Blau Rosa Gelb - Jolene Walker - E-Book

Blau Rosa Gelb E-Book

Jolene Walker

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Beschreibung

Die Fortsetzung von "Blau Rosa". Nele hatte immer eine feste Vorstellung von ihrer Zukunft. Einen gut bezahlten Job, einen liebevollen Ehemann, ein Haus und Kinder. Doch seit sie ihre Heimatstadt verlassen hat und auf Maya gestoßen ist, steht ihre komplette Welt auf dem Kopf. Nichts was sie sich erträumt hat ist wahr geworden. Fast nichts. Ganz im Gegenteil. Nele steht am Abgrund und weiß einfach nicht wohin.

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Inhaltsverzeichnis

Maya

Nele

Nele

Maya

Nele

Nele

Maya

Nele

Maya

Nele

Nele

Maya

Maya

Maya

Nele

Maya

Nele

Maya

Nele

Maya

Maya

Nele

Jolene Walker

Blau Rosa Gelb

Roman

Deutsche Erstausgabe

März 2015

Impressum

Copyright: © 2015 Jolene Walker

c/o AutorenServices.de

König-Konrad-Str. 22

36039 Fulda

[email protected]

Ihr könnt mich auf twitter finden:

twitter.com/walkerjole

Lektorat: Rohlmann & Engels

Cover unter Lizenzierung eines Motives von Maridav aus Shutterstock

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

Etwaige unerlaubte Verbreitungen werden strafrechtlich verfolgt.

Maya

Mitten in der Nacht schreckt Nele aus ihrem Schlaf. Außer Atem ringt sie nach Luft und strampelt panisch die Bettdecke von sich. Mit einem Ruck setzt sie sich schließlich im Bett auf. Ich gebe ihr Zeit und lasse sie zur Ruhe kommen. Zittrig holt sie Luft und sieht mich an. Verschlafen, mit halb offenen Augen lächelt sie verlegen.

»Tut mir leid. Habe ich dich wieder geweckt?«, flüstert sie. Dabei klingt ihre Stimme so liebevoll.

»Nein. Ich war schon wach«, lüge ich und ziehe Nele an ihrem Arm zurück an meine Seite. Ich schmiege mich an sie und lasse meine Hand zu ihrem Schlüsselbein wandern. Ich kann fühlen, wie ihr aufgeregtes Herz wild gegen ihre Rippen pocht. Erschöpft verschnauft sie und schließt ihre Augen. Von draußen spenden die Straßenlaternen so viel Licht, dass ich die Schweißperlen auf ihrer Stirn sehen kann. Ich wische sie mit dem Ärmel meines Shirts weg und streichle Nele ein paar lange Haarsträhnen aus dem Gesicht.

Zum Glück kommt es nicht oft vor, dass sie nachts durch ihre Träume aufschreckt. Am nächsten Morgen erinnert sich Nele nur selten daran, dass sie überhaupt wach war. Sie träumt von mir und wie sie mich damals blutig in der Bar auffand. Es zerreißt mich, aber ich kann nichts tun. Mein Therapeut meint, wir müssen warten bis Nele bereit ist, darüber zu sprechen, was in der Bar geschehen ist.

Egal wie oft ich auch versuche, sie deswegen in ein Gespräch zu verwickeln, sie möchte nicht darüber reden. Kaum schneide ich das Thema an, wird ihr alles zu viel. Ich weiß nicht, wie ich ihr helfen kann. Anfangs dachte ich noch, das geht vorbei. Doch immer mehr Wochen verstreichen und es wird nicht besser.

»Mir ist kalt«, sagt Nele leise und klappert mit ihren Zähnen. Mit dem Rücken lehnt sie an meiner Brust. Ich schiebe meinen Arm unter ihr Kopfkissen und decke sie zu. Langsam erholt sich Nele von ihrem Albtraum und schläft wieder ein. Ich rücke noch näher an sie heran. Meine Nase vergrabe ich in ihr weiches Haar und versuche selbst wieder einzuschlafen.

Ich fühle mich so schwer, als würde ein Laster auf mir liegen. Aber der Schlaf kommt nicht.

»Wo willst du hin?«, murmle ich am nächsten Morgen. Angeschlagen schaue ich auf und kneife müde die Augen zusammen. Es ist so hell und viel zu früh.

»Schlaf weiter«, flüstert Nele. Sie steht vor dem Kleiderschrank und zieht sich an. Stöhnend richte ich mich auf und rutsche an die Bettkante. Nele kichert, als ich den Arm nach ihr ausstrecke. Mit einem Schmollmund und aufgesetzten Hundeblick bitte ich sie zu mir.

Sie kommt meinem Wunsch nach und setzt sich mit nackten Schenkeln auf meinen Schoß. Ihre Arme schlingt sie um meinen Hals. Ich bekomme einen sanften Kuss auf meine Schläfe. Dann drückt sie ihre Wange an meine und hält mich ganz fest.

