Bunte Scherben - Volker Friebel - E-Book

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Volker Friebel

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Beschreibung

Der Schriftsteller sucht für ein Buch nach der Seele, der Bibliothekar und Clara folgen ihm auf ihre jeweils eigene Weise. Der Bibliothekar: „Meine Seele, wohnt sie nicht in der Leere zwischen den Wörtern?“, hat er zu einer der Wände gesagt. Und sich gewundert, wie die Fülle geradewegs aus dem Nichts zu kommen scheint, wie sie nicht zu spüren ist in der Besprechung mit den Kollegen, nicht in der Mittagspause, auch nicht im Trubel des Weihnachtsmarkts in der Stadt – es sei denn vielleicht, man schaut in die Wunderkerzen, deren sprühende Funken alle Dinge zu einem Hintergrund machen – und auch hier sind es nicht die Funken selbst, sondern die Leere, die plötzlich zwischen ihnen hervorlugt, wo eben all die Dinge noch waren. Clara: Ein Buch über die Seele! Natürlich gibt es auch Bücher über Bäume. Aber die bezweifeln den Wald nicht. Wenn der Mann über Bäume schriebe, was bliebe am Ende davon? Wenns hoch kommt, Sperrholz. Vielleicht ist es nur die Frage, ob das Wort ,Seele‘ denn einen Sinn macht, nicht ob es so etwas wie einen Schmetterling oder einen verborgenen See noch zu entdecken gäbe, zwischen all den anderen Dingen. Vielleicht stellt sich die Frage nicht einem Lexikon und dem Mann, der in ihm blättert auf der Suche nach einer allgemeingültigen Wahrheit, sondern jedem Menschen für sich, immer neu, in jeder Sekunde: Hat mein Leben denn Seele an diesem lichtdurchfluteten Tag, auf der Schaukel am Rande der Siedlung, am Buchenwald, wo der Blick in die Berge geht und ins Wolkengebirge darüber? Der Schriftsteller wälzt Lexika und beschäftigt sich mit den Tiefen und Untiefen der Wissenschaft. Fündig aber wird er in der Musik – und in Geschichten.

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Volker Friebel

  

Bunte Scherben

 

Versuch über die Seele

 

  Edition Blaue Felder, Tübingen 

 

Impressum

 

EditionBlaue Felder,Denzenbergstraße 29, 72074 Tübingen (Deutschland)www.Blaue-Felder.de   

 

Text, Fotografie und Gestaltung: Volker FriebelISBN PapierBuch: 978-3-936487-86-2 

ISBN eBuch, epub-Format: 978-3-936487-87-9

Eine erste Fassung des Buchs erschien August 2007 unter dem Titel „Ein Rest reiner Wahrheit“

Überarbeitete Neuausgabe: Mai 2015

Alle Rechte vorbehalten

  Der Autor Volker Friebel (*1956) ist promovierter Psychologe und Verfasser sowohl von literarischen als auch von fachspezifischen Büchern. Er ist selbstständig tätig und lebt in Tübingen. 

 

1

 

,Stein‘, ,Halm‘ oder ,Pflug‘, schon immer habe ich solche Wörter geliebt, ihre Einfachheit, Klarheit, Beständigkeit. Höre ich sie oder kann ich sie in einem Gespräch selbst verwenden, macht mich das froh. Doch da sind auch diese anderen Lautfolgen, denen diese Klarheit allerdings fehlt, bei denen ich zusammenzucke, bei denen es mich schüttelt. Und bei manchen werde ich rot. Diese Wörter verfolgen mich.

Vor Jahren hatte ich mir vorgenommen, ein Verzeichnis der unscharfen Begriffe zu veröffentlichen, ein Wörterbuch der Unklarheit sozusagen, wo sie alle festgestellt werden und, soweit möglich, erläutert. Bis heute blieb es bei der Idee.

Weil, so mein Verdacht, bereits der Klang mancher Wörter jede Systematik verwirrt. Weil diese Begriffe schnell abzufärben beginnen und auch das Verzeichnis so angreifbar und verschwommen machen, dass Logik und alles Augenwischen nicht helfen. Soviel zeigten mir schon die Vorarbeiten.

