Demons Kiss - Bianka Mertes - E-Book

Demons Kiss E-Book

Bianka Mertes

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Beschreibung

Die 17-jährige Angel freute sich schon darauf, nach ihrer Leukämieerkrankung, endlich doch noch als Bewahrer agieren zu können und ihr ersehntes Mündel entgegennehmen zu dürfen. Doch als Angel am Tag der Überstellung in ein rot glühendes Augenpaar starrte, war sie sich ihrer Aufgabe nicht mehr so sicher. Vorbei war der Traum von einem anmutigen Wesen, um das sie sich kümmern durfte. Denn in Damians Adern floss reinstes Dämonenblut.

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Seitenzahl: 233

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Demons Kiss

Versprechen für die Ewigkeit

Bianka Mertes

Demons Kiss

Versprechen für die Ewigkeit

Die geschilderten Personen und Ereignisse sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

© 2021 Bianka Mertes

Oberwindhagener Str. 26a, 53578 Windhagen

Cover: Bianka Mertes

Bildmaterial:pixabay.de & depositphotos.com

Lektorat, Korrektorat und Buchlayout:

Lektorat Buchstabenpuzzle

www.buchstabenpuzzle.de

2. Auflage

Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40–44, 22359 Hamburg

ISBN: 978-3-347-80494-4-

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Über die Autorin

Vorwort

Es lag jetzt über zwanzig Jahre zurück, dass sich unsere Welt komplett änderte. Es gab keine Bücher oder Geschichten mehr und das Schreiben wurde strikt untersagt. Unter Androhung der Todesstrafe hielt man Freidenker und Autoren unter Kontrolle.

Der Grund war verständlich.

Ein Riss in unserer Welt sorgte dafür, dass alle Kreaturen, die je erfunden wurden, in unsere Welt gelangten. Darunter leider nicht nur Märchenprinzen auf weißen Rössern, sondern auch Serienmörder und andere auf Tod und Schmerz bedachte Kreaturen.

Plötzlich wurden Rotkäppchen und Co. zur Realität und man suchte nach einer Lösung. Den Riss zu schließen war unmöglich, also beschloss man, miteinander zu leben.

Diesen Kreaturen wurden geprüfte Bewahrer zur Seite gestellt, die ab ihrem fünfzehnten Lebensjahr dazu bereit waren. Die Prüfungen waren nicht einfach und es gab wahrscheinlich Unzählige, die sie nicht bestanden oder gar nicht erst zugelassen wurden. Mein Traum jedoch war es, solange ich denken konnte, ein Bewahrer zu sein.

Leider machte mir das Leben einen Strich durch die Rechnung. Mit vierzehn erkrankte ich an Leukämie. Die Krankheit zog sich lange hin und man hatte kaum Hoffnung. Doch eines Tages geschah ein Wunder. Ich war geheilt, musste zwar regelmäßig zu Untersuchungen, aber die Diagnose geheilt blieb bestehen. Nur leider stand ich bereits kurz vor meinem siebzehnten Geburtstag und war eigentlich schon viel zu alt, um als Bewahrer zu agieren. Doch entgegen meiner Erwartung durfte ich wegen meiner Vorgeschichte die Prüfung zum Bewahrer ablegen.

KAPITEL 1

Melissa lag auf meinem Bett und blätterte die Jugendzeitschrift durch, die bereits schon lange bei mir herumlag und deren Artikel sie bereits in- und auswendig kennen musste. Es war die einzige Zeitschrift, die ich überhaupt besaß. Zwischendurch kicherte sie durch ihren Mundschutz, den sie immer bei mit trug. Meine Mutter zwang Melissa zu dieser Maßnahme. Sie wollte sichergehen, dass mich nicht auch der kleinste Virus infizierte.

Melissa hatte sichtlich ihre Freude an den rausgeputzten Stars, während ich mir ein weiteres Mal den Kopf über Geometrie zermarterte. Hoffnungslos stöhnte ich auf und ließ meinen Kopf auf den Schreibtisch fallen. Normalerweise flogen mir in jedem Fach die Antworten nur so zu, doch Geometrie war ein rotes Tuch für mich. Ich kam mir wie ein Stier vor, der gegen dieses Tuch rannte, nur um festzustellen, dass man ihm dahinter ein Messer in den Leib rammte. Für mich war Geometrie dieses besagte Messer, das mir wieder einmal stechende Kopfschmerzen bescherte.

