Patchwork hoch - Bianka Mertes - E-Book
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Patchwork hoch E-Book

Bianka Mertes

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Beschreibung

Drei der beliebten Patchwork hoch Bücher in einer Serie vereint. Jedes Buch ist in sich abgeschlossen. Erste Liebe, Verzweiflung und das Leben in einer Patchworkfamilie, da kommen viele Probleme auf unsere Protagonisten zu. Doch Probleme sind zum Lösen da und das versuchen die Mädels und Jungs in dieser Serie. Natürlich müssen sie dazu erst einmal ihre eigenen Gefühle in den Griff bekommen. Gefühle, vor denen sie das erste Mal in ihrem Leben stehen. Denn die Liebe schlägt manchmal wie ein Blitz ein und sich dagegen zu wehren fällt jedem schwer. In diesem Sammelband sind enthalten: Patchwork hoch Zwei: Extrem unerwünscht Patchwork hoch Drei: Rockstar zu verschenken Patchwork hoch Vier: Verräterische Nähe

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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Bianka Mertes

Patchwork hoch – Die Serie

Sammelband 1

 

 

Die geschilderten Personen und Ereignisse sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder

verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

 

 

© 2017 Bianka Mertes

Oberwindhagener Str. 26a

53578 Windhagen

 

Cover:

Bianka Mertes

Bildmaterial:

www.pixabay.de

 

 

Lektorat und Korrektorat:

Lektorat Buchstabenpuzzle Karwatt

www.buchstabenpuzzle.de

 

1. Auflage

 

Imprint: Independently published

ISBN: 979-8-6698-6399-9

 

 

Bianka Mertes

Patchwork hoch Zwei

Extrem unerwünscht

 

 

Die geschilderten Personen und Ereignisse sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder

verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

 

 

© 2017 Bianka Mertes

Oberwindhagener Str. 26a

53578 Windhagen

 

Cover:

Lektorat Buchstabenpuzzle Karwatt

Bildmaterial:

www.pixabay.de

www.depositphotos.com © InvisibleViva

 

Lektorat und Korrektorat:

Lektorat Buchstabenpuzzle Karwatt

www.buchstabenpuzzle.de

 

1. Auflage

 

Imprint: Independently published.

ISBN-13: 978-1-9808-9057-7

 

 

Kapitel 1

Anna-Lena war überglücklich. Endlich hatte sie es geschafft, ihre Eltern zu überreden, sie in Berlin zu lassen. Sie hatte sich wirklich schon alle Überredungskünste der Welt einfallen lassen. Ihre Eltern mussten beruflich nach New York, aber Anna-Lena hatte sich strikt geweigert, die Schule deshalb zu verlassen. Sie wollte bei ihren Freunden bleiben und vor allem bei ihrem Freund Pascal, mit dem sie jetzt schon über ein halbes Jahr zusammen war. Und da wäre eine Trennung für beide nicht in Frage gekommen.

Zwar gab es noch einige Probleme zu überwinden, bis ihre Eltern das Land verließen, doch sie dachte schon an die Zeit ohne sie. Aber zuerst mussten sie ein kleines Apartment für Anna-Lena finden, denn die alte Wohnung, in der sie wohnten, war einfach viel zu groß und vor allem zu teuer. Einige hatten sie sich bereits zwar schon angeschaut, doch bis jetzt war einfach nicht die Richtige dabei.

Heute lag noch ein weiterer Besichtigungstermin auf dem Plan, etwas außerhalb von Berlin, aber der Beschreibung nach hörte die kleine Wohnung sich sehr gut an. Vor allem waren die Busverbindungen so gut, dass sie ihre Schule ohne Probleme erreichen könnte, was auch wieder ein Pluspunkt war.

»Ich bin mal gespannt, ob die uns jetzt zusagt. Viele haben wir nicht mehr in Aussicht.« Astrid, Anna-Lenas Mutter, war die treibende Kraft, die alles zusammenhielt und so war es für sie auch völlig normal, diese Sache ebenfalls in die Hand zu nehmen. Doch sie hatte auch recht. So viele kleine Wohnungen zu einem angemessenen Preis gab es leider nicht. Also hoffte Anna-Lena, dass sie endlich einmal Glück hatte und diese hier genau die Richtige für sie war.

»Sonst muss sie halt doch mit uns kommen.« Peter, ihr Vater, war sowieso nicht dafür, dass Anna-Lena alleine in Berlin blieb. Er machte sich Sorgen um seine kleine Prinzessin, wie er sie immer liebevoll nannte. Doch die Zeit, in der er sie so nennen konnte, war schon längst vorbei, nur dass er das selbst noch nicht so registriert hatte. Anna-Lena war sechzehn und weit davon entfernt, eine Prinzessin zu sein. Sie war eher der ganz normale Typ, der sich zwar von keinem etwas gefallen ließ, aber auch Kompromisse eingehen konnte. Doch auf den von ihrem Vater würde sie nicht eingehen und das wusste er auch. Auch wenn ihm die ganze Sache wohl am schwersten fallen würde, hatte er sich langsam aber sicher trotzdem damit abgefunden, dass er ohne seine kleine Prinzessin nach New York musste.

»Wir sind da.« Sie hielten vor einem Mehrfamilienhaus, dessen Außenwände mit Graffitis beschmiert waren. Ihr Vater murrte irgendetwas Unverständliches in sich hinein, doch Anna-Lena gefiel diese Art der Kunst.

»Lass uns erst einmal reingehen und gucken, wie die Wohnung so ist, okay?« Astrid legte ihm versöhnlich eine Hand auf den Arm und er nickte schließlich. Wie schnell ihre Mutter ihn doch immer wieder überredet bekam.

Anna-Lena stieg zuerst aus dem Wagen und sah sich die Wohngegend an. Ein Spielplatz, eine kleine Rasenfläche, die an das Haus angrenzte und etliche Häuser in der gleichen Bauart, reihten sich nebeneinander auf. Eine kleine ältere Frau führte gerade ihren weißen Pudel aus und an einer Ecke standen einige Jugendliche, die sich angeregt unterhielten. So wie es aussah, wohnten hier im Vergleich zu den anderen, die sie sich bereits angesehen hatten, nicht nur ältere Menschen. Was ein absoluter Pluspunkt für Anna-Lena darstellte und wie sie ihren Vater kannte, eher ein Minuspunkt. Na ja, wie auch immer, sie müsste sich ja schließlich hier wohlfühlen und nicht er.

Das Treppenhaus führte sie in den zweiten Stock, wo der Makler bereits ungeduldig vor der Wohnung auf sie wartete. Er vermittelte Anna-Lena eher den Eindruck, dass er sich hier nicht gerne aufhielt, so zappelig wie er war. Trotzdem begrüßter er alle freundlich und schloss schließlich die Tür zu ihrem vielleicht neuen Reich auf.

Sie trat neugierig ein und erkannte sofort die Fußböden, die allesamt mit hellem Laminat ausgelegt waren. Die Wände alle neu gestrichen und es gab sogar eine kleine Einbauküche, die einen schönen Kontrast zu dem Laminat bildete. Eine Tür im Wohnzimmer führte sie auf einen kleinen Balkon, von dem aus sie die Siedlung überblicken konnte. Wow, das war die einzige Wohnung, die ihr wirklich auf Anhieb gefiel. Sie fühlte sich sofort wohl und konnte sich sogar schon vorstellen, wohin sie die Möbel stellen würde. Eigentlich war die Wohnung sofort bezugsfähig. Neben dem Wohnzimmer, der Küche und dem Bad, gab es noch zwei weitere Zimmer, die als Schlafzimmer genutzt werden konnten. Aus einem könnte sie sich schön ein kleines Büro einrichten.

»Und was meinst du?«, fragte Astrid Anna-Lena nachdem sie die Balkontür wieder geschlossen hatte. Selbst ihrer Mutter schien die kleine Wohnung zu gefallen.

»Die ist klasse und ich könnte es mir gut vorstellen, hier zu wohnen.« Sie strahlte gleich drauflos.

»Okay, es ist zwar ein Zimmer mehr wie geplant, aber dafür ist die Miete günstiger als bei den anderen«, überlegte ihr Vater laut und es schien, als würde er sich gerade damit abzufinden, dass Anna-Lena sie nicht mit nach New York begleitet.

»Also gut, ich habe da nur noch eine Frage«, wandte sich Astrid an den Makler, »wie sieht es mit der Wohngegend aus, ist die sicher für ein junges Mädchen?«

»Aber natürlich, wo denken Sie hin, sonst hätte ich Ihnen die Wohnung gar nicht erst gezeigt.« Er tat gerade so, als wäre dass das Normalste von der ganzen Welt, doch Anna-Lena hatte bereits vorher schon das dumpfe Gefühl, dass er lieber schnell gegangen wäre, als nur eine Minute alleine hier im Haus zu sein. Na ja, vielleicht täuschte sie sich ja auch nur.

»Sehr gut, dann nehmen wir sie.« Anna-Lena sprang ihrer Mutter freudig in die Arme, während ihr Vater vor sich hin knurrte. Doch das war ihr gerade ziemlich egal. Die neue Zukunft konnte starten und das ohne das sie Berlin verlassen musste.

 

»Heißt das jetzt, du bleibst wirklich hier?« Miriam sah Anna-Lena noch immer ungläubig an.

