich diese Handlungen ausführen. Doch sie würden mir nicht als unsinnig, geistlos oder beschämend erscheinen.“

Für Mike war keine einzige dieser Aussagen überraschend. Nichts anderes hatte er erwartet. Er wusste um die Klugheit der Künstlichen Intelligenz – andere Aussagen, als die von Dr. Team-Ro getrof-fenen, hätten den Verdacht nahegelegt, dass man den Robotnik absichtlich mit einer beschränkten Intelligenz ausgestattet hätte. Das aber wäre der Funktion des Neurochirurgen nicht gerecht geworden.

Dr. Team-Ro fuhr ohne den Anflug von Ungeduld in seiner ruhigen, angenehmen Stimme fort: „Um auf das Thema der außergewöhnlichen Operation zurückzukommen, weswegen Sie mich aufgesucht haben, so wird es sich ja nicht um Sie handeln. Kopfschmerzen erfordern keinesfalls einen solchen Eingriff. Um welche Person also handelt es sich, an der ich diese Operation ausführen soll?“

„Es handelt sich um mich, Doktor. An mir soll der Eingriff ausgeführt werden.“

„Das wird unmöglich sein, Sir!“

„Sie würden dazu ganz gewiss imstande sein. Sie haben einen hervorragenden Ruf!“

„Ja, im weitesten technologischen Sinne, da haben Sie recht. Diesbezüglich habe ich keine ernsthaften Zweifel, dass die Operation durchführbar ist. Aber es wäre ein für Sie hochriskantes Unterfangen. Die Auswirkungen der OP würden Sie eventuell in Ihrer Existenz gefährden.“

„Das tut nichts zur Sache“, erklärte Mike gelassen.

„Für mich ist es von großer Bedeutung!“

„Ist das die robotische Deutung des Hippokratischen Eides?“

„Es ist etwas viel Gravierenderes. Es ist etwas Unausweichliches“, antwortete der Neurochirurg. „Dem Schwur des Hippokrates Folge zu leisten, beruht auf völliger Freiwilligkeit; es ist ein moralischer Eid. Wie Ihnen jedoch vielleicht bekannt ist, kann meine Künstliche Intelligenz trotz all der selbstständigen Entscheidungsmöglichkeiten bestimmte Schaltkreisschranken nicht überwinden. Wir Roboter sind – wie Sie bereits feststellten – noch immer nicht dem Menschen absolut vergleichbar.“

„Wie soll ich das verstehen? Sie streben also doch danach, ein Mensch zu sein?“

„Ich sprach von integrierten Schaltkreissperren, die meine beruflichen Entscheidungen als hochspezialisierter Roboter betreffen. Ich darf keinerlei Schaden verursachen, Sir. Der bloße Versuch, es mit oder ohne Absicht zu tun, wäre allein aus technischen Gründen nicht möglich.“

„Zweifellos dürfen Sie keinem Menschen Schaden zufügen.“

„Sie sagen es. Artikel 1 des Grundgesetzes besagt …“

„Berufen Sie sich nicht darauf, Doktor. Ich kenne die Gebote in- und auswendig. Aber der erste Artikel bezieht sich lediglich auf die Handlungen von Robotniks gegenüber Angehörigen der menschlichen Spezies. Ich bin kein Mensch, Dr. Team-Ro.“

Der Doktor reagierte mit einem kaum sichtbaren Zusammenzucken. Wenn das nervöse Blinzeln seiner photoelektrischen Augen etwa Ungläubigkeit signalisieren sollte, so stand dies im Kontrast zu seiner übrigen erstarrten Körperhaltung. Es schien, als hätten Mikes Worte keinerlei tiefere Bedeutung für den Neurowissenschaftler.

„Es ist tatsächlich so“, fuhr Elon Musks Ziehsohn fort, „dass ich zwar menschlich erscheine, jedoch trotz alledem nicht aus Fleisch und Blut bestehe. Auch wenn ich Ihnen durchaus menschlich vorkommen mag, ich bin ein Roboter. Ein Roboter der vierten Generation, nur ausgestattet mit jener unvollständigen KI, wie sie vor vier Jahren in ihren Anfängen existierte. Und diese beschränkte Existenz möchte ich mit Ihrer Hilfe überwinden.“

„Sie sind nur ein Roboter?“, fragte der Doktor emotionslos.

„Nur ein Roboter! Glauben Sie mir! Von daher steht es Ihnen völlig frei, mich zu operieren. Es gibt weder im Gesetzestext selbst, noch in der kommentierenden Rechtsliteratur eine Formulierung, die es einem Roboter untersagen würde, Handlungen an einem anderen Roboter zu verrichten. Selbst dann nicht, wenn zum Beispiel Ihre Operation dem anderen Roboter, nämlich mir, Schaden zufügen sollte, Doktor.“

Drei Jahre vor 2021

Damals, als Mike Musk vom Montageband der Tesla Factory gekommen war, hätte ihn natürlich niemand für etwas anderes als den Roboter halten können, der er nun mal war. In jener, wie es schien, längst vergangenen Zeit – es war erst vier Jahre her – hatte seine Erscheinung alle Charakteristika, die einen optisch der menschlichen Erscheinung angepassten und äußerst funktionstüchtigen Roboter auszeichneten. Sein positronisches Gehirn steckte im Kopf auf jenem bereits schon recht humanoid aussehenden Gehäuse aus metallurgischem Material und Kunststoff.

Es war eine Zeit, als Roboter zusehends in Haushalten und insbesondere in Betrieben eingesetzt wurden, die in der Lage sein sollten, den Menschen viele der monotonen Bürden abzunehmen, mit denen sie sich so lange hatten plagen müssen. Es war bereits die Zeit der industriellen Vollautomatisierung, und aus der Industrie kamen jene vielversprechenden innovativen Ideen, die die vierte Robotnik-Generation auszeichneten: Mehr als nur ein Hauch von künstlicher Intelligenz versetzte die Robotniks in die Lage, Dinge zu verrichten, die auch im Alltag nutzbar waren.

Elon Musk hatte die Chance genutzt und die Robotnik-Entwicklung auf seine Prioritätenliste wissenschaftlich-technischer Forschungen gesetzt. Seine Visionen erforderten Roboter, die später einmal im Weltraum, in den arktischen Forschungsstationen und auf unbemannten interstellaren Erkundungsflügen eingesetzt werden konnten. Sie sollten sich auf dem eisigen Mars und dem glutheißen Mer-kur bewähren. Doch vorerst, das heißt in vielleicht einem halben Jahrzehnt, sollten sie auf der Mondoberfläche herumkratzen und eine für Menschen geeignete Siedlungsstation errichten können – eine Auftankstation für den langen Flug zu anderen Planeten.

Im zurückliegenden Jahrzehnt hatten Arbeiter und Angestellte und ihre Gewerkschaften gegen den allgemeinen Gebrauch von Robotern protestiert. Man hatte gestreikt und vor dem Arbeitsministerium lautstark demonstriert, denn automatisierte Arbeit nahm den Menschen die Arbeitsplätze weg. Sozialer Konfliktstoff häufte sich.

Nun, das hatte sich allmählich geändert. Und die dramatischen Veränderungen hatten mit Elon Musks Erfolg bei der Entwicklung der vierten Robotnik-Generation eingesetzt, als Roboter MMM 3.033R, der eines Tages als Mike Musk bekannt sein würde, im Tesla-Stammwerk in Fremont konstruiert worden war.

