Hidden Minds - Bianka Mertes - E-Book

Hidden Minds E-Book

Bianka Mertes

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Beschreibung

Seth ist kein normaler Jugendlicher. Er hat Kräfte, um die er nie gebeten hat und die ihn schon seit seiner Kindheit zu einem Außenseiter werden lassen. Nachdem er von Dwain, dem Oberhaupt der Raven aufgenommen wurde, hatte er zum ersten Mal das Gefühl dazuzugehören. Doch der Schein trügt, denn in den Reihen der Raven bleibt er durch die Sonderbehandlung von Dwain, trotz allem ein Außenseiter. Bis er eines Tages merkt, wie hinterlistig Dwain in Wirklichkeit ist, der ihn auf die Fährte seiner Tochter hetzt. Ohne eine Ahnung, worauf sich Seth wirklich einlässt, spürt er Joselyn auf. Doch das Mädchen erweist sich alles andere, als glücklich darüber und hat zudem nicht einmal eine Ahnung von ihren Fähigkeiten. So langsam schwant Seth, dass Dwain ihn nur als einen Spielball benutzt um an Joselyn heranzukommen. Wie wird er sich entscheiden? Ein Leben mit den Raven und Joselyn ausliefern? Oder besiegt er seinen inneren Schweinehund?

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Seitenzahl: 277

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Bianka Mertes

Hidden Minds - Seth & Joselyn

© 2020 Bianka Mertes

Oberwindhagener Str. 26a, 53578 Windhagen

Cover: Bianka Mertes

Bildmaterial: pixabay.de & depositphotos.com

Lektorat, Korrektorat: Lektorat Buchstabenpuzzle

(www.buchstabenpuzzle.de)

2. Auflage

Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40–44,

22359 Hamburg

ISBN: 978-3-347-80985-7

Bianka Mertes

Hidden Minds

Seth & Joselyn

Prolog

Seth stand nur da und versuchte, sich irgendwie gegen die Angriffe der Kinder zu schützen.

»Geht weg, lasst mich in Ruhe«, schrie er sie aus Angst an.

»Du solltest verschwinden. Mit dir will keiner was zu tun haben. Du bist einfach nur eine Missgeburt.« Die Kinder lachten, die ihn umringten und drangsalierten.

Seth zitterte vor Angst, die Hände steckten zu Fäusten geballt in seinen Hosentaschen. Er wollte sie nicht benutzen. Er fürchtete sich davor.

Steine, die die Kinder nach ihm warfen, flogen ihm um die Ohren. Einer traf ihn am Kopf und hinterließ eine Platzwunde, aus der sofort Blut quoll. Schnell zog er eine Hand heraus und presste sie auf die Wunde. Mit den Fingern wiesen die Kinder auf Seth und lachten. Sie hatten sichtlich ihre Freude daran, ihn verletzt zu haben. Die Erwachsenen standen nur drum herum und sahen sich das ganze Spiel an, waren stolz auf ihre Kinder. Keiner half ihm. Er war allein. Allein mit seiner Angst und Trauer, die ihn förmlich von innen heraus auffraßen.

Erneut bückten sie sich nach Steinen, die sie ohne ein Fünkchen Reue warfen. Er versuchte wirklich, sich zurückzuhalten. Presste die Hände so fest an seinen Oberkörper, dass es fast schon schmerzte. Doch als ihn der nächste im Gesicht traf, konnte er es nicht mehr ertragen. Nicht aus Wut, aber aus Verzweiflung und Angst. Er ging auf die Kinder zu, die ihn aus großen Augen ansahen und panisch schrien. Das Lachen erstarb und sie wichen ängstlich zurück. Ihre Eltern legten zum Schutz die Hände um die Körper ihrer Kinder. Zogen sie von Seth weg und flüchteten hektisch in ihre Häuser. Er sah die Angst in den Augen. Das, wovor er sich selbst am meisten fürchtete. Nur einer von ihnen blieb lachend vor Hohn zurück und warf immer wieder Steine auf Seth. Wie in Trance schnappte Seth nach seinem Arm, mit dem er gerade den nächsten Stein werfen wollte und hielt ihn fest. Nicht aus Rache oder Wut, nur aus Angst. Und der Junge schrie sich die Seele aus dem Leib, während Seth das verbrannte Fleisch unter seinen Fingern bereits riechen konnte. Das Fleisch des Jungen, der nie wieder einen Stein nach ihm werfen würde.

Kapitel 1

Seth saß am Lagerfeuer, das er bei diesem Regen nur mit Mühe und Not angefacht bekam. Seine Kleidung war durchnässt und er fror. Das dicht gewachsene Blätterdach, das ihm bis jetzt vor allem Schutz bot, löste sich allmählich auf. Ein eindeutiges Zeichen, dass der Herbst Einzug hielt. Blätter in allen Farben hielten sich nur noch krampfhaft bis zum nächsten kräftigen Windstoß fest und würden, wie ihre Freunde auch, als Kompost für die nächste Generation der Pflanzenarten dienen.