»Ich liebe dich«, krächze ich. Anstatt die gleichen Worte zu erwidern, gibt sie mir erneut einen Kuss. Diesmal auf den Mund. Warum kann sie nicht sagen dass sie mich liebt? Es ist so schwer, ihr diese Worte zu entlocken.

Nach einer Weile steht Nele auf. Sie geht zurück zum Schrank und zieht ihre Hose an. Ich bin immer noch ziemlich müde. Meine Augenlider fallen von ganz alleine zu. Ich wälze mich zurück ins Bett. Doch bevor ich einnicke, schrecke ich auf. Nele ist gleich weg! Ehe ich wieder ohne sie frühstücke, sollte ich aufstehen. Schwerfällig richte ich mich auf und bleibe kniend sitzen. Meinem Kopfkissen, das mich dazu verleitet, weiter zu schlafen, werfe ich einen sehnsuchtsvollen Blick zu.

»Bleib liegen«, sagt Nele und kichert süß. Ich sehe zu ihr rüber. Sie bindet ihr langes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und verschwindet durch die offene Zimmertür. Das hätte sie wohl gerne! Gequält steige ich von der Matratze und folge ihr.

Nach dem Frühstück verabschiede ich Nele an der Wohnungstür. Ich drücke ihr einen Kuss auf ihre weichen, mit einem Fettstift gepflegten Lippen.

»Du musst heute zum Training«, sagt sie und erinnert mich an die Physiotherapie.

»Okay«, antworte ich artig. Als sie mir den Rücken zudreht, gebe ich ihr einen Klaps auf den Hintern.

»Hey!«, japst sie und muss grinsen. Schließlich steigt Nele die Treppen runter. Bevor sie durch die Haustür verschwindet, dreht sie sich noch einmal, um zum Abschied zu winken. Ich seufze. Schon wieder ist sie weg. Keine Ahnung wohin. Was macht sie nur die ganze Zeit? Vor achtzehn Uhr ist sie sicher nicht zurück. Mein neues Projekt, antwortet Nele nur, wenn ich nachhake. Sie macht ein riesiges Geheimnis daraus.

Tomas verhält sich nicht anders . Als würden beide unter einer Decke stecken. Was verheimlichen sie mir? Muss ich mir Sorgen machen? Das geht seit Wochen so. Nur für eine Sekunde stelle ich mir vor, wie sie mich miteinander betrügen, aber verdränge den Gedanken ganz schnell. Tomas ist mein bester Freund und würde mir so was niemals antun. Und Nele ist nicht der Typ dafür.

Als ich zum Esstisch gehe, wundere ich mich darüber, dass Tomas noch gar nicht unten war, um Max bei mir abzugeben. Vielleicht lässt er den Kleinen heute mal bei seinen Eltern? Schade, denn gemeinsam mit Max vergeht der Tag viel schneller. Ohne ihn habe ich auch keine gute Ausrede, um ein Mittagsschläfchen zu rechtfertigen. Seit Neles neuem Projekt gibt Tomas seinen Sohn öfters für ein paar Stunden bei mir ab oder bittet seine Eltern, auf ihn aufzupassen. Max und ich, wir verstehen uns mittlerweile. Oder besser gesagt, ich habe keine Scheu mehr, ihn im Arm zu halten. Nele kann so gut mit dem Kleinen, irgendwie hat mich das angesteckt. Sobald sie Max in den Armen hält, vergisst sie alles um sich herum und verwandelt sich in einen komplett anderen Menschen. Kein bisschen ist sie dann die versteifte, stille Person wie sonst. Alleine die Vorstellung ihrer Grimassen, mit denen sie versucht, Max zum Lachen zu bringen, lässt mich grinsen.

Ich esse hastig den Rest von meinem Brot und räume mein Geschirr ab. »Hmpf«, stöhne ich mit vollem Mund. Nele hat ihr Geschirr einfach in die Spüle gestellt! Warum macht sie das immer wieder? Dabei ist sie doch sonst so ordentlich! Genervt packe ich den Teller und das Besteck in die Spülmaschine. Zum Training werde ich heute nicht gehen. Obwohl meine Schulter schmerzt, habe ich andere Pläne. Nicht nur Nele und Tomas können Geheimnisse haben.

»Ist das dein Ernst?«, fragt Arne ungläubig und zupft an seinem gepiercten Ohrläppchen. Er trägt so viel schweren Schmuck an seinen Ohren, dass seine Piercinglöcher in die Länge gezogen sind. Es ist lange her, seit ich Arne das letzte Mal gesehen habe. Er sieht älter aus. Seine Falten sind viel tiefer als vor einem Jahr.

»Mach irgendetwas drauf. Ich will die Narben im Spiegel nicht mehr sehen«, antworte ich und reibe meine schmerzende Schulter.

