Achtsamkeit und Meditation - Volker Friebel - E-Book

Achtsamkeit und Meditation E-Book

Volker Friebel

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Beschreibung

Achtsamkeit gilt es nicht zu üben, sondern zu leben. Sie ist so, wie der Atem kommt und geht. Ihre zunehmende Ausbreitung über Wahrnehmen, Fühlen, Denken und Handeln glättet das Meer von Unruhe in uns und um uns. Und sie vertieft das Erleben. Von bestimmten Zeiten und Orten ausgehend, von Inseln der Ruhe, strömt eine freudige Gelassenheit über dieses Meer, eine Klarheit, die Nebel zerstreut. Ein Buch, entstanden aus dem Beziehungsfeld zwischen spontaner Achtsamkeit, ,östlicher' Meditation und ,westlicher' Psychologie.

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Volker Friebel

 

 Achtsamkeit 

und

Meditation

 

 

Edition Blaue Felder 

 

Impressum

 

EditionBlaue Felder, Volker Friebel,Denzenbergstraße 29, 72074 Tübingen (Deutschland)www.Blaue-Felder.de     

 

Text, Fotografie und Gestaltung: Volker FriebelISBN PapierBuch: 978-3-936487-94-7 

ISBN eBuch, epub-Format: 978-3-936487-95-4

Veröffentlichung: Juli 2015

Alle Rechte vorbehalten

 

Inhalt

Vorwort 

In der Stille 

Achtsamkeit und Meditation 

Offene Weite ... 

Die Unmöglichkeit reinen Beobachtens 

Pole der Erfahrung 

Langsamkeit 

Weite und Klarheit 

Achtsamkeit in der Natur 

Die Fichte 

Kleefeld am Fichtenfuß 

Gang durch eine Fichtenschonung 

Zu Fuß auf der Landstraße 

Wurzeln in Felsen 

Fußpfad im Wald 

Strömender Bach 

Nur das ist wirklich ... 

Winter am Efeufelsen 

Das eigene Erleben 

Achtsamkeit in der Stadt 

Am Stadtsee 

Am Neptunbrunnen 

Zwischen Pflastersteinen ... 

Achtsamkeit im Alltag 

Peter von Überall 

Ablenkungen 

Gefühle bei der Meditation 

Gedanken bei der Meditation 

Achtsamkeit leben 

Innenseite der Stille 

Anhang 

Meditationshaltung 

Atmung 

Zu Buch und Autor 

Vorwort

 

Ein Aufstieg vom Außenbezirk meines damaligen Wohnorts zu den Weinbergen, es war ein spontanes Erlebnis. An einer Mauer hing Efeu. Ich trat näher heran, den Kopf voll Bücher und unklarer Gedanken über Wahrnehmung, Wirklichkeit und Philosophie. Plötzlich meinte ich, den Efeu richtig zu sehen. Zum ersten Mal richtig zu sehen, überwältigend klar und real. Ich blieb stehen ... 

Irgendwie gelang es mir, die Art der damaligen spontanen Betrachtungsweise festzuhalten, ihre Tiefe, Klarheit, Kraft, sie immer wieder neu herzustellen. Nicht überdauernd, immer nur kurze Zeit, keinesfalls gleichmäßig tief, aber doch selbstständig, bewusst. Ich wusste, dass ich etwas Wertvolles gefunden hatte. Ich wusste nicht, was.

Jahre später, während des Studiums, fand ich in den Konzepten der akademischen Psychologie kaum etwas, was als Erklärung für diese andere Art, Dinge zu betrachten, getaugt hätte. Aber da gab es vieles auch Interessante, darunter manches, was mit diesem Erlebnis zumindest zu tun zu haben schien, Wissen über die verschiedenen Aktivitätsmuster des zentralen Nervensystems, die Entspannungsreaktion, die Orientierungsreaktion, das Aktivierungssystem im Stammhirn.

Weitere Jahre später beschäftigte ich mich mit Meditation nach verschiedenen buddhistischen Traditionen. Damit konnte ich die Achtsamkeitsmeditation – als solche ließ sie sich nun identifizieren – besser verstehen. Ich verband nun ,meine' ursprünglich spontane Achtsamkeit mit Bestandteilen traditioneller Meditation. Überdies fielen mir einige überraschende Parallelen zwischen buddhistischer und kognitiver Psychologie auf – neben noch größeren Unterschieden. Insbesondere für das, was im Buddhismus als ,Klarsicht'- oder ,Einsichts-Meditation' bekannt ist, erwiesen sich Teile der kognitiven Psychologie, etwa zur Analyse von Abhängigkeitsverhältnissen und von inneren Selbstaussagen, als sehr hilfreich.

