Dacre - Drucie Anne Taylor - E-Book

Dacre E-Book

Drucie Anne Taylor

0,0
4,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Unter falschem Namen studiert die adlige Rowena in Amerika. Als sie noch ein Kind war, kehrte ihre Familie dem Hof und der Etikette den Rücken zu, seither genießt sie das Leben als Bürgerliche. Die Ruhe auf dem Campus hält an, bis Dacre Cunningham, Kronprinz von Liechtenstein, und sein Bruder Nicholas ihr Studium ebenfalls in Amerika aufnehmen. Rowenas Wege kreuzen die der Brüder und sie hofft, dass die beiden sie nicht erkennen. Als ihre Großmutter unerwartet verstirbt, findet Rowena sich in der Welt, der sie jahrelang ferngeblieben ist, wieder. Nach mehreren Begegnungen mit Dacre, dem sie zuvor ausgewichen ist, offenbart sie sich ihm. Von ihren und Dacres Eltern mit einer arrangierten Ehe konfrontiert, fängt sie an, zu rebellieren. Obwohl sie in Kindertagen mit dem Prinzen befreundet war, gefällt ihr die Vorstellung ganz und gar nicht, weshalb sie versucht, der Heirat zu entgehen, jedoch hat sie nicht damit gerechnet, dass Dacre all seinen Charme spielen lassen wird. Wird sie sich gegen ihn und seine Versuche, ihre Liebe und Zuneigung zu gewinnen, wehren können oder wird sie ihr Herz doch noch an ihn verlieren?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dacre

HIS ROYAL HIGHNESS

BUCH EINS

DRUCIE ANNE TAYLOR

Copyright © 2017 Drucie Anne Taylor

Korrektorat: S.B. Zimmer

Umschlaggestaltung © D-Design Cover Art

Auflage 01 / 2024

Alle Rechte, einschließlich das, des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte, Ähnlichkeiten mit lebenden, oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Alle Markennamen, Firmen sowie Warenzeichen gehören den jeweiligen Copyrightinhabern.

Inhalt

Vorwort

Dieses Buch

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Danksagung

Über die Autorin

Weitere Werke der Autorin

Rechtliches und Uninteressantes

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

Ich bin keine Adlige und kenne mich mit der höfischen Etikette nicht aus, dennoch wollte ich unbedingt dieses Buch schreiben. Sicher läuft es in den weltlichen Königshäusern heutzutage anders, als von mir in diesem Buch beschrieben, jedoch habe ich einiges zurechtgebogen, damit der Verlauf der Geschichte von Dacre und Rowena beibehalten werden kann.

Liechtenstein ist in Wahrheit ein Fürstentum, kein Königreich wie in diesem Buch beschrieben. Auch örtliche Gegebenheiten habe ich für den Verlauf der Geschichte angepasst.

Diese Geschichte ist rein fiktiv und entspricht nicht der Realität. Sollten Sie ein realitätsnahes Buch erwarten, muss ich Sie enttäuschen und bitte Sie, vom Lesen abzusehen, da sie Sie sicher nicht zufriedenstellen wird. Dacre und Rowena sind ebenso wie alle anderen handelnden Personen frei erfunden.

Also dann, ich wünsche Ihnen viel Spaß mit Dacres und Rowenas Geschichte.

Alles Liebe,

Drucie Anne Taylor

Dieses Buch

Unter falschem Namen studiert die adlige Rowena in Amerika. Als sie noch ein Kind war, kehrte ihre Familie dem Hof und der Etikette den Rücken zu, seither genießt sie das Leben als Bürgerliche. Die Ruhe auf dem Campus hält an, bis Dacre Cunningham, Kronprinz von Liechtenstein, und sein Bruder Nicholas ihr Studium ebenfalls in Amerika aufnehmen. Rowenas Wege kreuzen die der Brüder und sie hofft, dass die beiden sie nicht erkennen.

Als ihre Großmutter unerwartet verstirbt, findet Rowena sich in der Welt, der sie jahrelang ferngeblieben ist, wieder. Nach mehreren Begegnungen mit Dacre, dem sie zuvor ausgewichen ist, offenbart sie sich ihm. Von ihren und Dacres Eltern mit einer arrangierten Ehe konfrontiert, fängt sie an, zu rebellieren.

Obwohl sie in Kindertagen mit dem Prinzen befreundet war, gefällt ihr die Vorstellung ganz und gar nicht, weshalb sie versucht, der Heirat zu entgehen, jedoch hat sie nicht damit gerechnet, dass Dacre all seinen Charme spielen lassen wird.

Wird sie sich gegen ihn und seine Versuche, ihre Liebe und Zuneigung zu gewinnen, wehren können oder wird sie ihr Herz doch noch an ihn verlieren?