»Ich darf wirklich das Motiv aussuchen?« Noch immer runzelt Arne die Stirn. Ich nicke und setze mich auf den Sessel, der mitten im kleinen Studio steht. An den Wänden hängen unzählige seiner Zeichnungen. Hauptsächlich in schwarz und weiß. Es sind Rosen und Portraits, Totenköpfe und Liebesschwüre. Sie sehen alle richtig gut aus. Ich schüttele die Nervosität für mein erstes Tattoo ab und lehne mich zurück. Ich bin so selten hier, trotzdem fühlt es sich familiär an. Vermutlich liegt es daran, dass in der Warteecke ein altes Bild von Arne und Josef an der Wand hängt. Arne hat mir schon so oft angeboten, mich zu tätowieren. Immer wieder habe ich abgelehnt. Mir ist nie in den Sinn gekommen, eins machen zu lassen. Welches Motiv würde mir auch stehen?

Arne habe ich über Josef kennengelernt. Sie waren alte Schulfreunde. Genau wie Tomas und ich. Als Josef noch lebte, besuchte ihn Arne jeden Abend in seiner Kneipe. Doch seit dem Tod von Josef veränderte sich Arnes Lebensstil komplett. Anstatt Bier gibt es Wasser und seinen täglichen Döner tauschte er durch einen grünen Teller Salat mit selbstgemachtem Dressing aus. Man sieht ihm seinen Lebenswandel an. Dreißig Kilo ist er leichter geworden. Vorher, als meine Schulter noch okay war, trafen wir uns sogar im Park beim Joggen. Der Tod von Josef hat ihn ziemlich mitgenommen. Aber gut für ihn. So konnte er noch rechtzeitig die Reißleine ziehen.

»Mädel, du weißt ja gar nicht, wie mein Herz rattert. Ich bin der erste Stecher, der an dich ran darf. Vielleicht male ich dir ein Porträt von Josef auf die Schulter?«, raunt Arne und schlägt freudig seine Hände zusammen. Das Grinsen kann er sich kaum verkneifen. »Dann mal runter mit deinem Pullover«, fordert er schließlich.

Den Gang in Arnes Tattoo-Studio habe ich auf mich genommen, weil der Sex mit Nele nicht mehr stimmt. Das Licht muss aus oder ich trage ihr zuliebe ein Oberteil, um die Narben meiner Schulter zu verdecken. Ich könnte stundenlang nackt zwischen ihren Beinen liegen, sie würde einfach nicht kommen. Zu sehr ist sie auf die Narben fixiert. Es nervt mich. Wenigstens in diesen Momenten möchte ich, dass wir beide komplett abschalten können.

Arne fängt mit seiner Arbeit an. Er desinfiziert meinen Arm, rasiert mir die Härchen runter und sprüht noch einmal. Mit einem roten Filzstift beginnt er direkt auf meiner Haut zu zeichnen. »Was machst du da?«, frage ich irritiert, als er immer längere Striche von der Schulter zum Oberarm zieht. Es war keine Rede davon den Arm zu tätowieren.

»Vertrau mir. Wenn ich aussuchen kann, was ich stechen darf, dann auch die Größe des Tattoos.«

Nach vier Stunden schmeißt mich Arne schließlich aus seinem Studio. »Du hast geblutet wie ein Schwein. Hoffentlich bilden sich keine Narben. Ich habe dich auch nur dir zuliebe gestochen, andere hätte ich längst weggeschickt.« Er stöhnt frustriert und zieht seine schwarzen Hygienehandschuhe aus. Arne hat nach dem ersten Stich bemerkt, dass mit mir etwas nicht stimmt. Er fragte, ob ich Schmerzmedikamente nehme, die mein Blut verdünnen würden. Ich habe gelogen und es verneint. Der Wunsch, die Narben zu verdecken, war größer als das Endergebnis vom Tattoo. Mir ist es egal, ob es hübsch aussieht. Ich will einfach nicht mehr Neles trauriges Gesicht sehen, wenn ich nackt bin.

»Morgen früh wäschst du deinen Arm nur mit lauwarmem Wasser und cremst es ordentlich ein. Hier, ich gebe dir noch 'ne Dose mit. Wir haben heute nicht alles geschafft. Wenn du merkst, dass es ordentlich verheilt, kommst du wieder, damit wir weitermachen können.«

Ächzend stehe ich vom Stuhl auf und versuche ein paar Schritte zu gehen. Das war echt anstrengend, die ganze Zeit nur zu sitzen. Mir ist etwas schummrig. Die Schmerzen der Nadel waren zum Glück erträglich. Dank der Schmerzmittel, die ich tonnenweise intus habe. Mein Arm fühlt sich trotzdem ziemlich heiß und angeschwollen an. Arne wickelt ihn vorsichtig mit Folie ein und hilft mir meinen Pullover anzuziehen.

»Was schulde ich dir?«, frage ich und hole dabei meine Geldbörse aus der Hosentasche. Er schüttelt den Kopf und winkt mit den Händen ab.