Meine Freundin sah auf meinen Laptop, als der Bildschirmschoner startete und grinste. In kurzen Abständen tauchten Bilder von Jake auf, ein Klassenkamerad, den ich zur Zeit leider nur online sehen durfte. Wenn es nach meiner Mutter gegangen wäre, hätte ich selbst das nicht tun dürfen. Am liebsten hätte sie mir einen Privatlehrer vor die Nase gesetzt. Doch dank den Überredungskünsten meines Vaters blieb mir das Gott sei Dank erspart.

»Du magst ihn immer noch, oder?«

Mein Blick wanderte von Melissa zu meinem Laptop, auf dem gerade ein Bild von der Klassenfahrt im vierten Schuljahr aufpoppte. Irgendwie hatte ich es damals geschafft, ein Foto von uns beiden zusammen hin zu bekommen. Und darauf war ich besonders stolz.

»Du kennst mich doch, so leicht gebe ich nicht auf.« Belustigt zwinkerte ich ihr zu.

»Ich hoffe nur, deine Mutter lässt dich bald wieder die Schule besuchen. Es ist irgendwie alles stinklangweilig ohne dich.« Sie hibbelte auf meinem Bett, zog die Maske unters Kinn und streckte mir schnell die Zunge raus, nur um genau so schnell, die Maske wieder aufzusetzen.

»Ja«, stöhnte ich erneut. »Das wäre auch für mein Liebesleben eine echte Erleichterung. Wie sonst soll ich auf mich aufmerksam machen, wenn ich den ganzen Stoff nur online mitmachen kann?«

»Vielleicht versuchst du noch einmal, mit deiner Mutter zu reden?« Ich wusste, Melissa meinte es nur gut, aber in dieser Beziehung kannte sie meine Mutter nun wirklich nicht so gut wie ich.

»Vergiss es, da kann ich auch versuchen, als Präsident zu kandidieren, das Ergebnis sähe ähnlich aus.«

Mein Kopf landete wieder auf der Tischplatte, während ich so tat, als würde ich heulen. Meine Situation war echt total aussichtslos. Ich war ein verliebter Teenager und meinem Schwarm so fern wie niemand sonst. Nicht einmal zu mir nachhause dürfte ich ihn einladen, selbst wenn ich es gewollt hätte. Melissa war eine Ausnahme, die ich mir bereits hart erkämpfen musste.

»Da fällt mir ein, hast du schon eine Antwort von der Akademie bekommen?«

Ich legte den Kopf zur Seite, sodass ich Melissa anblicken konnte.

»Nein, noch nicht, aber die müsste heute in der Post sein«, gab ich erneut lustlos von mir, nachdem ich genervt und planlos auf das Matheblatt starrte. Wieder stöhnte ich auf.

Melissa lachte. »So schwer ist Geometrie nun auch wieder nicht«, witzelte sie. Ich wusste nur zu gut, dass auch sie ihre Probleme in diesem Fach hatte. Plötzlich wurde sie jedoch wieder ernst.

»Hast du es deinen Eltern eigentlich schon gesagt?«

Mein Blick wanderte von ihr zum Fenster. Die Sonne schien und die Vögel zwitscherten um die Wette. Doch wenn ich daran dachte, wie meine Eltern reagieren würden, heiterte mich das auch nicht auf.

»Ich sag es ihnen, wenn ich sicher bin, bestanden zu haben. Schlafende Hunde soll man bekanntlich nicht wecken.« Ich zwinkerte Melissa zu, die unter ihrer Maske eine Grimasse zog.

»Und wenn du bestehst, Angel? Glaubst du wirklich, sie erlauben dir, ein Mündel aufzunehmen?«

Ich konnte ihre Skepsis gut verstehen. Am Anfang war ich selbst nicht überzeugt, dennoch fand ich heraus, dass man einem Bewahrer nicht verbieten konnte, seinen Job zu tun. Und ich war fest davon überzeugt, meine Arbeit gut zu verrichten.

Ich wollte gerade etwas erwidern, als es an der Tür klopfte, die sich schließlich, ohne auf meine Genehmigung zu warten, auch öffnete. Schnell legte ich einen Finger auf meine Lippen, um Melissa zu zeigen, dass das Thema jetzt tabu war. Sie verstand und nickte. Nur einen Atemzug, bevor meine Mutter mein Zimmer betrat, bewegte ich die Maus, damit sich der Bildschirmschoner in Luft auflöste.