Es wurde allmählich Zeit, dass er sich nach einer anderen Bleibe umsah. Denn wenn der Herbst erst einmal seine volle Pracht zum Vorschein brachte, würde der Winter nicht mehr lange auf sich warten lassen. Eine Jahreszeit, in der er hier draußen im Freien nicht lange überlebte. Die alte Höhle, die er sich im letzten Jahr zu seinem Eigen machte, wurde bereits von einem alten Bären belagert, von dem er sich lieber fernhielt, als irgendwelche Besitzansprüche auszufechten.

Er saß da, betrachtete die lodernden Flammen des Lagerfeuers, die sich wie Zungen empor rekelten und ihm einiges an Wärme spendeten. Nicht mehr lange und er könnte sich über den Hasen hermachen, der langsam vor sich hin brutzelte, und dessen Geruch ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Er hatte ihn mit eigenen Händen gefangen, abgezogen und ausgenommen. Seine erste Mahlzeit an diesem Tag. Selbst Schuld, wenn man nach der Meinung der Raven ging, bei denen er seit seiner Kindheit Unterschlupf fand. Allesamt Ausgestoßene wie er selbst, die über besondere Fähigkeiten verfügten, für die die Menschen kein Verständnis aufbrachten. Nur Seth war etwas Besonderes in ihren Reihen. Jeder von ihnen besaß eine Fähigkeit, nur Seth verfügte gleich über zwei. Sie setzten sich damals zwar für ihn ein, aber dennoch wurde er mit den Jahren das Gefühl nicht los, dass es nicht um ihn, sondern genau um diese Fähigkeiten ging. Trotz allem war er ihnen für ihre Hilfe dankbar. Denn ohne wäre er wahrscheinlich schon lange nicht mehr am Leben. Sie haben ihm ein Dach über dem Kopf gegeben, pflegten ihn, wenn er krank war, und gaben ihm zu essen. All das, was eine Familie auch tat. Jedenfalls in seinen Erinnerungen war es einmal so gewesen.

Es war unmöglich für einen kleinen Jungen, der er damals noch war, allein in den Wäldern zurechtzukommen. Von den Menschen in der Stadt hielt er sich lieber fern und sie mieden ihn und seine Familie, so gut es eben ging. Sie waren ihnen noch nie freundlich gesonnen und das bekam er bereits in jungen Jahren schon zu spüren. Er erinnerte sich noch gut daran, wie sie ihn beschimpft und mit Dreck bewarfen, als er mit seinen Eltern die notwendigen Lebensmittel in der Stadt besorgen wollte. Er fühlte sich wie jemand, den es am besten nicht geben sollte. Doch seine Eltern bestärkten ihn immer wieder, denn für sie war er ein ganz normaler Junge. Auch wenn Seth wusste, dass das nicht den Tatsachen entsprach. Er war ganz und gar nicht normal und wie die anderen Kinder in seinem Alter. Nach dem Tod seiner Eltern nahm der Anführer der Raven ihn mit sich und zum ersten Mal erkannte er, dass nicht nur er ›besonders‹ war. Sie alle besaßen eine ›Gabe‹, wie seine Mutter es immer nannte.

Auch wenn er sich in der Gegenwart der Raven nicht besonders wohlfühlte, so war er dennoch froh, sie getroffen zu haben. Er lernte zwar in den Jahren erst durch sie, mit seinen Fähigkeiten umzugehen, aber die Angst, wie früher jemandem schaden zu können, saß noch tief in seinen Erinnerungen fest. Als Kind fand er keine Möglichkeit, sich gegen die Angriffe der ›normalen‹ Menschen zu wehren, die ihn dafür hassten, wie er war. In seiner Panik fasste er sie mit bloßen Händen an und sie trugen schwere Brandverletzungen davon. Eine Fähigkeit, auf die Seth am liebsten verzichtet hätte, aber es auch nicht unterbinden konnte, selbst wenn er es wollte. Alles Organische wurde in seinen Fingern zu Asche. Das Schlimmste war aber für ihn, zusehen zu müssen, wie auch seine Eltern darunter leiden mussten. Sie versuchten zwar immer, ihn zu schützen, auch wenn das für sie hieß, genauso ausgestoßen zu werden wie er. Sie taten für ihn, was sie tun mussten, selbst auf die Gefahr hin, ein Leben in Einsamkeit führen zu müssen. Bei den Raven gewöhnte er sich an, Handschuhe zu tragen, die ihn und seine Umgebung schützten. Er war ein kleiner und schmächtiger Junge, der sich nicht anders zu helfen wusste. Doch jetzt sah das anders aus. Er war durchtrainiert und mit Muskeln übersät, von denen er nicht mal wusste, dass sie existierten. Zahlreiche Male, die seinen Körper zierten, die er sich im Laufe der Zeit erwarb, erinnerten ihn an die harte Arbeit, die er bis jetzt leistete. Tattoos der verschiedensten Arten erinnerten ihn an die schwierigen Übungen und er schaffte es trotz allem, diese Ehrungen zu erwerben. Ehrungen, die es nur bei den Raven gab und auf die er ganz besonders stolz war. Denn es war gar nicht so leicht, sich dem Kampf um diese Medaillen zu stellen und ihn dann auch noch zu gewinnen. Seth war schließlich nicht der Einzige, der sich darum schlug. Alle Raven wollten diese begehrten Ehrungen, die sie in der Rangordnung steigen ließen, und so mussten sie alle gegeneinander antreten. Doch diese Rangordnung war für Seth reine Nebensache. Ihm genügte es, sie zu ergattern und zu wissen, sie durch harte Arbeit verdient zu haben. Trotz allem verschätzte er sich das ein oder andere Mal auch total.