»Jupp, einem Umzug steht nichts mehr im Wege. Und vor allem die Wohnung müsstest du erst einmal sehen. Ein echter Traum.« Anna-Lena strahlte sie an.

»Ich bin völlig aus dem Häuschen«, gab Miriam hibbelig von sich und nahm ihre beste Freundin überschwänglich in die Arme. Sie hatte die Hoffnung schon aufgegeben, weil es sich doch schwieriger als erwartet gestaltet hatte, eine passende Wohnung zu finden. Doch jetzt war sie überglücklich, ihre Freundin nicht von dannen ziehenlassen zu müssen. Sie konnte sich ein Leben ohne sie, die sie, bereits seit der Grundschule kannte und auch seitdem befreundet waren, einfach nicht mehr vorstellen. Anna-Lena war einer der wichtigsten Menschen in ihrem Leben.

»Hast du denn auch Pascal schon die frohe Botschaft überbracht?«, wollte sie plötzlich nachdenklich von Anna-Lena wissen.

»Nein, noch nicht. Ich wollte ihn heute Abend damit überraschen.« Anna-Lena freute sich schon darauf, sein überraschtes Gesicht zu sehen.

»Na, da würde ich gerne Mäuschen spielen.« Miriam zog ihre Nase kraus.

»Also langsam glaube ich, du solltest dir wirklich echt einen eigenen Freund zulegen«, amüsierte sich Anna-Lena über das grimmige Gesicht ihrer Freundin. Es war ja nicht so, dass sie noch keinen hatte, aber sie geriet immer wieder an solche Kerle, die nicht treu sein konnten. Und irgendwie tat sie Anna-Lena schon leid, vor allem weil sie selbst mit Pascal glücklich war.

»Tja, nicht jeder hat so viel Glück wie du mit Pascal.« Miriam hakte sich bei ihrer Freundin unter. Eigentlich war es ihr Verdienst, dass Anna-Lena mit Pascal zusammen war. Erst durch sie hatte Anna-Lena ihn vor einem halben Jahr kennengelernt. Und wenn sie Pascal glauben konnte, war es für ihn Liebe auf den ersten Blick gewesen. Auch wenn sich Anna-Lena anfangs noch gesträubt hatte, weil sie zu viel für die Schule zu tun hatte, bereute sie es nicht, den gleichaltrigen Jungen schließlich in ihr Herz gelassen zu haben. Sie war glücklich mit ihm und er ließ ihr auch genügend Zeit, sich für die Schule vorzubereiten. Er drängte sie zu nichts, denn außer schmusen und küssen, wollten sich beide für die nächste Stufe in ihrer Beziehung Zeit lassen. Und auch wenn er mit seinem Aussehen in der Schule der Mädchenschwarm schlechthin war, hatte er sich doch für sie entschieden. Sportlich, blond und mit schönen blauen Augen, und trotz allem mit einem Charakter, der sich sehenlassen konnte. Zudem hätte er wirklich jedes andere Mädchen haben können, denn Avancen gab es genug. Doch wie sich schnell herausstellte, war er sogar treu, etwas, was Anna-Lena am Anfang das meiste Kopfzerbrechen machte. Sorgen, die sie sich umsonst bereitet hatte. Zudem waren Miriam, Pascal und sie selbst das perfekte Team. Es gab kaum etwas, was sie nicht zusammen unternahmen. Mit anderen Worten, Anna-Lena war glücklich und schwebte sogar noch nach einem halben Jahr auf Wolke sieben. Und das war auch der Grund, warum sie unbedingt in Berlin bleiben wollte. Auch wenn das hieß, dass sie ihre Eltern für eine lange Zeit, nicht mehr sehen würde.

 

»Dein Ernst jetzt?« Pascal nahm sie glücklich in die Arme und küsste sie ausgiebig.

»Ja, wir haben endlich eine Wohnung gefunden.« Anna-Lena lachte, während Pascal sie wie ein Karussell durch die Luft drehte. Es war nicht zu übersehen, dass er sich genauso freute wie Anna-Lena selbst. Und ihr wurde mit einem Schlag klar, dass sie es niemals übers Herz gebracht hätte, ihn alleine in Berlin zurückzulassen.

»Das ist echt Wahnsinn. Vielleicht können wir zwei Hübschen, dann auch mal mehr Zeit mit uns alleine verbringen.« Verschwörerisch zwinkerte er ihr zu.

»Hey, deshalb wollte ich die Wohnung jetzt aber nicht.« Lachend boxte sie ihm auf die Brust.

»Das eine, schließt das andere ja nicht zwingend aus«, flüsterte er mit einem Schmunzeln.

»Wer weiß«, gab sie mit einem Anflug von Verlegenheit zurück. Pascal musste lachen, als er ihr Gesicht sah.

»Ey, das heißt jetzt nicht, dass ich sofort über dich herfallen werde.«

»Okay, dann habe ich ja noch einmal echtes Glück.« Mit einem erleichterten Grinsen schmiegte sie sich an ihn. Sie war froh, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Wahrscheinlich hätte sie es zutiefst bereut, wenn sie mit ihren Eltern nach New York gegangen wäre. Vor allem hätte sie dann auch viel zu viel in der Schule verpasst und nachher noch einmal zurückgestuft werden müssen. Darauf hatte sie nun echt keinen Bock.

»Das sollten wir wirklich ausgiebig feiern«, überlegte Pascal schon, wo sie hingehen könnten.

»Sollen wir Miriam mitnehmen? Die ist schon wieder den ganzen Tag alleine zu Hause.«

»Warum nicht, sonst wären wir eh nicht komplett, oder?«, neckte er sie.

»Okay.« Anna-Lena himmelte ihn an und hing schon am Handy.

In ihrer kleinen Lieblings Disco feierten sie ausgelassen Anna-Lenas Bleiben und verabschiedeten sich erst voneinander, als sie die Augen nicht mehr offenhalten konnten.

 

*

 

Zwei Wochen waren vergangen und Anna-Lena war noch voll im Umzugsstress. Miriam, ihre beste Freundin und ihr Freund Pascal halfen ihr. Zudem hatten ihre Eltern, die selbst noch damit beschäftigt waren, ihre Sachen zu packen, eine Umzugsfirma bestellt, die ihr die Möbel bringen sollten. Nach und nach nahm die kleine Wohnung endlich Gestalt an.

Anna-Lena war mehr als nur happy, dass sie gemeinsam mit ihren Freunden, die ihr halfen, wo es nur ging, ab jetzt zusammen in eine neue Zukunft starten konnte. Sie rückten Möbel, stellten Dekor auf und mit ihrer Hilfe wurde die Wohnung schließlich noch gemütlicher, als Anna-Lena es sich vorgestellt hatte.

Gegen Abend, als dann auch ihre Eltern dazu stießen, war sie bereits komplett fertig eingerichtet.

»Nicht schlecht muss ich sagen. Das hast du wirklich gut hinbekommen«, lobte ihr Vater sie.

»Danke, aber ohne die Hilfe von Miriam und Pascal hätte ich das nicht hinbekommen.«

»Wofür hat man denn Freunde.« Miriam lächelte sie zufrieden an.

»Wobei ich sagen muss, dass Anna-Lena nicht leicht zufriedenzustellen ist.« Pascal grinste breit und wischte sich den unsichtbaren Schweiß von der Stirn.

»Hey, jetzt übertreibst du aber schamlos«, protestierte Anna-Lena und er bekam zum Dank einen kleinen Rippenstoß von ihr.

»Ach ja? Und was war mit dem Sofa? Bis wir das an der richtigen Stelle hatten, hätten wir schon die ganze Wohnung komplett eingerichtet gehabt«, gab er lachend zurück.

»Na ja, das ist nun mal mein absoluter Liebling und muss dann auch richtig in Szene gesetzt werden. Doch jetzt gefällt es mir recht gut.« Verlegen spielte sie mit ihren Fingern.

»Du merkst aber schon, dass ich dich damit nur aufziehen will, oder?« Schelmisch zwinkerte er ihr zu. Anna-Lena sah ihn erbost an, knurrte sogar ganz leise.

»Idiot.« Alle anderen konnten sich ein Lachen nicht mehr verkneifen.

»Ich hoffe nur, du kommst alleine auch gut zurecht.« Ihre Mutter sah sich die Zimmer noch einmal an. Es war klar, dass sie sich um ihre Tochter sorgte, sonst wäre sie ja auch eine schlechte Mutter gewesen, aber sie hatte Anna-Lena dazu erzogen, auf eigenen Beinen stehen zu können und das zahlte sich gerade für Anna-Lena aus. Ansonsten hätten sie ihrem Wunsch in Berlin zu bleiben, wohl auch nie nachgegeben.

»Das wird schon, außerdem sind meine Freunde ja auch noch da.« Sie nahm Miriam in die Arme, die ihr fleißig nickend zustimmte. Und Pascal stellte sich hinter sie und legte ihr demonstrativ die Arme um sie.

»Ich denke auch, aber pass bloß auf meine kleine Prinzessin auf.« Peter drückte erneut auf die Tränendrüse, wie schwer es ihm fiel, seine Tochter in Berlin zurückzulassen.

»Keine Sorge, Paps, ich habe schließlich viel von dir gelernt und außerdem ist es, glaube ich, endlich mal an der Zeit, dass du das mit der kleinen Prinzessin lässt. So klein bin ich nicht mehr.« Tröstend blickte sie ihn an.