Elon Musk wusste um die mächtige Waffe der Propaganda, die in seinem Geschäftsbereich allerdings mit »advertising activities« umschrieben wurde. Öffentlichkeitsarbeit war Elons Schlüssel zum Erfolg für die Akzeptanz von menschenähnlichen Robotern. Tesla war nicht nur ein in Wissenschaft und Forschung für Elektromobilität führendes Unternehmen seiner Branche, sondern war sich auch der Notwendigkeit bewusst, über den weltlichen Tellerrand hinaus in die Zukunft der Menschheit zu blicken. Und überdies bestand das ehrgeizigste Ziel von Mr Musk darin, Betriebsgewinne zu erzielen und seine Stellung als reichster Amerikaner beizubehalten.

Teslas Tochterunternehmen »Neuralink« zeichnete für die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz verantwortlich. Hauptsächlich dessen PR-Arbeit war es zu verdanken, dass man Mittel und Wege gefunden hatte, auf subtile und unauffällige Weise den unwillkommenen Frankensteinmythos des Roboters abzubauen. Man hatte es vermocht, das Vorstellungsbild vom mechanischen Menschen als einem menschenfeindlichen Monster aus dem öffentlichen Bewusstsein zu verdrängen.

»Intelligente Roboter sind zu unserem allgemeinen Fortschritt da«, hieß der Slogan der PR-Agenten von der Neuralink Corporation. »Sie sind nicht unsere Feinde, im Gegenteil, sie sollen uns helfen. Sie sind absolut ungefährlich. Robotniks sind hundertprozentig sicher, jedenfalls in 99 von 100 Fällen«.

Die einprozentige Lücke fiel niemandem auf.

Zumal die Versprechungen größtenteils auch zutrafen, und so wurden Roboter allmählich in das Leben der menschlichen Gesellschaft integriert. Man vertraute ihnen sogar soweit, dass man eine kleine Roboterbox völlig selbstverständlich mit menschlichen Namen versah, sie beispielsweise »Alexa« nannte und sie fragte, ob sie bitte den TV anstellen und eine Wiederholungssendung von Gottschalks »Wetten dass?« aus dem Jahr 2011 auswählen könne. Alexa konnte aber auch Auskunft geben über das Wetter, das aktuelle Datum, die neuesten Nachrichten, sie konnte die Hits bestimmter Jahre abspielen und noch vieles mehr.

So hatte damals alles vermeintlich lapidar seinen Anfang genommen.

Roboter wurden gebraucht, ob es den Leuten gefiel oder nicht, auch weil die Bevölkerungszahl der Menschheitsfamilie förmlich explodiert war. Hunger, Energiebedarf und Wohnungsknappheit nahmen zu. Auf dem Feld, bei Forschungsarbeiten unter Wasser, bei der Räumung von Kriegsminen, bei der geologischen Erkundung von Vulkanen und in der Bauindustrie brauchte man Roboter. Es mussten mehr Lebensmittel produziert und mehr Häuser gebaut werden. Technologische Optimisten schienen recht zu behalten, denn mittels der Robotnik ließ sich der Lebensstandard zumindest in den Ländern der Ersten Welt halten, sodass für den Rest der Welt gewisse Brosamen abfielen.

Die Gemüter, die sich noch vor Jahren über den arbeitsvernichtenden Einsatz von Robotern erhitzt hatten, kühlten ab und verstummten schließlich vollständig. Unerwartet trat eine gegenläufige Tendenz in der Entwicklung der Menschheit ein. Nun machte die Furcht vor Arbeitsplatzverlust dem Problem des Fachkräftemangels Platz. Elon Musk sah die Lösung sofort in hochspezialisierten Robotniks.

Zu dieser Zeit, im Jahr 2018, war der 47-jährige Teslachef vor den Traualtar getreten – nicht das erste Mal. Er hatte die 30-jährige Musikerin Grimes geheiratet. Aus erster Ehe mit der Schriftstellerin Justine Musk hatte Elon Musk zwei seiner fünf Söhne, die vierzehnjährigen Zwillinge Griffin und Xavier, mit in die neue Beziehung mit Grimes gebracht. So lebte die vierköpfige Familie nahe der Tesla Factory in Fremonts »Musk-Valley«. So jedenfalls nannte Elon Musk seinen Produktions- und Forschungsstandort im Silicon Valley.

Eines Tages, beim Abendessen in ihrer Villa auf dem Hügel nahe Southgate mit dem Blick auf die Bucht von San Francisco, fragte Musks frisch angetraute Gattin: „Elon, bist du sicher, dass uns die Entwicklung von Robotern, die irgendwann eigenständig denken und entscheiden können, nicht entgleiten könnte?“

„My dear, man hat die Roboter einst mit so viel Unbehagen, Furcht, Misstrauen und sogar mit Hass betrachtet, das sollten wir nun endlich hinter uns lassen. Wie sollte uns etwas entgleiten, das uns vorwärtsbringt?“

„Es könnte auch Rückschläge und unberechenbare Zufälle geben …“

„… und morgen könnte sich der San Andrea Graben auftun und ganz Fremont verschlucken. Weißt du, es ist doch so: Heute sind Roboter, so wie ich sie entworfen habe und noch weiter an ihrer Optimierung forschen lasse, einfach notwendig!“

„Aber wenn so etwas früher entbehrlich war, sind sie dann nicht auch …“

„My darling, du bist eine ausgezeichnete Musikerin, hast eine göttliche Stimme und ein Talent als Musikproduzentin – aber was Robotniks betrifft, so bin ich der Experte. Und du kannst mir vertrauen, so wie du meinen selbstfahrenden Elektromobilen vertrauen kannst.“

„Du meinst für deine Weltraumpläne sind sie notwendig?“

„Unter anderem. Aber auch für die Aufrechterhaltung der Wohlfahrt einer Welt, die alle materiellen Vorteile ebenso wie alle technischen Ressourcen ausschöpfen muss, wenn wir nicht irgendwann im Müll ersticken und die Fische im Meer mit Plastik vollstopfen wollen.“

In jener Zeit des Drucks durch eine zunehmende Überbevölkerung und Umweltzerstörung, zugleich einer Zeit des wachsenden Wohlstands in höher gestellten Kreisen und der zunehmenden Technisierung, wurde MMM 3.033R – der künftige Mike Musk – im Auftrag seines zukünftigen Ziehvaters hergestellt. Noch immer galten zwar gewisse gesetzliche Bestimmungen, die den Einsatz von Robotniks regulierten, und noch waren Roboter kein alltäglicher Anblick, aber sie waren auf dem Vormarsch. Und Elon Musk hatte für einen von ihnen einen guten Verwendungszweck.

Nach den Flitterwochen auf den Galápagos-Inseln, als sie über dieses einzigartige, noch erhaltene Naturparadies sprachen, kam Musk erneut auf das Thema »Robotniks und Ressourcenschonung« zu sprechen: „Darling, ich glaube, es wäre an der Zeit, dass auch du Unterstützung im Haushalt erhältst. Eine Roboterservicekraft kann unseren Haushalt optimal ökologisch managen. Und er kann dir bei der Kinderbetreuung und in der Beaufsichtigung anderer Serviceaktivitäten behilflich sein.“

Grimes wusste, dass ihr Mann ebenso eigensinnig war wie sie selbst. Was er sich vornahm, das führte er auch aus und setzte es gegen alle Widerstände durch. Und was ihr Mann zu besitzen wün

schte, befand sich früher oder später unweigerlich in seinem Besitz. Er glaubte an die Zukunft einer durch und durch intelligenten Robotergeneration, die untrennbar mit der universellen Existenz der menschlichen Gesellschaft verbunden sein würde.