Vielleicht ist das so, weil Systematiken zuordnen wollen, doch diese Wörter Facetten enthalten, die einander widersprechen und sich fortwährend ändern und zuordenbar deshalb kaum sind. Weil manche Bedeutung vielleicht nicht festpikbar ist wie so ein Schmetterling mit einer Nadel. Weil sie mehr mit Beziehung zu tun hat als etwa mit Steinen. Weil sie vielleicht lebt. 

 

 

2

 

Das Turmzimmer im ersten Stock des Cafés. Ein Cappuccino steht vor Clara, einer vor mir. Sie rührt um, ihr Blick streift kurz die Schokoladenbeigabe. Mein Blick geht über den Neckar, das treibende Laub, die Weiden, die Schwäne, den Hölderlinturm und ich frage mich, was mich an dieser Idylle, an unserem, nun, tiefsinnigen Gespräch so stört.

Der Cappuccino ist gut.

„Was meinst du eigentlich mit seelenvoll?“

Clara trinkt noch einen Schluck und mustert mich knapp über dem Tassenrand.

Aus unserer Unterhaltung nenne ich nur Stichworte wie die Seelenvorstellung bei Aristoteles, die Seellosigkeit der Konsumgesellschaft (Entschuldigung), die Bedeutung des Atems in der altindischen Philosophie, die aktuelle Hirnforschung (schon wieder), die Funktion des Bewusstseins, den seit einigen Jahren wieder überschießenden Gebrauch des Wortes ,Funktion‘, den Geschmack des Cappuccino, die weiteren Tagespläne – und schon stehe ich draußen im böigen Wind und sehe ihr nach, wie sie wippend im Gewimmel der Passanten verschwindet.

Dann zu Hause am Schreibtisch, vom plötzlich aufgekommenen Regen nass: Das Gespräch lässt mir keine Ruhe. Vielleicht sind es weniger die Inhalte, als dieses sich immer wieder erneuernde Gefühl des eigenen Versagens in der Sprache. Das Gefühl, auch bei anderen nur etwa eine Wegbeschreibung oder die Zusammenfassung des neuesten Kinofilms richtig formuliert zu sehen (wenigstens manchmal), in Unklarheit und ,Atmosphäre‘ aber fast zu ersticken, sobald es um Wesentliches geht.

Diesmal, wenigstens dieses eine Mal, will ich nachhaken. Wenn schon ein Wörterbuch zu viel sein mag: Diesem Wort unter allen will ich nachgehen, dem nur, der ,Seele‘.

Denn ich hoffe: Wenn man einmal nachfragt, einmal dieses Bemühen um Klarheit nach außen bringt, exemplarisch sozusagen, verändert die ganze Sprache sich. (Na ja.) 

Wie beim Blick über den Strand, über Kiesel und Sand – spüren Sie Nähe und Abstand zu sich! Und dann bücken Sie sich, greifen einen Kiesel heraus, lassen ihn tanzen in Ihrer Hand ... Sie lassen ihn wieder fallen, aber irgendwie, vielleicht ganz unmerklich, haben sich nun alle Kiesel verändert, der Sand auch, womöglich sogar die Wellen, das Meer.

Natürlich: Sprache neigt dazu, sich zu entziehen, sie ist vielfältig, vieldeutbar, ihr Verständnis erlangt nicht der, der nach dem einzig richtigen Weg sucht wie nach der Lösung einer Rechenaufgabe. Deshalb kommt sie auch an unseren Schulen kaum vor, höchstens als Fremdsprache, zum Lexikonwissen erniedrigt. Um irgend ein Festnageln oder Regulieren kann es nicht gehen – aber um ein Erkunden.

Viele Wege verfolgen, und den Blick nicht auf den Asphalt nur richten, sondern ihn schweifen lassen über die Blumen und Gräser am Wegrand, über Wälder, Felder, über die Berge am Horizont und die Wolkenberge darüber.

Nicht auf der Autobahn, nur auf den Pfaden lebst du den Wald, auf den Holzwegen womöglich, wenn du stehen bleibst, wo der Pfad endet, wenn du zögerst – und weitergehst, weglos zwischen die hohen Buchen hinein. 