Er musste lachen, wenn er daran dachte, wie er sich die Ehrung für Ehrgeiz ergatterte. Es ging einzig darum, ein Stück Wild zu erlegen. Das, was sie seit ihrer frühsten Kindheit bereits beigebracht bekamen. Seine Mitstreiter waren allesamt viel erfahrener als er selbst und jeder rechnete mit einem von ihnen. Doch Seth verfügte über mehr Glück als Verstand. Er stand vor diesem Rehbock und traute sich nicht so richtig auf ihn zu, doch durch irgendeinen dummen Zufall wurde dieser aufgeschreckt und rannte in seinen Speer hinein. Nicht gerade die herkömmliche Art und Weise, ein Tier zu erlegen und sich damit eine Ehrung zu ergattern. Seth vermutete damals, dass Dwain etwas mitbekommen haben könnte, doch wenn es so gewesen war, behielt er es für sich. Also wurde Seth in einer feierlichen Zeremonie das Ehrenmal für Ehrgeiz von Dwain persönlich auferlegt. Eine außerordentliche Ehre, denn normalerweise hatte er selbst dafür seine Handlanger. Er legte kaum selbst Hand an etwas an und verfügte für alle anfallenden Aufgaben über geeignete Leute. Genau deshalb war es für Seth etwas Außergewöhnliches. So bekam Seth das Gefühl, dass er für Dwain etwas ganz Besonderes war.

Trotz allem blieb er lieber vorsichtig, denn Neider gab es auch in ihren Reihen nicht zu wenige. Es gab immer welche, die hinterlistig und gemein zu anderen waren, das war nicht nur unter den normalen Menschen so. Nach und nach konnte er sich so durch harte Arbeit und ständigem Training alle Ehrenmale ergattern, die jetzt wie prachtvolle Zeichnungen seinen Körper zierten. Jedes dieser Tattoos stand nicht nur für eine bestandene Prüfung, sondern sie verliehen ihrem Träger auch eine außergewöhnliche Macht, die ihn stärker und erfahrener werden ließen. Zudem bestimmten sie den Rang in der Gesellschaft der Raven, womit Seth allerdings nicht besonders viel am Hut hatte. Auch wenn er alle seine Male zusammenzählte und mittlerweile einer der Höchsten in der Sippe sein konnte, blieb er dennoch lieber für sich. Er trug nur die Verantwortung für sein eigenes Leben, was ihm vollkommen ausreichte.

Nur die Letzte bekam er nicht auf die herkömmliche Weise. Er schummelte, um sie zu bekommen.

Doch bis jetzt war keiner dahinter gestiegen und er hoffte, dass das auch so blieb. Er wusste, welche Bürde er sich damit selbst auferlegte. Denn ein Regelverstoß wurde bei ihnen genauso geahndet, wie ein Verbrechen bei den Menschen. Nur das man bei ihnen nicht die Chance bekam, sich vor einem Richter für seine Taten zu rechtfertigen, sondern allein der Gnade und Laune von Dwain ausgeliefert war. Und seine Laune war nicht immer die Beste, das wusste Seth. Und wenn er das je herausbekommen sollte, könnte sich Seth schon einmal einen Platz für sein zukünftiges Grab aussuchen. So war Dwain. Er duldete keine Heuchler und Verräter in seinen Reihen.

Doch jetzt fehlten Seth nur noch drei dieser Zierungen und er käme fast der Macht von Dwain gleich. Keiner aus der Sippe schaffte es jemals, alle Prüfungen zu bestehen. Umso ehrgeiziger wurde Seth, sie zu übertreffen und als erster in Besitz aller Zeichen zu gelangen und damit ein ebenbürtiger Raven zu Dwain. Er war sich sicher, eines Tages schaffte er es, denn das war alles, worauf er hinarbeitete und zudem seinem Leben einen Sinn gab. Genauso machtvoll zu sein wie ihr Anführer. Aber wahrscheinlich war er auch mit diesem Gedanken nicht ganz allein. Es war ein Anliegen, dass sämtliche Raven bereits im Blut lag.