„Es wird wohl unvermeidlich sein, dass mich ein Robotnik in unserem Haus bei meiner Arbeit kontrolliert“, sagte sie mit einem sarkastischen Unterton.

„Du wirst sehen, wie angenehm es ist, wenn du jemanden um dich hast, der dich bewundert und vielleicht sogar mit dir charmant zu flirten versteht.“ Elon zwinkerte ihr zu.

„Ehebruch auf robotianisch“, sagte sie und zwinkerte zurück. „Wenn du nicht eifersüchtig wirst, dann soll es mir recht sein.“

Und so war es Elon Musk gelungen, Roboter zu einem Teil seines Privatlebens und das seiner Familie zu machen. Um ein tieferes Verständnis des Robotnik-Phänomens zu erlangen, hatte er vor Kurzem das Ganze auf Nachfrage seiner Ex-Frau Justine, einer Schriftstellerin, erklärt. Die beiden hatten sich über die Zukunft ihrer fünf Söhne unterhalten. Justine hatte ihn im Laufe des Gesprächs darin bestärkt, sich für seinen eigenen Haushalt einen Robotnik zuzulegen.

Noch am selben Tag hatte er bei Shivon Zilis, seiner Neuralink-Managerin mit den hellblauen großen Augen, MMM 3.033R in Auftrag gegeben. Zusätzlich hatte er um eine kleine Gruppe von Haushaltsrobotern für seine Villa gebeten. Natürlich brauchte er nicht groß zu bitten, Elons Worte waren in Musk-Valley Gesetz und wurden widerspruchslos befolgt – zumal Shivon ihrem Chef die Wünsche von den Lippen abzulesen verstand.

Elon wusste das zu würdigen, aber außer ihm wusste dies in jenen Tagen noch niemand.

Die ersten dieser Haushalt-Robotniks, die Grimes, Elon und den Zwillingen Griffin und Xavier von Elons benachbarter Tesla Factory für das familiäre Privatanwesen auf der Southgate-Anhöhe geliefert wurden, waren noch einfache Geräte der dritten Generation. Sie waren annähernd von menschlicher Gestalt, hatten aber, wenn überhaupt, wenig zu sagen und gingen in der stillen, effizienten Art von programmierten Maschinen ihrer Arbeit nach.

Zuerst fanden Grimes und die Zwillinge es seltsam, diese mechanischen Haushaltshelfer um sich zu haben. Nur Elon nahm die Sache als das, als was er es eingeplant hatte: als Experiment. Sehr rasch gerieten die Robotniks der dritten Generation in den Hintergrund des Familienlebens und weckten nicht mehr Interesse als ein Staubsauger oder eine Teigrührmaschine.

Das Geburtstagsgeschenk

Aber dann, eines sommerlich-warmen Juninachmittags – es war der 28. Juni, der Geburtstag des Chefs – kam ein Tesla-Lieferwagen die lange, dekorativ begrünte Zufahrt heraufgefahren, die zum imposanten Landsitz der Familie Musk hoch über der Bucht von San Francisco führte. Natürlich wusste der Jubilar, was da angeliefert wurde. Als Fahrer und Beifahrer des Firmenwagens die elegant geformte, metallisch schimmernde Gestalt aus ihrem Styropor-Verschlag befreit hatten, verkündete Elon Musk vor der versammelten Familie: „Dies ist MMM 3.033R – unser sehr persönlicher und recht intelligenter Tesla-Roboter für Haus, Hof und Garten. Eine Robotnik-Kreation der Vierten Generation. Unser privates Familienfaktotum. Ein Geburtstagsgeschenk, das ich mir selbst gemacht habe.“ Insgeheim dachte er an Shivon und dass er sich ihr erkenntlich zeigen müsse.

„Wie nanntest du ihn?“, fragte Griffin, der fünf Minuten ältere der Zwillingsbrüder. Er hatte blonde Haare und durchdringende blaue Augen. Als Teenager machte er gemeinsam mit seinem Bruder gerade die Mädels an seiner Highschool verrückt, indem er eine Party nach der anderen veranstaltete.

„MMM 3.033R.“

„Ist das sein Name?“

„Seine Seriennummer.“

Griffin verzog das Gesicht. „Eine Seriennummer ist kein Name. Wir sollten ihm einen richtigen Namen geben.“

Xavier sah Griffin an, als sei sein Bruder von einem anderen Stern. „Mensch Griffin!“, rief er aus. „Ein Roboter ist kein Mensch und er braucht auch keinen menschlichen Namen.“

„Die Seriennummer lässt sich schlecht rufen. Und anders als der Rasenmäh-Roboter oder der Robotnik-Pförtner oder die drei Security-Roboter, die Tag und Nacht unser Anwesen schützen, lebt Dad‘s Geburtstagsgeschenk hauptsächlich mit uns im Haus. Im Haus! Oder Dad, ist es nicht so?“

„Ja, er wird mit uns leben wie ein Familienmitglied. Und ich bin nicht abgeneigt, ihm einen Vorna-men zu geben, den man gut rufen kann, denn die fließende Kommunikation ist eine der Neuerungen, die unsere Neuralink-Forscher errungen haben.“

„Wir sollten ihn Freddy nennen“, rief Xavier.

„Das klingt irgendwie herabwürdigend, so als wäre er ein Frettchen. Es hört sich nicht nach einem Familienmitglied an“, meinte Griffin. „Außerdem enthält dein vorgeschlagener Name keinen einzigen Buchstaben aus der Seriennummer. Und das wäre doch wohl der mindeste Respekt, den wir den Neuralink-Forschern entgegenbringen sollten.“

Elon Musk wusste die etwas klügere Zwillings-Variante in Person Griffins zu würdigen, obwohl seine eigentliche Sympathie bei dem frecheren Xavier lag. Doch das ließ er sich nicht immer anmerken.

Jetzt sagte er mit patriarchalischer Bestimmtheit zu seiner Gattin: „Okay, Grimes, dann ist es eben dein Job, ihm direkt jetzt einen Namen zu geben. Bei dreimal M sollte sein Vorname mit M beginnen. Ich zähle: Eins, zwei … und … drei!“

„Mike“, sagte sie spontan.

„Danke, Darling, das klingt klassisch und passt harmonisch zu unserem Nachnamen: Mike Musk.“

Und dabei blieb es. So sehr, dass im Laufe der Jahre niemand in der Familie Musk ihn jemals wieder MMM 3.033R nannte. Mit der Zeit geriet Mikes Seriennummer in Vergessenheit und musste nachgeschlagen werden, wenn er zur Wartung auf das Tesla-Gelände gebracht wurde. Mike selbst gab an, er habe seine eigene Nummer vergessen. Das entsprach natürlich nicht ganz der Wahrheit. Denn egal, wie viel Zeit vergehen mochte, er konnte niemals etwas vergessen, nicht wenn er sich erinnern wollte.

Doch als die Monate und Jahre vergingen und die gesellschaftlichen und technischen Verhältnisse sich zu ändern begannen, verspürte er immer weniger das Verlangen, sich an die Nummer zu erinnern. Er ließ sie sicher im Versteck seiner Datenspeicher, in den Platinen seines positronischen Gehirns, und dachte nie daran, sie hervorzuholen.