Eins

Manche Mädchen träumen davon, eine Prinzessin zu sein, besonders, wenn sie die jungen Prinzen aus dem Hause Cunningham von Liechtenstein sehen, aber ich gehöre nicht zu diesen Mädchen oder besser gesagt: Frauen. Ich will bloß meine Ruhe haben, auch wenn Dacre und Nicholas heute an diese Uni kommen. Ich bin selbst adlig, aber meine Eltern haben sich irgendwann vom Hof zurückgezogen, um ein normales Leben mit uns zu führen. Um mich zu schützen, bin ich unter falschem Namen an dieser Universität immatrikuliert, damit mich niemand verfolgt – genauer gesagt lebe ich seit Jahren unter diesem falschen Namen. Mein letzter öffentlicher Auftritt fand statt, als ich zehn Jahre alt war. Das ist nun elf Jahre her, seitdem habe ich mich sehr verändert. Ich bin nicht mehr das kleine brünette Mädchen mit zu vielen Sommersprossen im Gesicht, das mit Dacre und Nicholas in ihrem Anwesen in Chestershire Verstecken gespielt hat. Jetzt bin ich eine erwachsene Frau, die kein Interesse daran hat, etwas mit diesen Männern zu tun zu haben, denn sie sind arrogant, hochnäsig und so eitel, dass sie sogar Narziss in den Schatten stellen würden, wäre dieser noch unter uns und nicht in einen See gefallen, als er sein Spiegelbild bewunderte. Sie sind die Prinzen von Liechtenstein, sie dürfen sein wie sie wollen, aber ich gehe ihnen lieber aus dem Weg. Ich gehöre nicht zu den Studentinnen, die schon den halben Tag auf dem Campus herumlungern, um einen Blick auf die beiden zu werfen, sondern sitze in der Bibliothek und versuche, zu lernen. Allerdings treiben sich auch hier übereifrige Damen herum, die die beiden Männer unbedingt sehen wollen. Ich überlege, ob ich all dem Kichern und Getuschel noch länger ausgesetzt sein möchte, denn einfacherweise könnte ich mir die Bücher ausleihen, um mich mit ihnen in meine Wohnung zurückzuziehen, aber ich würde gern hierbleiben, damit ich mich nicht von meinem Computer oder meinem Fernseher ablenken lasse.

Zwar hat mein Vater den Adel aufgegeben, jedoch nicht das Vermögen, sodass ich ein eigenes Apartment bekam, als ich herkam. Ich weiß nicht, warum Dacre und Nicholas erst jetzt mit dem Studium beginnen oder ob sie vorher woanders studiert haben. Es wundert mich auch, dass sie nicht nach Saint Andrews gegangen sind, sondern den weiten Weg in die Staaten auf sich genommen haben, um in Harvard zu studieren. Ich muss zugeben, dass ich mich ein wenig von der Vergangenheit verfolgt fühle. Als Kind war ich unsterblich in Dacre verliebt, er ist der Ältere der Zwillinge und Thronfolger von Liechtenstein, so wie ich das älteste Kind meiner Eltern bin. Damals wurde gemunkelt, ich solle einmal seine Königin werden, doch das wollte mein Vater mir ersparen. Er selbst wollte jahrelang aus dem goldenen Käfig ausbrechen und keines seiner Kinder in diesen einsperren. Ich bin froh, dass ich keine Gefangene meines Titels bin und ich nicht mit einem Haufen heiratswütiger Prinzen, Herzöge, Grafen oder anderen Adligen konfrontiert bin, die mich als Bereicherung für ihr Haus sehen würden. Ich kann gar nicht ausdrücken, wie unglaublich dankbar ich meinem Vater bin.

Neben mir räuspert sich jemand, weshalb ich meinen sowieso schon schweren Kopf hebe. »Ja?«

Vor mir steht ein Mann in schwarzem Anzug und er trägt eine Sonnenbrille auf der Nase sowie ein In-Ear-Funkgerät. »Verlassen Sie bitte die Bibliothek.«

Meine Augenbraue flippt in die Höhe. »Warum sollte ich?«

»Die königlichen Hoheiten suchen einen Rückzugsort und Sie stören.«

»Keine Sorge, ich sitze nur hier, um für mein Studium zu lernen. Ihre königlichen Hoheiten gehen mir an meinem nichtköniglichen Arsch vorbei«, beruhige ich ihn, anschließend senke ich den Blick wieder auf das Lehrbuch vor mir, um mich der menschlichen Anatomie zu widmen. Normalerweise müsste ich den Stoff längst draufhaben, aber ich frische mein Wissen gern auf, bevor die Vorlesungen wieder losgehen.

»Miss, ich scherze nicht.«

»Ich auch nicht«, gebe ich mich gelangweilt.

Dann legt er seine Hand an meinen Oberarm. »Miss, Sie müssen die Bibliothek nun verlassen.«

Ich stehe auf und schaue feindselig zu ihm hoch. »Wenn Sie noch einmal Ihre schmierigen Griffel an mich legen, befördere ich Sie auf den Boden der Tatsachen, verstanden?« Normalerweise fahre ich nicht so schnell aus der Haut, aber ich kann das süffisante Grinsen nicht ausstehen, das seine Lippen ziert.

»Miss, Sie werden mich nun nach draußen begleiten.« Er schließt seine Hand um meinen Arm – mir reicht’s.

Ich drehe mich, sodass er hinter mir steht, nutze Schwung und Hebelwirkung aus und befördere ihn über meine Schultern auf den Rücken. »Ich habe Sie gewarnt.« Anschließend setze ich mich zurück an den Tisch, konzentriere mich wieder auf mein Buch und vernehme Schritte, die sich uns eilig nähern, während Hüne Nummer eins stöhnend auf dem Boden liegt und dem Schulfach Erdkunde eine völlig neue Bedeutung gibt.

»Was ist hier los, Carter?«

»Die Dame weigert sich zu gehen«, keucht er und ich höre, dass er auf die Beine kommt.

»Miss, dürfte ich Sie kurz sprechen?«

Genervt verdrehe ich die Augen und drehe mich auf dem Stuhl zur Seite. »Hören Sie, ich verstehe, dass Sie die königlichen Hoheiten«, dieses Wort spucke ich geradezu aus, »beschützen müssen, aber ich tue den beiden nichts. Ich habe kein Interesse an ihnen, sondern möchte hier nur lernen und das möglichst in Ruhe. Ich verspreche Ihnen, wenn Sie mich in Frieden lassen, lasse ich Sie und Ihre Schützlinge ebenfalls in Frieden. Meinetwegen verziehe ich mich auch nach hinten, wo Sie mich nicht sehen können, aber ich verlasse die Bibliothek nicht, wenn ich für meine Vorlesungen lernen muss.« Ich bemühe mich wirklich, freundlich zu klingen, doch irgendwo zwischen den Sätzen, muss ich meine gute Erziehung vergessen haben, denn zuletzt hört man nur noch die Feindseligkeit aus meiner Stimme heraus.