Endlich war das Fleisch des Hasen knusprig braun und er konnte seinen knurrenden Magen damit füllen. Er nahm den am Spieß hängenden Braten vom Feuer, sog den Duft tief in sich ein und wollte gerade genüsslich hineinbeißen, als das Mal an seinem linken Schulterblatt höllische Schmerzen bereitete. Ein Feuerwall durchschoss seinen Körper. Nach und nach fingen die Tattoos an, sich schmerzvoll gegen seinen Besitzer zu wehren. Er ließ den Spieß fallen und krümmte sich wie ein kleines Kind zusammen. Fast unerträgliche Stiche durchzogen seinen ganzen Körper. Was zum Teufel bedeutete das? Was war nur los? Das taten sie doch noch nie. Plötzlich und erschrocken sah er, wie sich das Mal seiner linken Wade in Luft auflöste und nur eine dunkle Stelle an der Haut hinterließ, geradeso, als bliebe nur ein Brandmal übrig. Nach und nach verschwanden seine Ehrungen, die er sich mühselig erkämpfte, alle auf die gleiche Art und Weise. Nur dunkle Brandflecken erinnerten noch an das, was er einst für diese Male leistete. Erst als auch das Letzte verschwunden war, spürte er eine eisige Kälte seinen Nacken hochwandern, alsdann tauchte der Anführer der Raven neben ihm auf. Nur er war dazu in der Lage, das wusste Seth.

Mit schmerzverzerrtem Gesicht sah er ihm ins höhnisch lachende Gesicht. Der Mann war bereits um die Fünfzig und verfügte noch immer über einen Körperbau, um den ihn manche Jugendliche beneideten. Dwain galt nicht umsonst als der schlimmste der Raven. Seine Gabe war das Hellsehen, das Durchwühlen eines Gehirns, dass sich nicht dagegen wehren konnte. Und plötzlich fiel es Seth wie Schuppen von den Augen. Man hätte ihm besser das Abzeichen für den Trottel des Jahrhunderts verliehen. Wütend über sich selbst, ballte er die Fäuste und drückte sich zur Bestrafung seiner eigenen Dummheit, die Nägel in das Fleisch seiner Handballen.

»Du hast echt nichts dazugelernt, Seth. Ich hielt dich ehrlich gesagt für schlauer, als mir dein Gewissen zu beichten«, gab Dwain, die Stirn in Falten gelegt, von sich. Sein Blick durchbohrte Seth förmlich.

So ein Scheiß. Die ganze Zeit hielt er sich an seine eigenen Vorsätze und jetzt, in einem sentimentalen Anflug, dachte er an alles, was er sonst tunlichst vermied. Kein Wunder, dass Dwain sauer auf ihn war. Seth knirschte, wütend auf sich selbst, mit den Zähnen und versuchte noch zu retten, was er konnte.

»Hör zu Dwain, ich hatte nicht vor …«, startete er eine Erklärung, wurde jedoch von Dwain sofort unsanft unterbrochen. Er sah ihn an, als riss Seth ihm gerade bei lebendigem Leibe das Herz heraus.

»Lass es, Seth. Keine Erklärung der Welt könnte gutmachen, was du dir geleistet hast. Und du weißt, was wir mit Verrätern anstellen. Und das bist du, ein Heuchler und ein Verräter. Du bist es nicht würdig, dich einer von uns zu nennen, oder nur im Besitz eines dieser Zeichen zu sein. Weißt du eigentlich, wie viel Arbeit und Schweiß jeder in das Erlangen der Ehrungen steckt? Und dann kommst du und meinst, dir eine erschleichen zu können? Du hast nicht nur dich selbst verraten, sondern auch alle anderen damit in den Dreck gezogen. Ich bin bitterenttäuscht von dir, Seth. Gerade von dir, auf den ich so große Stücke gehalten habe.« Sein durchdringender Blick ließ keinen Zweifel daran, dass er missbilligte, was Seth getan hatte und dass es ihn schmerzte, weil er Seth sein Vertrauen schenkte. Er spuckte verächtlich vor Seths Füße.

Seth sah beschämt in das Feuer, das noch immer vor ihm loderte und das ihn eigentlich wärmen sollte. Doch das tat es nicht mehr. Er hasste sich gerade selbst so sehr, dass die Kälte seinen Rücken hochschlich. Seth tat etwas, das er sich wahrscheinlich selbst niemals verzeihen könnte. Er verriet sich selbst und die Raven aufs Jämmerlichste. Trotz allem fand er es übertrieben, ihm sofort alle Ehrungen abzuerkennen. Denn wie auch alle anderen arbeitete er, bis auf für das eine, für alle Zeichen hart und verdiente sie sich auf ehrliche Weise. Jetzt allerdings blieb ihm nur noch eins zu tun. Er konnte nur auf die Gnade seines Anführers hoffen, auch wenn er im Innersten bereits wusste, dass er es eigentlich nicht wert war, hoffte er trotz allem auf eine milde Strafe. Dwain hatte ihn aufgenommen, versorgt, aufgepäppelt und großgezogen, als er ganz am Boden lag. Man konnte schon sagen, Dwain sah ihn als seinen Sohn an. Und er missbrauchte Dwains Vertrauen total und rammte ihm ein Messer in den Rücken. Seth war sich sicher, Dwain verzieh ihm das niemals. Zumal er gegen das oberste Gesetz der Raven verstieß. Und egal was er jetzt als Entschuldigung vorbrachte, er war ganz allein Dwains Gnade ausgeliefert. Dwain kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf und grinste dann plötzlich merkwürdig. Kein gutes Zeichen, wie Seth bereits wusste. Irgendetwas heckte der alte Mann aus, da war er sich ziemlich sicher.