»Nichts, lass stecken.« Verdutzt sehe ich ihn an.

»Das geht nicht, das kann ich nicht annehmen. Meinetwegen hast du heute deine laufende Kundschaft abgewimmelt.«

»Nimm es als Dankeschön für die Nächte, in denen du mich sicher nach Hause gebracht hast.«

Ich bin froh. Arne hat es nicht vergessen. Er und Josef haben manchmal viel zu viel getrunken. Josef bat mich meistens, wenn es recht spät wurde, seinen Freund mit seinem Wagen nach Hause zu bringen. Es war jedes Mal eine Tortur, Arne zum Auto zu schleppen. Im betrunkenen Zustand konnte er ziemlich aggressiv werden. Doch dafür durfte ich ohne Führerschein hinters Lenkrad. Ob das die blauen Flecke wert war, ist eine andere Frage.

»Danke.« Ich nehme Arne in den Arm und verabschiede mich. Draußen vor der Tür schnappe ich nach frischer Luft und verliere mich kurz in meinen Gedanken. Die Bar ist gleich in der Nähe. Mit den Händen in den Hosentaschen schlendere ich durch die mir allzu bekannten Straßen. Jedes Haus und jeden kleinen Laden verknüpfe ich mit einer Erinnerung. Die alten Tage zaubern mir ein bedrücktes Lächeln auf die Lippen. Seufzend wünsche ich mir, wieder in der Vergangenheit zu sein. Ich hätte so vieles anders gemacht und wäre gerne schon früher der Mensch gewesen, der ich jetzt bin.

Seit zwei Monaten war ich sicher nicht mehr in der Bar. Ich habe Tomas die Schlüssel für den Laden übergeben und ihn drum gebeten, nach dem Rechten zu sehen. Ich habe mich einfach nicht getraut wieder herzukommen. Doch eben überkam mich das Bedürfnis, selbst nachzuschauen. Ich kann nicht beschreiben, was in mir vorgeht. Es ist eine Mischung aus Vorfreude und einem mulmigen Gefühl. Automatisch lege ich meine Hand auf meine pochende Schulter und massiere die vernarbte Wunde.

Ich verdränge die Erinnerung an Petra und das, was sie mir angetan hat, als ich in der Entfernung einen dunkelblauen Transporter auf der Straße entdecke. Mehrere Bauarbeiter stehen auf dem Bürgersteig und tragen Baumaterial in ein Gebäude. Renovieren die das Gebäude neben der Bar? Als ich mich meinem Ziel weiter nähere, kann ich kaum glauben, was passiert. Vor Entsetzen klappt mir die Kinnlade auf.

Wo vorher mein Bleach war, befindet sich nun eine riesige Baustelle. Was soll das?! Mein Herz beginnt zu hämmern. Ich kann irgendwie keinen richtigen Gedanken fassen. Sie überschlagen sich in meinem Kopf. Die Leuchtreklame hängt nicht mehr über dem Eingang. Nur noch die Verwitterungsrückstände zeigen, dass dort einmal etwas hing. Wo ist der Name meiner Bar? Ich war so glücklich, als ich das Ding damals auf der Mülldeponie gefunden hatte. Marlene und ich haben den schweren Schriftzug zu Fuß hergeschleppt. Und jetzt ist er einfach weg!

Die Türen und Fenster stehen sperrangelweit auf. Nichtsahnend begrüßen mich die Bauarbeiter und bahnen sich den Weg an mir vorbei ins Gebäude. Zu Dutzenden wuseln die fremden Menschen drinnen umher. Überfordert gehe ich hinein. Ich will einen der Männer fragen, was hier passiert und wer dafür verantwortlich ist. Mir stockt der Atem. Ich drehe mich im Kreis. Alle Wände sind verputzt und gestrichen. Es hängen Stromleitungen aus den Decken. Wo ist Josefs Bar?! Warum ist hier auf einmal so viel Platz?! Die Lagerhalle von nebenan? Kann das sein?! Ich habe mir immer gewünscht, sie irgendwann zu kaufen, die Zwischenwand einzureißen und den Laden zu vergrößern. Aber das war nur eine Wunschvorstellung! So etwas kann ich mir nicht leisten! Ob die Bank dahinter steckt? Haben die mir einfach die Bar weggenommen?! Das darf doch nicht wahr sein! Mir hat keiner irgendetwas gesagt! Das ist meine Bar! Ich lasse sie mir von niemand wegnehmen!

Zwischen dem ganzen Lärm höre ich unerwartet Neles Stimme. Nele?! Ich drehe mich wieder und entdecke, wie sie einem Bauarbeiter irgendwelche Pläne hinhält und sie bespricht. Was macht sie hier?! Nele trägt einen mit Farbe beschmierten Blaumann. Kein Wort kommt aus meinem Mund. Es trifft mich wie ein Schlag. Ich fasse es nicht! Meine Bar ist ihr neues Projekt?! Wirklich?! Ist das ihr Ernst?! Vor Wut werde ich fast wahnsinnig.