»Ich habe für euch ein paar Snacks und etwas zu Trinken«, trällerte sie gut gelaunt. Doch wie immer trügte der Schein. Ihr erster Blick wanderte zu Melissa. Nachdem meine Mutter sich sicher war, dass sie auch ihre Maske trug, trat sie an meinen Schreibtisch heran und stellte das Tablett mit Keksen und Orangensaft ab. Langsam beugte sie sich zu mir, damit sie mir etwas zuflüstern konnte. Melissa ließ sie dabei aber nicht aus den Augen.

»Denk dran, ihr habt noch eine halbe Stunde.« Schnell richtete sie sich wieder auf und wartete auf meine Antwort. Mir war klar, dass ich ihr nur eine geben konnte.

»Ja, ich weiß Mom, keine Sorge.« Stöhnend sah ich zu Melissa, die sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen konnte.

»Gut, bring das Geschirr in die Küche, wenn ihr fertig seid.« Ohne ein weiteres Wort verließ meine Mutter das Zimmer wieder. Melissa konnte sich ein Lachen nicht mehr verkneifen.

»Ehrlich, bist du wirklich sicher, dass sie dich das durchziehen lassen?«

Ich seufzte und ließ die Schultern hängen. Es würde noch ein hartes Stück Arbeit werden, meine Eltern zu überzeugen. Trotz allem war ich fest entschlossen. Diesmal würde ich es durchziehen.

»Ich glaube, du solltest besser gehen, bevor sie dich noch auf die schwarze Liste setzt.« Angewidert verzog ich das Gesicht.

Die schwarze Liste. Dinge, die ich absolut nicht tun oder haben durfte, obwohl ich Spaß daran fand. Alles fein säuberlich von meiner Mutter in einem kleinen Ringbuch niedergeschrieben. Ich hasste dieses Buch und am liebsten hätte ich es verbrannt. Nur leider hütete meine Mutter dieses Ding wie ihr Leben.

Melissa wälzte sich von meinem Bett und umarmte mich von hinten. Meine Mutter wäre ausgetickt, wenn sie das gesehen hätte.

»Ich drücke dir die Daumen. Du machst das schon, schließlich bist du der Mensch mit dem größten Dickkopf, den ich kenne.« Sie lachte leise unter ihrer Maske.

Ein Lächeln huschte über meine Lippen. Wenn mich wirklich jemand kannte, war es Melissa. Meine einzige Freundin, der ich alles anvertraute und die immer zu mir hielt, egal wie ich mich entschied.

»Ich bringe dich noch raus, du weißt ja, der Briefträger kommt gleich.« Zwinkernd drückte ich ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

Aufgeregt lief ich in dem kleinen Vorgarten hin und her, bis ich den Briefträger endlich sehen konnte. Er musste mich für verrückt halten, als ich auf ihn zustürmte und ihn andauernd nach einem Brief für mich fragte. Er schüttelte schließlich lachend den Kopf, griff in seine große gelbe Umhängetasche und zog einen Brief mit meinem Namen heraus. Mein Herz setzte einen Moment lang aus, als ich den Stempel des Instituts für Prüfung auf Bewahrer sah, der großzügig den Umschlag zierte.

Glücklich nahm ich den Brief entgegen, bedankte mich und verzog mich heimlich wieder in mein Zimmer. Ich hoffte nur, dass meine Mutter nicht wieder unangekündigt auftauchte.

Mit zittrigen Händen legte ich mir den Brief auf die Brust, in der mein Herz wie wild schlug, während ich ein Stoßgebet zum Himmel schickte. Dann sah ich ihn mir noch einmal an, bevor ich den Umschlag hektisch öffnete. Zum Vorschein kam ein sehr wichtig aussehender Brief und ich las leise die Zeilen, die nur an mich gerichtet waren.

Sehr geehrte Angel Maddison, wir sind hoch erfreut, Ihnen mitteilen zu können, dass sie den Test zur Bewahrerin mit Auszeichnung bestanden haben. In den nächsten Tagen werden wir Ihnen ihr Mündel zur Einführung ins menschliche Leben überlassen.