»Ich könnte mir allerdings vorstellen, dich gewähren zu lassen.« Seth sah ihn überrascht an. Sollte sich Dwain doch noch als guter Kerl herausstellen? Allerdings konnte Seth sich das nicht vorstellen. Der Letzte, der ihn betrog, bekam keine zweite Chance und seine Leiche konnte man im See besuchen, wenn man den Drang danach verspürte. Also was hatte dieser Kerl mit ihm vor? Dwain lief nachdenklich hin und her und sah zwischendurch zu Seth, der ihn mit einem Unbehagen anstarrte.

»Was meinst du damit?«, fragte Seth mit einem nervösen Unterton. Auch wenn er Dwain lange kannte, traute er ihm in dieser Angelegenheit kein bisschen über den Weg.

»Naja, es gäbe da etwas, was ich nur dir zutrauen würde. Sagen wir ein Tauschgeschäft.« Dwain lachte verwegen. Seth kannte ihn gut und das, was er vorhatte, war entweder kriminell oder kostete sein Leben. Im schlimmsten Fall beides zusammen. Aber hatte er eine andere Wahl? Sicherlich nicht. Sein Leben stand so oder so auf dem Spiel. Wenn er auf Dwains Angebot einging, hätte er es wenigstens selbst in der Hand und dadurch vielleicht noch den Hauch einer Chance, sein Schicksal zu wenden. Immerhin noch besser, als sein Leben hier und jetzt enden zu sehen.

»Was willst du von mir?« Zweifelnd sah er in das argwöhnische Gesicht des älteren Mannes, der sich ganz und gar nicht als gutmütig herausstellte. Seths Vorahnung bestätigte sich wieder einmal, so wie es schon oft der Fall war, wenn es sich um Dwain und seine Gedankengänge handelte.

»Du tust etwas für mich und ich für dich.« Dwain grinste schief und äußerst zufrieden.

»Und was?« Seth saß wie auf heißen Kohlen, konnte er nicht einfach mit der Sprache herausrücken? Musste Dwain ihn unbedingt noch nervöser machen, als er sowieso schon war? Vor allem beschlich ihn eine Ahnung, dass nichts Gutes dabei herauskommen sollte.

»Du wirst jemanden für mich finden und zu mir bringen. Ein Mädchen, das, wie es sich herausgestellt hat, meine Tochter ist«, erklärte er Seth mit hochgezogenen Augenbrauen und Seth sah gerade drein, als verstünde er das nicht richtig.

»Deine Tochter?« Er wusste nicht einmal, dass Dwain eine andere Frau als Claudine hatte, obwohl er jetzt schon so lange bei ihnen war. Wie alt mochte sie dann wohl sein? Er zweifelte normalerweise nicht an Dwains Worten, trotzdem kam ihm das alles merkwürdig vor. Er hörte noch nie davon, dass Dwain eine Tochter haben soll. Schließlich kannte er Dwain jetzt schon eine halbe Ewigkeit und ihr Dasein hätte er doch wohl einmal erwähnt. Er behielt es mit Sicherheit nicht Claudines wegen für sich. Ihm war es eigentlich ziemlich egal, ob er sie verletzte oder nicht. Claudine konnte keine Kinder und damit auch keinen Nachfolger den Raven schenken. Sah sich Dwain deshalb nach einer anderen Frau um? Trotzdem stellte er sich die Frage, warum dieser seine Tochter nicht selbst zu sich holte und ausgerechnet ihn schicken musste, um sie ihm zu bringen.

»Ja, ich wusste bis vor Kurzem auch noch nichts von ihrer Existenz. Sie müsste jetzt siebzehn sein, also ungefähr in deinem Alter. Und deshalb glaube ich, dass du der Richtige dafür bist. Also was denkst du? Obwohl ich denke, dass du keine andere Wahl hast, ansonsten weißt du, was auf dich zukommt.« Sein dunkles Lachen zog Seth durch Mark und Bein. Er wusste genau, was er ihm damit nahelegen wollte. Entweder er machte, was Dwain von ihm verlangte oder er besuchte seinen alten Freund im See. Eine Wahl war das wirklich nicht, denn es gab offensichtlich für Seth nur eine Möglichkeit. Sie aufspüren und zu Dwain bringen. Ganz wohl war ihm bei dieser Sache nicht, auch wenn er nicht genau wusste weshalb. Aber irgendwas schien ihm komisch zu sein.