Aus diesem Beziehungsfeld zwischen spontaner Achtsamkeit, ,östlicher' Meditation und ,westlicher' Psychologie heraus entstand dieses Buch. Eine frühere Ausgabe erschien 1997 im Kösel-Verlag, München. Für die Neuausgabe 2015 wurde einiges überarbeitet, vieles gestrichen, Fotos wurden dazugefügt und der Text auf Achtsamkeit und Meditation konzentriert. Derart neu in die Welt gegeben, wünsche ich den Lesern eine Bereicherung durch diese Berichte, Erfahrungen, Reflexionen, vor allem aber eine Anregung für das eigene Erleben.

Erleben ist das Allerwichtigste. Denken ist gut, reicht alleine aber nicht aus. So kann jeder Text nur eine Anregung sein. Von der Karte schaue ich auf in die wirkliche Welt. Wenn ich eine Pusteblume pflücke und den Samen hinein in den Himmel blase, bin ich frei.

 

Volker Friebel, Tübingen, November 1995 und Juni 2015

 

In der Stille

 

Die Welt ist laut, Autolärm allgegenwärtig. Und gibt es irgendwo ein Tal, einen Berg ohne Verkehrsanschluss, lärmen darüber die Flugzeuge. Radio und Fernseher laufen ohne Pause, auf die einzelnen Musikstücke oder die Worte kommt es nicht an. Wir sind Stille gar nicht gewohnt. Entstünde sie plötzlich, würde sie ängstigen. Vielleicht dient deshalb nicht wenig vom Lärm der Welt dazu, den Einbruch von Stille in unser Leben zu verhindern.

Was passiert eigentlich, wenn all das ausgeblendet wird, was nicht zur eigenen Person gehört? Wenn die großen Geräusche verstummen, werden andere hörbar. Spät in der Nacht sind sie manchmal zu hören: der tropfende Wasserhahn, knarrendes Deckenholz, hier und da Rascheln.

Wird es noch stiller, hört man Bauchgeräusche, strömendes Blut in den Adern, pochendes Herz, den Atem. In der Stille meldet sich die eigene Lebendigkeit. Der allgegenwärtige Lärm stammt weit überwiegend aus linearer Mechanik. Je stiller es wird, umso mehr ist Natur, ist Rhythmus und Leben zu hören.

In der Stille zeigt sich das Leben, mit seiner Kraft – und seiner Verletzlichkeit. Das Lebendige ist nie ganz zu bewältigen, zu beherrschen, immer schwingt eine Beunruhigung mit, wenn man es betrachtet. Und es zeigt sich das Vergehen der Zeit.

Je mehr Stille sich ausbreitet, umso mehr bewegt sich der Erlebnishorizont auf uns selbst zu. Das kann beunruhigen, kann ängstigen. Und gerade dieser Ort der Beunruhigung ist es, an dem der Mensch mit seiner eigenen Natur zusammentrifft. Viele Meditationsschulen beziehen sich deshalb auf die Stille. In der Stille kommt der Mensch auf sich selbst zurück. Aus der Stille kommt er verändert wieder hervor.

 

Die Welt aber ist nicht einfach nur laut, sie scheint zudem noch immer lauter zu werden, auch unruhiger, schneller. Der Blick für die kleinen, die nahen, gegenständlichen Dinge des Alltags verwischt.

Stattdessen breitet sich ein Leben aus zweiter Hand aus, durch Fernseher, Radio, Zeitungen und andere Massenmedien. Ähnliches gab es auch früher, in Musik und Theater. Aber niemals zuvor lebte eine so große Menge von Menschen das abenteuerliche, lustige, romantische Leben anderer Leute.

Auch unsere ,nüchternen' Informationen über die Welt sind fast alle nur indirekt. Fast nichts von dem Wissen, das unsere Sicht der Welt konstituiert, entstammt der eigenen Erfahrung. Nachrichten über den Krieg hier, das Unglück dort, die Hungersnot in Afrika: Das zu wissen scheint sinnvoll, um ,auf dem Laufenden' zu bleiben, um ,zu wissen, was geschieht', um ,mitreden zu können'.