»Mir egal, du bist und bleibst meine kleine Prinzessin.« Entschlossen schob er das Kinn vor. Anna-Lena und Astrid lachten beide gleichzeitig auf.

 

Zwei Tage später war es dann endlich soweit. Anna-Lena stand am Flughafen und verabschiedete sich von ihren Eltern, die die Tränen nicht mehr zurückhalten konnten.

»Pass bloß gut auf dich auf und iss ja regelmäßig«, warnte ihre Mutter sie noch einmal, bevor sie sich endgültig von ihr verabschieden musste.

»Keine Sorge, dass mache ich schon.« Anna-Lena lächelte ihr liebevoll zu und gab ihr noch einen Kuss.

»Und denk dran, wenn etwas los sein sollte, ruf mich an, ich bin sofort bei dir, egal um welche Tageszeit«, erinnerte ihr Vater sie noch einmal an seine Worte.

»Das werde ich machen, also macht euch nicht so viele Gedanken okay. Außerdem sind es nur zwölf Monate. Die werde ich mit links überstehen.« Sie nahm ihren Vater in den Arm und drückte ihn fest.

Dann kam der letzte Aufruf für ihre Maschine und Anna-Lena blieb alleine zurück. Alleine und glücklich zugleich. Dennoch überkam sie ein wenig Wehmut, schließlich war es das erste Mal, dass sie so lange von ihren Eltern getrennt sein würde.

Eine Zeit, die sie zwar genießen würde, aber auch die Verantwortung für sich selbst übernehme müsste. Trotzdem war sie zuversichtlich, denn sie war ja schließlich nicht alleine. Sie hatte Freunde, auf die sie sich jederzeit verlassen konnte.

Sie stand auf der Aussichtsplattform und der Wind zerzauste ihre langen braunen Haare. Sie hatte Mühe, ihre Tränen zurückzuhalten, als sie dem Flieger hinterher sah, in denen ihre Eltern saßen. Sie wollte es ihnen nicht zeigen, und dennoch fiel es ihr genauso schwer wie ihren Eltern, sie zwölf Monate nicht mehr zu Gesicht zu bekommen. Nur gut, dass es eine Erfindung namens Telefon gab.

Nachdem der Flieger außer Sicht war, nahm sie sich ein Taxi zu ihrer Wohnung und war froh, sich auf ihrer Couch ausstrecken zu können.

Sie lag noch nicht ganz, da schlummerte sie auch schon ein. So ein Abschied war ganz schön anstrengend. Zudem mussten ihre Eltern ja auch unbedingt über Nacht fliegen. Sie schlief bis zum nächsten Morgen durch.

Plötzlich wurde sie von einem merkwürdigen Geräusch geweckt. Anna-Lena schoss hoch, da fummelte doch glatt jemand an ihrer Tür. Noch war es dunkel draußen und sie fischte nach ihrem Handy, dass sie noch in ihrer Jacke hatte. Nach ihrem Display war es gerade sechs Uhr in der Früh. Vorsichtig stand sie auf und leuchtete mit ihrem Handy Richtung Tür, von wo sie noch immer Geräusche hörte.

So langsam bekam sie es mit der Angst zu tun und sie spürte ihren rasenden Puls bereits im Hals. Ihr Atem ging schneller und sie hatte Probleme, ihre zitternden Hände unter Kontrolle zu bekommen.

Sie schlich weiter in die Richtung, da kam sie an ihrem Wischmopp vorbei, den sie als geeignete Waffe ansah und sofort in die Hand nahm. Langsam drückte sich der Türgriff nach unten, und Anna-Lenas Herz schoss noch weiter in die Höhe. Sie malte sich bereits die schlimmsten Bilder in ihrem Kopf aus. Anna-Lena nahm eine Abwehrstellung ein und fuchtelte nervös mit dem Wischmopp herum, bis die Tür schließlich fluchend aufgestoßen wurde.

»Verdammter Mist, dieses Ding von Schloss reparieren die mir aber noch.« Sie sah eine Hand, die, wie es aussah, den Lichtschalter suchte und ihn schließlich auch fand.

Anna-Lena schoss mit dem Wischmopp in der Hand und einem Herzen, dass ihr bald in die Hose rutschen würde, vor und blieb mit diesem kurz vor einem Gesicht stehen, dass ihr gänzlich unbekannt war. Der Kerl vor ihr sah sie geschockt an, als hätte er gerade einen Geist oder so etwas gesehen.

»Was machen Sie hier, verschwinden Sie aus meiner Wohnung, sonst rufe ich die Polizei.« Sie wedelte wild mit dem Wischmopp in der einen Hand vor seinem Gesicht herum und mit der anderen wählte sie bereits die Notrufnummer. Der Typ lachte frech.

»Ihre Wohnung? Ich glaube, Sie haben Sie nicht mehr alle. Das ist noch immer meine.« Er sah Anna-Lena mit einem unwirschen Blick an.

»Klar doch und ich bin der Kaiser von China. Träumen Sie ruhig weiter. Ich habe diese Wohnung bereits vor zwei Wochen gemietet, also verpissen Sie sich endlich.« Er blickte sie prüfend an, doch machte keine Anstalten, die Wohnung zu verlassen. Anna-Lena reichte es. Sie hob ihr Handy ans Ohr und fuchtelte gleichzeitig wieder mit dem Wischmopp vor seinem Gesicht herum. Noch während das Telefon klingelte, ergriff er den Stiel des Mopps und riss einmal kräftig daran. Anna-Lena machte augenblicklich einen Satz in seine Richtung und landete an seiner Brust. So schnell wie alles vonstattenging, konnte sie gar nicht reagieren, da hatte er ihr schon das Handy abgenommen, aufgelegt und auf das Sofa geschmissen. Zuerst blieb sie stocksteif stehen, bis sie realisierte, was gerade geschah und sich bis aufs Blut wehrte. Sie schlug auf ihn ein und schrie, was das Zeug hielt, umso fester legte er die Arme um ihren Körper. Ihr Puls raste unaufhörlich und Panik machte sich in ihrem ganzen Körper breit. Sie hörte bereits ihr letztes Stündlein schlagen.

»Beruhigen Sie sich endlich, ich werde schon keine Hand an sie anlegen.« Langsam ließ er sie wieder los und noch bevor seine Hände sie komplett freigegeben hatten, schoss sie panisch zurück.

»Verdammt, wie kommen Sie überhaupt in meine Wohnung«, schrie sie ihn an. Er hob einen Schlüsselbund nach oben und klimperte damit herum. Anna-Lena glaubte, den Knall nicht gehört zu haben. Wieso hatte dieser Kerl einen Schlüssel für ihre Wohnung?

»Ich habe bereits gesagt, dass das meine Wohnung ist und so langsam frage ich mich echt, was Sie hier eigentlich suchen. Vielleicht sollten wir den Spieß herumdrehen und ich rufe die Polizei.« Er kramte sein Handy aus seiner Hosentasche und hielt es ihr unter die Nase. Anna-Lena hatte echt keinen Plan mehr, was hier gerade abging. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Doch da fiel ihr der Mietvertrag wieder ein.

»Moment, ich werde es Ihnen beweisen. Das ist meine Wohnung und nicht Ihre.« Sie rannte zu der Schublade in ihrem Schreibtisch und wühlte in den Papieren, bis sie den Vertrag endlich in den Händen hielt. Doch das alles tat sie nicht, ohne ihn aus den Augen zu lassen, schließlich konnte dieser in dem Moment ja sonst was anstellen, oder sie sogar überrumpeln. Sie hielt ihm den Vertrag wedelnd unter die Nase.

»Sehen Sie, das ist der Mietvertrag, der mich eindeutig als Mieter der Wohnung ausweist.« Sie fummelte so schnell damit vor seinem Gesicht herum, dass er kein einziges Wort lesen konnte. Erst als er ihre zitternde Hand festhielt, sah er eindeutig, dass sie nicht gelogen hatte. Aber wie konnte das sein. Er hatte vor zwei Wochen ebenfalls einen Vertrag unterschrieben und das war eindeutig diese Wohnung, sonst würde ja auch der Schlüssel nicht passen. Er kramte in seiner Tasche, die noch im Flur stand, bis er seinen in den Händen hielt. Er lachte laut auf.

»Was? Sind Sie jetzt vollkommen durchgedreht?« Vorsichtshalber machte Anna-Lena mit klopfendem Herzen einen Schritt zurück.

»Hier.« Mit überheblichem Grinsen hielt er ihr seinen Vertrag vor die Nase. Anna-Lena las die Zeilen und verglich ihren mit seinem. Verdammt, das konnte doch wohl nicht wahr sein oder?

»Aber ...« Sie sah ihn an, als könnte sich das alles nur um ein Missverständnis handeln.

»Eben, die Wohnung wurde zweimal vermietet.« Wütend blickte er Anna-Lena an, auch wenn er wusste, dass sie nichts dafür konnte. Der Vermieter könnte etwas erleben, wenn er ihn in die Finger bekommen würde.

»Aber ... aber das geht doch nicht. Ich meine, das ist doch meine Wohnung«, stotterte sie ungläubig vor sich hin.