»In Ordnung. Wenn Sie sich dann bitte zurückziehen würden, damit wir hier vorne alles sichern können, wäre das sehr hilfreich für uns.«

Ich nicke knapp. »Vielen Dank.« Anschließend sammle ich die drei Bücher und meine Tasche vom Tisch, dann verschwinde ich in den Gang mit den Lehrbüchern der medizinischen Fakultät.

»Ich hätte das der Dame nicht durchgehen lassen«, vernehme ich die Stimme eines Personenschützers.

»Sie scheint wirklich kein Interesse an den Hoheiten zu haben, also haben wir nichts zu befürchten. Wir sollten die Prinzen auch nicht darüber informieren, dass sich noch eine Dame in der Bibliothek befindet, sonst werden sie nach ihr suchen.«

Mit einer gehobenen Augenbraue gehe ich weiter, schließlich setze ich mich an ein Regal gelehnt auf den Boden, ziehe die Beine an und lege ein Buch gegen meine Oberschenkel gelehnt auf meinen Schoß, damit ich darin lesen kann. Neben mich lege ich meinen Block, um mir Notizen zu machen. Am liebsten wäre ich an dem Tisch sitzengeblieben, doch darauf hätten sich die Männer sicher nicht eingelassen.

Ich kann solche Pitbulls, die einem das Leben schwermachen, nicht ausstehen, und bin froh, dass ich nicht mehr von Leibwächtern umringt bin. Hoffentlich werde ich das auch niemals mehr sein.

Wie es das Karma so will, klingelt mein Handy, als in der Bibliothek absolute Ruhe herrscht. Fuck! »Hallo?«, melde ich mich leise.

»Liebes, wie geht’s dir? Bist du gut in Boston angekommen?«, fragt mein Vater.

Ich seufze schwer. »Ja, und stell dir vor, wer nun auch hier studiert.«

»Dacre und Nicholas Cunningham. Ich habe es in einer dieser Klatschsendungen gesehen, die deine Mutter so gern schaut, um auf dem Laufenden zu bleiben.«

»Mhm, warum hast du mich nicht vorgewarnt?«, möchte ich leise wissen, während in der Nähe Schritte ertönen.

»Weil ich selbst erst heute davon erfahren habe. Aber es ist ganz schön was los auf dem Campus, nicht wahr?«

»Ja, und ich bin nun in der Bibliothek eingesperrt, weil ich mich nicht von ihren Leibwächtern rausschmeißen lassen wollte.«

»Liebes, du kamst doch immer gut mit den beiden zurecht, mach dir deshalb keinen Kopf.«

»Dad, du hast dem Hof gemeinsam mit uns den Rücken gekehrt und ich will mit diesen Menschen nichts mehr zu tun haben. Jetzt habe ich das große Los gezogen, dass ich mit zwei notgeilen Liechtensteiner Thronfolgern und einer Horde Leibwächter in der Bibliothek festsitze. Ich wette, die lassen mich nicht einfach hier herausspazieren.«

»Vermutlich nicht. Gibt es denn nur einen Ausgang?«

»Leider ja.«

»Das ist suboptimal.«

Ich verdrehe die Augen. »Was du nicht sagst.«

»Rowena, spar dir den Sarkasmus und versuch einfach, dich aus der Bibliothek zu schleichen.«

»Wie soll ich das machen?« Schwarze, polierte Lackschuhe treten in mein Sichtfeld gefolgt von einem Räuspern, weshalb ich meinen Blick hebe. »Dad, ich glaube, ich muss auflegen. Ich melde mich später, okay?«

»In Ordnung, Liebes.«

»Bye.« Ich beende das Gespräch, stecke mein Handy in meine Hosentasche und sehe diesen Narziss erwartungsvoll an, der sich vor mir aufgebaut hat und auf mich herunterschaut. »Kann ich helfen?« Verdammt, meine Stimme ist leise und zittert.

»Darf ich fragen, wer Sie sind?«

»Nein, dürfen Sie nicht.«

Seine Augenbraue flippt in die Höhe. »Sie wissen, wer ich bin, oder?«

Statt ihm eine Antwort zu geben, schüttle ich einfach den Kopf.

»Nicht?«

»Nein, keinen blassen Schimmer. Wer sind Sie denn?«

»Ich bin Nicholas Cunningham, Prinz des Liechtensteiner Königshauses.«

»Sehr beeindruckend und ich bin eine Studentin, die hier in Ruhe lernen will, also?«

»Also, was?«, hakt er nach und ich sehe, dass ihm mein Spielchen keineswegs gefällt. Schon früher mochte er es nicht, wenn ich ihm ausgewichen bin, auch wenn ich mit zehn Jahren noch nicht so gut darin war wie heute.

»Also was machen wir jetzt? Belästigen Sie mich weiter oder darf ich hier in Ruhe lernen?«, frage ich überaus freundlich.

»Miss ... Wie war noch Ihr Name?«

»Den habe ich Ihnen noch nicht verraten.«

»Wie lautet er denn?«

»Miller«, erwidere ich und schlucke. »Evelyn Miller.« Das ist der Name, mit dem ich mich hier eingeschrieben habe. Der Lehrkörper weiß, dass ich unter einem Pseudonym immatrikuliert bin, da mein Vater und ich die Situation erklärt haben. Außerdem mussten der Dekan sowie alle Dozenten eine Schweigepflichterklärung unserer Anwälte unterzeichnen, sodass meine Identität geschützt ist. Mein Zeugnis wird natürlich auf Rowena Beauchamp-DeVille lauten, okay, mit meinen zahlreichen weiteren Vornamen, aber die muss ich nun nicht erwähnen, da sie wirklich peinlich sind. Mein Vater stammt aus dem Hause Beauchamp, meine Mom aus dem Hause DeVille. Mein Vater wird das Erbe meiner Großeltern vermutlich ausschlagen, auch wenn meine Tante eine morganatische Ehe führt. Ich bin überaus froh darüber, denn so war es ein Leichtes für meine Eltern, dem Hof den Rücken zu kehren. Nun gut, für meinen Vater war es leichter als für meine Mutter, denn sie umgab sich gern mit allerhand Gräfinnen, Baronessen und so weiter, aber mein Vater konnte dem Pomp nie etwas abgewinnen.