 

 

3

 

Weglos.

Ich schließe die Augen, und es erscheinen Bilder aus der Natur: Der See, der Himmel, ein Einschluss im Inneren des Berges: ein Diamant.

Der See und der Himmel haben sich selbst, sie brauchen den Menschen nicht. Aber die Seele gehört doch zum Menschen.

Warum verbindet meine Assoziation die Seele gerade mit dem, was ohne den Menschen gut auskommen würde?

Als ruhte die Seele in sich.

Aber was da ist, was existiert, hängt mit anderem zusammen, sonst wäre es nicht ,da‘, oder könnte wenigstens nicht wahrgenommen werden. Und wenn es nur über den Lichtstrahl zusammenhängt, der das Auge des Betrachters und dieses Objekt verbindet. Oder nur mit der Erde, auf der es liegt, mit dem Himmel, der es umströmt. Was mit anderem zusammenhängt, wird auch von diesem anderen beeinflusst.

Ganz sicher beeinflusst der Lichtstrahl jedes Objekt, er ist Energie.

 

 

4

 

Es scheint, dass unsere Sprache eine ganze Reihe solcher unklarer Wörter bereitstellt, die alle auf denselben Bereich zielen, denselben Nebel zu fassen versuchen. Es scheint, als würden wir mal das eine, mal das andere verwenden und so den Schwierigkeiten auszuweichen versuchen, in die ein Wort alleine uns bringen müsste, weil mit der Logik, selbst mit der animistischen Logik der Sprache, dieser Nebel nicht fassbar ist, weil er je nach dem Blickwinkel, aus dem wir ihn betrachten, immer etwas anders erscheint.

Versammlung einiger der Begriffe, die in dieser Wolke taumeln: Psyche, Seele, Lebenskraft, Spiritus, Anima, Atman, Geist, Person, Bewusstsein, Wille ... Alles Begriffe, die einander ergänzen sollen, die einander widersprechen, in deren Zusammenklingen diese Erfahrung ruht, die Menschen dazu bringt, sich immer wieder neu um ein Zentrum zu mühen.

Vielleicht ist es naiv, bei solcher Lage von einem Begriff etwas zu erwarten. Vielleicht ist es naiv zu meinen, einen davon aufhellen, klären, abgrenzen zu können und eine Antwort wäre dann da. Vielleicht wäre es bei solcher Lage erforderlich, sich mit der Begriffswolke als solcher zu beschäftigen, nicht mit den einzelnen Begriffen oder gar bloß mit einem einzigen davon, mit der ,Seele‘. 

 

 

5

 

Der Bibliothekar hat eine Seite des Buches umgeschlagen, nun fährt er mit den Fingern über die Schrift. Es ist nicht die Berührung des anderen, Fremden, was er so liebt, es ist die Bewegung seines eigenen Geistes in diesem freien Raum, der sich öffnet, wenn die Flut der inneren Bilder, wenn das Gemurmel der Stimmen an den Buchstabenkanten verebbt.

„Meine Seele, wohnt sie nicht in der Leere zwischen den Wörtern?“, hat er zu einer der Wände gesagt. Und sich gewundert, wie die Fülle geradewegs aus dem Nichts zu kommen scheint, wie sie nicht zu spüren ist in der Besprechung mit den Kollegen, nicht in der Mittagspause, auch nicht im Trubel des Weihnachtsmarkts in der Stadt – es sei denn vielleicht, man schaut in die Wunderkerzen, deren sprühende Funken alle Dinge zu einem Hintergrund machen – und auch hier sind es nicht die Funken selbst, sondern die Leere, die plötzlich zwischen ihnen hervorlugt, wo eben all die Dinge noch waren.

Der Bibliothekar spricht gern mit den Büchern und Wänden. Die Menschen sind ihm zu unruhig, sie lassen im Wirbel der Bilder die Seele nicht zu. Einmal hat er mit einem Eichhörnchen gesprochen, das an den Stamm der alten Kastanie vor dem Eingang geklammert auf ihn herab sah, mit großen Augen, und hatte mehr als bei den Menschen ein Gefühl des Verstehens.