»So, wie ich das sehe, ist das eher unsere Wohnung.« Anna -Lena setzte sich geschockt auf das Sofa. Sie verstand gar nichts mehr. Wie konnte das denn sein?

»Das geht aber nicht. Ich meine, der Vermieter muss einen Vertrag wieder löschen. Ich kann doch nicht ... nein, nie im Leben …«, regte sie sich auf und schüttelte energisch den Kopf.

»Ich denke, so wie das aussieht, kommen wir da beide nicht so schnell raus. Wir können mit ihm reden, aber wenn er sich stur stellt, wird er auf die Verträge bestehen.«

»Na toll.« Anna-Lena lachte kurz enttäuscht auf. So hatte sie sich ihr Leben allein in Berlin nicht vorgestellt. Aber was sollte sie jetzt nur tun. Ihn rausschmeißen? Aber er hatte ebenfalls einen Mietvertrag, also konnte sie das vergessen. Doch sie konnte doch nicht mit einem wildfremden Kerl unter einem Dach leben. Verdammter Mist. Wenn ihre Eltern das wüssten, würden sie auf der Stelle in den nächsten Flieger steigen und sie nach New York zerren. Sie musste sich unbedingt etwas einfallen lassen.

Wütend und gleichzeitig nervös kaute sie nachdenklich an ihren Nägeln herum. Es musste eine Lösung geben. Es musste einfach. Sie hatte echt keinen Bock auf New York und hier in Berlin von jetzt auf gleich alle Zelte abzubrechen zu müssen kam überhaupt nicht in Frage.

»Ich denke, die einfachste Lösung fürs erste, wäre, wenn ich ein Zimmer beziehe und Sie das andere. So in der Art wie eine WG.« Anna-Lena sah ihn entsetzt an.

»Kommt überhaupt nicht in Frage. Ich lasse doch keinen Fremden in meiner Wohnung herumspazieren. Ich kenne sie nicht einmal.«

Schon schalteten sich alle Warnsignale in ihrem Inneren auf Rot. Sie mit diesem Kerl, der sonst was sein konnte, nein, nie im Leben. Nachher würde man ihre Leiche noch eines Tages im Bett finden.

»Und ich denke, Sie haben gar keine andere Wahl.« Voller Überzeugung wies er auf das Stück Papier, das auf dem Tisch lag. Auch wenn sie es nicht gerne zugab, hatte er recht. Er hatte genau wie sie einen Vertrag und das Recht, sich in der Wohnung aufzuhalten.

Trotzdem fühlte sie sich alleine bei diesem Gedanken unwohl. Verdammt, wieso musste das alles ausgerechnet soweit kommen? Ade, du schönes Leben. Doch so schnell würden sie wohl keine andere Lösung finden. Aber er sollte sich nicht wagen, ihr auf irgendeine Art und Weise in die Quere zu kommen. Dann könnte er sein blaues Wunder erleben.

»Okay, okay. Ich weiß, dass ich keine Wahl habe. Also sollten wir uns irgendwie arrangieren.« Ihr Vorschlag war nicht übel.

»Gut, zuerst sollten wir uns vielleicht einmal vorstellen. Schließlich will ich schon wissen, mit wem ich meine Wohnung teilen muss. Ich bin Leo«, meinte er und hielt ihr seine Hand hin. Anna-Lena sah ihn nachdenklich an. Ob sie diesem Typen wirklich vertrauen könnte?

»Anna-Lena. Und das ist noch immer meine Wohnung.« Sie sah ihn warnend an, reichte ihm aber schließlich auch ihre Hand. Trotzdem blieb sie lieber vorsichtig.

»Wie alt bist du eigentlich? Du scheinst mir noch recht jung zu sein.« Prüfend sah er sie aus seinen braunen Augen an.

»Sechzehn und du?« Hoffentlich war es eine gute Idee, ihm seine Fragen zu beantworten und sie das nicht irgendwann bereuen würde.

»Achtzehn.« Bevor er die nächste Frage stellte, musterte er sie genau. »Und wieso wohnst du mit sechzehn alleine in dieser Gegend?«

Okay, das war eindeutig eine Frage, die ihn nichts anging. Sie wäre doch nicht verrückt und würde ihm ihre ganze Lebensgeschichte erzählen. Er merkte schnell, dass sie ihm nicht antworten wollte, was er auch verstehen konnte. Schließlich kannte sie ihn nicht mal.

»Okay, welches Zimmer kann ich nehmen?« Neugierig sah er sich in der Wohnung um und steuerte auf eine Tür zu. Anna-Lena versperrte ihm blitzschnell mit ausgebreiteten Armen den Weg.

»Das ist mein Raum, du kannst den da nehmen.« Mit dem Kopf wies sie auf die gegenüberliegende Tür.

»Okay, auch gut. Ich muss einfach nur schlafen, wo ist mir heute relativ egal.« Er grinste sie schief an und Anna-Lena schluckte. Ob sie gerade wirklich das Richtige tat? Nervös tapste sie ihm in einem Sicherheitsabstand hinterher und musterte jede seiner Bewegungen. So ganz geheuer war ihr die ganze Sache noch immer nicht. Doch da hatte er schon seine Tasche geschnappt, mit einem Fußtritt die Haustür geschlossen und steuerte das Zimmer an. Plötzlich fiel ihr auf, dass in dem Zimmer ja nicht einmal eine Matratze war.

»Wie willst du ohne Bett überhaupt da schlafen?«

»Ich penn auf dem Boden, wie denn sonst? Meine Möbel kommen erst morgen Nachmittag.« Auch wenn sie ihn nicht kannte, konnte sie das nicht zulassen, da hätte sie ein schlechtes Gewissen gehabt.

»Warte.« Sie ging in ihr Schlafzimmer und kam mit einem eingerollten Schlafsack und einer selbstaufblasbaren Isomatte zurück, welche sie ihm vorsichtig reichte.

»Hey, ich beiße nicht«, beruhigte er sie mit einem leisen Lachen, »aber trotzdem danke.« Bevor er die Tür schloss, nickte er ihr noch kurz zu.

Anna-Lena konnte nicht glauben, was gerade geschehen war. Nur hatte sie noch Glück, dass sie heute keine Schule hatte. Dieser Typ allein mit ihren Sachen in der Wohnung, wer wusste, was der alles mit denen anstellte. Vielleicht hatte sie gerade einen Perversen in ihr Zuhause gelassen. Anna-Lena schüttelte sich. Verdammt, hoffentlich ging das gut. Doch da kündigte sich schon das nächste Problem an. Miriam und Pascal wollten heute vorbeikommen, und sie fragte sich, wie sie wohl darauf reagieren würden. Besonders Pascal, der sowieso eifersüchtig auf jeden Kerl war, der ihr über den Weg lief. Am besten würde sie versuchen, das Treffen abzusagen, oder er müsste sich vor Pascal verstecken. Wobei ihr die erste Variante als Lösung eindeutig logischer erschien, denn wie sollte sie einen Wildfremden, der zudem auch noch das Recht hatte, genau wie sie selbst, sich in der Wohnung frei zu bewegen? Schließlich machte er auf sie nicht gerade den Eindruck, als würde er ihr einen Gefallen tun. Das konnte sie wohl knicken.

 

 

 

Kapitel 2

Leider konnte sie weder Pascal noch Miriam erreichen, um das Treffen abzusagen, somit stand sie wirklich vor einem riesigen Problem. Wie sollte sie diesem Kerl begreiflich machen, dass er sich in der Zeit, in der die Zwei bei ihr waren, sich unbedingt in seinem Zimmer aufhalten musste oder gar nicht erst in der Wohnung war. So wie es aussah, schlief er auch noch. Sie lief nervös im Wohnzimmer auf und ab und hoffte, dass er endlich einmal aufwachte. Dann hörte sie endlich eine Bewegung aus seinem Zimmer und stürmte zur Tür, die er gerade in dem Moment aufmachte. Anna-Lena schaffte es nicht mehr rechtzeitig zu bremsen und prallte voll gegen ihn.

»So stürmisch, obwohl wir uns nicht kennen?« Er lachte sie geradeheraus an. Anna-Lena lief auf der Stelle rot an.

»Ent... Entschuldigung, so sollte das eigentlich nicht laufen«, gab sie verdattert von sich und nervös sorgte sie wieder für einen angenehmen Abstand zu ihm.

»Wolltest du was von mir?« Er sah sie abschätzend an, was ihr noch unangenehmer war. Sie entschloss sich jedoch, sofort mit der Tür ins Haus zu fallen, schließlich würden ihre Freunde bald reinschneien, dann wäre alles zu spät.

»Du darfst heute auf keinen Fall aus deinem Zimmer, oder besser noch ... du verschwindest für eine Weile und kommst erst spät wieder zurück«, brabbelte sie nervös vor sich hin. Leo sah sie an, als wären ihr gerade sämtliche Sicherungen durchgeknallt, die dafür sorgten, dass sie ihm jeden Moment an die Gurgel springen könnte.

»Moment mal, also wenn ich das richtig verstehe, soll ich so tun, als gäbe es mich nicht?«

»Ja, genau und ich denke, das dürfte ja wohl kein Problem sein, oder?« Sie hoffte auf eine positive Reaktion von ihm, aber Leo lachte nur kurz auf.

»Vergiss es, ich wohne auch hier.«

»Komm schon, den kleinen Gefallen kannst du mir wohl tun«, flehte sie ihn an, doch das schien ihn gar nicht zu interessieren.

