DER GRAUE GEIST - John Cassells - E-Book

DER GRAUE GEIST E-Book

John Cassells

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Beschreibung

Endlich hatte Lester Trant - der ebenso reiche wie herrische Bewohner eines großen, einsam gelegenen Landsitzes in der englischen Grafschaft Berkshire - einen tüchtigen neuen Chauffeur gefunden, da liegt dieser auch schon mit einer Kugel im Herzen in seinem Garten.

Aus London reist Chefinspektor Flagg an, begleitet von Sergeant Newall. Unterwegs liest man noch einen alten Bekannten auf: Tommy Holland, rasender Kriminalreporter des Monitor, der sich, eine Schlagzeile witternd, sogleich auf den Weg in die Provinz gemacht hat, um der Polizei wie üblich hinterher zu schnüffeln.

Trant lebte schon vor Roofers Tod in Angst und Schrecken: Er zittert vor einem Unbekannten, der sich selbst grauer Geist nennt und von ihm hohe Geldsummen erpresst...

 

Der Roman Der graue Geist des schottischen Schriftstellers John Cassells (ein Pseudonym des Bestseller-Autors William Murdoch Duncan - * 18. November 1909; † 19. April 1975) erschien erstmals im Jahr 1960; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1957.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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JOHN CASSELLS

 

 

Der graue Geist

 

Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DER GRAUE GEIST 

ERSTER TEIL 

ZWEITER TEIL 

DRITTER TEIL 

 

 

Das Buch

 

Endlich hatte Lester Trant - der ebenso reiche wie herrische Bewohner eines großen, einsam gelegenen Landsitzes in der englischen Grafschaft Berkshire - einen tüchtigen neuen Chauffeur gefunden, da liegt dieser auch schon mit einer Kugel im Herzen in seinem Garten.  

Aus London reist Chefinspektor Flagg an, begleitet von Sergeant Newall. Unterwegs liest man noch einen alten Bekannten auf: Tommy Holland, rasender Kriminalreporter des Monitor, der sich, eine Schlagzeile witternd, sogleich auf den Weg in die Provinz gemacht hat, um der Polizei wie üblich hinterher zu schnüffeln.

Trant lebte schon vor Roofers Tod in Angst und Schrecken: Er zittert vor einem Unbekannten, der sich selbst grauer Geist nennt und von ihm hohe Geldsummen erpresst...

 

Der Roman Der graue Geist des schottischen Schriftstellers John Cassells (ein Pseudonym des Bestseller-Autors William Murdoch Duncan - * 18. November 1909; † 19. April 1975) erschien erstmals im Jahr 1960; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1957.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

  DER GRAUE GEIST

 

 

 

 

 

 

 

  ERSTER TEIL

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Es regnete, als Ruth Conway die breite Treppe hinabschritt; sie blieb eine Minute am Fenster stehen und sah auf die nassen Wiesen hinaus. Die riesige Galgeneiche vor dem Haus verdeckte mit ihrer gewaltigen Krone teilweise den Ausblick. Ruth dachte gerade daran, wieviel dieser Baum schon erlebt haben musste, als sie Schritte hinter sich hörte. Sie drehte sich um.

»Ach, Sie sind’s, David! Ich wusste nicht, dass Sie schon zurück sind.«

David Rizzuto lächelte. Er war mittelgroß, hatte einen auffallend dunklen Teint und trug einen schmalen, schwarzen Schnurrbart.

»Ja, Miss Ruth, ich bin vor einer halben Stunde zurückgekommen.«

Sie überlegte einen Augenblick und sagte dann: »Ich brauche Roofer. Er soll mich zu Ada hinüberfallen.«

Er runzelte die Stirn. »Ich glaube, Roofer überholt den Wagen. Ich werde aber auf jeden Fall nachsehen. Er sagte etwas vom Vergaser.« Er lächelte. »Von diesen Dingen verstehe ich leider gar nichts.« Er gestikulierte mit seinen kleinen, zarten Händen. »Sie haben den großen Baum bewundert? Mr. Trant will ihn fällen lassen.«

Sie starrte ihn an. »Nein, David! Das ist doch nicht Ihr Ernst?« Er nickte. »Oh, doch. Ich brachte erst heute früh einen Brief zur Firma Caley nach Wood Lynn. Ihr Onkel sprach schon öfter von dieser Absicht.«

»Tatsächlich? Das wusste ich nicht.«

Rizzuto sah sie ruhig an. »Vielleicht wollte er es Ihnen nicht sagen. Für ihn ist das keine besonders wichtige Angelegenheit.«

»Ich will gleich mit ihm sprechen, David. Es wäre jammerschade um den Baum. Er ist schon einige Hundert Jahre alt.« Sie ging den Korridor entlang zur Bibliothek, drückte auf die Klinke der großen Eichentür und trat in das Arbeitszimmer ihres Onkels.