»Na gut, Miss Miller, Sie sitzen hier und lernen?«

»Sieht man das nicht?«, hake ich nach und deute auf meine Sachen, die ich neben mir ausgebreitet habe.

»Und warum hat vorhin Ihr Handy geklingelt?«

»Sitze ich hier im Verhörraum oder was läuft bei Ihnen schief?«, schnappe ich genervt.

»Ich will bloß wissen, ob Sie irgendwas von dem, was Sie in dieser Bibliothek gehört haben, an die Presse weitergegeben haben.«

»Oah«, stoße ich genervt aus. Wenn Nicholas wüsste, dass wir uns schon sehr lange kennen, würde er sagen, dass ich verbauert bin. »Auch wenn es Sie nichts angeht, aber ich habe bloß mit meinem Vater telefoniert. Er wollte mich vorwarnen, dass Sie und Ihr Bruder hier studieren werden, weil ich weder den Klatsch am Campus noch irgendwelche Magazine sehe oder lese. Ihre Leibwächter haben mich bereits belästigt und ich wette, in der Zeitung macht es sich nicht gut, wenn ich mich als weinerliche arme Studentin hinstelle, die von Ihnen belästigt und begrapscht wurde, deshalb würde ich Ihnen raten, mich jetzt in Ruhe zu lassen.« Herrgott, ich bin wirklich gut darin, eine elende Zicke zu sein. In Gedanken kichernd betrachte ich das Mienenspiel auf seinem Gesicht. All das, was seine Attraktivität ausmacht, ist in den letzten Sekunden entgleisten Gesichtszügen gewichen. Ich wette, er ist mindestens genauso blass wie die Seiten der Bücher, die uns umringen, aber ich möchte nicht aufstehen und die Farbtöne miteinander vergleichen.

Sein Mund klappt auf, zu, dann wieder auf, bevor er schließlich den Kopf schüttelt. »Verzeihen Sie die Belästigung, Miss Miller.«

»Wenn Sie mich jetzt in Ruhe die Bibliothek verlassen lassen«, ich verziehe das Gesicht über meinen Satz, »verzeihe ich Ihnen gern alles, was in Zukunft noch geschehen könnte.«

Er nickt knapp und streckt seine Hand aus. »Darf ich Ihnen aufhelfen.«

Zögerlich lege ich das Buch neben mich, anschließend ergreife ich seine Hand und finde mich schneller auf meinen Füßen wieder, als ich bis drei zählen kann. »Danke.« Ich wende mich ab, sammle die Bücher ein und schaue ihn schließlich wieder an. »Ich sortiere die Bücher noch weg, dann bin ich verschwunden.«

»Soll ich Ihnen zur Hand gehen?«

»Nein danke, das schaffe ich schon.«

Ein weiteres Nicken seinerseits, bevor er sich wegdreht und mich stehenlässt.

Erleichtert darüber, dass ich nicht verraten habe, wer ich wirklich bin, atme ich auf.

* * *

Nachdem ich die Bücher weggeräumt habe, mache ich mich auf den Weg zum Ausgang. Nicholas’ Gesicht geht mir nicht aus dem Kopf. Wenn ich ihn in den Klatschmagazinen meiner Mutter gesehen habe, weil die wieder über irgendeinen von ihm oder seinem Bruder verursachten Skandal berichtet haben, wurden ihm die Fotos nicht gerecht, das weiß ich jetzt.

»Oh, Miss?«, ruft mir jemand zu, als ich die Tür fast erreicht habe.

»Ja?«, frage ich und wende mich der Stimme zu. Sie kommt von dem wesentlich freundlicheren Leibwächter.

»Wir können die Tür leider nicht öffnen, weil sehr viele – wie sage ich es am besten ...«

»Willige Studentinnen?«, schlage ich vor.

Er nickt knapp. »Weil die Tür belagert wird.« Das Grinsen auf seinen Lippen ist erst aufgetaucht, als ich ihm meinen Vorschlag unterbreitet habe.

Ich seufze schwer. »Okay, da wir im Erdgeschoss sind, nehme ich das nächstbeste Fenster.« Anschließend wende ich mich ab und laufe zu den Fenstern. Um mich zu vergewissern, dass davor niemand lauert, schaue ich in den frühen Abend, der den Campus in sattes Rotorange taucht.

»Sind Sie sicher, dass Sie aus dem Fenster klettern möchten?«

»Ich bin sicher, dass ich Hunger habe und nach Hause möchte«, erwidere ich.

»Das war keine Antwort.«

»Doch, denn man sollte sich nie zwischen eine hungrige Frau und ihr Essen stellen«, entgegne ich amüsiert, öffne eines der Fenster und lehne mich hinaus. »Können Sie das gleich wieder schließen und mir eventuell meinen Rucksack anreichen, wenn ich draußen bin?«

»Aber sicher.«

»Danke.« Ich schwinge ein Bein nach draußen und sehe noch einmal nach unten. Es sind vielleicht zwei Meter, die es nach unten geht, dennoch habe ich Respekt vor dem Sprung.