»Nein, warum sollte ich?«

»Meine Freundin und mein Freund kommen jede Minute und die wissen nicht, dass es dich gibt und so soll das bitte auch bleiben. Also tust du mir jetzt den Gefallen, oder nicht?« Langsam wurde sie ungeduldig, ihr lief die Zeit weg. Leo musterte sie nachdenklich, wodurch sie nur noch nervöser wurde. Ungeduldig tippte sie immer wieder mit dem Fuß auf den Boden. Der ließ sich jedoch Zeit mit einer Entscheidung. Offensichtlich hatte er die Ruhe weg.

»Nein«, knallte er ihr entschlossen ins Gesicht und wollte ins Badezimmer, doch Anna-Lena versperrte ihm sauer den Weg.

»Wie nein? Weißt du überhaupt, wie wichtig das für mich ist? Schließlich ist ja auch mein Freund dabei, und was denkst du, macht der, wenn der hier bei mir in der Wohnung einen wildfremden Kerl vorfindet?«

»Interessiert mich nicht die Bohne, okay?« Er schob sie beiseite und ging ins Bad, zur Bekräftigung seiner Worte warf er die Tür mit einem lauten Knall hinter sich ins Schloss.

Na, der hatte gerade einen Grund sauer zu sein. Wenn ihre Freunde das herausbekamen, wären sie die Ersten, die ihre Eltern verständigen würden. Ihr musste etwas einfallen, und zwar sehr schnell. Pascal war sowieso eifersüchtig ohne Ende und dann ein fremder Mann mit ihr in einer Wohnung. Nein, das durften sie nicht erfahren. Auf gar keinen Fall.

Plötzlich fiel ihr Blick auf das Schloss der Badezimmertür und sie grinste in sich hinein. ›Wer nicht hören will, muss fühlen‹, dachte sie so bei sich. Auch wenn ihm das mit Sicherheit nicht gefallen würde und Anna-Lena sich wahrscheinlich gerade in Teufels Küche brachte, fand sie, dass sie keine andere Wahl hatte. Bevor sie noch mehr Zeit mit Überlegungen verschwendete, ließ sie ihre Hand zum Schlüssel gleiten, den er dummerweise von außen stecken lassen hatte, und schloss schnell ab. Sie hörte noch die Toilettenspülung und sah den verzweifelten Versuch, die Tür zu öffnen.

»Sag mal, drehst du jetzt völlig durch? Mach die Tür auf – sofort!« Wütend hämmerte er wie wild dagegen. Doch Anna-Lena blieb gelassen. Nur gut, dass die Tür nach innen aufging, so brachte es ihm auch nichts, sich dagegen zu werfen.

»Nein, werde ich nicht.«

»Wenn ich hier rauskomme, kannst du was erleben, das schwöre ich dir.« Okay, damit musste sie wohl leben, aber als erstes war er auf jeden Fall gesichert. In ihrem Zimmer konnte man nichts hören, das hatte sie bereits überprüft, also konnte er sich gerne da drin austoben.

»Ich lass dich erst wieder raus, wenn mein Besuch weg ist, versprochen. Aber solange bleibst du da drin und verhalt dich leise«, ermahnte sie ihn noch, als es auch schon klingelte. Anna-Lena öffnete die Tür und brachte die zwei sofort in ihr Schlafzimmer, in dem man die Geräusche aus dem Bad kein bisschen vernehmen konnte.

»Und hast du dich schon eingelebt?« Miriam sah sich in Ruhe den Raum an und wunderte sich eigentlich nur, warum sie nicht im Wohnzimmer saßen. Pascal hingegen hatte es sich bereits auf ihrem Bett bequem gemacht, der die Situation als Einladung zu einem Schäferstündchen deutete.

»Ja sicher, es gefällt mir echt gut hier.« Sie bekam nur ein gekünsteltes Lächeln über die Lippen, denn wie sie feststellen musste, konnte man das Schreien und Gehämmer von Leo sehr wohl hören. Verdammt, hätte er sich nicht jetzt wenigstens zurückhalten können? Anna-Lena wurde zusehends nervöser. Wenn der so weiter machte, wäre ihre kleine List schneller aufgeflogen, als sie gucken konnte.

»Was ist das denn für ein Krach?« Miriam lauschte angestrengt den Geräuschen.

»Och das, das sind die Nachbarn, die machen schon die ganze Zeit einen solchen Lärm. Ich glaube, die haben Ehekrach oder so.« Nervös lachte sie auf und hoffte inständig, dass Miriam ihr die Geschichte abkaufen würde. ›Oh Gott, bitte halt endlich die Klappe oder verwandel dich zu Stein, mir egal, aber sei endlich still!‹, fluchte Anna-Lena im Stillen und lächelte unbeholfen Miriam zu.

»Okay.« Miriam beäugte ihre Freundin misstrauisch, sie wusste genau, wenn die ihr etwas verheimlichen wollte. Anna-Lena knirschte verlegen mit den Zähnen unter diesem misstrauischen Blick. Es war wohl an der Zeit, wenigstens Miriam einzuweihen. Anna-Lena hoffte nur, dass diese nicht gleich ihren Eltern alles erzählen würde.

»Hilfst du mir mal bitte mit den Getränken?« Mit angstvoll klopfenden Herzen wies sie Miriam mit einem Kopfnicken an, ihr zu folgen. Ohne Widerworte folgte diese ihr in die Küche.

»Also was läuft hier?« Miriam sah ihre Freundin eindringlich an.

»Ich glaube, ich muss dir da was beichten. Heute Morgen ist hier ein Kerl aufgetaucht, der ebenfalls einen Mietvertrag für diese Wohnung unterschrieben hat, und zwar am selben Tag wie ich auch«, gab sie kleinlaut von sich.

»Und jetzt? Hast du schon mit dem Vermieter gesprochen?«

»Ich habe versucht, ihn zu erreichen, aber da geht keiner dran. Nur besteht er genau wie ich auf die Wohnung und ich habe ihn jetzt erst einmal in dem freien Zimmer einquartiert.« Angespannt spielte sie mit ihren Händen, und hoffte auf das Verständnis ihrer Freundin, die sie jedoch nur verständnislos ansah.

»Jetzt noch mal ganz langsam, damit auch ich es verstehe.« Bevor Miriam weitersprach, lehnte sie sich an die Küchenzeile und atmete tief durch. »Ist das dein Ernst? Du kannst doch nicht einfach so einen Wildfremden hier einquartieren, der dir irgendeinen Wisch, der einem Mietvertrag ähnelt, unter die Nase hält. Was, wenn der was ganz anderes im Sinn hat? Hallo?« Wieder hämmerte es lautstark an der Badezimmertür, sorgte dafür, dass Anna-Lena vor Schreck zusammenzuckte. Über ihr Gesicht huschte ein verzerrtes Grinsen.

»Jetzt sag mir nicht, du hast den da eingesperrt?« Dieser warnende Blick ihrer Freundin ließ ihr Grinsen abrupt stocken, sodass ihr Gesicht einer Fratze glich.

»Öhm, jupp.«

»Sag mal, bist du wahnsinnig? Du kannst doch niemanden im Bad einsperren. Oh Gott, was mache ich nur mit dir.« Ungläubig legte sie sich die Fingerspitzen auf die Schläfen und massierte die Stellen leicht.

»Keine Sorge, sobald ihr weg seid, lasse ich ihn ja auch wieder raus. Aber du kennst doch Pascal, der würde sofort durchdrehen, wenn er einen fremden Kerl in meiner Wohnung sieht«, bettelte sie ihre Freundin an, den Mund zu halten.

»Stimmt, da gebe ich dir allerdings recht. Weißt du was, ich versuche, Pascal irgendwie aus der Wohnung zu lotsen und du lässt dann gefälligst den armen Kerl sofort wieder frei. Aber ehrlich, sei vorsichtig, nicht das der sich noch als sonst was entpuppt.« Erneut schenkte Miriam ihrer Freundin einen warnenden Blick.

»Du bist die Beste aller Freundinnen.« Erleichtert sprang Anna-Lena ihrer Freundin um den Hals.

»Gut, dass du das auch zu schätzen weißt.« Diese zwinkerte ihr verschwörerisch zu, bevor sie Pascal überredete, die Wohnung zu verlassen.

Auch wenn er Anna-Lena nur widerstrebend verlassen wollte, ging er schließlich doch mit. Anna-Lena fragte sich nur, was Miriam ihm erzählt hatte, warum sie die Wohnung überstürzt verlassen mussten. Er ging zwar, aber nicht ohne ihr einen herzhaften Kuss aufzudrücken, obwohl Anna-Lena danach gerade nicht der Sinn stand.

Als die Beiden endlich weg waren, stand Anna-Lena vor der Badezimmertür, hinter der es verdächtig ruhig geworden war. Leo war doch wohl nicht etwas passiert? Schnell drehte sie den Schlüssel und in diesem Moment wurde auch schon die Tür aufgestoßen. Raus kam ein wütender Leo, der jedem wildgewordenen Stier Konkurrenz machen könnte und sie konnte ihm das nicht einmal verübeln. Anna-Lena machte vorsichtshalber ein paar Schritte nach hinten.