Es war ein ziemlich kleiner Raum, mit zwei Lehnsesseln, einem Schreibtisch und einigen Bücherregalen ausgestattet. Im Kamin loderte ein Feuer, dessen Widerschein dem Zimmer Farbe und Bewegung verlieh. Einer der großen Sessel war dem Feuer zugewandt. In ihm saß Lester Trant. Er begann zu sprechen, ohne sich umzudrehen.

»Wo sind Sie denn so lange gewesen, zum Teufel? Ich warte schon eine halbe Stunde auf diesen verfluchten Brief. Wenn es nicht wegen

»Ich bin es«, sagte Ruth.

Trant drehte sich um.

»Oh, du bist’s, Ruth. Entschuldige. Ich dachte, es wäre Rizzuto. Ich warte jetzt eine Stunde auf diesen Trottel, und

»Als ich hereinkam, hast du von einer halben Stunde gesprochen.«

Trant erhob sich, ein großer, breitschultriger Mann mit langem, schmalem Schädel, auf dem nur noch vereinzelt Haare wuchsen.

»Halbe Stunde oder Stunde, das ist doch gleichgültig. Die Tatsache ist, dass er mich warten lässt. Ich habe viel zu tun, Ruth, und das passt mir nicht.«

»Er war im Dorf«, erklärte sie.

Trant zog die Brauen zusammen. »Er läuft zurzeit sehr oft ins Dorf. Ich kann mir nicht denken, warum. Jedenfalls werde ich ihm einiges zu sagen haben. Ich kann Unzuverlässigkeit nicht ertragen.«

Er ging zum Schreibtisch und nahm eine Zigarre aus einem silbernen Kasten. Dann meinte er: »Was hältst du denn von ihm?«

»Von wem? Von David?«, fragte sie überrascht. »Er scheint recht nett zu sein.«

Trant nickte grimmig.

»Natürlich. Aber ich brauche keinen netten Sekretär. Ich brauche einen, der etwas kann. Rizzuto kann nichts.«

»Was ist denn los?«

Er zündete seine Zigarre an und knurrte: »Eigentlich nichts. Ich bin schlechter Stimmung heute, Ruth. Rizzuto ist in Ordnung. Er spricht perfekt Spanisch und Italienisch - und diese Kenntnisse sind mir besonders wichtig.«

Er setzte sich wieder.

»Was führt dich zu mir? Ich dachte, du wolltest zu Miss Hume?«

Sie sagte langsam: »Ich habe gehört, dass du die Galgeneiche fällen lassen willst.«

Trant nickte. »Das stimmt, ich habe mich deswegen mit Caley in Verbindung gesetzt.«

»Aber warum?«

Er zuckte die Achseln.

»Ich habe den Baum nie gemocht - und mir gefallen vor allem die Geschichten nicht, die sich um ihn ranken. Ich will ihn auf jeden Fall beseitigen. Er behindert die Aussicht und verdunkelt mindestens vier Räume. Man hätte ihn schon längst fällen sollen. Es wird viel zu viel Getue um Tradition gemacht.«

»Er steht seit tausend Jahren dort«, meinte sie leise.

»Sicher, er ist ziemlich alt. Er soll schon in den uralten Gutsdokumenten erwähnt werden. Ich glaube aber nicht, dass er so alt ist, wie du behauptest.«

»Du kannst ihn nicht fällen«, sagte sie. »Tausend Jahre - und dann einfach Brennholz. Denk an die vielen Menschen, die unter ihm spazieren gingen, an die Gutsherren und ihre Damen, an die Kinder, die in seinem Schatten spielten. Es wäre Barbarei, ihn zu beseitigen, Onkel. Das kannst du nicht tun.«

Er sah sie erstaunt an. »Ich wusste nicht, dass er dir so viel bedeutet.«

Sie blickte in seine kalten, blauen Augen.

»Es ist so. Als mir David erzählte...«

Seine Lippen wurden schmal. »Rizzuto hat dir also davon erzählt? Genau die richtige Person für den Posten eines Privatsekretärs. Ich werde ihn mir vornehmen.«,

»Ich glaube, er ist der gleichen Meinung wie ich«, sagte sie. »Aber davon abgesehen, du musst mich anhören, Onkel. Lass die Galgeneiche stehen. Die Leute würden sich aufregen, wenn du sie zerstörtest.«

Er lachte grimmig. »Mir ist ziemlich gleichgültig, was die Leute denken.« Er schwieg einen Augenblick. »Also gut, du sollst deinen Willen haben. Der Baum bleibt stehen. Wenn ich gewusst hätte, wie du darüber denkst, wäre ich erst gar nicht auf die Idee gekommen.«

Sie lächelte erleichtert. »Vielen Dank, Onkel. Ich wusste, du würdest es nicht tun.«,

Er sah sie scharf an. »Mach dir keine falschen Vorstellungen! Ich halte von Tradition und Vergangenheit nicht mehr als von den Würmern, die meinen Kohl fressen. Wenn ich es wollte, läge die Eiche morgen am Boden.« Er machte eine abschließende Handbewegung. »Übrigens, Moran kommt heute Abend.«

»Oh.« Sie wurde ein bisschen rot. Sie blickte auf den Diamantring an ihrem linken Ringfinger. Seit drei Monaten war sie mit Moran verlobt, und manchmal fragte sie sich, wie sie eigentlich die Braut dieses tüchtigen jungen Mannes geworden war. Trant beobachtete sie gleichmütig.