»Miss?«

Ich schaue noch einmal in die Bibliothek und verdrehe die Augen. »Bitte?«

»Mein Bruder bittet Sie um Entschuldigung, falls Sie sich wirklich von ihm belästigt gefühlt haben«, sagt Dacre, anschließend schenkt er mir ein charmantes Lächeln. Schon als Kind hat er mich damit um den kleinen Finger gewickelt.

»Kein Problem, die Presse zahlt sicher gut für so eine Story und als Studentin kann man immer Geld brauchen«, scherze ich, zwinge mich zu einem Lachen und springe nach unten.

»Ist das Ihr Ernst?«, ruft er mir zu, als ich meine Kleidung abklopfe.

»Nein, das war ein Scherz, Euer Hoheit. Könntet Ihr mir vielleicht meinen Rucksack nach unten werfen? Ich würde auch für Euch knicksen«, necke ich ihn.

Lachend lässt er sich meinen Rucksack geben und wirft mir diesen zu. »Einen schönen Abend, Miss Miller.«

»Ebenso, danke.« Ich schultere einen der Riemen, wende mich ab und mache mich auf den Heimweg.

* * *

Als ich in meiner Wohnung bin, atme ich erleichtert auf. Natürlich hatten sich verdammt viele weibliche Studentinnen und Reporter vor der Bibliothek versammelt. Als man erkannt hat, dass ich aus einem Fenster gesprungen war und mir zugerufen hat, dass ich bitte warten soll, um ein paar Fragen zu beantworten, hatte ich schon mein Auto erreicht und konnte davonfahren, bevor man mich mit Fragen belästigt hat

Vom Hunger getrieben gehe ich in meine kleine Küche und werfe einen Blick in den Kühlschrank. Verdammt, ich war noch nicht einkaufen, weshalb mich bloß ein paar Bierflaschen und ein Dip für Nachos anlächeln. Scheiße! Seufzend greife ich zum Handy, wähle die Nummer des Pizzadiensts in der Nähe und bestelle eine große PizzaMargherita. Nachdem ich mich bedankt habe, rufe ich meinen Vater zurück.

»Beauchamp?«, meldet er sich freundlich.

»Hey, Dad, ich bin’s.«

»Bist du den Cunningham Zwillingen entkommen?« Er klingt amüsiert und ich weiß genau, dass er anfängt zu lachen, wenn ich ihm nun eine falsche Antwort gebe.

Ich räuspere mich. »Ja, ich konnte mich absetzen.«

»Durch das Fenster der Bibliothek, es war ganz groß in einer Eilmeldung.«

Ich seufze schwer. »Dein Ernst?«

»Leider ja, Liebes«, antwortet er amüsiert. »Wieso bist du aus dem Fenster geklettert?«

»Weil die Tür von Studentinnen und neugierigen Reportern belagert wurde«, entgegne ich mit verhagelter Laune. »Na ja, ich hatte keine Lust, ewig mit ihnen in der Bibliothek zu sitzen, weil Nicholas mich angesprochen hatte. Er war der Meinung, dass unser Telefonat vorhin eines war, das ich mit der Presse geführt habe.«

»Als ob du dich sofort bei der Presse melden würdest, weil du mit ihnen in einer Bibliothek festsitzt.«

»Du weißt doch, dass der Mann sich für den Mittelpunkt der Welt hält.«

»Dort sehen sich alle Cunninghams gern«, stimmt er mir zu, sicher nickt er, um seine Aussage zu untermalen.

»Ich weiß.«

Schließlich räuspert er sich. »Deine Mutter hat mir vorhin erzählt, dass deine Tante eine Einladung bekommen hat, die an dich adressiert ist.«

»Eine Einladung? Zu was werde ich eingeladen?«

»Sie kommt von den Cunninghams. Sie bitten dich, zum Herbstball in Liechtenstein zu erscheinen.«

»Warum sollte ich das tun?«, möchte ich wissen, denn in den letzten elf Jahren bekam weder ich noch sonst irgendwer irgendeine Einladung für mich.

»Sie bitten dich darum, ein Grund wurde nicht angegeben, aber sie möchten bis nächste Woche eine Antwort.«

Daraufhin atme ich tief durch. »Sag bitte ab.«

»Mit welchem Grund?«

»Muss ich mit einem Grund absagen, wenn sie mich ohne einen einladen?«, interessiere ich mich, denn ich weiß wirklich nicht, warum ich den Cunninghams Rechenschaft schuldig sein soll.

»Es wäre eine Sache, die die Höflichkeit gebietet.«

»Okay, dann sag mit dem Grund ab, dass ich keine Lust auf kleingeistige Affenärsche habe, die sich selbst für die Größten halten, habe«, schlage ich trocken vor.

Dad lacht auf, beruhigt sich aber schnell wieder. »Rowena Elisabeth Maribel Eleonore Beauchamp-DeVille ...«

Ich ziehe den Kopf ein, denn sagt er meinen vollen Namen, weiß ich, dass mir Ärger droht.

»Bitte nenn mir einen vernünftigen Grund.«

»Okay, mein Studium ist sehr fordernd und ich möchte keine Scheine riskieren, weil ich für ein Wochenende nach Liechtenstein fliege.«

»In Ordnung, ich gebe an, dass du zu der Zeit, zu der dieses Fest stattfindet, verhindert bist.«

»So kannst du es natürlich auch ausdrücken.«

»Deine Tante wird sich danach sicher bei dir melden.«

»Sie hat doch gar keine Nummer von mir.«

»Nicht?«

»Nein, diese Handynummer haben nur Mom, Etienne und du.« Mein jüngerer Bruder ruft mich allerdings so gut wie nie an, er schreibt häufiger und meistens schafft er es, mich aus dem Bett zu werfen, da ich ihnen wegen der Zeitverschiebung um fünf Stunden voraus bin.