»Sag mal, hast du den Knall nicht gehört?« Er kam langsam und bedrohlich auf sie zu. Anna-Lena hoffte nur, dass Miriam nicht recht behalten würde und er sich gar noch als Mörder oder so was entpuppte. Mit kleinen Schritten ging sie immer weiter nach hinten.

»Hör zu, das war wirklich nur eine kleine Notlösung, okay? Das kommt nie wieder vor, bestimmt«, versuchte sie ihn, mit Worten zu beschwichtigen, doch er machte nicht die Anstalten, als würde er sich beruhigen wollen. Im Gegenteil, er drängte sie immer weiter nach hinten, bis sie plötzlich mit dem Rücken an der Wand zum Stehen kam und entsetzt aufschrie. Sie sah seine Hände auf sich zukommen und schloss vor Angst ihre Augen, da hörte sie rechts und links neben ihrem Kopf zwei dicht aufeinander folgende Klatscher. Leo stützte sich auf seine Hände direkt neben ihren Kopf, sah sie eindringlich an und knurrte.

»Wenn du glaubst, dass du mir einfach so davonkommst, hast du dich gewaltig geirrt.« Anna-Lena hatte wahrscheinlich noch nie so viel Schiss in ihrem Leben wie gerade jetzt und öffnete vorsichtig ihre Augen. Was, wenn Miriam wirklich recht behielt und er sich als Mörder oder Perverser herausstellen sollte? Sie zitterte bereits am ganzen Leib und sie glaubte, dass sie mittlerweile genauso weiß wie die Wand hinter sich war. Ihr Mageninhalt fuhr gerade bedrohlich schnell Karussell.

»Was hast du vor?«, fragte sie ängstlich. Er grinste höhnisch, bevor er sie am Arm packte und ins Badezimmer zerrte.

»Lass mich los, was soll der Mist. Ich lasse mich nicht einsperren«, schrie sie angsterfüllt und schlug mit der freien Hand nach ihm.

»Mich hast du auch nicht gefragt«, konterte er. Panik machte sich in ihr breit. Anna-Lena hasste enge Räume. Doch er zog sie immer weiter und schubste sie schließlich ins Bad.

»Bitte«, flehte sie ihn an. Er sah sie nur überheblich an, als würde sie jetzt ihre gerechte Strafe bekommen und er der Stärkere war.

»Wie du mir, so ich dir.« Auch sah er die Panik in ihren Augen und musterte sie kurz. Irgendetwas regte sich in ihm und er wurde weich. Okay, er hatte sowieso nie vor, sie dort einzusperren. Sie sollte sich nicht ins Höschen machen, er wollte ihr nur einen kleinen Denkzettel verpassen.

»Bitte«, versuchte sie es noch einmal. Leo lachte kurz auf.

»Viel Spaß beim Saubermachen.« Er zwinkerte ihr zu und ließ sie unerwartet los, sodass sie fast stürzte, und blieb dann alleine zurück.

Anna-Lena sah ihm noch nach, bevor sie sich herumdrehte und sie bald der Schlag traf. An den Wänden, auf dem Spiegel, selbst auf dem Fußboden klebte der Inhalt sämtlicher Tuben. Ihre Kosmetikartikel lagen wild umhergestreut und überall pappte nasses Toilettenpapier. Dieser Mistkerl.

Geschockt und gleichzeitig erleichtert, dass er sie nicht eingesperrt hatte, ließ sie sich auf die Knie sinken. Ihr Herz raste noch immer vor Angst und nur ganz langsam schien ihr klar zu werden, was sie sich geleistet hatte und was ihr hätte deswegen passieren können. Verdammt, sie musste sich beruhigen und ganz anders an die Sache mit Leo herangehen. Vor allem müsste sie sich diesen Idioten von Vermieter noch ganz gewaltig zur Brust nehmen. Der war schließlich für die ganze Misere, in der sie sich gerade befand, verantwortlich.

Doch zuerst müsste sie wohl oder übel einmal diese Sauerei entfernen, die Leo ihr dankbarerweise hinterlassen hatte.

Ganze zwei Stunden brauchte sie, bis das Badezimmer wieder einigermaßen dem glich, wofür es genutzt werden sollte. Dass er sich auf irgendeine Art und Weise rächen würde, war ihr ja schon klar, aber dass er ausgerechnet auf so eine Idee kam, ging echt zu weit. Schließlich kosteten die Sachen auch Geld und das hatten ihre Eltern ihr nun auch nicht im Überfluss dagelassen. Sie knurrte in sich hinein und ließ sich erschöpft auf die Couch plumpsen und schaltete den Fernseher ein. Immer wieder nickte sie bei dem Programm ein, so sehr war sie geschafft.

»Hey, wenn du schlafen willst, geh gefälligst ins Bett«, vernahm sie im Unterbewusstsein Leos Stimme. Doch zum Reagieren war sie einfach zu müde. Sollte er sie doch einfach hier schlafen lassen, ging ihn ja schließlich auch nichts an. Ab diesem Moment wusste sie von nichts mehr.

 

Am nächsten Morgen wachte sie gut ausgeschlafen in ihrem Bett auf. Bett? Wieso Bett? Sie war sich sicher, dass sie auf dem Sofa eingeschlafen war. Ihr erster Blick ging unter die Decke, doch so wie es aussah, hatte sie noch alle Klamotten an. Verdammt, wie war sie hier nur hingekommen? Sie erinnerte sich nicht daran, dass sie in ihr Zimmer gegangen war. Sie schwang sich aus ihrem Bett und rannte ins Bad, das Gott sei Dank noch sauber war, machte sich im Eiltempo frisch und rannte wieder zurück. Aus Leos Zimmer hörte sie leise Geräusche. Ob er schon wach war? Was machte er eigentlich den ganzen Tag lang? Hatte der keine Arbeit, dass er hier den ganzen Tag herumhing? Verdammt, der sollte sich endlich wieder aus ihrem Leben verpissen.

Doch daran dachte sie nicht mehr, als ihr Magen knurrte. Das hatte sie gestern in dem ganzen Trubel total vergessen. Sie zog sich an und begab sich in die Küche, um dieses Raubtier in ihr, endlich zu füttern, das hörte man bestimmt schon bis auf die Straße.

Sie war gerade dabei in ihr geschmiertes Brot zu beißen, als sich Leos Tür öffnete und eine freizügige Blondine Richtung Bad stolzierte. Anna-Lena verschluckte sich an ihrem Brot und hustete drauf los. Die Blondine drehte sich zu ihr um, und begaffte sie von oben bis unten mit einem herablassenden Blick, bevor sie sich dann ins Badezimmer verzog. Anna-Lena glaubte, gerade total bescheuert auszusehen, doch das war ihr egal. Sie ließ sich ja viel gefallen, aber eine halb nackte Tussi in ihrer Wohnung? Das ging gar nicht. Sauer stampfte sie auf sein Zimmer zu und öffnete die Tür, ohne vorher anzuklopfen. Leo drehte sich strahlend um, wahrscheinlich dachte er gerade, dass seine Tussi schon wieder reinspatzieren würde. Doch plötzlich blieb Anna-Lena wie angewurzelt und mit hochrotem Kopf stehen. Er stand nur in seiner Unterhose vor ihr und grinste schief in ihre Richtung.

»Willst du noch mehr sehen?« Er legte bereits seine Hand an den Hosenbund und zog diesen ein kleines Stück herunter.

»Wag dich und ich schreie das ganze Haus zusammen«, schrie sie panisch auf, hörte sein belustigtes Lachen.

»Also was willst du?«

»Dieses Weib ... kann ... die sich wenigstens etwas anziehen, wenn sie schon durch meine Wohnung latscht?«, stotterte sie vor sich hin. Vor allem könnte er sich mal etwas anziehen. Sie stand noch immer hochrot im Gesicht vor ihm. Vor allem bekam sie ihre Augen nicht dazu, sich von seinem Körper abzuwenden. Pascal war ja schon durchtrainiert, aber bei diesem Anblick würde sogar der blass vor Neid werden. Verdammt, woran dachte sie da gerade eigentlich? Hatte sie wirklich keine anderen Probleme zu lösen?

»Unsere.«

»Was?« Sie sah verdattert auf ihn. Sie wusste einfach nicht mehr, wo sie hingucken sollte.

»Unsere Wohnung. Außerdem weiß ich nicht, was dich daran stört.«

»Was ... was ... was mich daran stört? Ich wusste nicht einmal, dass du eine Freundin hast.« Verdammt, könnte sie vielleicht mal ihre Stimme in den Griff bekommen?

»Eifersüchtig?« Breit grinste er sie an, zwinkerte ihr sogar noch aufreizend zu. Jetzt schlug es aber wohl langsam dreizehn. Dieser Kerl hatte echt einen Knall.

»Eifersüchtig? Ich? Worauf denn bitte?« Sie ließ ihren Blick an seinem Körper herunterwandern und musste schlucken. Okay, das wäre eindeutig ein Grund gewesen, aber mit Sicherheit - nein. Er lachte erneut kurz auf, nahm ihren Arm und bevor Anna-Lena sich versah, lag sie schon auf dem Rücken auf ihrem Schlafsack und er über ihr. Ihr stockte der Atem und ihr Herz raste gerade vor Wut.

»Sicher?« Er bekam dieses fürchterliche Grinsen nicht aus dem Gesicht, strengte sich aber auch nicht wirklich an, dieses zu ändern.