Indirekte Informationen sind allerdings nie vollständig, sie sind immer aus der Situation gelöst, der sie entstammen und aus der sie ihren Sinn erhalten. Sie haben deshalb (abgesehen von ihrer leichten Manipulierbarkeit) den großen Nachteil, einen Schleier der Unwirklichkeit über die Dinge zu legen und schaffen einen Abstand zwischen den Dingen und uns selbst.

Das ist selbst bei jenen indirekten Informationen so, die uns fraglos von Nutzen sind. Das Wetter durch eigenes Beobachten von Vorzeichen, von kleinen Veränderungen der Wolken, des Windes, des Verhaltens der Tiere selbst verstehen und voraussehen zu wollen, ist weit schwieriger und unsicherer, als die gleiche Information durch Hören der Wetternachrichten zu erhalten. In welches Verhältnis stellt uns beides aber zu dem, worum es geht, zur Witterung, zur offenen Natur?

Zwar beobachtet man auch im freien Feld, steht formal gegenüber – aber der Beobachter ist ganz eingebunden in das, was er will. Wie prüft man den Wind? Indem man auf seine Zeichen achtet, in Bäumen, Sträuchern, an den langen Halmen der Erde. Indem man ihn fühlt, einen Finger befeuchtet, hinein in die Luft hält.

Beim Hören der Nachrichten ist der Abstand viel größer. Man schaut auf einen Bildschirm oder beliebig irgendwo im Zimmer herum, abgewendet gerade von dem, worum es in den Nachrichten geht. Das Gehörte reduziert sich zur bloßen Information darüber, was für Kleidung heute passend ist, ob der Regenschirm mit muss oder zu Hause bleiben kann.

Statistiken zeigen, dass Wetterdienste Veränderungen deutlich besser vorhersagen, als das durch eigenes Beobachten oder durch Orientierung an Bauernregeln möglich ist. So wird man nicht auf sie verzichten wollen. Sie sind ein Gewinn. Der Verlust an Nähe fällt zunächst nicht auf. Er muss auch nicht eintreten, wenn der Hörer die Information als Information nimmt und verhindert, dass sie sich zwischen ihn und das eigene Erleben der Welt stellt.

Aber kann er das auch?

Die übergroße Distanz zu den Dingen, der Schleier von Unwirklichkeit durch all die indirekten Erfahrungen: Im Nebel verlieren die realen Bezugspunkte ihre Konturen, lösen sich mehr und mehr auf. Doch Menschen brauchen Bezugspunkte. Nur über das andere definiert sich die eigene Existenz. So hält man sich an das Bekannte: Anforderungen des Tagesablaufs, Arbeiten, Mahlzeiten, das Gesicht der Nachrichtensprecherin, die festen Zeiten des Fernsehprogramms.

Es ist ein Einrichten in den Ablauf der Welt. Einfach ein Teil dieses Stromes sein, sich treiben lassen in dem, was geschieht, in den eigenen Aktivitäten, die äußeren Anforderungen folgen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Vielen Menschen ist dies allerdings irgendwann einmal zu wenig. Eine Art milder Depression scheint deshalb geradezu zum Erscheinungsbild des modernen Europäers zu gehören.

So gibt es vielerorts die Suche nach mehr. Und mehr heißt höher. Je nach Veranlagung, Vorerfahrungen und Angebot ist da die Hinwendung zu Politik, Religion, Esoterik, zu allem, was über dem einzelnen Menschen steht oder für darüber stehend gehalten wird. Die Suche ist echt, aber in ihrer Richtung führt sie sehr oft noch weiter von der verlorenen Wirklichkeit fort, führt vom Nebel ins Unwirkliche über den Nebeln. 

 

Achtsamkeitsmeditation ist ein Weg, Bezugspunkte nicht in der Ferne, im Unwirklichen zu suchen, sondern in der Nähe, in der eigenen realen Welt. Sie ist ein Weg, die Dinge der eigenen Umgebung neu zu entdecken, Alltagsroutinen zu durchbrechen und durch Konzentration auf alltägliche Dinge und Abläufe ein neues Verhältnis zu ihnen zu gewinnen – und über sie zu uns selbst. Sie ist ein Weg des Erstaunens.

Dazu gehört die Zerstörung der Gewohnheit. Gewohnheit heißt, Dinge als gleich zu setzen, Abläufe nur noch abspulen zu lassen. Gewohnheit folgt aus der Umsetzung von Wirklichkeit in mentale Repräsentationen, in geistige Gebilde, die für die Wirklichkeit stehen.

Eine solche Umsetzung ist wichtig.

---ENDE DER LESEPROBE---