»Maya …«, stockt Nele, als sie mich sieht.

»Maya?« Tomas taucht plötzlich aus den Waschräumen auf. Genauso wie sie trägt er einen Blaumann. Er steckt mit ihr unter einer Decke?! Wie kann mir der Penner nur so etwas antun?! Die Luft wird mir plötzlich knapp. Beklemmt sehe ich mich ein letztes Mal um, bevor ich panisch die Baustelle verlasse. Im Eilschritt stürme ich durch den Ausgang und schnappe draußen nach Luft. Das ist nicht wahr! Das kann einfach nicht wahr sein!

»Maya!«, ruft mir Tomas nach. »Warte! Wo willst du hin?« Als Tomas mein Handgelenk packt, reiße ich mich von ihm los.

»Jetzt warte doch!«, bittet er. Ich muss mich zusammenreißen. Ich zittere, so angespannt bin ich.

»Lass mich los!«, fauche ich, als Tomas meinen tätowierten Arm berührt. Er versucht mich zu beschwichtigen, aber ich ertrage es nicht.

»Maya!«, ermahnt er mich und schneidet mir den Weg ab. »Sieh dir doch erst einmal an, was Nele vorhat.«

»Verschwinde oder ich schwöre dir, ich prügel auf dich ein!«, drohe ich ihm wütend.

»Entspann dich mal. Ich verstehe gar nicht, was du hast!«, entgegnet er lauter.

»Willst du mich verarschen?!« Ich schubse ihn zur Seite, damit er mir endlich den Weg freimacht.

»Jetzt bleib doch stehen und sieh dir die Bar an!«

»Was soll ich mir ansehen?! Ihr habt meine Bar auf den Kopf gestellt! Es sieht dort drinnen so aus, wie in einer verdammten Tussibude!«

»Ja, aber …«

»Was, ja aber?!«, unterbreche ich ihn. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. »Du hast mich immer vor den verrückten Bräuten gewarnt! Hätte ich bloß auf dich gehört! Aber, dass du Arsch da mitziehst, hätte ich nicht erwartet. Du bist mein bester Freund! Muss ich dich daran erinnern oder was?! Außerdem, wo habt ihr das Geld für den Umbau her?!«

»Nele …«, stammelt er.

»Nele?! Ist das jetzt ihre Bar und nicht mehr meine?!«, schreie ich ihn lauthals an.

Im Augenwinkel sehe ich sie, nur kurz schaue ich zu ihr rüber. Nele ist uns gefolgt. Vermutlich hat sie die Unterhaltung mit angehört. Sie ist die Letzte, die ich sehen will. Warum sieht sie so traurig aus? Etwa wegen meiner Worte? Ich wette, sie fängt jeden Moment an zu weinen. Die Wut lässt mir keinen klaren Gedanken. Die ganze Situation überfordert mich. Ich lasse meinen Frust an Tomas aus und ramme ihn mit aller Kraft gegen die Gebäudefassade. Ich kann Nele jetzt nicht ertragen!

»Willst du nicht nach Hause?«, fragt mich Olaf und reicht mir die vierte Flasche Bier. Ich schüttle den Kopf und öffne sie mit dem Flaschenöffner, der auf dem verdreckten Couchtisch liegt. Es ist kurz vor zweiundzwanzig Uhr.

»Meinetwegen, dann penn auf dem Sofa«, meint er. Olaf setzt sich zu mir. Obwohl er keinen Kummer hat, trinkt er mit. »Ich will auch 'ne reiche Freundin. Wo kriegt man die her?«, fragt er und versucht, mich damit zu ärgern.

»Halt die Klappe«, zische ich genervt und trinke die halbe Bierflasche ohne abzusetzen aus. Alles ist vorbei. Nele hat meinen Traum auseinandergenommen. Sie hat mir meine Bar weggenommen. Die Wände waren weiß gestrichen, mit hellgrünen Akzenten. Als hätte sie aus der Bar ein Scheiß-Wellnesscenter gemacht! Die Erinnerungen an Josef und meine Vergangenheit hat Nele einfach übermalt. Warum hat sie das getan?! Warum hat sie mir, ohne etwas zu sagen, meine Bar aus den Händen gerissen?! Was fällt überhaupt Tomas ein?! Er müsste am besten wissen, was der Laden für mich bedeutet! So viel Arbeit steckte da drin. Jetzt ist es genauso eine Schickimickibude wie die ganzen anderen Bars!

Als ich die Bierflasche fast ausgetrunken habe, betrachte ich die Luftbläschen, die auf der Oberfläche schwimmen. Mir kommt Neles trauriger Gesichtsausdruck in den Sinn, ich stöhne. Nervös wippe ich mit meinem Bein. Olaf sieht kurz zu mir und schaut dann zurück in die Glotze. Es tut gut, dass er mich mit meinen Gedanken alleine lässt. Ich bin zu frustriert, um den Mund zu öffnen. Es tobt in mir.

