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Die unsichere Amelie möchte gerne als Model Fuß fassen. Als ihre letzte Bewerbung abgelehnt wird, befindet sie sich in einer verzweifelten Lage. Wie soll sie ihrem Freund und dessen Mutter beichten, dass sie wieder versagt hat? Bis Amelie von einem Fremden angesprochen wird und dieser ihr ein ungewöhnliches Jobangebot unterbreitet. Amelie soll für berühmte Schriftstellerin als Charaktervorlage dienen.
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Inhaltsverzeichnis
Amelie
Ofelia
Amelie
Amelie
Ofelia
Amelie
Jolene Walker
Die Autorin
Eine lesbische Kurzgeschichte
Deutsche Erstausgabe
Juni 2015
Impressum
Copyright: © 2015 Jolene Walker
c/o AutorenServices.de
König-Konrad-Str. 22
36039 Fulda
Ihr könnt mich auf Twitter finden:
twitter.com/walkerjole
Cover unter Lizenzierung eines Motives von Dusan Jankovic aus Shutterstock
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.
Was ist los mit mir? Ich fühle mich nicht mehr wie ich selbst. Ich fühle mich wie eine leblose Marionette, die von ihrem Spieler tagein tagaus dem Publikum vorgeführt wird. Dabei trage ich eine lachende Maske, unter der ich weine.
Niedergeschlagen sitze ich im Shoppingcenter auf einer Bank. Ich habe das Gefühl, als würden mich die vorbeigehenden Passanten anstarren. Mit schlechtem Gewissen schlecke ich ein Eis und sehe bedrückt die schwarze Fotomappe auf meinem Schoß an.
Wieder hat es nicht geklappt. Obwohl Anton mir den Termin bei der Modelagentur verschaffte, habe ich keinen Job bekommen. Er wird sicher enttäuscht sein. In letzter Zeit ist er ziemlich oft von mir enttäuscht. Bestimmt wirft er mir vor, nicht gesund genug zu essen und zu wenig Sport zu treiben. Mit gesünder essen meint er, ich soll nicht so viel essen. Das Schokoladeneis, das ich mir gerade gekauft habe, macht das ganze auch nicht besser.
Die Modelagentur hat mich direkt nach dem Wiegen und dem Messen abgelehnt. Meine Hüfte sei zu breit, mein Oberkörper wäre zu lang, die Beine zu kurz. Sie haben mich nicht mal laufen lassen. Ich fühl mich fett.
Traurig stehe ich auf und schmeiße schließlich das Eis in die Mülltonne. Seufzend setze ich mich zurück auf meinen Platz und blättere lustlos in meiner Fotomappe herum. Ich mag meine Bilder nicht. Ich mag nicht, wie ich posiere, wie ich geschminkt bin und wie sie mir die Haare frisiert haben. Egal wie sehr die Leute versuchen mich aufzuhübschen, ich bin nicht hübsch! Ich bin einfach nur hässlich!
»Entschuldigen Sie bitte?«, spricht mich jemand unerwartet an. Ein älterer Herr in einem beigefarbenen Anzug steht vor mir.
»Ich habe Sie gesehen. Oben, in der zweiten Etage, in der Modelagentur. Das lief wohl nicht so gut?« Woher weiß er davon? Hat er mich etwa beobachtet?
»Ich bin zwar kein Modelscout, aber ich bin auf der Suche nach einem hübschen Mädchen mit dem gewissen Etwas.« Er reicht mir seine Karte und am liebsten will ich sie ihm zurückgeben. Ich bin nicht hübsch! Und außerdem sieht er mit dem zerknitterten Jackett und dem ungepflegten Dreitagebart ziemlich unseriös aus. Solche Männer sprechen mich zuhauf an. Sie versprechen mir das Blaue vom Himmel herab und wollen mich dabei nur nackt fotografieren. Danach melden sie sich nie wieder. So etwas mache ich nicht noch einmal mit!