Mit freundlichen Grüßen

Institut für Bewahrer

Ich las die Zeilen immer und immer wieder leise vor, doch konnte es noch immer nicht richtig glauben. Ich hatte es tatsächlich geschafft. Die ganzen heimlichen Vorbereitungen waren nicht umsonst. Am liebsten hätte ich laut geschrien und einen Freudentanz aufgeführt.

Doch jetzt stand mir noch das Schlimmste bevor. Wie brachte ich das meinen Eltern bei? Am liebsten hätte ich das Ganze für mich behalten, doch anhand der Tatsache, dass das Mündel auch bei uns wohnen müsste, konnte ich mir das getrost aus dem Kopf schlagen. Meine Mutter würde mir wahrscheinlich den Hals umdrehen.

Schweren Herzens nahm ich die Treppe nach unten, wo es aus der Küche bereits herrlich nach Selbstgebackenem roch. Wenn meine Mutter eins konnte, war es backen und kochen. Sogar mein Vater leckte sich danach immer alle zehn Finger ab.

Sie schob gerade das letzte Blech mit bereits ausgestochenem Keksteig in den Ofen, als ich mit einem mulmigen Gefühl im Bauch und wild pochendem Herzen die Küche betrat. Sie nahm mich erst wahr, als sie das Geschirr in die Spülmaschine räumte.

»Geht es dir gut? Du bist ja total blass. Ich war von Anfang an nicht damit einverstanden, dass Melissa so oft vorbeikommt, aber du kannst ja wie immer nicht hören.«

Besorgt legte sie mir eine Hand auf die Stirn und kontrollierte, ob ich Fieber hatte. Nachdem sie überzeugt war, dass meine Temperatur normal war, nahm sie mein Gesicht in beide Hände und untersuchte es ganz genau von allen Seiten. So langsam platzte mir die Hutschnur. Ich war gesund und Melissa würde mich wohl kaum erneut mit Leukämie anstecken. Was dachte meine Mutter, dass es ein Virus war, den man sich überall einfangen konnte? Genervt schob ich ihre Hände beiseite und sah sie sauer an.

»Mom, es reicht langsam, wirklich. Weder Melissa noch jemand anders ist für meine Krankheit verantwortlich gewesen. Du übertreibst vollkommen grundlos. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich die Nase langsam gestrichen voll.«

Meine Mutter sah mich entgeistert an. Noch nie hatte ich so mit ihr gesprochen. Bisher sagte ich zu allem ja und amen, aber ich konnte und wollte nicht mehr. Wo wir bereits so weit waren, konnte ich ihr auch gleich von meiner Prüfung zum Bewahrer erzählen. Schlimmer konnte es jetzt schließlich nicht mehr werden. »Und im übrigen brauchen wir nächste Woche ein freies Zimmer. Ich habe die Prüfung zum Bewahrer abgelegt und bestanden.« Mit vor der Brust verschränkten Armen sah ich sie herausfordernd an und wartete auf eine Reaktion. Doch sie stand nur mit offenem Mund vor mir und schwieg. Ein paar Sekunden später traf mich die erwartete Standpauke mit voller Wucht.

»Bist du jetzt vollkommen durchgedreht? Das werde ich nie im Leben zulassen. Wie konntest du nur und das auch noch ohne vorher mit uns darüber zu sprechen? Niemals, hörst du? Niemals lasse ich das zu.« Ihr Gesicht sprach Bände und ich wusste, dass es besser gewesen wäre, das Thema nicht weiter zu vertiefen, doch ich hatte den Schritt gewagt und ein Zurück gab es jetzt nicht mehr.

»Tut mir leid, aber es ist beschlossene Sache. Das Institut hat bereits jemanden für mich ausgewählt und das kann man nicht rückgängig machen. Das weißt du so gut wie ich auch. Und du weißt auch, dass ich bereits geheilt bin, Mom, ich verstehe nicht, warum du dir immer so unnötige Sorgen machen musst.«

Mit einem Hundeblick versuchte ich, sie ein wenig zu besänftigen, während ich mich bei ihr unterhakte. Normalerweise funktionierte diese Taktik recht gut und ich gab die Hoffnung noch lange nicht auf. Doch sie schob mich einfach nur weg und begab sich wieder zum Backofen, gerade so, als wäre nie etwas gewesen. Sie war enttäuscht und das brauchte sie nicht einmal erwähnen. Ihre Reaktion sagte bereits alles.