»Kommst du rechtzeitig zum Essen zurück?«

»Ich hatte es eigentlich nicht vor«, sagte sie zögernd. »Ich wollte mit Ada sprechen.«

»Ich begreife nicht, warum du so viel Zelt bei Ada verbringst.« Ruth lächelte. »Nun, sie ist eine Frau - und davon gibt es nicht viele hier; wenigstens nicht viele, mit denen ich befreundet sein kann. - Bei Trigg wohnt übrigens zurzeit ein Mädchen. Ich habe sie heute gesehen, als ich vorbeifuhr. Ich muss herausbringen, wer sie ist. - Auf jeden Fall habe ich Ada gerne. Sie - sie ist modern und ziemlich jung.«

»Moran mag sie nicht«, erklärte er trocken.

»Gelegentlich besucht er sie aber. Ich habe ihn nämlich schon zweimal dort getroffen.«

Trant überlegte. »Tatsächlich? Das ist interessant. Als sie noch für mich arbeitete, konnte Moran sie nicht ertragen. Vielleicht machen die tausend Pfund Im Jahr den Unterschied. Lee ist ein kleiner Snob.«

»Lee ist vieles«, entgegnete sie ruhig, »aber er hat Charakter.« Daran war etwas Wahres, denn Lee Moran besaß mit vierzig Jahren eine halbe Million, und das bewies seine Fähigkeiten; er hatte in einer Versicherung angefangen und sich aus eigener Kraft emporgearbeitet.

Trant nickte. »Das stimmt. Moran hat Charakter - genug für zwei. Er wird ein guter Ehemann werden.« Er nahm die Zigarre aus dem Mund, betrachtete sie misstrauisch und steckte sie dann wieder zwischen die Zähne. »Lee ist ein anständiger Kerl. Vielleicht ein bisschen hart, aber man muss hart sein, wenn man zu Geld kommen will. Ich bin es auch gewesen - und ich habe mehr als er.« Er lachte. »Eines schönen Tages wirst du eine reiche Frau sein.«

»Wie meinst du das, Onkel Lester?«

Er kratzte sich am Ohr. »Ich lebe nicht ewig.«

»Du bist doch noch ein junger Mann«, erwiderte sie lachend. »Mach dich nicht lächerlich, Onkel!«

»Ich bin zweiundsechzig«, meinte er nachdenklich. »Das ist nicht so alt. Aber wer weiß, was die nächsten Jahre bringen? Kannst du mir das sagen?«

Sie schüttelte den Kopf. »Sprich nicht so, Onkel Lester. Ich mag das nicht. Ich habe doch nur dich.«

»Vielleicht - im Augenblick. In ein oder zwei Jahren wirst du deine eigene Familie haben, große Verantwortung und viele andere Menschen, um die du dich kümmern musst. Ich weiß, wie es im Leben geht.« Er warf seine Zigarre in den Kamin. »Schön, Ruth. Du musst zusehen, dass du fortkommst. Vergiss die Verabredung mit Moran nicht.«

Sie nickte und ging zur Tür. »Und vergiss du die Eiche nicht.« Er lächelte. »Keine Angst. Ich rufe gleich Caley an und ziehe den Auftrag zurück.«

Er griff nach dem Telefon. Im gleichen Augenblick klopfte es.

»Herein.«

Rizzuto trat ein. »Entschuldigen Sie, Mr. Trant, aber Roofer wartet draußen auf Miss Ruth.«

Das Mädchen wandte sich ihm zu. »Oh, der Wagen war also doch in Ordnung?«

»Roofer sagte es mir eben. Ich glaube nicht, dass viel gefehlt hat. Irgendeine Einstellung am Vergaser.«

Trant hatte den Hörer wieder aufgelegt. »Es ist besser, wenn du dich beeilst, Ruth. Ada wartet nicht gerne.« Er starrte den jungen Mann an. »Übrigens, Rizzuto, Miss Ruth erzählt mir, dass bei Trigg eine junge Dame wohnt. Sie kommen doch oft zu Trigg. Wer ist sie?«

Für eine Sekunde flammte das Gesicht Rizzutos blutrot auf. »Eine junge Dame, Sir?«

Trant nickte. »Ja. Ein auffallender Typ. Ich habe sie gestern selbst gesehen. Ich wusste bei dieser Gelegenheit noch nicht, dass sie bei Trigg wohnt. Ich dachte mir, dass ein Mann wie Sie inzwischen alles über sie in Erfahrung gebracht haben dürfte.« Der Sekretär lächelte schwach. »Natürlich! Das muss die junge Dame sein, die neulich aus London hierherkam. Ich habe sie noch nicht gesehen, aber Trigg erzählte mir von ihr. Eine Miss Dreever, sagte er.«

»Ist sie eine Kellnerin?«

Rizzuto schoss wieder das Blut ins Gesicht.