»Einer meiner Schriftstellerinnen hat derzeit einen schlechten Lauf. Ich glaube, dass Sie ihr auf die Sprünge helfen könnten.«
Schriftstellerin? Verdutzt sehe ich ihn an. Was meint er damit?
»Sie müssten für einen Charakter in einem Buch als Vorlage dienen. Ich suche schon etwas länger nach einer passenden, jungen Frau. Ich würde Sie gerne der Schriftstellerin vorstellen. Auf der Karte stehen meine Kontaktdaten. Wenn Sie Interesse haben, rufen Sie mich bitte an.« Er lächelt und verabschiedet sich.
»Warten Sie. Warum ich?« Der Mann steckt seine Hände in die Hosentasche, schmunzelnd sieht er mich an.
»Ihr Gesicht. Mag sein, dass Sie der Modelagentur nicht genügen. Aber Ihr Gesicht erzählt Geschichten und ich glaube, Ofelia braucht so etwas.«
»Ofelia?«, gebe ich den Namen irritiert wieder.
»Also, rufen Sie mich an. Meine Nummer haben Sie.« Schließlich dreht er mir den Rücken zu und geht. Ich sehe ihm kurz nach, danach lese ich die Karte in meiner Hand. Jakob Brandt, Buchverlag Brandt.
***
»Das kann doch nicht wahr sein! Schon wieder nicht? Ich rufe da morgen an und frage nach, was sie sich dabei denken!« Anton zieht gerade sein Hemd aus und regt sich tierisch auf. Ich sitze auf dem Bett und kneble schuldig meine Füße. Ich habe mich nicht getraut, ihm zu sagen, dass der Modelagentur mein Hintern zu breit war. Sonst hätte er sicher geschimpft, dass ich zum Abendessen Nudeln hatte.
»Immer das gleiche Theater. Vielleicht hast du über die Weihnachtstage zugelegt. Ich sollte dir mit meinem Fitnesstrainer einen Termin vereinbaren«, bietet er genervt an. »Du solltest aufhören so viele Kohlenhydrate zu essen«, nörgelt er weiter und verschwindet dann ins Bad.
Ich fühle mich schlecht. Anton ist ständig so diszipliniert. Egal um was es geht. Für ihn muss Essen nicht schmecken, nur funktionieren. Er trainiert so hart, dass sich mittlerweile seine Muskelstränge durch seine Haut abzeichnen. Und so diszipliniert Anton ist, so viel Disziplin erwartet er von mir. Ich wünschte, ich könnte ihm gerecht werden.
Noch immer aufgebracht kommt er mit der Zahnbürste aus dem Bad. »Mama wird sich wieder ihren Teil dabei denken«, nörgelt er und schrubbt er hektisch seine Zähne. Dann geht er zurück, um sich den Mund auszuwaschen.
»Vielleicht sollte ich etwas anderes machen. Ich bin als Laufstegmodel nicht gut genug«, gebe ich leise von mir.
»Nein, Liebes«, wird Anton auf einmal ruhig. Er schaltet das Licht aus und schließt die Badtür. »Wir haben so hart an dir gearbeitet. Die fünfzehn Kilo, die du abgenommen hast, die Nasenkorrektur. Lass das nicht umsonst gewesen sein. Wenn du jetzt aufgibst, ist das doch nur eine Bestätigung für meine Mutter. Sie hat von Anfang an gesagt, dass das Modeln nichts für dich ist. Aber du warst schon auf drei Modeshows und du hast zwei Misswahlen gewonnen. Du musst nur härter an dir arbeiten.« Anton legt sich zu mir ins Bett und versucht mich mit seinen Worten zu beschwichtigen. Er erinnert mich daran, was ich alles aufgegeben habe, um der Mensch zu sein, der ich jetzt bin. Anton hat nicht unrecht, ich sollte nicht so einfach das Handtuch werfen.