»Wir reden heute Abend, wenn dein Vater von der Arbeit zurück ist«, meinte sie, während sie das Backblech mit Keksen herausnahm.

Somit war das Thema zuerst einmal auf Eis gelegt. Trotz allem würde ich nicht aufgeben, da konnte sie noch so sauer sein.

Erst am späten Abend fuhr der Wagen meines Vaters die Einfahrt hinauf. Meine Mutter empfing ihn bereits an der Tür, bevor er sie öffnen konnte, und schilderte ihm außer sich vor Wut die Situation. Somit nahm sie mir die Möglichkeit, mich selbst äußern zu können. Nicht gerade fair, angesichts der Tatsache, dass meine Mutter die Hosen anhatte.

Lautstark machte meine Mutter ihren Standpunkt klar, was ich sogar im Treppenhaus hören konnte. Ich schlich die mit rotem Teppichboden belegte Treppe nach unten. Die Tür zum Wohnzimmer stand offen und ich konnte meinen Vater sehen, der sich alles anhörte, was meine Mutter ihm an negativen Punkten um die Ohren warf. Dabei verzog er wie immer keine Miene. Irgendwie tat er mir sogar leid. Er mimte immer den ruhigen und zuvorkommenden Ehemann, doch ich wusste, dass er auch ganz anders sein konnte.

»Also was sagst du dazu? Wir dürfen ihr das auf keinen Fall gestatten. Das würde sie nur wieder in Gefahr bringen.« Aufgebracht wedelte meine Mutter mit den Händen, um ihre Worte noch zu unterstützen.

Mein Vater sah sie nur ruhig an und sagte keinen Ton. Ich sah meine Felle schon davonschwimmen. Schließlich kam selbst er kaum gegen meine Mutter an. Dann sah ich, dass sich zum ersten Mal, seit ihrem Gespräch, eine Regung in seinem Gesicht abzeichnete.

»Ich finde, du übertreibst, Liebes. Angel ist kein kleines Kind mehr und du kannst sie nicht ihr ganzes Leben lang einsperren, nur um alle eventuellen Gefahren von ihr abzuwenden. Sie ist mittlerweile eine junge, gesunde Frau, die auch selbst entscheiden kann. Angel hat die Prüfung auf Anhieb bestanden, für die andere mehrere Anläufe brauchen. Solltest du nicht lieber stolz auf sie sein, als es ihr von Anfang an auszureden? Ich finde die Idee nicht schlecht und ich werde ihr auch gerne behilflich sein, wenn sie Hilfe benötigt. Sie braucht diese Zeit für sich und auch die Verantwortung, die sie damit auf sich nimmt. Wie soll sie je selbstständig werden, wenn du sie immer unter einer gläsernen Kuppel versteckst?«

Meine Mutter stand nur da, mit offenem Mund und sah ihn ungläubig an, als hätte er die goldene Regel in diesem Haushalt gebrochen. Sie hatte das Sagen und sonst keiner. Wie gern wäre ich meinem Vater gerade um den Hals gesprungen, doch ich wollte den Augenblick nicht zu meinen Ungunsten ruinieren. Gespannt wartete ich also auf die Antwort meiner Mutter, die sich langsam wieder entspannte und sich räusperte.

»Ich wusste ja, dass du immer zu ihr halten musst«, gab sie nach einer kurzen Atempause von sich. »Also gut, dann lass sie ihr Ding durchziehen, aber sollte etwas passieren, übernimmst du die volle Verantwortung.«

Ohne ihn auch nur noch einmal anzusehen, drehte sie sich enttäuscht auf dem Absatz um und verließ das Wohnzimmer in Richtung Schlafzimmer. Lautstark knallte die Tür ins Schloss.

Ich konnte es nicht glauben, ich bekam tatsächlich offiziell die Erlaubnis. Wie ein kleines Kind, das zu Weihnachten das bekam, was es sich schon immer wünschte, hätte ich am liebsten laut geschrien vor Glück. Doch anhand der Tatsache, dass meine Mutter stinksauer war, verkniff ich es mir lieber. Um einen kleinen Freudentanz kam ich jedoch nicht ganz herum.

»Du kannst ruhig reinkommen.« Geschockt blieb ich stehen, als ich die Stimme meines Vaters vernahm. Wann bitte hatte er mich bemerkt? Es war auch egal, ich stürmte ins Wohnzimmer und sprang ihm freudig um den Hals.