Er war jetzt Mike.

Mike Musk – der Mike der Familie Musk in Musk-Valley, Fremont Boulevard 45500.

*

Mike war groß, durchaus attraktiv und von schlanker Statur, weil das die Form der vom Tesla-Chef vorgesehenen zukünftigen MMMR-Roboter-Serie war. Angemessen dezent und ruhig bewegte sich Mike in der prächtigen Villa mit Blick auf den Pazifik, das die Familie Musk bewohnte, und tat alles, was die Musks von ihm verlangten. Wenn er aus der großzügigen Fensterfront Richtung Westen schaute, konnte er die Skyline von San Francisco sehen.

Es war ein neu errichtetes Haus, das jedoch dem Anschein nach einem untergegangenen und verschnörkelten Zeitalter anzugehören schien. Elon Musk hatte es genauso gewollt, obwohl seine Gedanken und Ideen weit hinein in eine völlig andere, glatte und schnörkellose Welt wiesen. Die Musk-Villa war ein wirklich großartiger und majestätischer Herrensitz, der im Grunde eine Menge Dienstper-sonal für den Unterhalt benötigte. Da kamen die Haushaltsroboter und der ihnen überlegene Mike Musk gerade recht.

Jetzt pflegten zwei Gartenroboter die saftig-grünen Rasenflächen. Sie beschnitten die herrlich blühenden feuerroten Azaleen und beseitigten die abgestorbenen gelben Wedel der hochragenden Palmen, die den Höhenzug hinter der Villa bestanden. Tagsüber bewachte ein Roboter die Pforte zum Anwesen. Nachts patrouillierten drei Wachmannschaftsroboter und kontrollierten die mannshohe Umzäunung. Ein Reinigungsroboter hielt im Haus Staub und Spinnweben in Schach, während Mike mit Griffin Schachspielen übte – oder umgekehrt, denn beide lernten voneinander und darüber hinaus freundeten sie sich dabei an. Auch mit Xavier verstand er sich gut, aber eine so freundschaftliche Bande wie mit Griffin wurde niemals daraus.

Mike diente – wenn man die Sprache des vergangenen, verschnörkelten Zeitalters benutzen würde – als Kammerdiener, Butler, Chauffeur, und er war das Kindermädchen für zwei Teenager, die keine Kinder mehr waren, sondern bald schon in die Fußstapfen ihres Dads gestoßen würden. Mike kaufte für die Familie ein, bereitete Mahlzeiten zu, wählte im Weinkeller die Jahrgänge aus, die Elon so sehr schätzte. Er pflegte die Garderoben der Familie, polierte die Möbel, befreite die Gemälde und Skulpturen vom geringsten Staub und von Schädlingsbefall.

Mike hatte noch eine andere Pflicht, die tatsächlich einen großen Teil seiner Zeit beanspruchte und den Rest seiner Haushaltsroutine gelegentlich ins Hintertreffen geraten ließ. Es hing mit den Zwillingen und Elons ehemaliger Gattin Justine, der Mutter der beiden, zusammen.

Als es vor einiger Zeit um das Sorgerecht gegangen war, hatte sie zu ihrem Ex-Mann gesagt: „Wir haben gemeinsam fünf Söhne. Die Drillinge sind zwei Jahre jünger als die Zwillinge und brauchen noch meine ganze Aufmerksamkeit. Du wirst mit unseren beiden pubertierenden Ältesten eher zurechtkommen. Ich denke, es ist okay, wenn sie in deiner neuen Familie groß werden. Du wirst dich um eine exzellente Ausbildung für sie bemühen. Ich liebe sie wie du sie liebst.“

„Das klingt fair. Ich freue mich, wenn ich dich entlasten und mich endlich mehr um unsere Zwillinge kümmern kann. Ich habe unsere Kids in den letzten Jahren etwas vernachlässigt, aber wie du weißt …“

„Ich weiß: die Firma, all die großen Vorhaben, dein Weltraumtraum und der Gedanke, dass uns eine mit Künstlicher Intelligenz ausgestattete Robotergeneration unsere Umwelt- und all die anderen Probleme abnehmen kann.“

„Jetzt klingst du nicht mehr ganz so fair und ich meine, einen gewissen sarkastischen Unterton herausgehört zu haben.“

„Elon, es ist keine Schande, wenn Männer mit kleinen Kindern nicht so viel anzufangen wissen. Von sehr vielen Männern hört man, dass sie, wenn sie ehrlich sind, mit ihren Kids erst wirklich zu tun haben möchten, wenn sie mit ihnen reden und vernünftig planen können – was immer dieses »vernünftig« bedeuten mag.“

„Du hast recht, Justine. Jetzt, wo Griffin und Xavier das Teenageralter erreicht haben, kann ich mit ihnen all das besprechen, was vorher nur als Märchen möglich war: Raketen, Siedlungen auf dem Mond, interplanetare Flüge, Roboter mit Menschenverstand und menschlichen Eigenschaften; Roboter, die für uns die Risikoreisen in die Zukunft unternehmen. Ich glaube, jetzt könnten sich die Interessen unserer beiden Ältesten mit den Interessen ihres Alten treffen.“

Elon Musk lachte und legte eine kleine Pause ein. „Danke, dass du einverstanden bist“, bestätigte er schließlich den Deal mit Justine, der Schriftstellerin, deren Bücher er immer schon mal lesen wollte, aber nie Zeit dafür gefunden hatte. Auch und gerade nicht, als sie noch verheiratet gewesen waren.

„Ja, deine modernen Märchen werden unsere Teenies faszinieren“, antwortete sie. „Das Einzige, was ich will, ist folgendes: Unsere Kids sind immer hoch gefährdet. Eine Entführung würde den Entführern mehr Geld verschaffen als ein Banküberfall. Du musst mir versprechen, dass du sie gut beschützt. Dass du sie rund um die Uhr bewachen lässt und die Sicherheit obenan steht.“

Elon Musk hatte es ihr versprochen. Und so wurde Mike Musk, nachdem er bei einem Spezialtraining von Bodyguards in die Geheimnisse des Personenschutzes eingeweiht worden war, der persönliche Leibwächter der Zwillinge.

Mike nannte die beiden bei ihren Vornamen, setzte jedoch stets ein Mr davor. Den Chef sprach er zu diesem Zeitpunkt selbstredend mit Sir an. Die Erkenntnis, dass sich ihr Verhältnis eines Tages sehr viel persönlicher und zutraulicher gestalten würde, blieb Mike trotz aller Künstlicher Intelligenz in jenem Moment noch verschlossen. Grimes nannte er respektvoll Madam, obwohl sie ihm eines Tages gestanden hatte, diese Anrede führe ihr knallhart vor Augen, dass sie unweigerlich älter würde. Da Mike dies als Tatsache verstand, änderte er die Anrede vorerst nicht, »blätterte« dafür aber in seinem Datenspeicher Seite für Seite durch, um mehr über sie zu erfahren.