»Ich glaube, sie ist bei der Bühne, Mr. Trant.«

»Das kann ich mir gut vorstellen«, sagte Lester Trant und entließ beide mit einer Handbewegung.

 

 

 

Zweites Kapitel

 

 

Rizzuto schloss die Tür. Seine Wangen brannten immer noch. »Mr. Trant hat sich über irgendetwas aufgeregt«, meinte er. Ruth Conway sah ihn sonderbar an. »Ich glaube auch. Onkel Lester kann sehr ungemütlich sein. - Also, David, ich gehe jetzt. Vielen Dank, dass Sie den Wagen bestellt haben.«

Sie ging die Treppe hinunter, wobei sie sich im Stillen fragte, warum Lester Trant Rizzuto als Blitzableiter für seine schlechte Laune benützte. Es war nicht das erste Mal, dass der Hausherr in einem derartigen Ton mit seinem Sekretär sprach.

In der Garderobe nahm sie einen weißen Regenmantel vom Haken, schlüpfte hinein und trat durch die Haupteingangstür ins Freie. Roofer war bereits mit dem großen Wagen vorgefahren und stand in seiner sauberen blauen Uniform neben der offenen Tür. Ais sie herankam, legte er die Hand an die Mütze. »Guten Tag, Miss. Mr. Rizzuto sagte, dass sie nach Oak Cottage wollten.«

»Ja, fahren Sie mich bitte hin, Roofer.« Sie blickte auf die Uhr. »Sie können mich dann gegen sechs Uhr wieder abholen.« Sie stieg ein und lehnte sich zurück. Roofer setzte sich ans Steuer. Sie starrte auf seinen Hinterkopf, als er die Hauptstraße entlangfuhr. Der Chauffeur hatte etwas außergewöhnlich Sauberes und Ordentliches an sich. Er war neu hier. Rizzuto hatte ihn vor einer Woche aus London mitgebracht, und Lester Trant fand nichts an ihm auszusetzen.

Die Luft roch nach Regen. Der Novemberhimmel war grau und tief verhangen; auf der Windschutzscheibe schlug sich ein feiner Sprühnebel nieder. Sie beobachtete Roofer, als er die Taste für die Scheibenwischer drückte. Eine Weile hörte sie dem stetigen Surren zu, dann sagte sie: »Glauben Sie, dass es Ihnen hier gefallen wird, Roofer?«-  

Er blickte kurz in den Rückspiegel. »Ja, Miss, ich denke schon.«

»Nach London wird es Ihnen hier ein bisschen langweilig sein.«

Roofer hustete. »Ich habe genug von der Stadt, Miss. Sie geht einem auf die Nerven, Übrigens bin ich schon in ruhigeren Steilen gewesen. Ich fuhr zwei Jahre für einen Herrn in Devon - dort war es noch bedeutend stiller als hier in Wood Lynn.«

»Das wusste ich nicht. David sagte, Sie kämen aus London.« Roofer schüttelte den Kopf. »Nicht ganz, Miss. Ich bin ungefähr zwei Monate in London gewesen. Der alte Mr. Monsor starb im Sommer, und ich stand ohne Stellung da. Ich fuhr nach London, um mich dort nach Arbeit umzusehen, aber ich blieb nicht lange. Nein - ich bin auf die Städte nicht scharf.«

Er lenkte den Wagen auf einen schmalen Landweg, der zu beiden Seiten mit jungen Buchen bepflanzt war.

»Das kleine Haus da, wo der Wald anfängt, Miss?«

»Ja. Man kann den Rauch aus dem Kamin von hier aus sehen.«

Kurze Zeit später hielt der Wagen vor dem Haus, -dessen oberes Stockwerk aus Holz gezimmert war. Durch die hohen Fenster konnte sie den Widerschein des Kaminfeuers auf den hellgetünchten Wänden sehen. Ein Schatten glitt durch das Zimmer. Als ihr Roofer aus dem Wagen half, öffnete sich die Haustür, und sie erkannte die schlanke Gestalt Ada Humes, die ein langes Hauskleid trug.

»Guten Tag, Ruth. Ich komme nicht heraus. Es regnet in Strömen.«

Ruth lachte. »Natürlich nicht. Ich komme schon. Vielen Dank, Roofer. Sie holen mich um sechs Uhr hier ab?«

Roofer starrte zum Haus hinüber. »Sechs Uhr, sagten Sie? Selbstverständlich, Miss.«

Er setzte sich in den Wagen, fuhr die Auffahrt zum Haus entlang und wendete dort. Einen Augenblick später entfernte sich das Auto in Richtung Wood Lynn, und Ada Hume führte das Mädchen in ihr helles Wohnzimmer.