»Danke, Dad«, bekam ich schließlich, nach mindestens eintausend Küssen auf seine Wange, heraus. Er schob mich von sich weg und sah mich schließlich ernst an.

»Du hast deine Mutter gehört, sollte etwas passieren, trage ich die Verantwortung.«

»Keine Sorge, Dad, es wird schon nichts passieren. Ich habe die Prüfung mit Auszeichnung bestanden und bin für alles gewappnet.« Ein strahlendes Lächeln zierte mein Gesicht.

»Die Prüfung ist das eine, Angel, aber die Wirklichkeit kann dich schneller einholen, als du denkst. Du weißt nicht, wen du an deine Seite gestellt bekommst.« Er nahm mich besorgt in die Arme und ich wusste, dass er es ernst meinte.

»Versprich mir, dass du mir sofort Bescheid gibst, sollte etwas sein. Ich bin bereit, dich zu unterstützen, aber dafür verlange ich von dir, dass du auch auf meine Meinung vertraust.« Sanft legte er die Arme um mich und küsste meinen Scheitel.

Ich konnte seinen Herzschlag hören, der mindestens so aufgeregt hin und her hüpfte wie mein eigener. Mit meinem Gesicht an seine warme Brust gedrückt, sah ich ihn glücklich an.

»Sollte ich auf Probleme stoßen, schwöre ich, dass ich dich als erstes um Rat und Hilfe bitte.«

Er lächelte mich vielsagend an. »Na, dann bin ich auf dein Mündel gespannt. Morgen werde ich das Zimmer neben deinem fertig machen. Schließlich muss das Mündel ja auch irgendwo wohnen.« Er zwinkerte mir zu und ich kam nicht drumherum, ihn mit kleinen, aber vielsagenden Küssen zu überhäufen.

KAPITEL 2

Am anderen Ende der Leitung konnte ich nicht überhören, dass Melissa gerade einen Freudenschrei losließ, als ich ihr von dem Ergebnis erzählte.

»Ich kann es nicht glauben, dass dein Vater sich für dich eingesetzt hat. Sag schon, wie hat denn deine Mutter auf den plötzlichen Sinneswandel deines Vaters reagiert?«

Sie wartete gespannt auf meine Antwort, jedoch wurde mir plötzlich klar, dass meine Mutter sich gerade nicht glücklich fühlen musste. Ich müsste auf jeden Fall noch einmal mit ihr darüber sprechen. So verärgert und deprimiert konnte ich sie nicht sich selbst überlassen. Immerhin würde auch das Mündel mit in unserem Haus leben, da war es sicherlich nicht hilfreich, wenn meine Mutter dauernd angesäuert durch die Gegend spazierte.

»Na ja, wie schon gesagt, sie war nicht gerade glücklich darüber. Ich weiß auch nicht, warum sie auf einmal nachgab, aber wichtig ist ja erst einmal das Ergebnis. Nächste Woche bekomme ich offiziell mein Mündel zur Seite gestellt. Ich bin schon ganz aufgeregt, welche Spezies ich bekomme.«

»Bei deinem Glück bekommst du sicher eine Fee oder eine Elfe. Oh Mann, du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich für dich freue. Und es ist jawohl selbstverständlich, dass ich das Wesen als erste kennenlerne«, meinte sie und lachte im Hintergrund schelmisch.

Es war wohl kaum schwer zu erraten, dass ich Melissa mein Mündel vor allen anderen vorstellen würde, schließlich war sie meine einzige und beste Freundin. Trotz allem kam ich nicht drumherum, sie ein wenig auf die Schippe zu nehmen.

»Na, hör mal, als erstes ist ja wohl der Briefträger dran, schließlich hat er mir die erfreuliche Nachricht überbracht«, gab ich amüsiert von mir.

»Pffff und ich dachte schon, der Milchmann sei der Erste. Aber so kann man sich täuschen.« Sie spielte das Spiel ohne mit der Wimper zu zucken mit, bis wir beide in schallendes Gelächter fielen.

»Aber weißt du, was mir gerade einfällt?«, meinte sie schließlich noch.

»Nein, aber du wirst es mir sicherlich verraten«, lachte ich leise.