Seth war jetzt achtzehn. Das hieß also, dass sie gezeugt wurde, als er noch mit seinen Eltern zusammengelebte. Rein theoretisch konnte Seth also gar nichts von ihr wissen. Stellte sich nur noch die Frage, warum selbst Dwain nichts von ihrer Existenz gewusst haben soll. Doch das alles war ihm jetzt ziemlich egal. Es gab nur eine Sache, um die er sich gerade wirklich sorgte.

»Okay, aber was ist mit meinen Ehrungen?« Er wusste, er sollte es nicht auf die Spitze treiben, doch er wollte und konnte nicht auf sie verzichten. Die ganze Arbeit und der Schmerz, die er ins Erlangen investierte, wären vergeblich gewesen. Und das konnte und wollte er auf keinen Fall zulassen.

»Du bist ganz schön mutig, Seth, oder einfach nur wahnsinnig, mir so eine Frage zu stellen, nachdem was du dir geleistet hast.« Dwains Augen formten sich warnend zu Schlitzen. Seth war auf der Hut. Er kannte Dwain besser als jeder andere und er wusste, was dieser mit demjenigen anstellte, der ihm gegen den Strich ging. Aber Dwains Gesichtsausdruck änderte sich – zu einem bewunderten. Seth wusste nicht, ob das gut oder schlecht für ihn war.

»Also gut, Seth. Ich gebe dir das Mal für Mut zurück, aber alle anderen musst du dir erneut verdienen. Solltest du dir allerdings noch einmal so etwas erlauben, brauchst du dir um deine Zeichen weniger Sorgen zu machen, als um dein Leben. Ich dulde es auch nicht, von dir hintergangen zu werden. Besorg mir das Mädchen und du hast deine Male zurück. Solltest du versagen, trete mir am besten nicht mehr unter die Augen«, warnte Dwain ihn in rauem Ton und Seth war sich bewusst, dass Dwain es ernst meinte. Er würde ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, töten. Das Tattoo auf seinem linken Oberarm kehrte zurück und Seth spürte es mit jeder Faser seines Körpers. Die Kraft, die es verbreitete, floss durch seine Adern und setzte sich in jeder Zelle ab. Eine Macht, die nur die Raven besaßen und nutzen konnten. Er würde ihm dieses Mädchen besorgen, und dann wieder Herr seiner Kräfte sein. Und wenn es das Letzte war, was er je in seinem Leben tat.

Am frühen Morgen, als alle anderen noch schliefen, machte er sich bereits auf die Socken. Er wollte keine Zeit verstreichen lassen und sich seine Kraftmale zurückerobern. Dwain nannte ihm einen Ort im Norden von Iowa. Estherville, eine kleine Stadt mit circa 6400 Menschen. Er wusste zwar nicht, wie er sie dort finden wollte, aber er schlüge sich schon irgendwie durch. Wenn sie ihrem Vater auch nur ein bisschen ähnelte, wäre er schnell wieder mit ihr zurück.

Der Weg von den Bergen Minnesotas zog sich wie Kaugummi. Er war zu Fuß unterwegs, einen Führerschein besaß er nicht, zudem mangelte es ihm sowieso am passenden Gefährt und das nötige Kleingeld für einen Bus fehlte im gänzlich. Das bisschen, was er besaß, bräuchte er noch für Lebensmittel, denn er konnte sich nicht vorstellen, ohne aufzufallen in den Wäldern auf die Jagd zu gehen. Also lief er die ganze Strecke bis Iowa, Estherville. Etwas anderes blieb ihm sowieso nicht übrig. Er lief fünf Stunden am Stück und machte dann zwischendurch eine Pause. Seth blieb keine Zeit, er musste sich beeilen, ob er wollte oder nicht. In der Nacht kam er zwar langsamer voran, aber auch das hielt ihn nicht von seinem Ziel ab. Zwei Tage und Nächte zerrten ganz schön an seinem Durchhaltevermögen. Doch schließlich erreichte er die Grenze zu Iowa.

Zuerst müsste er sich jedoch etwas Anständiges an Kleidung suchen. So wie er jetzt herumlief, fiel er überall sofort auf. Genau das wollte er unter allen Umständen vermeiden. Die Menschen taten ihm als Kind schon genug an, da brauchte er es jetzt nicht auf eine Provokation mit ihnen ankommen lassen.

Am erstbesten Haus, an dem Wäsche auf der Leine hing, kleidete er sich erst einmal ein. Seine Hände verband er mit Stoffstreifen, um so nicht in Gefahr zu kommen, jemanden mit bloßer Berührung zu verbrennen. Sein Leben war bereits schwer genug und er wollte auf gar keinen Fall negativ auffallen, bevor er dieses Mädchen in seinen Fingern hielt. Die Jeans passte wie angegossen, nur das blaue Hemd hätte eine Nummer größer sein können. Seine Muskeln sprengten fast die Ärmel auseinander, aber etwas anderes hatte er jetzt nicht zur Hand und wählerisch konnte er gerade nicht sein.