»Darf ich sie deiner Tante geben?«

»Lieber nicht, immerhin will ich hier den Schein wahren und nicht als die erkannt werden, die ich bin. Du weißt, was los war, als ich damals vom Internat auf die öffentliche Schule gewechselt habe.«

Er seufzt. »Rowena, das ist elf Jahre her.«

»Und mir in Erinnerung geblieben, ich will wirklich nicht, dass es sich wiederholt.«

»Gut, dann werde ich in deinem Namen absagen.«

»Danke, Dad.«

»Und was gibt es sonst Neues? Wie waren die ersten Vorlesungen?«

»Die starten doch erst morgen, heute habe ich in der Bibliothek gesessen und mein Wissen aufgefrischt, immerhin habt ihr mich im ganzen Sommer nicht lernen lassen.«

Es klopft an der Tür.

»Bleib kurz dran, Dad, es hat geklopft.« Ich gehe an die Wohnungstür, senke das Handy und öffne sie. »Was machen Sie denn hier?«

Dacre lächelt mich an. »Sie waren vorhin so schnell weg, dass ich mich nicht richtig vorstellen konnte.«

»Und jetzt stalken Sie mich, Mr Cunningham?«

»Das wird doch nicht der Liechtensteiner Kronprinz sein, oder?«, vernehme ich Dads Stimme aus meinem viel zu laut eingestellten Handy.

Ich hebe den Finger, um Dacre zum Schweigen zu bringen, dann hebe ich es an mein Ohr. »Doch, er ist es. Ich glaube, wir beide haben heute kein Glück mit unseren Telefonaten. Ich melde mich morgen, okay?«

»In Ordnung. Du fehlst mir, Liebes, und wir lieben dich.«

»Ich euch auch. Bis dann.«

Er beendet das Gespräch, während Dacre mich interessiert ansieht. »Sie hätten das Telefonat meinetwegen nicht beenden müssen.«

»Sie hätten mich nicht stalken müssen«, erwidere ich trocken.

»Ich habe Sie nicht gestalkt, sondern bloß meinen Leibwächter bemüht, Ihre Adresse herauszufinden, immerhin haben Sie einen sehr beeindruckenden Auftritt hingelegt«, erwidert er lächelnd.

»Mehr war es ein beeindruckender Abtritt, immerhin bin ich wegen Ihnen und Ihrem Bruder aus einem Fenster gesprungen. Ich wette, das hat noch keine Frau für Sie getan«, sage ich überfordert, hoffe aber, dass ich freundlich klinge.

Er lacht leise. »Darf ich vielleicht reinkommen?«

Nur für einen Moment gehe ich meine Wohnung durch.

Habe ich irgendwo Fotos, die mich verraten könnten?

Nein, nicht, dass ich wüsste. Zumindest kann ich das Familienfoto auf dem Kaminsims auf die Nase legen, sodass er nicht auf die Idee kommen wird, die in mir zu sehen, die ich bin. »Was möchten Sie?«

»Mich mit Ihnen unterhalten.«

»Ich denke nicht, dass ich etwas mit dem Thronfolger des Liechtensteiner Königshauses zu besprechen habe.«

»Miss Miller, bitte erteilen Sie mir die Ehre.« Er schenkt mir ein charmantes Lächeln und ich wette, damit bekommt er scharenweise Frauen herum.

Ich seufze schwer. »Na schön.« Anschließend bewege ich mich von der Tür weg und verstecke eilig das Familienfoto im Wohnzimmer, damit er den Bilderrahmen gar nicht erst sehen wird. Ja, mein Verhalten erinnert wieder wenig an meine gute Erziehung, doch das ist mir egal. Ich will nicht bei Dacre punkten.

»Sie haben eine hübsche Wohnung«, sagt er, als er das Wohnzimmer betritt.

Wie ertappt schiebe ich die Schublade des nussbaumfarbenen Sideboards zu und drehe mich um, dann lehne ich mich gegen jenes Möbelstück. »Danke.«

Er hebt eine Augenbraue, sagt jedoch nichts, sondern deutet zum Sofa.

»Ja, setzen Sie sich.«

»Danke, Miss Miller.« Er geht zu der weißen Garnitur und nimmt auf dem Zweisitzer Platz, nachdem er sein Sakko geöffnet hat, während ich zum Sessel gehe. »Sie stammen nicht von hier, richtig?«

»Woher wollen Sie das wissen?«

Sein Mundwinkel zuckt, doch zu einem Lächeln lässt er sich nicht hinreißen. »Weil ich sehr gut darin bin, Akzente zu erkennen, auch wenn man Ihren nur erahnen kann.«

Als ich mich in den Sessel plumpsen lasse, hebe ich eine Augenbraue. »Dann sagen Sie mir doch, woher ich komme.«

»Es ist schwer, denn bei Ihnen vermischen sich zwei Akzente.«

»Und welche?«

»Zum einen klingen Sie Französisch, zum anderen Britisch.«

»Ach ja?«, hake ich nach. Er bemerkt meine Akzente, aber auf seinen deutschen Akzent werde ich ihn nicht hinweisen, denn darüber wird er sich bewusst sein.

»Ja.« Er lehnt sich nickend zurück. »Ich denke, Sie haben sowohl britische als auch französische Familie?«

»Das könnte sein, allerdings ist dem nicht so. Ich spreche bloß viel Französisch.« Wieder eine Lüge, denn meine Mutter stammt aus Frankreich, meine Großmutter väterlicherseits lebt dort und auch mit meiner Tante und ihrer Familie spreche ich meistens Französisch, da sie einen Franzosen geheiratet hat.

»Mit wem?«

»Mit einem sehr guten Freund, der ebenfalls an dieser Uni studiert«, lüge ich und möchte mir im nächsten Moment auf die Zunge beißen. »Vielleicht habe ich dabei den Akzent angenommen, immerhin spreche ich nur wenige Male in der Woche mit meiner Familie oder selten in Vorlesungen, sondern unterhalte mich wirklich mehr mit meinen Freunden aus Frankreich.«

Fuck, ich reite mich immer tiefer in die Scheiße!