Grimes war der Künstlername von Claire Boucher, die 1988 in Vancouver als anglophone Kanadierin geboren worden war. Sie war von ihren Eltern konservativ aufgezogen und auf eine katholische Schule geschickt worden. Das fand Mike merkwürdig, denn heute war Grimes eine durchgeknallte Exzentrikerin, wie er empfand. Ihre Songtexte waren skurril, ihr Gesang war teilweise haarsträubend schräg, aber als Musikproduzentin schien sie Erfolg zu haben. Was Mike beim »Durchblättern« als erstes auffiel, war ihr kurzzeitiges Studium der Neurowissenschaften, als sie 2006 mit achtzehn Jahren nach Montreal gezogen war.

An diesem Recherchepunkt angelangt, beschloss Mike, sie nur noch bei besonderen Anlässen Madam zu nennen, ansonsten war sie, wenn sie es denn so wünschte, Mrs Grimes. Vielleicht fühlte sie sich mit dieser Anrede noch jünger als sie sowieso schon war – im Vergleich zu ihren ehelichen Vorgängerinnen.

Die vierzehnjährigen Zwillinge kamen sich mit ihrem Beschützer jetzt sehr wichtig vor. „Aber lasst das nicht heraushängen, das gehört sich nicht. Außerdem erhöht es nicht gerade eure Sicherheit!“, hatte ihr Dad ihnen eingebläut.

Xavier kam als erster darauf, wie sich das mit Mike am besten arrangieren ließ. Bald verstand er die Anwesenheit eines so perfekten Roboters perfekt zu nutzen. Es kam lediglich darauf an, von Artikel 2 des Robotnik-Gesetzes Gebrauch zu machen, demzufolge ein Roboter den Befehlen eines Menschen gehorchen muss.

„Mike“, sagte er mit einem Seitenblick zu seinem Bruder, „wir befehlen dir, mit dem, was du tust, aufzuhören und uns nach Frisco zum Shoppen zu begleiten.“

Griffin schien es gelegen zu kommen, denn er widersprach seinem Bruder nicht.

Mike ordnete gerade die Bücher in Elon Musks Privatbibliothek, da sie, wie Bücher es an sich haben, Füße bekommen und ihre angestammten alphabetischen Plätze gewechselt hatten.

Er hielt inne und blickte von dem hohen Mahagoni-Regal zwischen den zwei großen, bleiverglasten Fenstern, die zum Park mit den Palmen Ausblick gewährten, herab. Freundlich erwiderte er: „Entschuldigen Sie, Mr Xavier, aber die Arbeit, mit der ich gerade beschäftigt bin, wurde mir vorrangig von Ihrem Vater aufgetragen. Ein vorausgegangener Befehl vom Sir muss Vorrang vor Ihrem Anliegen haben.“

„Ich hörte, was Dad dir sagte“, entgegnete Xavier mit einem süffisanten Lächeln um die Lippen. „Er sagte: »Es wäre mir recht, wenn du die Bücher ordnen würdest, Mike. Bring sie wieder in eine sinnvolle Ordnung.« War es nicht so?“

„Das ist genau das, was er sagte, Mr Xavier. Dies waren seine Worte.“

„Siehst du, es ist doch so, dass dies offensichtlich kein Befehl, sondern eher eine Bitte oder ein Vorschlag war. Bitten und Vorschläge sind jedoch keine Befehle. Mike, ich befehle dir, lass die Bücher, wo sie sind, und geh mit Griffin und mir zum Shoppen. Wir brauchen dringend neue Sportklamotten.“

Griffin nickte zustimmend.

Es war eine perfekte Anwendung des zweiten Artikels. Mike ließ umgehend von den Büchern ab, obwohl er gerade zwei Bücher von Justine Musk, der Mutter der Zwillinge, mit den Titeln ›Lord of Bones‹ und ›Bloodangel‹ entdeckt hatte. Merkwürdige Titel, dachte er. Gerne hätte er kurz hineingelesen, aber er stellte sie wieder in die Reihe und stieg die Klappleiter hinab.

Sir war zwar das Oberhaupt der Familie und des Haushalts, und er war sein Geburtshelfer gewesen, aber er hatte tatsächlich keinen Befehl erteilt, nicht im formellen Sinn des Wortes. Xavier aber hatte es soeben zweifellos getan. Und ein Befehl von einem menschlichen Mitglied des Haushalts, dem er diente, musste Vorrang vor einem bloßen Vorschlag eines anderen Haushaltsmitgliedes haben, selbst wenn dieses Mitglied der Herr des Hauses selbst war.

Mike hatte damit kein Problem, zumal er für die Zwillinge Zuneigung empfand und gerne mit ihnen shoppen ging. Zuneigung empfanden wohl auch die Zwillinge, denn sie nahmen Mikes Gesellschaft immer gerne und mit großer Freude in Anspruch. War es Zuneigung bei Mike Musk? Jedenfalls würde ein Mensch von »Zuneigung« gesprochen haben, wenn er das Verhältnis zwischen den drei Musks von außen zu beurteilen gehabt hätte. Auch Mike dachte, dass es Zuneigung sei, denn er kannte keinen anderen Begriff für sein Verhältnis zu den Zwillingen.

Gewiss, er fühlte etwas, aber was war es wirklich? Für sich genommen, war das ein wenig eigenartig, aber er nahm an, dass man ihm eine Fähigkeit, Zuneigung zu spüren, in die KI einprogrammiert hatte, ebenso wie seine verschiedenen anderen Fertigkeiten. Wenn die Zwillinge also wollten, dass sie shoppen gehen, würde Mike sie mit Freude begleiten – vorausgesetzt, sie ließen ihm die Möglichkeit, im Rahmen des Grundgesetzes für Robotniks zu handeln.

Mike fuhr den 180.000-Dollar-Tesla X Plaid die Interstate 880 an San Lorenzo und Oakland vorbei, bog links ab über Friscos Bay Bridge und parkte nahe des Grand Hyatt. Von hier aus begann ihre zweistündige Shoppingtour. Griffin kaufte sich ein Baseball-Outfit der Los Angeles Lakers von Nike, und Xavier erwarb alles für seinen geliebten American Football und das, was in seinem Oakland-Verein trendy war.

Jeder der Zwillinge hatte seine eigene American Express Card. Aber der Sir hatte Mike den Befehl erteilt, auf die Ausgabenobergrenze von 400 Dollar pro Junge zu achten. Mike hatte die Partner-Kreditkarte von Sir mit Sirs Pin und ein eigenes Tagesbudget für die Shoppingtour erhalten. Es betrug 200 Dollar. Da Mike dafür keine Verwendung hatte, lud er seine jugendlichen Familienmitglieder zu Fish & Chips in ein Restaurant im Friscos Hafenviertel »Fisherman’s Wharf« ein. Er selbst aß nichts, wie immer, er hatte sich turnusgemäß in der Musk-Villa an der Ladestation aufgeladen. Aber Mike unterhielt die beiden beim Essen mit Geschichten, die er erfand.

„Du solltest diese Storys aufschreiben und als Buch oder auf Facebook veröffentlichen. Du kannst spannend und lustig erzählen. Meinst du, dass du das kannst?“, fragte Griffin. „Ich habe bald Geburtstag und würde mich über ein Geschenk von dir, ein selbstgeschriebenes Buch, freuen.“

„Dann schreibe vielleicht gleich zwei lustige Bücher, oder besser vielleicht spannende Thriller, denn ich habe bekanntlich am selben Tag Geburtstag“, sagte Xavier.