Nachdem er die Grenze zu Iowa endlich überschritt, fing es wieder wie aus Kübeln zu schütten an. Gerade war er noch froh, trockene Kleidung am Leib zu tragen und dieser Regen machte das innerhalb von Sekunden zunichte. Verdammter Herbst. Der war so launisch mit seinem Wetter, wie Seth selbst, wenn ihm nicht gelang, was er wollte. Trotzdem ließ er sich nicht beirren und setzte seinen Weg ununterbrochen fort.

Die Gegend war alles andere, als das, was Seth gewohnt war, und die Straßen zogen sich endlos in die Länge. Autos, die an ihm vorbeifuhren, spritzten Wasser, was der Regen auf den Straßen hinterließ, in seine Richtung und ein weiterer Schwall ließ ihn nass werden. Die Menschen waren noch genauso rücksichtslos, wie sie es damals schon waren. Er fühlte sich plötzlich in die alte Welt zurückversetzt, in der es nur Leid und Kummer für ihn und seine Eltern gab. Sie würden sich nie ändern und immer nur an sich selbst denken. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, rechnete er auch nicht mit einer Änderung. Auch wenn er sich schon lange nicht mehr unter der normalen Menschheit aufhielt, wusste er bereits vorher schon instinktiv, dass sie wahrscheinlich nichts dazulernten. War es in der Sippe ganz normal, dass alle zusammenhielten, so war es das bei den Menschen ganz und gar nicht. Jeder dachte an seinen eigenen Vorteil, auch wenn das hieß, andere für sein eigenes Ziel zu verletzen. Unbeachtet seiner nassen Kleidung und dem anhaltenden Regen, setzte er seinen Weg unbeirrt fort. Er hatte ein Ziel und eine Aufgabe, die er erledigen musste. Auch wenn er nicht mit der Sippe zusammenlebte, so sah er sich trotz allem als vollwertiger Raven und das wollte er auf keinen Fall gefährden, nur weil er dieses Mädchen nicht ran bringen konnte.

Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, diese Welt noch einmal zu betreten, doch das hier musste er sich eindeutig selbst in die Schuhe schieben. Hätte er nicht an vergangene Zeiten gedacht, wäre es nie soweit gekommen und er bräuchte sich jetzt nicht schon wieder mit ihnen rumärgern. Nur dieses Mal war er nicht mehr der kleine Junge von damals, der sich nicht zu wehren wusste.

Gegen Abend erreichte er schließlich Estherville. Eine friedliche Stadt, wie er feststellte, in der keine Hektik zu herrschen schien, ganz im Gegenteil zu vorher auf der Straße. Die Menschen saßen auf ihren Veranden und sahen dem bunten Treiben zu. Hier und da spielten ein paar Kinder, die noch zu jung für die Schule waren. Geschäfte gab es hier auf jeden Fall genug, die mit ihrer ausgestellten Ware die Kunden lockten. Ältere Menschen standen in einer kleinen Gruppe zusammen und unterhielten sich angeregt und lachten. Keine Anzeichen dafür, dass man sich hier nicht wohlfühlte. Ob es dann für Seth auch so wäre, wenn sie wüssten, wer er war? Wohl eher nicht, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass sie ihn mit offenen Armen empfangen würden, wenn sie von seiner Fähigkeit erfuhren.

Doch das interessierte Seth gerade sehr wenig. Er war müde und musste sich erst einmal ausruhen, bevor er sich mit diesem Weibsbild abgeben konnte. Er glaubte kaum, dass sie ihm freiwillig folgte. Sollte sie das Temperament von ihrem Vater geerbt haben, müsste er schon zu härteren Mitteln greifen, um sie zu Dwain zu bringen. Zudem fehlte ihm gänzlich die Erfahrung mit Frauen. Da machte ihm seine zweite Fähigkeit immer einen Strich durch die Rechnung. Von dieser bekam er nur durch Zufall Wind. Seine erste Freundin brachte ihn darauf, als sie sich küssten. Sie fiel um wie ein nasser Sack. Tja, nicht jede Fähigkeit war für den Hausgebrauch geeignet. Und wenn man nicht einmal jemanden küssen konnte, ohne dass das Gegenüber jedes Mal in Ohnmacht fiel, und zwar nicht wegen Begeisterung, blieb es nicht aus, allein durchs Leben gehen zu müssen. Auf jeden Fall machte das auf Dauer sehr einsam und er durfte nicht zu viel darüber nachdenken. Er wusste, dass er als alte Jungfer starb. Keine Frau gab sich auf Dauer damit ab und suchte irgendwann das Weite. Verübeln konnte er es ihnen jedenfalls nicht. Abermals wurde ihm schmerzlich bewusst, wie einsam und allein er doch eigentlich war.