»Jake hat doch auch ein Mündel.«

Sie sprach nicht weiter, also hakte ich nach, was sie damit meinte. »Und?«

»Na ja, je nachdem, was für eine Spezies du bekommst, hast du vielleicht einen Grund, dich mal mit Jake zu treffen.«

Ohne sie zu sehen, wusste ich, dass sie gerade am anderen Ende zwinkerte. Doch allein der Gedanke ließ mich glücklich lächeln. Jake und ich und unsere Mündel, träumte ich vor mich hin. Doch zuerst musste ich mal ein Mündel überstellt bekommen.

»Okay, warten wir mal ab, was oder wen ich bekommen werde. Sich vorher schon Gedanken darüber zu machen ist Quatsch. Aber ein gutes hat es dennoch, meine Mutter kann mich nicht mehr zu Hause einsperren.« Allein das war es schon wert, dass ich die Prüfung auf mich genommen hatte.

»Stimmt und ich freue mich wirklich wahnsinnig für dich.«

Es war schön zu wissen, dass ich mich immer auf Melissa verlassen konnte und umgekehrt war es genauso. Schon seit der Grundschule waren wir unzertrennlich. Deshalb verstanden wir auch nicht, warum meine Mutter jedes Mal so einen Aufriss machen musste, wenn sie mich besuchen kam. Melissa war diejenige, die den Vorschlag mit der Maske machte, damit wir uns weiterhin treffen konnten.

»Okay, Süße, ich muss jetzt los zu meinem Unterricht. Wir sehen uns dann später und dann will ich alles haargenau erzählt bekommen.«

»Alles klar, viel Spaß bei Erdkunde.« Ich hatte heute frei, deshalb konnte ich ein wenig Sarkasmus ruhig walten lassen.

Ich musste schmunzeln, als ich sie am anderen Ende schnauben hörte. Sie und Erdkunde waren wohl die größten Feinde aller Zeiten.

»Vielen Dank auch.« Sie lachte noch kurz hämisch ins Telefon, bevor sie auflegte.

Mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht legte ich das Handy beiseite und nahm mir noch einmal den Brief des Instituts zur Hand. Abermals las ich die Zeilen, die mich überaus glücklich machten. Dann ließ ich mich der Länge nach aufs Bett fallen und träumte mit offenen Augen von meinem möglichen Mündel. Ich stellte mir eine Fee vor, die alle anderen verzauberte. Und von einer Elfe, die mir jeden Wunsch erfüllen konnte. Ohne es zu bemerken, ließ ich alle anderen Geschöpfe außer acht. Erfundene Wesen, die mir genauso gut zur Seite gestellt werden konnten und die unheimlicher und gefährlicher waren, als sie in meiner Vorstellungskraft sein konnten.

Die Woche zog sich endlos lange hin und ich konnte es kaum abwarten, endlich mein Mündel kennenzulernen. Sogar meine Mutter freundete sich langsam mit dem Gedanken an, nachdem ich mit ihr noch ein langes und eingehendes Gespräch führte. Anfänglich sträubte sie sich noch, aber nachdem ich meine eigenen Standpunkte klarstellen konnte, sah sie langsam ein, dass mein Leben nicht so weitergehen konnte. Also hatte ich es nach langer Zeit wirklich geschafft, aus meinem goldenen Käfig auszubrechen und mein eigenes Leben in die Hand zu nehmen. Es war bereits kurz nach siebzehn Uhr, als es endlich klingelte.

»Ich gehe schon«, rief ich meinen Eltern zu, die gerade die aktuellen Nachrichten im Fernsehen sahen und rannte total aufgeregt und hypernervös zur Tür. Noch einmal atmete ich tief ein und aus, bevor ich schließlich die Tür strahlend öffnete. Doch das erstarb bereits, als ich mein Mündel sah, das von zwei Männern des Instituts, was man an dem Wappen auf der Brusttasche erkennen konnte, gewaltsam daran gehindert wurde zu fliehen. Es war eindeutig nicht einer der

Freiwilligen, die sich als Mündel zur Verfügung stellten.

»Miss Maddison?« Der junge Mann rechts von meinem Mündel sah noch einmal auf das Klemmbrett, um sicherzugehen, dass er auch den richtigen Namen nannte, bevor er sich wieder an mich wandte.