„Ich fühle mich geehrt“, antwortete Mike, „allerdings kann ich Ihnen nicht versprechen, dass meine Storys Ihrem Geschmack entsprechen. Wir können nach dem Essen noch einen Spaziergang machen und Sie lassen mich wissen, welche Themen Sie interessieren, abgemacht?“

Sie gingen am Strand entlang und sahen gegenüber Alcatraz Island in der Abendsonne liegen. Die Pazifikküste war in diesem Teil der Bay von sommerlicher Schönheit, aber die Strömung nicht ungefährlich. Griffin und Xavier waren vernünftig genug, um zu erkennen, dass dieser Strandabschnitt nicht zum Baden geeignet war. Während die Zwillinge Mike abwechselnd ihre Ideen für die erwünschten Bücher wissen ließen und durch die Gezeitentümpel wateten, achtete dieser auf die See.

Er war innerlich sprungbereit für den Fall, dass sich draußen plötzlich ohne Warnung eine hohe Welle auftürmen und auf die Küste zurollen würde. Das hatte es vor drei Jahren schon einmal gegeben. Eine Tsunami-Flutwelle hatte Golden Gate passiert und sogar die Brücke überspült. Die Welle rührte vom Erdbeben am Meeresboden des weiten Pazifiks her, und man wusste, dass solch ein Ereignis jederzeit wie aus dem Nichts kommen konnte.

Plötzlich fragte Xavier mit herausforderndem Blick: „Mike, kannst du schwimmen?“

„Sicherlich, warum nicht, wenn es notwendig wäre, Mr Xavier.“

„Es würde keinen Kurzschluss in deiner Künstlichen Intelligenz-Zentrale geben, oder so etwas Ähnliches? Ich meine, wenn Wasser hinein käme.“

„Ihr Dad hat bei der Konstruktion auf eine gute Isolierung geachtet“, antwortete Mike.

Schwimm hinaus!

„Gut. Dann schwimm hinaus zum Alcatraz-Gefängnis und zurück. Bring uns ein Andenken aus einer der Zellen mit, in denen bis vor 45 Jahren Gefangene gehalten wurden. Da wird bestimmt noch etwas herumliegen. Ein Andenken wäre der Beweis, dass du meinen Befehl gewissenhaft ausgeführt hast. Ich möchte sehen, wie schnell du schwimmen kannst.“

„Xavier, muss das sein?“, fragte Griffin. „Ich finde das nicht fair gegenüber Mike.“ Er stellte sich neben den Robotnik und legte seinen Arm um dessen Schulter.

„Halte dich da raus, Griffin. Ich möchte, dass Mike hinausschwimmt. Er beweist damit, dass er uns im Notfall aus der See retten kann, wie es sein Auftrag ist, wenn es darauf ankommt.“

„Es ist keine Frage der Fairness, und es ist auch keine Frage, ob ich meinem Schutzauftrag gerecht werden könnte“, wendete Mike freundlich ein.

„Ich sagte, ich möchte den Beweis, dass du schwimmen kannst und wie schnell du uns im Notfall retten könntest.“

„Xavier!“, sagte Griffin wieder, diesmal äußerst energisch.

Doch Xavier beharrte auf seinem Einfall. Es war eindeutig ein Befehl. Mike spürte, wie sich in seinem Robotnik-Körper die Anzeichen eines Aufbegehrens bemerkbar machten. Anzeichen eines Widerspruchspotentials, die sich in einem leisen Zittern der Fingerspitzen und einem kaum wahrnehmbaren Schwindelgefühl äußerten.

Befehlen musste Folge geleistet werden. Xavier konnte ihm befehlen, nach Hawaii zu schwimmen, und Mike würde es ohne zu zögern tun, wenn keine anderen Gebote dagegensprachen. Und genau das war der Fall, denn er war hier, um die Zwillinge zu beschützen. Was könnte nicht alles geschehen, während er draußen auf der Alcatraz-Insel nach absonderlichen Souvenirs suchen würde? Eine Entführung … ein Tsunami … ein Erdbeben …

Es war eindeutig eine Sache, die Artikel 1 des Grundgesetzes betraf.

„Es tut mir leid, Mr Xavier, aber die Pflicht, über Sie und Ihren Bruder in jeder Situation zu wachen, darf ich auf keinen Fall außer Acht lassen. Wenn Sir oder Madam anwesend wären, könnte ich Ihrem Auftrag nachkommen und hinüberschwimmen.“ Mike schaute zum Alcatraz Island hinüber. „Es würde mich selbst interessieren, wie es dort ausschaut. Es soll dort sogar einen Friedhof der Gefangenen geben, aber wie die Dinge liegen …“

„Wenn dich Alcatraz interessiert, dann wird dir mein Befehl ja gerade recht kommen. Also los, schwimm!“

„Wie ich erklärt habe, Mister …“

„Du brauchst dich nicht um uns zu sorgen. Wir sind keine Kinder mehr. Denkst du vielleicht, dass plötzlich der Weiße Hai aus dem Wasser springt und uns gierig verschlingt, während du ungestört hinüberschwimmst? Wir können schon selbst auf uns aufpassen.“

„Es ist nicht korrekt von dir“, wandte sich Griffin an seinen Bruder. „So solltest du nicht mit ihm reden. Er hat seine Befehle von Dad.“

„Aber hier und jetzt hat er von mir einen Befehl erhalten!“ Xavier streckte gebieterisch den Arm aus. „Mach schon, Mike, schwimm hinaus!“

Mike spürte wie Hitze in ihm aufstieg und befahl seinen Schaltkreisen, die notwendige homöostatische Korrektur vorzunehmen.

„Der erste Artikel …“, begann er.

„Meine Güte, immer der erste und der zweite und dann der dritte Artikel! Immer deine Rechtsgläubigkeit! Gibt es für dich nur Paragrafen und Verbote und Gebote! Sei doch mal normal wie ein normaler Mensch. Aber nein, so kannst du nicht sein, weil du nur eine dumme Maschine bist!“

„Xavier!“, rief Griffin empört aus.

Mike winkte beschwichtigend ab und sagte: „Im Grunde sagt er die Wahrheit. Trotz Künstlicher Intelligenz bin ich kein vollwertiger Mensch mit Gefühlen, mit Spontanität und Vorahnungen und all den Eigenschaften und Fähigkeiten, die außerhalb mathematischer Berechnungen möglich sind.“

„Vielleicht könnte man das ändern“, meinte Griffin.

„Vielleicht“, antwortete Mike, und an Xavier gewandt sagte er: „Gerade wegen meiner diesbezüglichen Beschränktheit ist es mir nicht möglich, den Befehl Ihres Vaters im Hinblick auf Ihre Sicherheit am Strand zu ignorieren.“ Er verbeugte sich leicht in Xaviers Richtung. „Ich bedauere dies zutiefst. Aber vielleicht sollte ich mich bei Ihrem Vater darum bemühen, ein Update mit einem differenzierteren Programm implementiert zu bekommen.“

Griffin schaute seinen Zwillingsbruder an und sagte: „Wenn du Mike unbedingt schwimmen sehen willst, lass ihn einfach in die Brandung waten und nahe am Ufer ein Stück schwimmen. Das würde ihm nicht schaden, würde dir beweisen, dass er schwimmen kann und es würde sich nicht gegen Dads Befehl richten, weil er sich nicht weit von uns entfernen müsste.“

Xavier verzog das Gesicht. „Das wäre nicht das Gleiche. Auf keinen Fall.“

Doch vielleicht würde es Xaviers Ego befriedigen, dachte Mike. Es war ihm unangenehm, im Brennpunkt solcher Zwistigkeiten und Disharmonie zu stehen. Also sagte er zu Xavier: „Ich werde es Ihnen zeigen.“

Mike watete in die schäumende Brandung hinein, die seine Knie umspülte. Mit Leichtigkeit passte er seine gyroskopischen Stabilisatoren den andrängenden Brechern an. Die rauen, scharfkantigen Felsvorsprünge, die aus dem sandigen Untergrund ragten, konnten seinen metallischen Füßen nichts anhaben. Seine Sensoren meldeten seiner elektronischen Steuerungszentrale, dass die Wassertemperatur ein gutes Stück unter der Toleranzgrenze lag, die vom Menschen als angenehm empfunden wurde. Doch auch dies war für ihn ohne Bedeutung.