»Wirf deinen Mantel irgendwohin, Ruth! Setz dich an den Kamin! Ella hat den ganzen Morgen Balken gesägt, und jetzt türmen sie sich berghoch. Ich habe gerne ein großes Feuer. Lege die Beine auf den Schemel. Ich sage nur Ella schnell, dass sie jetzt den Tee machen kann.«

Sie ging zur Küche, während es sich Ruth vor dem Feuer bequem machte.

Kurz darauf kam Ada Hume zurück. Sie war groß, blond und auf ihre Art äußerst reizvoll. Sie musste einmal ein außergewöhnlich schönes Mädchen gewesen sein. Ihre blauen Augen strahlten, als sie das Zimmer betrat.

»So, das hätten wir. Ella kocht uns Tee. Ich habe mich schon gefragt, ob du diese Woche vorbeikommen würdest. Heute Morgen traf ich Rizzuto in Wood Lynn. Beinahe hätte ich ihn gefragt.«

»Ja, ich wollte unbedingt herüberkommen.«

»Aber Mr. Trant hatte etwas dagegen, nicht wahr?«

Ruth Conway wurde rot. »Nein, das möchte ich nicht sagen. Onkel Lester ist in manchen Dingen sehr eigenartig, aber er hindert mich nie, das zu tun, was ich will.«

Ada Hume nickte nachdenklich. »Ich glaube, du hast recht.« Sie schwieg eine Weile. »Er wollte, dass ich drüben in seinem Haus bleibe«, sagte sie langsam. »Habe ich dir das schon erzählt?«

Ruth schüttelte den Kopf. »Nein. Warum bist du nicht geblieben?«.

»Weil ich nicht wollte, Ruth. Ich habe in meinem Leben vieles getan, was ich nicht hätte tun dürfen, aber ich tat nicht sehr oft, was ich nicht wollte. Jedenfalls bat mich Lester Trant zu bleiben. Als Onkel Mark starb, hatte ich mich entschieden. Tausend Pfund im Jahr, das ist eine beträchtliche Summe, wenn man sein ganzes Leben für vierhundert pro Jahr gearbeitet hat.«

»Wahrscheinlich«, meinte Ruth. »Aber warum bist du hier geblieben?«

»Damals stand Oak Cottage gerade zum Verkauf«, sagte Ada Hume lachend, »und ich machte ein gutes Geschäft. Genau so ein Haus wollte ich haben. Ich hatte immer eine Vorliebe für das Landleben; andererseits wollte ich nahe genug bei London sein, um es ohne Schwierigkeiten erreichen zu können. Dieses Haus war gerade richtig für mich. Ich glaube nicht, dass es deinem Onkel gepasst hat.«

»Onkel Lester ist ein guter Kerl, aber er will alles nach seinem Willen haben«, meinte Ruth.

»Eben. Wollen wir das nicht alle?«, erwiderte Ada. »Es war sehr schwierig, ihm etwas recht zu machen. Eines muss man ihm allerdings lassen: Er war gerecht. Wenn er einen Fehler machte, versuchte er nie, einen anderen damit zu belasten. Das ist immerhin etwas.« Sie schwieg einen Augenblick. »Wie kommt Rizzuto mit seiner Stellung zurecht?«

»Er scheint zu entsprechen.«

»Das klingt so vorsichtig, Ruth«, meinte Ada lachend. »Rizzuto müsste für Lester Trant der ideale Sekretär sein. Er sieht so bescheiden aus. Stammt er aus London?«

»Ich glaube schon.«

Ada runzelte die Stirn. »Irgendwie habe ich das Gefühl, ihn schon einmal gesehen zu haben.« Sie sah plötzlich auf, als sich die Tür öffnete. »Da kommt Ella.«

Das große, magere Dienstmädchen schob einen Teewagen in das Zimmer.

»Guten Tag, Miss Ruth«, sagte sie. »Ich habe Plätzchen für Sie gebacken. Miss Ada hat mir erzählt, dass Sie solche gern mögen.«

»Danke, Ella«, erwiderte Ruth lächelnd. »Sie schmecken großartig.«,

Nachdem das Dienstmädchen gegangen war, meinte sie: »Ella ist wirklich eine Perle. Ich wünschte, wir hätten jemand wie sie m unserem Haus.«

»Ein Mädchen wie Ella findet man nicht jeden Tag. Sie war schon zwanzig Jahre bei Onkel Mark.« Sie stand auf, um den Tee einzugießen, dann fragte sie: »Wie lange ist Rizzuto schon bei euch?«

»Ungefähr sechs oder sieben Monate.«

»Das dürfte stimmen«, meinte Ada nachdenklich. »Ich war damals in Frankreich. Als ich von hier wegfuhr, arbeitete noch dieser unmögliche Daly bei Trant. - Übrigens, ihr habt ja auch einen neuen Chauffeur. Wie heißt er denn?«

»Roofer. Er kam vorige Woche.«- »Er sieht recht nett aus.«

»Das finde ich auch. Er hat mich ein paarmal in die Stadt gefahren. Für einen Chauffeur wirkt er recht intelligent. Ich mag ihn.«