Noch ein wenig weiter den Gang hinauf ist der Saal mit den Rechnern, da sitzen die Leute und bedienen die Tasten, und die Rechner rechnen, und auf den Bildschirmen erscheint dann einfach eine Antwort.

Das Eichhörnchen hatte etwas anderes verstanden, als es ihn ansah. Womöglich etwas von dem, das erscheint, wenn nichts sich bewegt, wenn die Bilder verschwinden, die Farben, die Klänge – womöglich etwas vom einen Klang, der dann bleibt, von der einen Präsenz, die dann spürbar wird. 

Es ist der Moment, bevor das Lesen beginnt.

Das Eichhörnchen steht womöglich immer davor.

Der Bibliothekar hat gelernt, diesen Moment recht lang werden zu lassen, den Atemzügen zu lauschen, dem Sirren des Lichts über dem halb leeren Regal, dem Tanzen des Staubs. Er hat gelernt, die Pausen zwischen den Wörtern zu pflegen, zu dehnen, bis er nur noch die einzelnen Wörter las und ihren Zusammenhang zu vergessen begann.

Es ist der Raum der Bewusstheit.

Es ist der Moment, in dem alle Fragen verstummen und alle Antworten sich verwandeln in das reine Weiß gefallenen Schnees.

Es ist der Moment, in dem der Bibliothekar zu warten aufhört und einfach nur ist.

 

 

6

 

„Jeder klagt über sein Gedächtnis, niemand über seinen Verstand.“ La Rochefoucauld. Vielleicht kennen Sie das alte Bonmot. Schon nach der ersten kurzen Beschäftigung mit der Seele scheint mir das Gedächtnis allerdings nützlicher als eben dieser Verstand.

Beispielsweise der Schwesterntisch des Altersheims, lang zurück. Die Stationsleiterin vertrat ihre Meinung entschieden: „Wenn die Seele den Körper verlässt, dann spürt man das. Etwas war da und fehlt dann. Es ist wie ein Wind, wenn sie geht, wie ein Glanz, der erlischt.“

Der Zivildienstleistende war beeindruckt.

Aber nun, im Zimmer von Fräulein Warnke, pensionierte Postbeamtin aus Ostpreußen, 96 Jahre alt und endlich im Sterben (sie wollte es so lange schon), lauscht er zweifelnd dem Atem.

Seit Tagen schon ist sie ohne Bewusstsein, die Augen sind geschlossen, Arme und Beine kalt, kein Puls ist zu spüren, jedenfalls nicht für diese unerfahrene Hand. Letztes Lebenszeichen ist dieses Röcheln, das immer wieder mal still steht – eine Minute, zwei Minuten, drei Minuten – um dann in höchster Not neu zu beginnen.

Die alte Dame ist beliebt. Oft kommen Schwestern und Pfleger ins Zimmer, weit öfter als notwendig wäre (nichts mehr ist ,notwendig‘), um ein wenig noch zu begleiten, um Abschied zu nehmen.

Und irgendwann begann der Atem nicht neu.

So saß ein junger Mann allein, und er wusste nicht, ab wann. Kein Schmetterling flog auf, kein Wind ging durchs Zimmer, kein Leuchten stieg in den Himmel. Eine Messung der Hirnströme hätte den genauen Todeszeitpunkt feststellen können. Wenn denn der Tod als der Moment definiert wird, an dem die elektrische Aktivität des Gehirns aufhört. Aber was wäre damit gewonnen?

Alles ginge irgendwie weiter, nichts sei je wirklich verloren, alles sei nur eine Transformation, hörte der junge Mann flüstern.

Wohin geht die Kerzenflamme, wenn sie erlischt?

 

 

7

 

Viel später sagte mir jemand, die Beziehung zum Sterbenden müsse innig sein. Wenn nichts von der auffliegenden Seele zu spüren sei, dann sei die Beziehung nicht innig gewesen.

So wird es am Schwesterntisch geflüstert haben. Und so lässt sich nichts beweisen, nichts widerlegen. Denn ob eine Beziehung innig genug war, man sieht es eben daran, dass am Ende ,die Seele‘ zu spüren ist.

Ein Zirkelschluss also.