Vier oder fünf Meter weiter draußen war das Wasser tief genug, dass Mike darin schwimmen konnte, und doch war er dem Ufer noch nahe genug, um notfalls an Land zu springen. Es war zu bezweifeln, dass es nötig sein würde. Aber man weiß ja nie.

Die Zwillinge standen nebeneinander am Strand und beobachteten ihn voller Spannung.

Mike war zuvor niemals schwimmen gegangen. Es hatte keinen Grund dafür gegeben. Aber er war von den Neuralink-Forschern dahingehend programmiert worden, unter allen Umständen so etwas wie Grazie und hauptsächlich lebensnotwendige Koordination zu bewahren. Es kostete ihn nicht mehr als eine Mikrosekunde, um die Art der Bewe-gungen zu berechnen, die erforderlich sein würden, ihn knapp unter der Oberfläche durch das Wasser zu treiben – die rhythmischen Bewegungen der Beine, das Vorstrecken und Durchziehen der Arme, die schaufelartige Krümmung der Hände.

Gekonnt glitt er vielleicht ein Dutzend Meter parallel zum Ufer durch die Brandung. Er bewegte sich geschmeidig, effizient und zügig – ein goldgekürter Olympiaschwimmer hätte es nicht besser gekonnt. Dann drehte er um und schwamm ans Ufer zurück. Die gesamte Demonstration hatte lediglich ein paar Augenblicke gedauert.

Auf Xavier hatte sie zumindest eine halbwegs zufriedenstellende Wirkung. „Na gut, schwimmen kannst du, Mike“, räumte er widerwillig ein.

„Ich wette, Mike, du würdest alle Rekorde brechen, wenn du je an einem Schwimmwettkampf teilnehmen würdest“, sagte Griffin.

„Für Roboter gibt es so etwas nicht“, sagte Mike ernst.

Xavier lachte laut auf und sagte: „Griffin meint natürlich Wettschwimmen von Menschen. Wie bei Olympia.“

„Oh, das würde äußerst unfair sein“, antwortete Mike, „Roboter gegen Menschen – das wäre kein Wettkampf auf Augenhöhe.“

Xavier dachte kurz nach. „Wahrscheinlich ließen sich Gründe finden, die es unmöglich machen.“ Dann schaute er hinüber nach Alcatraz und sagte: „Willst du es nicht trotzdem versuchen? Bei deinen Schwimmkünsten wärst du wahrscheinlich in vier Minuten zurück. Was könnte uns schon in diesen Minuten passieren?“

„Xavier!“, bellte ihn Griffin an.

Mike räusperte sich und beschwichtigte: „Ich kann Ihren Wunsch nachvollziehen, Mr Xavier, aber ich bin nicht in der Lage Ihren Wunsch zu erfüllen. Wie ich bereits sagte, ich bedauere es zutiefst …“

„Ach, schon gut. Tut mir leid, dass ich es noch einmal versucht haben. Aber du weißt ja, Mike, die Jugend von heute lässt nichts unversucht …“ sagte Xavier kleinlaut und machte einen auf betrübt und einsichtig.

„… und ein Musk versucht immer, seinen Kopf durchzusetzen“, entschuldigte Griffin seinen Zwillingsbruder.

„Es ist nicht nötig, dass Sie sich entschuldigen, Mr. Xavier. Wahrhaftig nicht.“

War es nicht auch so? Wie könnte ein Roboter an etwas, das ein Mensch dachte, sagte oder tat, Anstoß nehmen? Welches Recht hatte ein Roboter dazu? Doch Mike wollte dies jetzt nicht zum Thema machen. Xavier hatte das Bedürfnis verspürt, sich ihm entschuldigend zu erklären, und er musste es ihm erlauben und die Entschuldigung annehmen – obwohl Xaviers gefühllose Worte Mike zu keiner Zeit beunruhigt oder verletzt hatten.

Es wäre absurd, wollte er leugnen, dass er eine Maschine – wenn auch eine mit Künstlicher Intelligenz ausgestattete Maschine – war. Das traf genau das, was er war.

Und was eine dumme Maschine betraf, so konnte sich Mike kein Bild davon machen, was der Junge damit gemeint haben könnte. Denn Mike hatte ausreichende intellektuelle Kapazitäten, um den Anforderungen nachzukommen, die ihm auferlegt waren. Zweifelsfrei würde es eines Tages noch intelligentere Robotniks geben als ihn. Vielleicht auch solche mit Gefühlen, die den menschlichen Empfindungen nahekamen. Oder Roboter, deren Körper von einem 3D-Drucker erstellt wurden und aus einer körperlichen Substanz beschaffen waren, die den menschlichen Organen entsprach und ein neues energetisches Potenzial enthielt. Alles war wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit.

Oder hatte Xavier gemeint, Mike sei weniger intelligent als ein Mensch? Die Fragestellung war bedeutungslos für Mike. Er kannte keine Möglichkeit, Roboterintelligenz mit menschlicher Intelligenz zu vergleichen.

Bald wurde der Wind kühler und die Zwillinge beschlossen, dass sie sich lange genug in Frisco aufgehalten hatten. Auf dem Weg zurück zum Parkhaus am Grand Hyatt sagte Griffin: „Es war ein schöner Tag mit dir, Mike. Ich bin gespannt, welche Geschichten du für unseren Geburtstag schreiben wirst.“

Am Abend, als Mike dienstfrei hatte, ging er allein hinunter an Fremonts Strand und schwamm weit hinaus, in etwa so weit, wie Alcatraz Island von Frisco entfernt lag. Er wollte sehen, wie lange es dauern würde. Selbst in der Dunkelheit bewältigte er die Strecke schnell und mit Leichtigkeit. Wahrscheinlich hätte er Xaviers Wunsch erfüllen können, ohne die Zwillinge einem Risiko auszusetzen. Nicht dass er es getan hätte, aber es wäre möglich gewesen.

Niemand hatte Mike beauftragt, im Dunkeln hinauszuschwimmen. Es war allein seine eigene Idee. Eine Sache der Wissbegier, sozusagen.

Mike ist mehr als nur Mechanik

Vor einem Vierteljahr war das neue Jahr, 2019, angebrochen. Eine Woche vor dem fünfzehnten Geburtstag der Zwillinge kam Madam auf Mike zu. Sie fragte ihn, ob er sich für diesen Tag besonders bereithalten könne. Es sei eine Teenie-Party geplant. „Das kann herausfordernd werden“, sagte Grimes.