»Ja, das bin ich«, gab ich eher vorsichtig zurück, denn ich hatte keine Ahnung, was ich von dieser ganzen Situation halten sollte. Auch ohne wirklich schlau zu sein, konnte wohl jeder erkennen, dass es sich bei meinem zukünftigen Mündel weder um eine Fee noch um eine Elfe handelte. Seinen Kopf hielt er die ganze Zeit gesenkt und die dunklen langen und ein wenig gelockten Haare machten es mir nicht gerade einfacher, sein Gesicht zu erkennen. Er versuchte ein paar Mal, sich aus den Griffen der Männer zu befreien, jedoch gelang es ihm nicht.

»Oh mein Gott«, hörte ich unerwartet die Stimme meiner Mutter hinter mir, die sich sofort die Hand auf den Mund presste. Ich sah sie strafend an, doch sie wusste bereits, dass es unhöflich war, wie sie reagierte. Sogar mein Vater, der ihr gefolgt war, sah nicht gerade glücklich aus, als er mein Mündel erblickte. Und zum ersten Mal dachte ich: Worauf habe ich mich da bloß eingelassen?

Er sah aus, als wäre er gerade aus einem der letzten Löcher gekrabbelt. Seine Kleidung war das reinste Chaos. Mit Löchern übersät und komplett verschmutzt. Dabei wollte ich bei manchen Flecken nicht einmal wissen, woraus sie bestanden. Zudem roch er stark nach Zigaretten, Alkohol und Fisch. Von dem Geruch wurde mir übel und ich wusste, als erstes würde er ein Bad nehmen müssen. Und wenn er nicht wollte, musste ich wohl stärkere Geschütze auffahren.

Der junge Mann mit dem Klemmbrett räusperte sich schließlich und nachdem er sicher war, unsere Aufmerksamkeit zu haben, fuhr er schließlich mit seiner Liste fort.

»Gut, Miss Maddison, sie bekommen jetzt von uns ihr Mündel überstellt. Zudem eine Liste mit Punkten die sie beachten müssen und das Berichtstagebuch.«

»Ein Tagebuch?« Ich nahm das kleine rote Heft entgegen, auf dem in großen Buchstaben Berichtstagebuch eingestanzt stand. Ich konnte mir nur vage vorstellen, wofür es gebraucht wurde, aber sah ihn dennoch fragend an.

»Richtig, bei normalen Mündeln bekommen sie ja so ein Buch gar nicht.« Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

»Heißt das etwa, es ist kein normales Mündel? Wie sollen wir das bitte verstehen?« Meine Mutter sah entgeistert in das Gesicht des jungen Mannes, der verzweifelt versuchte, die Situation aufzuklären.

Neugierig versuchte ich, das Gesicht meines Mündels zu erkennen, doch es machte keine Anstalten mir auch nur die geringste Chance zu geben. Schließlich lenkte mich der Klemmbretthalter wieder auf das Gespräch.

»Also, es ist so. Er hier«, er deutete mit dem Kopf auf das Mündel, »er ist nicht ganz freiwillig zu uns gekommen. Ganz im Gegenteil, er hat uns einiges an Mühe gekostet, ihn einzufangen. Deshalb muss über sein Befinden und seine Fortschritte genaustens Tagebuch geführt werden.«

»Sie meinen also damit, dass er eines der schwierigen Mündel ist, gehe ich von aus.« Mein Vater hatte den Nagel wohl auf den Kopf getroffen, jedenfalls erhellte sich das Gesicht des jungen Mannes, weil ihn jemand verstand. Mir hingegen fiel fast die Kinnlade herunter. So hatte ich mir ein Leben als Bewahrer bei allen guten Geistern nicht gerade vorgestellt.

»Ja genau, sie verstehen mich. Sehr schön und da wir das jetzt geklärt haben.« Er wollte mir gerade das Klemmbrett reichen, damit ich den Empfang bestätigen konnte, da platzte es aus meiner Mutter heraus. Ich fragte mich eh die ganze Zeit schon, warum sie so still war.

»Ich glaube, da liegt wohl ein riesiges Missverständnis vor. In dem Brief, den meine Tochter erhalten hat, stand nie etwas von einem schwierigen Mündel. Und ich weigere mich, dieses, diesen …« Sie sah zu ihm, wie auch schon zuvor, jedoch regte sich sein Gesicht keinen Millimeter. »Vergessen Sie es, wir verlangen ein anderes Mündel.« So aufgebracht hatte ich meine Mutter das letzte Mal gesehen, als sie mit meinem Vater darüber diskutierte.