»Woher kommt er?«

»Seine letzte Stellung hatte er in Devon. Rizzuto gab eine Anzeige in der Zeitung auf. Ich glaube, dass eine Stellenvermittlung beteiligt war. Sicher bin ich nicht. Es gefällt ihm hier - jedenfalls sagte er mir das, als wir herüberfuhren.«

»Nun, es ist ziemlich unwichtig. - Sag mir lieber, wann die Hochzeit stattfindet.«

Ruth Conway wurde rot. »Ich - ich weiß noch nicht genau.«

»Du schiebst sie hinaus«, erklärte Ada lachend. »Erzähle mir nur nicht, dass du dich vor der Verantwortung des Ehelebens fürchtest?« Sie beugte sich vor und legte ihren Arm um die Schultern des jungen Mädchens. »Gestern war Lee hier. Ich versuchte, ihn auszuhorchen, aber dieser Mann hat ja keine Phantasie, oder aber er hält mich für eine Klatschbase und will mir kein Gesprächsthema liefern.«

Einen Augenblick herrschte Schweigen, dann fragte Ruth: »Magst du Lee, Ada?«

»Ich glaube schon«, erwiderte Ada nachdenklich. »Er wirkt ziemlich herrisch auf einen Menschen wie mich. Du merkst das nicht, weil du jung genug bist, um alles übersehen zu können, was dir nicht gefällt. Bei mir ist das ganz anders. Lee kann sehr charmant sein, aber ich möchte nicht zu seinen Feinden gehören.« Sie fröstelte. »Er kann furchtbar wütend werden - aber das weißt du ja. Übrigens ist er ein Typ, den auch die meisten Männer mögen.«

»Das stimmt«, sagte Ruth. »Sogar Onkel Lester kann ihn gut leiden, und er ist nicht sehr freigebig mit seiner Zuneigung.«

»Möglich«, meinte Ada lächelnd. »Sie haben viel gemeinsam - sogar dich.« Sie stand auf, um heißes Wasser zu holen.

Als sie zurückkam, erklärte sie: »Ich habe die Absicht; Ende des Monats wegzufahren, spätestens jedoch Anfang Dezember.«

»Machst du Ferien?«, fragte Ruth interessiert. »Wie schön. Ich wünschte, ich...«

»Du möchtest mitfahren?«, unterbrach Ada lackend. »Das glaube ich dir. Ich fahre auf kurze Zeit in die Vereinigten Staaten. Dort lebt eine Verwandte von mir, die mich gerne wiedersehen möchte. Ich sehe keinen Grund, warum ich nicht fahren sollte.« Sie schwieg einige Sekunden. »Ich hatte eigentlich vor, das Haus zuzumachen. Wenn ich das tue, nehme ich Ella mit hinüber.«

»Bleibst du lange fort?«

»Das kommt darauf an, wie es mir drüben gefällt«, antwortete Ada achselzuckend. »Die Devisen spielen natürlich eine Rolle, aber meine Verwandte ist sehr reich. So versichert sie mir jedenfalls. Ja, es kann sein, dass ich einige Zeit drüben bleibe. Bis ich wiederkomme, dürftest du schon verheiratet sein.« Ruth schoss wieder das Blut ins Gesicht. »Ich - irgendwie denke ich kaum daran«, gestand sie.

»Nimm einen guten Rat von mir an und mache dich langsam mit diesem Gedanken vertraut«, meinte Ada seufzend und goss Tee nach. »Was wird dein Onkel tun, wenn du fortziehst?«

»Ich weiß es nicht. Onkel Lester ist sehr selbständig. Hattest du nicht diesen Eindruck, als du bei ihm beschäftigt warst?«

»In mancher Beziehung schon. Er verließ sich in vielen Dingen auf mich, aber das ist bei Sekretären so üblich. Eines Tages wird er es auch bei Rizzuto tun. Wie behandelt er ihn eigentlich?«

»Er ist gar nicht nett zu ihm«, erwiderte Ruth stirnrunzelnd. »Das macht mir Sorgen. An David ist irgendetwas Rührendes. Onkel Lester neigt dazu, ihn auszunützen. Heute hat er sich schrecklich aufgeführt, dabei war eigentlich nichts los. Ein paar Worte über ein Mädchen, das bei Trigg wohnt; das war alles.«

»Bei Trigg? Ein blondes Mädchen, Anfang Zwanzig? Das muss das Mädchen sein, dem ich gestern im Wald begegnet bin. Kennt Rizzuto sie denn?«

»Ich glaube nicht.«

»Dann wird es nicht mehr lange dauern. Er ist mit Trigg befreundet.« Ada Hume lächelte schwach. »Er besucht ihn, um auf seiner Geige zu spielen - so erzählt mir Ella. Sie hört den ganzen Dorftratsch.« Plötzlich horchte sie auf. »Hält da nicht ein Auto?«

Ruth blickte zum Fenster hinaus.