»Dann ist zumindest dieser Teil ihrer Akzente erklärt.«

»Und ich stamme aus Großbritannien.«

»Woher genau?«, fragt er, anscheinend habe ich sein Interesse geweckt.

»Ich glaube kaum, dass Sie den Ort kennen.«

»Ich war bei der Luftwaffe und habe die erste Hälfte meines Studiums in Saint Andrews hinter mich gebracht. Ich denke, ich bin recht weit herumgekommen.«

Ich atme tief durch. »Aus Groombridge, das ist ein wirklich kleines Kaff.«

»Das habe ich tatsächlich noch nie gehört. Wo liegt es genau?«

»Zwischen Kent und East Sussex.« Und glücklicherweise weit von meinem Zuhause weg.

»In beiden Orten war ich oft, aber von Groombridge habe ich noch nie etwas gehört.«

»Das sagten Sie bereits.«

»Leben dort viele Menschen?«

»Vielleicht eineinhalbtausend oder ein paar mehr.«

Er möchte gerade etwas sagen, als es an der Tür klingelt.

»Das dürfte mein Abendessen sein.« Ich stehe auf und eile zur Tür, betätige den Öffner für die Haustür und warte darauf, dass der Pizzabote seinen Hintern zu mir in den ersten Stock schwingt.

»Hi, Miss Evelyn Miller?«, fragt er, als er mich erreicht hat.

»Ja, die bin ich. Was bekommen Sie?«, erkundige ich mich.

»Zwölf Dollar.«

Ich hole fünfzehn Dollar aus meiner Hosentasche und drücke sie ihm in die Hand. »Stimmt so, danke.« Anschließend nehme ich ihm die Pizza ab und schließe die Wohnungstür hinter mir.

»Störe ich Sie beim Abendessen?«

»Nein, wenn es Sie nicht stört, dass ich esse, während Sie reden.«

Warum habe ich ihn nicht gebeten, dass er geht?

Ich bin wirklich viel zu freundlich – okay, nur im Moment, denn morgen werde ich mich ihm gegenüber wieder wie ein Biest verhalten, damit er mich in Frieden lässt.

»Das stört mich nicht.«

Ich stelle die Pizza auf den Couchtisch und sehe ihn fragend an. »Kann ich Ihnen ein Glas Wein anbieten oder möchten Sie vielleicht ein Stück Pizza?«

»Wenn Sie eines entbehren können, denn ich habe zuletzt auf dem Flug hierher gegessen.«

»Ich hole Teller.«

»Und einem Glas Wein wäre ich auch nicht abgeneigt.«

»Ich hätte auch Bier da.«

»Auch davon würde ich eines nehmen.«

»Okay.« Ich gehe in die Küche. »Brauchen Sie Besteck?«

»Seit wann isst man Pizza mit Besteck?«

»Ich weiß doch nicht, wie Sie am Hof Ihre Pizza genießen.« Doch, ich weiß es und sie wird dort tatsächlich mit Messer und Gabel gegessen, was ich immer vollkommen daneben fand, auch heute noch. Ich hole zwei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank sowie zwei Teller aus dem Schrank, dann begebe ich mich zu ihm zurück. »Ich nehme an, Sie werden mit den Fingern essen.« Anschließend reiche ich ihm eine der Bierflaschen sowie einen Teller.

»Danke und ja, ich werde damit leben können.«

»Das ist sehr beruhigend.« Ich nehme wieder im Sessel Platz, schraube die Bierflasche auf und trinke einen Schluck, danach öffne ich die Pizzaschachtel. »Bedienen Sie sich, Euer Hoheit.«

»Vielleicht könnte ich heute Abend einfach nur Dacre sein? Es wäre mir lieber, als mit jemandem in meinem Alter förmlich zu sprechen.«

»Okay, Dacre.«

Einen Moment lang sieht er mich nachdenklich an. »Darf ich Sie Evelyn nennen?«, fragt er, nachdem er den Kopf geschüttelt hat, wohl um seine Gedanken zu vertreiben.

»Natürlich.«

»Danke, Evelyn.«

Ich lächle milde, dann nehme ich mir ein Stück Pizza, da er sich nicht bewegt. »Lassen Sie es sich schmecken.«

»Das werde ich versuchen«, erwidert er, als er die Pizza betrachtet.

»Es ist sicher kein Sternemenü, aber macht satt, und ich wette, Sie haben selten eine bessere Pizza gegessen, außer Sie waren schon mal in Italien«, lenke ich seine Aufmerksamkeit auf mich.

»Eine original italienische Pizza kann durch nichts in den Schatten gestellt werden.«

»Wohl wahr, aber wenn Sie sich jetzt kein Stück nehmen, werde ich diese Pizza allein essen.«

»Wollten wir uns nicht duzen?«

Ich seufze. »Dann nimm dir ein Stück oder ich esse sie allein.«

Dacre nimmt sich eines der Stücke von der wagenradgroßen Pizza und legt es auf seinen Teller. »Hast du vielleicht eine Serviette für mich?«

Ich deute auf eine silberne Box. »Nein, aber in der Box dort sind Taschentücher.«

»Danke.« Er öffnet sie und nimmt zwei heraus, die er auf seine Oberschenkel legt.

»Ich glaube, wenn du dich bekleckerst, würde niemand mit dir schimpfen«, sage ich amüsiert und beiße in mein Pizzastück.