»Bist du verrückt? Lass mich auf der Stelle los«, bekam sie geschockt heraus.

»Und wenn ich nicht will?« Er zwinkerte ihr wieder zu. Anna-Lena fing zu zittern an, doch sie glaubte, dieses nicht wirklich auf ihre Wut schieben zu können. Im Gegenteil, er roch so verdammt gut. Was? Er roch gut? Verdammt, jetzt drehte sie wohl durch.

»Geh runter von mir«, schrie sie ihn an und versuchte, sich unter ihm zu befreien, doch dieser Kerl gab keinen Millimeter nach. Vor allem war ja auch noch seine Freundin in der Wohnung. Hatte der denn gar kein schlechtes Gewissen?

In dem Moment stolzierte die Blondine zurück ins Zimmer und Anna-Lena glaubte, jeden Moment einen Herzinfarkt zu bekommen. Ihre Wangen wurden noch dunkler als vorher, wenn das überhaupt noch ging.

»Bist du weg?«, wollte Leo beiläufig von ihr wissen und selbst da machte er noch keine Anstalten, Anna-Lena wieder freizulassen.

»Jupp, spielt euer Spielchen ruhig weiter, ich finde den Ausgang schon.« Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange, zog sich ihre Klamotten an und verschwand eiligst.

Anna-Lena lag mit Herzrasen unter ihm und verstand gar nichts mehr. Sie dachte, dieses Weib sei seine Freundin? Doch da schien sie sich ja wohl eindeutig getäuscht zu haben. Aber hätte sie ihr dann nicht wenigstens helfen können? Sie knurrte vor Wut.

»Verschwinde von mir, oder ich rufe die Polizei.«

»Ach ja und wie, wenn ich fragen darf?« Er hielt immer noch ihre Hände fest, drückte ihre Beine mit seinen herunter, verdammt!. So langsam bekam sie wirklich Panik und der Gedanke, einen Perversen in ihre Wohnung gelassen zu haben, rückte immer näher. Tränen traten in ihre Augen, sie schrie und trat wild mit den Beinen um sich. Leo lachte.

»Hey, jetzt mach dir mal nicht in dein Höschen. Ich werde mich schon nicht an einem Kind vergreifen.« ›Kind? Kind? Kind?‹, wiederholte sie das Wort immer wieder in ihren Gedanken und ihr Magen drehte sich plötzlich. Verdammt, sie war kein Kind mehr. Ihre anfängliche Panik schlug wieder in Wut um. Von wegen Kind, der Idiot würde noch sein blaues Wunder erleben. Irgendwie schaffte sie es, dass Bein so hochzureißen, dass sie genau in seine Glocken trat und er geschockt und atemlos zu Boden glitt. Er lag da, hielt sein bestes Stück, während Anna-Lena aufstand und wütend auf ihn herabblickte.

»Da hast du Kind, du Vollidiot.« Sauer stampfte sie aus seinem Zimmer und warf die Tür hinter sich ins Schloss.

Als sie auf ihrem Bett saß, presste sie ihre Hand auf ihre Brust, genau über ihr Herz, das sich einfach nicht beruhigen wollte. Aber er hatte sie gerade so zur Weißglut gebracht, da hatte er es nicht anders verdient. Am besten würde sie ab jetzt ihr Schlafzimmer abschließen und noch ihre Socke, die sie früher einmal mit einem Tennisball bestückt hatte, mit ins Bett nehmen, denn als Waffe war dieses Ding einfach unschlagbar. Wer weiß, auf was für Ideen der noch kam. Hoffentlich würde sie im Laufe des Tages endlich den Vermieter erreichen, damit die Sache endlich geklärt würde. Denn noch viel länger würde sie das nicht mit ihm zusammen aushalten. Auch wenn sein Körper umwerfend war, ließen seine Manieren doch echt zu wünschen übrig. Warte mal, hatte sie gerade wirklich an seinen Körper gedacht? Sie schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Wie dumm konnte sie eigentlich sein? Dieser Kerl war das absolute Grauen und da interessierte auch sein Körperbau gerade nicht. Oder doch?

 

 

Kapitel 3

Sie hatte bis jetzt mindestens zwanzig Mal probiert, diesen blöden Vermieter an die Strippe zu bekommen, doch immer war besetzt oder es hob keiner ab. Wenn sie ihn heute nicht erreichen konnte, musste sie wohl oder übel, morgen zu ihm fahren. So konnte das auf jeden Fall nicht weitergehen. Nicht mit diesem Kerl unter einem Dach.

Anna-Lena stand gerade unter der Dusche, da hörte sie, wie es klingelte und die Tür geöffnet wurde. Irgendwie klang das da draußen alles schwer beschäftigt. Nicht das Anna-Lena in irgendeiner Weise neugierig war, aber es interessierte sie doch, was gerade in ihrer Wohnung passierte. Also sprang sie heraus, zog sich ihren Bademantel über und band die Haare mit dem Handtuch zusammen. Vorsichtig öffnete sie die Tür einen Spalt und sah, wie Möbel in die Wohnung geschleppt wurden. Aber sie sah auch, wie ihre kleine gemütliche Lieblings-Couch im Treppenhaus stand. Der hatte ja wohl nicht ... so eine Frechheit ...

Wutentbrannt kam sie aus dem Bad gefegt und blickte Leo, der gerade einen Typ anwies, das andere Sofa an die Stelle zu stellen, wo ihres bisher gestanden hatte, sauer an.

»Was soll das? Bring dieses Ding hier raus und meins wieder rein. Aber flott, wenn ich bitten darf.« Leo sah sie unverwandt von oben bis unten an und auch der Typ mit dem Sofa, schien sich gerade mehr für sie, als für dieses olle Ding zu interessieren. Vom Hausflur her vernahm sie Pfiffe von den restlichen Kerlen, die seine Möbel schleppten. Anna-Lena verstand gar nichts und starrte verwundert von einem zum anderen.

»Okay, ich glaube, wir zwei sollten uns dringend einmal unterhalten.« Er nahm ihre Hand und wollte sie in sein Zimmer ziehen, doch Anna-Lena blieb wie ein verwurzelter Baum stehen und protestierte.

»Nein, ich will das jetzt geklärt haben und mit dir habe ich sonst gar nichts zu bereden«, schrie sie ihn erbost an und versuchte, ihre Hand aus seinem Griff zu befreien.

»Ich habe gesagt, du sollst mitkommen«, fluchte er, hob sie plötzlich hoch und warf sie einfach über seine Schulter. Er wartete keine Sekunde und ging schnurstracks auf sein Zimmer zu.

»Verdammt, was bildest du dir eigentlich ein? Lass mich runter«, schrie sie erzürnt, schlug auf seinen Rücken und strampelte wild mit den Beinen. Doch erst als er seine Tür geschlossen hatte, ließ er sie unsanft auf ihren Hintern fallen.

»Bist du blöd?« Sie blickte ihn trotzig an.

»In einem muss ich dir jedenfalls recht geben, du bist kein Kind mehr.« Lässig steckte er die Hände in die Hosentaschen und sah aus dem Fenster.

»Was? Wie kommst du jetzt auf den Mist? Wenn du meinst, ich lasse mich so leicht überreden, mein Sofa rauszuwerfen, hast du dich aber gewaltig geschnitten.« Leo lachte auf.

»Dein Sofa sollte gerade deine geringste Sorge sein, Süße.« Mit dem Kopf wies er auf ihren Oberkörper und sah in eine andere Richtung. Anna-Lena verstand nur Bahnhof, aber sah an sich herunter, bevor sie mit einem lauten Aufschrei ihren Bademantel zusammenraffte. Sie hatte den Gürtel total vergessen.

›Oh Gott, konnte es wirklich noch schlimmer kommen? Vor allem hatten diese Kerle ... oh Gott nein, die hatten alles gesehen und ... und ... und er auch‹, schossen ihr die Gedanken sofort in ihren verwirrten Kopf. Sie lief auf der Stelle knallrot an.

»Wie viel hast du gesehen?«, druckste sie kleinlaut herum. Leo drehte den Kopf und sah sie mit hochgezogenen Brauen an.

»Was denkst du wohl?« Anna-Lena kaute nervös an ihren Nägeln. Mist, am besten würde sie gleich ausziehen und irgendwo unter einer Brücke schlafen. Das wäre jedenfalls besser, als sich hier weiter zum Affen zu machen.

»Solltest du das irgendjemandem erzählen, bringe ich dich um«, keifte sie ihn plötzlich an und drohte ihm mit dem Zeigefinger. Sie hatte gerade an Pascal denken müssen. Wenn der das herausbekäme, sie wollte sich gar nicht ausmalen, was er anstellen würde. Schließlich hatte ihr eigener Freund sie bisher nicht einmal nackt gesehen. Leo lachte.

»Komm schon, so viel gab es jetzt auch nicht zusehen. Lass mich raten, Körbchengröße A?«

Anna-Lena sah ihn mit offenem Mund erbost an. Wie ... wie ... wie bitte? Jetzt reichte es endgültig. Sie sprang auf, ging gereizt auf ihn zu und holte aus, doch bevor ihre Hand sein Gesicht erreichte, hielt er diese fest und zog Anna-Lena fest an seine Brust.