»Roofer ist zurück«, sagte sie. »Die Zeit ist sehr schnell vergangen, nicht wahr? Ich muss jetzt gehen. Lee besucht uns heute Abend.«

Sie erhob sich. Ada Hume half ihr in den Mantel. Draußen regnete es. Sie konnten das gleichmäßige Prasseln an der Glastür hören. Im Hausflur nahm Ada einen Regenumhang von der Garderobe und legte ihn sich um Kopf und Schultern. Sie machte die Tür auf und starrte in die Dunkelheit hinaus.

»Scheußliches Wetter«, sagte sie. »Ich bringe dich hinaus, weil ich sowieso zum Hügel hinauf und das Geflügel für die Nacht einsperren muss. Damit will Ella nichts zu tun haben.« Sie nahm einen kleinen Schlüssel vom Haken und ergriff Ruth beim Arm.

Gemeinsam, traten sie in die Dunkelheit hinaus. Der Regen peitschte ihnen ins Gesicht; der Wind zerrte an ihren dünnen Mänteln. Kurz darauf erreichten sie den schützenden Wagen.

Roofer machte die Tür weit auf. »Er wird schlimmer, Miss Ruth. Sieht nach einem Sturm aus. Gefällt mir gar nicht, Miss.«

Ada Hume beugte sich vor und küsste Ruth auf die Wange. »Gute Nacht, Liebes. Besuch mich bald wieder!«

»Gute Nacht«, sagte Ruth. Sie setzte sich in den Wagen und beobachtete Roofer, der vor ihr einstieg, seine Handschuhe auszog und auf den Anlasser trat.

»Die Dame ist verschwunden«, sagte er, beinahe etwas verwirrt.

»Miss Hume?«, meinte Ruth und starrte in das Dunkel. Von Ada Hume war tatsächlich nichts zu sehen. Dann blendete Roofer die Scheinwerfer auf; sie warfen einen hellen Lichtstrahl über den ganzen Hügel. »Dort ist sie«, sagte er.

Ada Flume lief den Hügel hinauf, drehte sich oben um und winkte ihnen, dann verschwand sie auf der anderen Seite.

»Also los, Roofer«, sagte Ruth.

»Ja, Miss«, erwiderte er und fuhr in die Nacht hinein.

 

 

 

Drittes Kapitel

 

 

Die alte Standuhr in der riesigen Eingangshalle schlug acht Uhr. Der ältliche Butler öffnete die Tür zum Arbeitszimmer und meldete Lee Moran.

Trant saß rauchend am Kamin. Er sah auf.

»Guten Abend, Moran. Sie sind pünktlich«, sagte er, erhob sich und gab ihm die Hand.

»Ich bin immer pünktlich, Trant«, erwiderte Moran. »Das ist eine meiner kleinen Eigenschaften. Nein - darauf bilde ich mir nichts ein. Mein alter Herr hat es mir eingeprügelt.«

»Es hat nichts geschadet«, meinte Trant lachend. Er nahm eine Karaffe vom Tisch, füllte ein Glas und brachte es dem jüngeren Mann. »Sie mögen sicher einen Schluck.«

»Allerdings. Ich war den ganzen Tag in London und bin ziemlich erschöpft. - Übrigens habe ich letzte Woche zwanzigtausend verloren. Das ist viel Geld heutzutage.«

»Dafür haben Sie in der Woche vorher siebzigtausend gemacht«, meinte Trant und bemerkte, wie Moran bei diesen Worten erstarrte.

»Woher wissen Sie das?«

»Ich halte eben meine Ohren offen.«

»Das war eine besonders geheime Sache«, sagte Moran ruhig. »Ich hätte geglaubt, dass nicht einmal sechs Männer in ganz London davon wissen.«

Trants Lippen zuckten. »Wenn es sich um Geld handelt, bringt man immer jemand zum Reden«, erklärte er freundlich.

Als der Butler die Tür öffnete, sah er auf. »Abendessen fertig? Gut, Bale. Wir kommen gleich.« Er leerte sein Glas, während sich Bale zurückzog. »So. Wir wollen Ruth nicht warten lassen.«

Sie gingen zum Speisezimmer. Auch dort brannte ein Feuer im Kamin. Ruth stand davor. Ais sie eintraten, drehte sie sich um.

»Guten Abend, Lee. Ich konnte nicht mehr warten. Ich bin heruntergekommen, um nachzusehen, was es gibt.« Sie streckte ihm die Hand entgegen.

Moran nahm sie und hielt sie einen Augenblick in der seinen.

»Guten Abend. Du siehst heute Abend großartig aus, junge Dame.«

Trant lachte. »Sie war bei Ada. Vielleicht hat sie sich einige Ratschläge geholt.«

»Sie haben Ada nie besonders leiden können, nicht wahr, Trant?«, meinte Moran.