»Nein, aber wenn ich nach Hause komme und nach Pizza rieche, würde mein Bruder mich wahrscheinlich erwürgen, weil er sich eher dafür begeistern kann als ich.«

Ich schmunzle. »Dann habe ich wohl den falschen Bruder zu Besuch.«

»Nun, bei Nicholas hast du keinen besonders guten Eindruck hinterlassen, nachdem du ihm damit gedroht hast, ihn bei der Presse als frivolen Lustknaben darzustellen.«

Diesmal muss ich lachen. »Ich wollte deinen Bruder loswerden, immerhin hat er mir unterstellt, dass ich mit der Presse telefoniert habe, obwohl ich nichts von dem mitbekommen habe, was ihr besprochen habt.«

»Nicholas ist recht panisch, seit seine letzte Affäre ein regelrechter Skandal wurde.«

»Tja, als zweiter in der Thronfolge sollte man sich nicht auf Pornodarstellerinnen einlassen«, sinniere ich.

»Woher weißt du das?«

»Meine Mutter verfolgt die Klatschnachrichten«, antworte ich. »Ich selbst bekomme so etwas immer nur am Rande mit oder sie erzählt es mir.«

»Aber gerade das hast du dir gemerkt?«

»Ich weiß auch, dass deine Verlobung mit dieser Gräfin geplatzt ist, weil sie ihren Pololehrer doch etwas besser kannte, als sie zugegeben hat.«

»Ja, das stimmt wohl. Marion war ihm sehr zugetan.«

»Das ist aber sehr nett ausgedrückt«, halte ich amüsiert dagegen.

»Ich drücke mich immer nett aus.« Endlich beißt auch er in sein Stück und ich bin froh, dass dadurch zumindest für ein paar Sekunden geschwiegen wird.

Ich gehöre nicht zu der besonders gesprächigen Sorte Mensch, was sich in den letzten Jahren entwickelt hat. Ich habe keine Freunde, weshalb ich es vorziehe zu schweigen. Zwar treffe ich mich gelegentlich mit ein paar Kommilitonen, aber dann lernen wir bloß miteinander. Meine damaligen Freunde habe ich gemeinsam mit dem Hof hinter mir gelassen – neue habe ich nie gefunden. Mit zehn war es schwer für mich, die Etikette abzulegen, weshalb ich schräg beäugt wurde, als ich auf die öffentliche Schule gewechselt hatte.

* * *

»Danke für die Pizza.«

»Gern.«

»Ich habe dir sicher nichts weggegessen?«

Ich schüttle den Kopf. »Nein, ich hätte sowieso nicht mehr als die Hälfte geschafft und den Rest morgen weggeschmissen, weil ich sie schlichtweg vergessen hätte.«

Dacre trinkt einen Schluck Bier, den ersten, und verzieht das Gesicht. »Gott, das ist aber kein gutes Bier.«

»Es ist amerikanisches Bier und lässt sich nicht mit europäischem vergleichen«, sage ich amüsiert. »Wenn du willst, habe ich auch noch eine Flasche Rotwein da, aber ich glaube kaum, dass du Jahrgänge nach der Jahrtausendwende trinkst.«

»Ich wäre einem Versuch nicht abgeneigt, aber vorher werde ich das Bier austrinken, damit du es nicht wegschütten musst.«

Daraufhin hebe ich beeindruckt eine Augenbraue. »Du kümmerst dich wirklich darum, dass etwas nicht weggeschüttet wird?«

»Ich finde, dass ich das Bier trinken kann, wenn es nicht abgestanden ist.«

»Du kannst mir das Bier geben, ich hole den Wein.«

»Verträgst du denn so viel Alkohol?«

»Du würdest dich wundern, was ein Mädchen aus Groombridge alles verträgt.« Anschließend stehe ich auf und begebe mich in meine kleine Küche. Dort hole ich den Merlot aus dem Schrank, den ich vor einer gefühlten Ewigkeit gekauft habe, außerdem ein Weinglas und den Korkenzieher. Dann gehe ich zu ihm zurück.

»Ich denke, in der Zeit, in der der Wein dekantiert, werde ich das Bier trinken.«

»Du legst wirklich Wert darauf, dass der Wein erst mal atmet, bevor du ihn trinkst?«

»Erst dabei entfaltet er sein Aroma.«

Ich verdrehe die Augen, entkorke die Flasche und stelle sie neben sein Glas auf den Tisch. »Das heißt also, dass du mindestens noch eine Stunde da bist.«

»Falls dich meine Gesellschaft stört, werde ich gehen.«

»Du wolltest reden, also reden wir«, erwidere ich und ein weiteres Mal würde ich mir zu gern auf die Zunge beißen. Ich weiß, dass ich nichts mehr mit ihm oder seinem Bruder zu tun haben will, denn alles, was in den letzten Jahren passiert ist, hat meine Denkweise sehr beeinflusst. Wenn man mit dem einfachen Volk zusammentrifft und viel über die Brüder liest oder hört, verändert man seine Sicht der Dinge. Als Kind habe ich für Dacre geschwärmt – das würde ich immer noch, wenn nicht so viel vorgefallen wäre. Er hatte zahlreiche Affären, für viele Skandale gesorgt und alles in allem ist er nicht mehr der, den ich als Kind kannte. Jedoch bin ich auch nicht mehr die, die er gekannt hat. Ich weiß, dass ich mich nicht offenbaren darf, denn dann würde es mir wie ihm ergehen. Ich wäre die verlorene Prinzessin, die schnellstmöglich an den Königshof zitiert werden würde, außerdem würde sich die Presse auf mich stürzen.

* * *

Dacre hat mir in der letzten halben Stunde davon erzählt, wie schwer es für ihn ist, ein ganz normales Leben zu führen. Ständig wird er von Reportern verfolgt, in peinlichen Situationen fotografiert oder ihm werden Affären mit Frauen angedichtet, mit denen er bloß befreundet ist.

---ENDE DER LESEPROBE---