Unruhig hole ich mein Handy aus der Hosentasche und schalte es wieder ein. Kaum leuchtet das Display, fängt mein Telefon ununterbrochen an zu vibrieren. Mehr als zehn Nachrichten hat mir Nele hinterlassen. Ich lese mir einige durch, als Neles Nummer plötzlich aufblinkt. Sie versucht mich jetzt zum hundertsten Mal anzurufen. Ich schalte das Handy wieder aus. Ich kann nicht mit ihr reden! Ich kenne mich. Sobald ich sie dran habe, werde ich Dinge sagen, die ich später bereuen werde. Es ist gut so, wie es ist. Soll sie sich ruhig weiter um mich Sorgen machen!

Verkatert sitze ich am nächsten Morgen alleine beim Bäcker und esse ein belegtes Brötchen. Dazu gibt es ein Käffchen. Olaf hatte nichts zu futtern da und wecken konnte ich den Riesen auch nicht. Müde schlinge ich das Brötchen mit großen Bissen runter. Ich denke über Nele nach. Seit gestern habe ich mich nicht mehr bei ihr gemeldet. Sicher hat sie die Nacht nicht geschlafen und geweint. Ich bin genervt und die ständigen Gedanken an Nele leid! Mir ist zum Kotzen.

Bevor ich mich weiter in meine Wut hineinsteigern kann, klopft unerwartet jemand ans Schaufenster. Ich erschrecke mich und entdecke Susanne. Lachend winkt sie mir zu und kommt ins Geschäft. »Maya?!«, ruft sie begeistert.

Ich lächle und stehe zur Begrüßung auf, um sie in den Arm zu nehmen.

»Was machst du hier am frühen Morgen?« Ohne auf eine Antwort von mir zu warten, setzt sie sich mir gegenüber und dreht sich zur Kassiererin. »Kann ich bitte einen Kaffee haben?«

Susanne und ich unterhalten uns in der Bäckerei ziemlich lange. Zwischenzeitig hat sie sich ein Stück Sahnetorte bestellt, das bis zum letzten Bissen in ihrem Mund verschwindet. Wenn Nele hier wäre, hätte sie an Susannes Stelle darauf bestanden, den Kuchen mit mir zu teilen. Als ich darüber nachdenke, ist mir zum Lächeln. Aber ich verbiete es mir. Nele hat einfach zu große Scheiße gebaut.

»Kannst du dich noch daran erinnern, als Josef betrunken und ohne Hose aus der Kneipe spaziert ist und draußen in der Kälte angefangen hat zu tanzen?«, fragt Susanne und lenkt mich ab. Ich grinse und nicke ihr zu.

»Das waren die schlimmsten Zeiten«, antworte ich bedrückt. Ich erinnere mich ungern an diese Tage. Josef war mir eigentlich immer der Liebste. Ein ziemlich komischer Vogel, aber dafür eine ehrliche Haut. Obwohl er es nicht musste, kümmerte er sich gut um mich. Wie ein Vater, würde ich sogar behaupten. Josef hatte viele Freunde und Bekannte. Er liebte die Frauen und das fettige Essen. Aber noch mehr liebte er den Alkohol. Irgendwann versagte Josefs Leber und er war tot. Ich habe daraus gelernt: Kümmerst du dich nicht gut um deinen Körper, rächt er sich. Schneller als dir lieb ist.

»Als Josef durchdrehte, musstest du dich um die Buchhaltung kümmern. Du warst damals damit so überfordert, dass du deine schlechte Laune ständig an mir ausgelassen hast.« Mit einem bezaubernden Lächeln spielt Susanne an ihrem Zopf, der von ihrer Schulter bis zur Brust reicht. Ihre Haare sind in verschiedenen Tönen gefärbt. Dunkel- bis weißblonde Strähnen fließen durch die ineinander geflochtenen Gräten. Ihre Lippen sind schmal, doch ihre großen, blauen Augen leuchten, wenn sie lacht. Sie ist wirklich eine bildhübsche Frau.

»Du nimmst es mir noch immer übel?«, frage ich verlegen und zerdrücke mit dem Zeigefinger die Brötchenkrümel auf dem Teller. Susanne lächelt noch immer.

»Nein, nicht mehr. Immerhin hast du dafür gesorgt, dass ich meinen Lohn bekomme. Du hast dich eigentlich um alles gekümmert. Du hättest auch gehen können. So wie wir alle schließlich gegangen sind.« Susannes Mundwinkel ziehen sich langsam nach unten. Ihr Lächeln kann man nur noch erahnen.