»Wenn du nicht weiter abnehmen kannst, dann sollten wir vielleicht über eine Fettabsaugung nachdenken.« Fettabsaugung? Sprachlos sehe ich ihn an. Die Nasen-OP habe ich ihm zuliebe gemacht. Reicht es ihm nicht? Jetzt soll ich mir auch noch das Fett absaugen lassen?
Anton dreht sich zur Seite und knipst dabei das Nachtlicht aus. »Gute Nacht«, sagt er, ohne mir einen Kuss zu geben und legt sich schlafen. Anton kommt aus einer reichen Familie. Vor zwei Jahren haben wir uns auf einer Feier kennengelernt und seitdem sind wir ein Paar. Ich habe nie wirklich verstanden, warum er eigentlich mit mir zusammen ist. Immer wieder haben er und seine Mutter etwas an mir auszusetzen. Trotzdem kümmert sich Anton gut um mich. Er kümmert sich finanziell gut um mich.
Mit dem Gedanken an seine Mutter wird mir auf einmal unwohl. Am liebsten will ich mich übergeben, um das Essen und die unzähligen Kalorien loszuwerden. Ich fühle, wie von Minute zu Minute das Fett sich auf meine Hüften absetzt. Doch würde ich mich übergeben, würde Anton mich sicher hören. Er würde mich beschimpfen und dabei schreien, dass Essen erbrechen schwäche sei und ich für meine Fehler noch härter arbeiten müsste. Ich kenne ihn.
»Wo willst du hin?«, fragt er müde, als ich aus dem Bett steige.
»Ich habe Durst«, sage ich und lüge.
Unten in der Küche lege ich mich auf den kalten Fliesenboden und fange an Übungen zu machen. Ich werde so lange trainieren, bis sich mein Magen wieder leicht anfühlt.
***
»Amelie, du hast zugenommen. Ich sehe es sofort an deinen Wangen.« Antons Mutter streichelt vorwurfsvoll mein Gesicht. Keine fünf Minuten stehe ich in ihrem prunkvollen Haus, da hat sie bereits etwas zu nörgeln.
»Ich sage es dir immer wieder, du musst Apfelessig vor dem Frühstück trinken. Dann siehst du auch nicht mehr so aufgedunsen aus.« Ich lächle verlegen. Ich habe es mit Apfelessig wirklich versucht, aber ich bekomme davon Sodbrennen und Pickel auf der Stirn. Und wenn ich pickelig aussehe, mag Anton nicht mit mir ausgehen.
»Hör nicht auf den Hungerhaken, mein Kind. In den Adern dieser Frau fließen nur Nikotin und purer Alkohol.«
»Sybille, also bitte!«, wird Antons Mutter wütend, als seine Tante gerade in den Speisesaal kommt. Anton und sein Vater lachen. Ich verkneife es mir.
»Du weißt gar nicht, was du da redest. Du hast keine Ahnung, wie hart es in der Modebranche ist. Jedes Gramm mehr entscheidet über deinen Erfolg.«
Sybille nimmt mich kopfschüttelnd zur Begrüßung in den Arm. »Der alte Drache. Sie modelt seit zehn Jahren nicht mehr und tut noch immer so, als wäre sie berühmt.«
»Was heißt hier, ich tue so, als wäre ich berühmt?! Ich bin berühmt! Erst letzte Woche habe ich einen Vertrag unterschrieben, in dem sie mit meinem Gesicht für Anti-Aging-Produkte werben. Amelie ist schon zweiundzwanzig und hatte bis jetzt nur ein paar Jobs. Ich war bereits mit sechzehn auf dem Catwalk und bin für die ganz Großen gelaufen«, gibt Antons Mutter empört von sich. »Außerdem versuche ich Amelie nur ein paar Tipps zu geben, damit sie wieder arbeiten kann. Die ganze Zeit nur auf Antons Tasche zu liegen ist auch nicht gut für sie.