Beweis und Widerlegung, sie bleiben dem Mysterium fern.

Ein Zirkelschluss ist ein Kreis. Ein Kreis ist das Zeichen für Nichts und für Alles.

Wenn jemand auf einem Zirkelschluss besteht, zeigt er, dass ihm an Beweisen gelegen ist, er erkennt grundsätzlich die Logik an. Würde er sie nicht anerkennen, bräuchte er keine ,Beweise‘, weder echte noch scheinbare. Und er zeigt, dass ihm an der Antwort liegt, dass er sie möchte.

Was sagt das über die Seele?

Dass die Menschen sie möchten.

Was sagt das über ihre Existenz?

Nichts.

Aber der Kreis? Der Nichts und Alles in Eines fasst?

Das kleine Mädchen möchte, dass sein Teddybär sprechen kann. Und er spricht doch.

Heißt das, dass es an uns liegt? Dass wir die Wahrheit erst schaffen? 

Der Kreis ist ein Bild, nicht mehr.

Aber weist dieses Bild denn, ohne Beweis, ohne Widerlegung, nur einfach als deutender Finger, auch auf verschiedene Räume der Wahrheit? Auf den physikalischen Raum? Auf einen psychischen?

Vielleicht ist die Seele das, was wir glauben.

 

 

8

 

Am Rand des Vororts ein Kinderspielplatz. Clara hat sich auf eine Schaukel gesetzt. Die Schuhe, schnell sind sie abgestreift – auf und ab, hin und her ... Ihre Füße berühren den Himmel.

Ein Buch über die Seele! Natürlich gibt es auch Bücher über Bäume. Aber die bezweifeln den Wald nicht. Wenn der Mann über Bäume schriebe, was bliebe am Ende davon? Wenns hoch kommt, Sperrholz.

Wie ihre Seele der Bewegung ganz folgt, vielleicht sogar noch etwas weiter hinaufgetragen wird vom Schwung, und wieder zurückströmt ...

Wenn sie schaukelt, schaukelt ihre Seele mit. Wenn sie lacht, lacht ihre Seele mit.

Da gibt es etwas, das still ist. Aber etwas anderes, das doch auch ihre Seele sein muss, wird hell beim Lichtstrahl, der sie trifft, und verdunkelt sich im Schatten der Buchen.

Ist das denn widersprüchlich? Nach welcher Logik? Widersprechen sich Welle und Teilchen des Lichts? Aus welcher Perspektive? Und aus welcher klingen sie wieder in eines zusammen?

Wenn die Seele von der Welt berührt wird, ist sie vergänglich wie die Blätter der Buche in der Berührung des Jahres. Wenn die Seele unberührt bleibt, dann kann sie auch dauern, dann ist sie jenseits alles Vergehens. Aber dann hat sie eben nichts mit der Welt zu tun.

Ob denn nicht beides sein kann.

Ob sich das nur nicht denken lässt, aber trotzdem ist. 

Auf und ab, hin und her ...

Das Vogellied verändert sich auf dem Weg ihres Schaukelns, wird heller, dunkler. Ihr Haar verändert sich, zeichnet den Weg der Schaukel nach. Es ließe sich berechnen im Windkanal. Was wäre damit gewonnen? Ihre Freude bliebe dort ausgesperrt. Die aber auch da ist. Die aber auch berührt wird vom Schaukeln ins Licht. Die aber auch die Bewegung ihres schaukelnden Körpers berührt und verändert.

Vielleicht ist es nur die Frage, ob das Wort ,Seele‘ denn einen Sinn macht, nicht ob es so etwas wie einen Schmetterling oder einen verborgenen See noch zu entdecken gäbe, zwischen all den anderen Dingen. Vielleicht stellt sich die Frage nicht einem Lexikon und dem Mann, der in ihm blättert auf der Suche nach einer allgemeingültigen Wahrheit, sondern jedem Menschen für sich, immer neu, in jeder Sekunde: Hat mein Leben denn Seele an diesem lichtdurchfluteten Tag, auf der Schaukel am Rande der Siedlung, am Buchenwald, wo der Blick in die Berge geht und ins Wolkengebirge darüber?

---ENDE DER LESEPROBE---