»Eigentlich nicht«, erwiderte Trant achselzuckend. »Sie war zu herrschsüchtig. Ich kann herrschsüchtige Frauen nicht ausstehen. Aber sie war tüchtig, das muss ich sagen. Irgendwie tut es mir leid, dass sie wegging. Ich hätte sie halten sollen, aber leider wollte sie nicht bleiben. Denken Sie an den Ärger, den ich seither mit meinen Sekretären habe! Hartley, Loden, Lacy, Vallings, und wie sie alle hießen. Dabei rede ich noch gar nicht von Rizzuto.«

Moran lachte. Er schob Ruth den Stuhl zurecht. »Sie sind nie zufrieden, Trant. Sie sind zu wählerisch.«

»Das hat sich schon als sehr nützlich erwiesen«, meinte Trant. Er setzte sich und entfaltete seine Serviette. »Was hat Ada heute zu sagen gehabt, meine Kleine?«.

»Sie ist bezaubernd«, erklärte Ruth streng, »und du sprichst nie nett von ihr. Das ist mir immer peinlich, wenn ich zu ihr komme.« Sie sah ihren Onkel an und fügte hinzu: »Sie sagte mir, dass sie wegfahren will.«

»Sie fährt fort?«, fragte Moran überrascht. »Das wusste ich nicht. Wohin denn?«

»Nach Amerika.«

»Hat sie Freunde dort?«, erkundigte sich Trant Interessiert.

»Ja. Eine Verwandte, die sie eingeladen hat.«

Seine Augen wurden unvermittelt kälter. Eine Weile starrte er vor sich hin, dann kniff er die Lippen zusammen.

Moran sah sie über den Tisch an. »Wann findet dieses interessante Ereignis statt?«

»In allernächster Zeit«, erwiderte das Mädchen. »Wahrscheinlich Anfang Dezember.«

»Will sie lange wegbleiben?«, fragte Trant. Seine Stimme klang beinahe dringend.

»Das habe ich sie auch gefragt«, meinte Ruth. »Sie hält es für möglich. Es kommt darauf an, wie es ihr drüben gefällt. Ihre Verwandte ist sehr vermögend.«

»Aha«, sagte Trant. Er wurde plötzlich schweigsam und blieb es während der ganzen Mahlzeit. Als Bale den Kaffee brachte, stand er plötzlich auf. »Ich muss ins Arbeitszimmer«, erklärte er. »Ich erwarte nämlich ein Ferngespräch. Es ist ziemlich wichtig. Wenn ich damit fertig bin, setze ich mich wieder zu euch.« Er verließ den Raum, stieg die Treppe hinauf und blieb im Gang vor dem Arbeitszimmer stehen. Er starrte auf den schmalen Lichtstreifen am unteren Rand der schweren Eichentür. Ganz vorsichtig schlich er heran, ergriff die Klinke und drückte sie leise nieder. Die Tür öffnete sich geräuschlos, und er trat ein. Er lachte leise. »Suchen Sie etwas, Rizzuto?«

David Rizzuto drehte sich blitzschnell um. In seinen dunklen Augen war Angst zu lesen. Er starrte den großen Mann an der Tür einen Augenblick an, während ihm das Blut ins Gesicht schoss.   

»Ja, natürlich, Mr. Trant.«

Trant schloss die Tür hinter sich. »Was denn?«

»Den Sheringham-Bericht. Sie versprachen, ihn bis Samstag für Lorenzo und Fine fertigzustellen.«

Trant ging zum Schreibtisch. Zwei Schubladen standen offen. In einer davon lag eine schwere Geldkassette aus Stahl. Er beugte sich vor, hob sie heraus und stellte sie auf die Schreibtischplatte. Dann nahm er einen Schlüssel aus der Tasche und sperrte die Kassette auf. Er stellte den Deckel hoch und entfernte einen Metalleinsatz. Darunter lagen dicke Bündel von Geldscheinen. Er sah seinen Sekretär an.

»Werfen Sie einen Blick hinein. Rizzuto.«

Der junge Mann hatte sich wieder in der Gewalt. Er starrte überrascht auf den Inhalt der Kassette.

»Das ist eine Menge Geld, Mr. Trant.«

»Das stimmt«, meinte Trant nachdenklich. »Sie erkennen das gleich, nicht wahr? Ich will Ihnen etwas im Vertrauen sagen. Das sind fünftausend Pfund in bar. Direkt vor Ihrer Nase.« Seine Stimme klang spottend. »Sie haben doch nicht zufällig nach Geld gesucht, oder?«

»Nein, Mr. Trant«, erwiderte Rizzuto beleidigt. »Das Geld anderer Leute interessiert mich nicht.«

Trant lachte laut. »So einer sind Sie also? Nun, ich wundere mich. Das entspricht eigentlich nicht dem Eindruck, den ich von Ihnen habe.« Er schloss die Kassette. »Na gut, Rizzuto, ich kann mich täuschen. Ich kann, mich täuschen - aber ich könnte auch recht haben. Ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit folgendes sagen: Wenn ich auch nur einen Penny vermisse, solange Sie bei mir angestellt sind, bringe ich Sie ins Gefängnis.« Er starrte den kleineren Mann grimmig an. »Ich rede gern deutlich. Sie verstehen mich doch, nicht wahr?«

Rizzuto nickte stumm.