»Das konnte ich nicht. Immerhin durfte ich auf der Couch im Büro schlafen.« Ich wollte unbedingt aus dem Heim raus. Nicht weil die Menschen dort schlecht waren, sondern weil mich alles irgendwie erdrückt hat. Sobald ich sechzehn war, zog ich aus und kam bei einer Freundin unter. Doch als rauskam, dass ich auf Mädchen stand, wollten ihre Eltern mich nicht mehr im Haus haben. Was für Idioten. Nur weil ich lesbisch bin, heißt das nicht, dass ich auf jede Frau stehe. Dabei war Tatjana so fett wie ein Walross. Sie brauchte doch auch nur eine Freundin.

Als ich damals nach einem neuen Schlafplatz suchte, traf ich auf Josef. Betrunken saß er draußen vor der Kneipe. Ich wollte ihm zuerst etwas Kleingeld geben, weil ich dachte, er wäre obdachlos. Doch der alte Mann, egal wie voll er war, maulte mich lauthals an und prahlte damit, dass die Kneipe ihm gehöre. Im ersten Moment hatte ich Angst vor Josef, doch als er aufstand und zum Eingang torkelte, tat er mir leid. So fing irgendwie alles an.

»Hey, ich wollte noch ein bisschen durch die Stadt bummeln. Möchtest du mit?«, fragt Susanne und holt mich wieder aus meinen Gedanken. Nele wartet sicher auf mich. In mir rumort es. Schließlich krame ich meine Geldbörse hervor und bezahle für uns beide.

»Warum nicht?«, antworte ich.

Nele

Fassungslos starre ich Maya an, die soeben zu ihren Freunden ins Wohnzimmer geht. Es verschlägt mir die Sprache. Sie trägt ein bedrucktes, weißes Tanktop und zum ersten Mal sehe ich ihr Tattoo. Die Rosen auf ihrem Arm sind schwarz gestochen. In verschiedenen Größen prangen sie auf ihrer Haut und reichen von ihrer Schulter bis runter zum Handgelenk. Egal wie entsetzt ich auch von diesem fremden Anblick bin, die dunklen Rosen sehen wirklich schön aus. Als hätte man sie mit einem feinen Pinsel gezeichnet. Auf den schwarz schattierten Blütenblättern sind sogar kleine Tautropfen zu erkennen.

Der Anblick erinnert mich an meine verstorbenen Großeltern und ihren wundervollen, großen Garten. Wie oft habe ich mich als kleines Kind dort versteckt und mich von meinem Großvater suchen lassen? Die Erinnerung an sein warmes Lächeln habe ich nicht vergessen. Ich wünschte, ich wäre wieder ein Kind. Weit weg von den Problemen der Erwachsenen.

Nur langsam erhole ich mich vom Schock. Seit wann hat Maya das Tattoo? Es muss doch Wochen gedauert haben, das machen zu lassen. Ist es wirklich so lange her, dass wir uns das letzte Mal nah waren? Ich drehe mich zur Arbeitsfläche und sehe mir wieder den bemalten Arm von Maya an. Durch die offene Wohnküche fällt es mir leicht sie zu beobachten. Mit einem Mal kommt sie mir so anders vor. Sie ist Maya, keine Frage, aber das Tattoo lässt sie irgendwie aufregender aussehen. Ich schäme mich für meine Gedanken und fühle, wie sich meine Wangen röten.

Anscheinend habe ich Maya zu lange angestarrt, denn sie sieht zu mir. Ertappt schaue ich weg und mache mich daran, das Gemüse in meiner Hand zu entkernen. Ihr genervter Blick schüchtert mich ein. Sie ist immer noch sauer auf mich.

Niemals hätte ich gedacht, dass der Umbau der Bar sie wütend macht. Ich wollte etwas schaffen, was uns beiden gut tut. Ein Neuanfang. Ich bin zu weit gegangen. Hätte ich nur auf Tomas gehört. Ich habe seine Warnung einfach ignoriert. Dabei wollte ich Maya unbedingt mit ihrer neuen Bar überraschen. Ich wollte sie wieder über beide Ohren strahlen sehen. Wenn ich ihr meine Hilfe angeboten hätte, die Bar umzubauen, sie hätte es doch niemals angenommen! Ich stöhne. Könnte ich nur alles rückgängig machen. Aber es geht nicht mehr. Die Tilgung für das Darlehen fängt nächsten Monat an. Für die Summe, die ich in Mayas Bar investiert habe, hätte ich mir auch ein Einfamilienhaus leisten können. Die ganze Mühe war umsonst.

Nächste Woche ist die Neueröffnung. Ich habe mich nicht getraut, ihr davon zu erzählen. Feige legte ich ihr einfach einen Flyer aufs Bett. Kein Wort hat sie dazu gesagt. Ich wünschte, wir könnten miteinander reden, und wenn sie mich anschreien würde, wäre mir das genauso lieb. Sie will mich nicht beschimpfen. Ich weiß nicht warum. Ob sie überhaupt noch etwas für mich empfindet?