»Du ... du ... du ...«, stotterte sie wütend vor sich hin.

»Ich was?«, fragte er sie lachend.

»Du Arschloch.«

»Wow, wirklich einfallsreich, muss ich schon sagen«, gab er bewundernd von sich, auch wenn das so nicht sein sollte. Sie kam sich gerade ziemlich betrogen vor. Anna-Lena versuchte, mit der freien Hand erneut zuzuschlagen, doch auch die hielt er nur mit einem breiten Grinsen fest.

»Meine Süße, ich glaube, da musst du früher aufstehen.« Seine Augen fixierten ihren Blick und Anna-Lena musste schlucken. Schließlich klebte sie noch immer im offenen Bademantel an ihm und hatte keine Hand mehr frei, diesen zuzuhalten. Sie kam sich gerade so dumm vor. Zudem raste ihr Herz unaufhörlich. Sie war eindeutig zu nah an ihm dran, traute sich aber nicht, nur einen Millimeter von ihm abzurücken und ihm somit erneut ihren Körper zur Show zu stellen.

»Ich bin nicht deine Süße. Merk dir das und lass meine Hände los, sonst ...«, knurrte sie ihn wütend an.

»Was sonst? Glaubst du, dein kleiner Trick mit meinen Eiern, würde dir noch einmal gelingen? Vergiss es. Diesmal habe ich vorgesorgt.« Anna -Lena wollte gerade fragen, was er damit meinte, doch bevor sie sich versah, zog er ihre Beine mit seinem Fuß nach vorne und landete mit ihm zusammen auf dem Boden. Sie sah ihm geschockt in die Augen und ihr Atem ging aus irgendeinem Grund stockender als vorher. Sie zitterte am ganzen Leib und der Blick, den er ihr gerade zuwarf, jagte ihr über den ganzen Körper eine Gänsehaut.

»Lass mich los, sofort.« Schwer atmete sie und warf ihm einen drohenden Blick zu.

»Was, wenn ich nicht will? Was, wenn ich gerade etwas ganz anderes im Sinn hätte?« Anna-Lena war nicht dumm, sie wusste genau, was er meinte. Panik machte sich in ihrem Inneren breit. Ihre Lippen bebten leicht, nachdem sein Blick sich ihnen zuwandte und dann wieder ihre Augen in Besitz nahmen.

»Das wagst du nicht«, gab sie verzweifelt von sich. Zuerst regte er sich nicht, bis er dann schließlich auflachte.

»Richtig, ich bin schließlich keiner, der sich an Kindern vergreift.« Er rollte sich von ihr herunter und setzte sich neben sie. »Doch das hattest du eindeutig verdient. Wegen dir musste ich mir einen Eisbeutel besorgen.«

»Kleines Kind, ja? Eben hast du noch selbst gesagt, dass ich keins mehr bin.«

»Spielst du jetzt echt die beleidigte Prinzessin? Sei froh, dass ich dich als Kind ansehe, sonst würdest du hier nicht so einfach wieder rauskommen.« Anna-Lena lief auf der Stelle wieder rot an.

Thhh, er wusste selbst, dass sie kein Kind mehr war. Trotzdem wäre es eindeutig besser, sie als solches zu behandeln. Sie wusste gar nicht, worauf sie sich da einließ. Schon als er zum ersten Mal die Wohnung betreten hatte und sie mit dem Mopp vor ihm stand, wusste er, dass sie kein Kind mehr ist. Doch das änderte auch nichts an der Tatsache, dass sie noch viel zu jung war. Sie hatte einen Freund, der wahrscheinlich genau wie sie, gerade mitten in der Pubertät steckte. Sie sollte sich besser vor ihm in Acht nehmen, bevor er ihr irgendwann das Herz brechen würde. Denn Treue war nicht gerade ein Thema, das ihn interessierte. Er hatte selbst eine feste Freundin gehabt, doch eine reichte ihm einfach nicht. Also kam es, wie es kommen musste und sie machte Schluss. Und er hatte es eindeutig nicht anders verdient.

Anna-Lena stand erbost auf und schob ihren Bademantel wieder zusammen. Sie hoffte nur, dass er nicht wirklich alles gesehen hatte. Nur waren da noch immer die Kerle in der Wohnung, der sie nicht gerade über den Weg laufen wollte.

»Hier, zieh das an. Ich gucke auch weg.« Belustigt zwinkerte er ihr zu. Er bückte sich und warf ihr ein paar Sachen zu, die sie nicht auffangen konnte, weil sie zu sehr damit beschäftigt war, ihren Bademantel zuzuhalten. Anna-Lena knurrte, nahm die Sachen aber trotzdem an. Eine Jogginghose und ein T-Shirt. Er hatte sogar ein Dunkles ausgesucht, damit man nicht durchsehen konnte. Ihr Blick glitt nachdenklich zu seinem Rücken. Ob er vielleicht doch nicht so ein übler Kerl war?

»Bist du fertig?« Sie schrak bei seinen Worten zusammen.

»Ja sofort.« Schnell zog sie die Klamotten über. »Jetzt, bin ich fertig.« Sie sah an sich herunter und sein Blick folgte ihrem.

»Stehen dir gar nicht übel, meine Sachen.« Wiederholt zwinkerte er ihr belustigt zu.

»Ja, ist schon klar.« Nur dass diese Teile mindestens zwei bis drei Nummern zu groß für sie waren und wie ein nasser Sack an ihr herunterhingen.

»Wenn du sie nicht willst ...« Er zuppelte an dem Shirt herum.

»Nein, schon gut, war nur ein Witz.« Sie versuchte ein Lachen über die Lippen zu bringen. Leo grinste in sich hinein.

»Wie auch immer, du solltest jetzt besser aus meinem Zimmer verschwinden, bevor die Kerle hier auftauchen, ich glaube, denen ist eben schon der Sabber aus den Mundwinkeln gelaufen«, foppte er sie.

»Weißt du was? Du bist und bleibst ein Arsch.« Sauer stampfte sie davon. Leo blieb zurück und grinste, während er mit dem Daumen nachdenklich seinen Lippen entlangfuhr.

»Vielleicht wird die Sache mit dem Zusammenwohnen doch noch interessant.«

 

Anna-Lena war gerade in ihr Zimmer geflüchtet, als das Handy klingelte. Auf dem Display konnte sie schon Miriams Nummer erkennen, und sie war froh, endlich mit ihr über alles reden zu können.

»Endlich jemand mit dem ich vernünftig reden kann«, rief sie ins Telefon, kaum das sie den Anruf von Miriam entgegennahm.

»Wieso, was ist denn passiert?«

»Erstens versuche ich schon den ganzen Tag, diesen blöden Vermieter an die Strippe zu bekommen, dann geht mir dieser Leo tierisch auf den Sack. Wenn du wüsstest, was hier im Moment abgeht. Glaub mir, du würdest dich höchstpersönlich in die Klapse einliefern lassen«, fuhr Anna-Lena verzweifelt fort.

»Weißt du was, warum treffen wir uns nicht in der Stadt, dann kommst du da raus und auf andere Gedanken?«, schlug Miriam vor.

»Die beste Idee des Tages. Ich zieh mich nur schnell um, und dann treffen wir uns am Kino.« »Okay, dann bis nachher.« Miriam legte leicht beunruhigt auf.

So schnell war Anna-Lena in ihrem ganzen Leben noch nicht umgezogen. Die Kerle waren noch immer dabei, die Möbel zu rücken, als sie aus ihrem Zimmer kam. Leon stand an einer Wand und gab ihnen Anweisungen. Er warf ihr einen kurzen fragenden Blick zu, aber Anna-Lena verdrehte nur die Augen und flüchtete schon aus der Wohnung. Nur weg aus diesem Irrenhaus.

 

»Anna-Lena, hier.« Miriam winkte ihr schon zu, als sie aus dem Bus kam. Man, war sie froh, ihre Freundin zu sehen.

»Endlich Ruhe«, gab Anna-Lena erleichtert von sich.

»Wow, du siehst aber wirklich völlig fertig aus.« Miriam begutachtete das Gesicht ihrer Freundin, die immer noch unnatürlich blass war.

»Glaub mir, das wärst du auch, wenn du mit diesem Irren unter einem Dach leben müsstest und dabei ist das gerade einmal der zweite Tag.«

»Ich habe dich gewarnt«, meinte Miriam trocken.

»Ja, das hast du. Übrigens habe ich den Mietvertrag dabei. Ich muss diesen Vermieter noch in der Firma aufsuchen und alles klären.« Sie wedelte mit dem Stück Papier in ihrer Hand herum.

»Gute Idee, am besten machen wir uns gleich auf die Socken, bevor der wieder verschollen ist.«

Gesagt getan. Nur gut, dass der sein Büro in der Stadt hatte. Es war zwar ein kleiner Fußmarsch nötig, aber wenn Anna-Lena das dann endlich klären konnte, war ihr das echt wert.

»Da ist das Büro.« Anna-Lena wies auf ein Gebäude, das zwischen einem Supermarkt und einem Café lag. Sie steuerten darauf zu.

»Bist du sicher, dass das hier ist?« Miriam begutachtete das in die Jahre gekommene Gebäude.

»Ja, wieso? Der Name müsste auf der Klingel stehen.« Anna-Lena las sich die Namensschilder durch, während Miriam sie nachdenklich beobachtete.