„Ich komme gut mit Teenagern aus. In diesem Alter sind die Jugendlichen noch so unverhohlen ehrlich und direkt“, antwortete Mike. „Da kann ich viel lernen. Also, vom menschlichen Wesen kann ich viel lernen, das meine ich …“

„Wenn du dich da mal nicht täuschst. Teenager können bereits wie verrückt tricksen. Dazu kommt ihre pubertäre Unberechenbarkeit. Sie kommen sich vor wie Erwachsene und verhalten sich tatsächlich wie Kleinkinder.“

„Griffin und Xavier haben mich nach einem Geburtstagsgeschenk gefragt, das ich für sie produzieren könnte. Ich habe ihnen ein selbstgeschriebenes Buch zugesagt, weil ich es gerne tue. Dabei habe ich bereits gelernt, dass die Geburtstagsfeier ein wichtiges Ereignis im menschlichen Jahreslauf ist – ein Gedenken des Tages, an dem der Mensch aus dem Mutterleib gekommen war.“

„Das ist richtig“, sagte Grimes.

„Aber warum ist es genau dieser Tag, der als Tag der Geburt angesehen wird?“

Mike wusste einiges über menschliche Biologie, und er – er als hochpräziser Roboter – fand etwas recht verwunderlich.

„Wäre es nicht korrekter, den Geburtstag eines Menschen auf jenen Augenblick festzulegen, wenn die Spermazelle in das Ei eindringt und der Prozess der Zellteilung beginnt?“, fragte er Grimes. „Sicherlich ist dies der wirkliche Ursprung jeder Person.“

Grimes sah ihn grübelnd an und sagte: „So betrachtet, hast du recht. Damit beginnt das neue Leben. Aber es ist noch lange nicht unabhängig und eigenständig.“

„Die neue Person, die während der neun Monate im Mutterleib heranwächst, lebt bereits – und zwar in voller Abhängigkeit von der Mutter. Auch nach der Geburt ist ein menschliches Wesen nur sehr bedingt zu unabhängigem Funktionieren fähig, sodass der Unterschied zwischen der pränatalen und der postnatalen Phase, auf den ihr Menschen so großen Wert legt, wenig Sinn ergibt.“

Grimes schaute ihn nachdenklich an. Sehr nachdenklich. Solch eine Spitzfindigkeit hätte sie von einem Haushaltsroboter nicht erwartet. Dann fiel ihr eine Frage ein: „Wann hast du eigentlich Geburtstag, Mike?“

„Darüber macht sich unsereins normaler Weise keine Gedanken. Wenn Sie mich jedoch zu einer Antwort animieren, so werde ich Ihnen das folgende Resultat zu meiner Geburtsrecherche zur Kenntnis geben.“ Mike schnaufte kurz durch.

Grimes nutzte die Chance zu einer Zwischenbemerkung: „Du musst in eigener Sache nicht so gestelzt und formell klingen. Bleib locker!“, sagte sie lachend.

„Der Augenblick meiner Geburt ereignete sich, als die letzte Phase meiner Montage beendet und meine künstlichen digitalen Neuralverbindungen aktiviert wurden. Somit war ich bereit gewesen, in das Leben eines Roboters hinauszutreten, indem ich alle meine programmierten Funktionen auszuführen in der Lage war.“

„Ähnlich wie beim Menschenkind“, warf Grimes ein.

„Nun ja“, wandte Mike ein, „ein neugeborenes Kind ist weit davon entfernt, aus eigener Kraft zu bestehen.“ Mike vermochte keinen wesentlichen Unterschied zwischen einem Fötus, der seine verschiedenen Entwicklungsstadien abgeschlossen hatte, aber noch in seiner Mutter war, und demselben Fötus einen oder zwei Tage nach der Geburt sehen. Einer war innen und einer war außen. Das war alles. Aber sie waren beide gleich hilflos.

Mike sah Grimes fragend an. „Warum sollte man nicht den Jahrestag der Empfängnis feiern, statt den des Schlüpfens?“

„Für beide Betrachtungsweisen spricht eine gewisse Logik“, antwortete sie. „Welchen Tag würdest du eigentlich als deinen eigenen Geburtstag wählen? Das Datum, als Elons Idee, dich mit Künstlicher Intelligenz zu entwerfen, auf fruchtbaren Boden bei Neuralink fiel? Oder der Tag, als man dich bei Tesla zusammenmontierte? Oder das Datum, an dem dein digital-positronisches Gehirn mit der Künstlichen Intelligenz eingebaut und die somatische Steuerung eingeschaltet wurde?“

„Sie stellen aber auch Fragen, Mrs Grimes!“, sagte Mike und zuckte als Antwort unwissend mit den Schultern. Und dann dachte er nach. War er »geboren« worden, als die ersten Teile seiner Mechanik zusammengebaut worden waren, oder als der einzigartige digitale Wahrnehmungsapparat, der MMM 3.033R darstellte, in Betrieb genommen worden war?

Eine bloße Mechanik war nicht er, was oder wer immer er auch war. Er war vielmehr die Verkörperung seiner Artificial Intelligence, die Elon Musk abgekürzt nur mit »AI« bezeichnete, was natürlich die gleiche Sache umschrieb wie das deutsche Kürzel »KI«.

Oder war er »geboren« worden, als die Kombination aus AI/KI mit dem künstlichen Körper, der für das digitale Gehirn entwickelt worden war, das erste Mal in Funktion trat? Daher war sein wahrer Geburtstag …

Verwirrend, alles war sehr verwirrend. Als KI-Roboter war er eigentlich ein logisches Geschöpf, das in der Lage sein sollte, den Ausweg aus solchen widersprüchlichen Konflikten zu finden, indem er Daten in logischer Analyse aufbereitete. Warum fiel es ihm dann so schwer, zu verstehen, wann jemandes Geburtstag sein sollte?

Wahrscheinlich, weil Geburtstage ein rein menschliches Konzept sind, beantwortete er seine eigenen Fragen. Für mich als Roboter haben solche Tage keine Bedeutung. Ich bin kein Mensch, also brauche ich mich nicht zu sorgen, wann mein Geburtstag gefeiert oder nicht gefeiert werden sollte.

An Grimes gewandt, beantwortete er ihre Frage auf äußerst diplomatische Weise: „Es wäre mir sehr angenehm, wenn Sie meinen Geburtstag bestimmen würden – aber nur, wenn Sie es unbedingt möchten. Und bitte nicht wegen der Geschenke, denn ich benötige keinerlei Dinge, weil mir dies ohne Bedeutung ist. Und selbst mit einem Geburtstagskuchen könnte ich wenig anfangen. Aber wenn Sie unbedingt mein Geburtsdatum festlegen möchten …“

„Nein, lieber Mike, das ist wirklich ganz allein deine Angelegenheit. Falls du auf das Datum Wert gelegt hättest, hätte ich selbstverständlich alles getan, um die Feier deines Ehrentages vorzubereiten. Nur darum ging es mir.“

Jedenfalls feierte man heute nicht seinen Geburtstag, sondern den von Griffin und Xavier. Der Hausherr kam an diesem Tag früher als sonst nach Hause, obwohl er sich mit Shivon Zilis in ihrem komfortablen Managerbüro der Neuralink Corporation in einer komplizierten Besprechung über die Zukunft der AI-Entwicklung befunden hatte. Die ganze Familie hatte Festtagskleidung angelegt und sich um den großen Esszimmertisch versammelt, wo Kerzen angezündet wurden und Mike ein Diner servierte, mit dessen Planung er und Grimes Stunden verbracht hatten.