Die meiste Zeit gibt sie mir nämlich das Gefühl, als wären wir nicht mehr zusammen. Nur selten legt sich Maya zu mir ins Bett. Eigentlich nur dann, wenn ich einen Albtraum habe. Wann hat sie mich das letzte Mal geküsst?

Es verletzt mich, Maya mit ihren Freunden im Wohnzimmer zu sehen. Fast so, als würde sie es mir unter die Nase reiben, lacht sie herzhaft und unterhält sich pausenlos, während sie gemeinsam zocken. Wie ausgestoßen stehe ich alleine in der Küche und bereite etwas zu essen vor. Maya hat mir nicht Bescheid gegeben, dass Leute vorbeikommen. Sonst hätte ich mich in mein Zimmer verkrochen. Was wundert es mich? Sie sagt mir gar nichts mehr. Mittlerweile arbeitet sie auch wieder. In dem Fitnessstudio, in dem sie selbst regelmäßig trainiert. Nicht einmal Tomas hat mir davon erzählt. Nach dem Einkaufen habe ich Maya zufällig durch das Fenster im Studio gesehen. Seitdem nehme ich öfters vor dem Einkaufen einen Umweg und gehe an dem Fitnessstudio vorbei. Versteckt in einer Ecke beobachte ich Maya bei der Arbeit oder wie sie trainiert. Es ist schrecklich ihr nachzustellen. Die ganze Zeit habe ich Angst, von ihr entdeckt zu werden. Aber dort im Studio ist Maya anders als mit mir alleine zu Hause. Sie ist ausgelassen, freundlich und kann lachen. Mit mir kann sie nicht mehr lachen.

In meinen Gedanken versunken, schneide ich die Paprika auf dem Schneidebrett in Streifen. Dabei bemerke ich viel zu spät, dass jemand über mir an den Schrank geht und die Klappe öffnet. Erschrocken entdecke ich Maya. Sie steht direkt hinter mir und streckt sich nach einem Glas. Ich versuche standhaft zu bleiben und schneide weiter. Sie berührt mich nicht, aber mir wird auf einmal ziemlich warm. Ihr Geruch steigt mir in die Nase. Ich versteinere. Ich kann mich nicht dazu ermutigen, mich nach ihr umzusehen. Nur einige Zentimeter steht sie von mir entfernt und schenkt sich am Wasserhahn zu trinken ein. Sie hätte auch die Limo auf dem Wohnzimmertisch trinken können. Mein Herz schlägt kräftig gegen meinen Brustkorb, sodass ich befürchte, sie könnte es hören.

Mittlerweile habe ich aufgehört, das Gemüse vor mir zu verarbeiten. Ich höre Maya, wie sie ein paar Schlucke aus ihrem Glas trinkt. Mein Mund wird trocken. Am liebsten würde ich ebenfalls meinen Durst löschen. Ehe ich wieder anfangen kann zu schneiden, greift sich Maya einen Streifen der Paprika. Verblüfft sehe ich zu ihr auf. Sie schiebt sich das Stück in den Mund und beißt ab. Dabei zeigt sie mir keinerlei Emotionen. Weder ein Lächeln noch einen genervten Gesichtsausdruck. Es sind Gesten wie diese, die mich hoffen lassen, dass Maya mich noch liebt. Ich nehme allen Mut zusammen.

»Können wir später vielleicht reden?«, frage ich leise, damit es die anderen nicht bemerken. Maya hört plötzlich auf zu kauen, was mir vor Hoffnung mein Herz bis zum Hals schlagen lässt. Doch dann beißt sie nur erneut ein Stück Paprika ab und geht. Meine Anspannung zerplatzt und lässt nur Leere zurück.

Plötzlich zucke ich vor Schmerz zusammen. Ich habe mich in den Finger geschnitten. Aus Gewohnheit schaue ich hilflos zu Maya und erwarte, dass sie mir ein Pflaster bringt. Normalerweise würde sie von ihrem Platz aufspringen, um nachzusehen, was ich wieder angestellt habe. Aber das war vor der Geschichte mit der Bar. Jetzt sitzt sie vor dem Fernseher und spielt lieber ein bescheuertes Autorennen. Mein Blut tropft aufs Schneidebrett. Hastig ziehe ich ein Küchenpapier von der Rolle und versuche, die Blutung zu stoppen. Ich gehe durch den Flur ins Bad, dort krame im Arzneischrank nach Pflastern. Mittlerweile brennt die Wunde an meinem Finger. Wo sind denn die blöden Pflaster? Etwas verzweifelt suche ich weiter. Vielleicht haben wir eine Wundsalbe. Doch in diesem Chaos kann man einfach nichts finden! Mayas Schmerztabletten fallen allesamt auf den Boden. Ich stöhne und hebe die zwei Packungen auf, um sie zurück an ihren Platz zu stellen.

Fast drei Monate ist es her, seitdem Maya im Krankenhaus war. Mir wird mulmig, als mir klar wird, dass sie immer noch so viele Medikamente einnimmt.

---ENDE DER LESEPROBE---