Vor der Stadt sah er einen kleinen Hof mit einer Scheune. Er beschloss, bis zum Morgen in dieser besagten Scheune etwas Schlaf zu finden, bevor er sich nach dem Mädchen umsehen wollte. Denn den konnte er trotz trainiertem Körper jetzt gut gebrauchen. Nachdem er es sich auf dem ausgebreiteten Heu bequem machte und seine Muskeln sich von dem anstrengenden Fußmarsch endlich entspannten, schlossen sich seine Augen auch schon von ganz allein.

Wach wurde er erst, als der Hahn krähte, dem er am liebsten auf der Stelle den Hals umgedreht hätte. Doch es wurde Zeit für ihn, sich auf die Suche zu begeben. Sie würde ihm wohl nicht von allein in die Arme laufen.

Aus der Scheunenluke sah er aus den Augenwinkeln ein kleines Mädchen, das in seiner Nähe die Schweine fütterte. Schnell suchte er Schutz hinter einem Heuballen, der den Tieren wohl im Winter als Futter diente und beobachtete die Kleine. Sie war hübsch und noch ziemlich jung, so viel konnte sogar er erkennen. Die Haare zu Zöpfen gebunden und mit einem blauen Kleid bekleidet, leerte sie eifrig den Eimer mit den Küchenabfällen. Sie hatte Mühe, sich zwischen den Schweinen durchzuschieben, die übermütig an das Futter wollten.

»Nisa, wie weit bist du? Wir wollen los.« Eine Frau mittleren Alters kam aus dem Haus und man konnte eindeutig erkennen, dass es sich um ihre Mutter handelte. Die Ähnlichkeit konnte man nicht verstecken. Augenblicklich dachte er zurück an seine Kindheit. Das tat er schon lange nicht mehr. Traurigkeit und Gewissensbisse machten sich in seinem Inneren breit. Er schüttelte den Kopf, um die Bilder aus seinem Gedächtnis loszuwerden. Darüber durfte er sich jetzt keine Gedanken machen. Es war lange her und nicht mehr zu ändern. Eine Zeit in seiner Vergangenheit, der er schon lange abschwor und die nie wieder zurückkam.

»Ich komme«, rief das Mädchen und rannte samt leeren Eimer zu ihrer Mutter, die sie lachend in Empfang nahm und ihr die Hand reichte. Gemeinsam spazierten sie um das Haus herum und wenig später fuhr ein roter Kleinwagen mit drei Personen in Richtung Stadt davon.

Seth wartete, bis der Wagen außer Sicht war, erst dann wagte er sich aus seinem Versteck. Er wollte keinem begegnen, dem er lästige Fragen beantworten müsste. Sollten sie ihn auf ihrem Grund und Boden entdecken, käme er wohl nicht drum herum. Sie waren weg und nahmen ihn nicht wahr. Und das war auch gut so. Keine Gefahr, jemanden aus Versehen zu verletzen. Das war das, wovor er sich selbst am meisten fürchtete.

Kapitel 2

Wenig später erreichte er die Stadt und verschaffte sich einen ersten Eindruck von den Bewohnern, die sich heute auf den Straßen tummelten. Wie schon am Vortag hatten sie alle die Ruhe weg. Er glaubte, das Wort Hektik war hier gänzlich unbekannt. Sogar die Autos fuhren im Schneckentempo. Er dachte niemals daran, dass es so einen Platz überhaupt gab. Der Ort lud gerade dazu ein, sich hier niederzulassen. Vorausgesetzt man war ein ganz normaler Sterblicher und nicht so ein Kerl wie er. Er lachte kurz in sich hinein und setzte seinen Weg fort. Es wurde Zeit, dieses Mädchen zu finden. Aber noch quälten ihn ganz andere Probleme. Er wusste weder den Namen, noch kannte er das Aussehen des Mädchens, das er finden musste. Sie war siebzehn, also müsste sie ja noch die Schule besuchen. Dementsprechend müsste sie in der Oberstufe sein, wenn er sich nicht täuschte. Sein einziger Anhaltspunkt, wenn das Alter stimmen sollte. Ein Versuch war es auf jeden Fall wert. Doch wo in diesem Kaff war die Schule?

Er lief durch die Straßen, bis er ein Schild mit Beschreibung der Stadt erblickte und es sofort erkundete. Nach dem Plan lag die Schule etwas außerhalb der Stadt. Doch er hatte absolut noch immer keine Ahnung, wie er dieses Mädchen ausfindig machen sollte. Er konnte ja wohl kaum da rein schneien und fragen, wer die Tochter von Dwain ist. Vor allem wusste sie ja nicht einmal selbst etwas von ihrem Glück, wenn er Dwain glauben konnte. Wenn man von Glück überhaupt reden konnte. Dwain war ein Mistkerl und selbst er hatte so oft Probleme mit ihm gehabt, dass er ihm am liebsten an die Gurgel gegangen wäre. Sie freute sich wahrscheinlich nicht gerade, ihn als Vater begrüßen zu dürfen. Aber das war nicht wirklich sein Problem.