Diamonds For Love – Betörende Blicke - Layla Hagen - E-Book
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Diamonds For Love – Betörende Blicke E-Book

Layla Hagen

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Beschreibung

Wenn dein Herz in Flammen stehtAlice Bennett weiß, dass Nate Becker tabu ist, schließlich ist er der beste Freund ihres ältesten Bruders. Schon als Teenager fand sie den gut aussehenden Nate unwiderstehlich, und ihn nach all den Jahren wiederzusehen sorgt bei ihr für heftiges Herzklopfen. Was als heiße Liaison beginnt, könnte die große Liebe werden. Aber dann erfährt Nate, dass er in zwei Wochen in das ferne London ziehen soll, um seinen Traumjob in einer Fernsehproduktionsfirma anzutreten. Steht ihnen ihre letzte gemeinsame Nacht bevor?

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Aus dem Amerikanischen von Vanessa Lamatsch

ISBN 978-3-492-99156-8© Layla Hagen 2017Titel der amerikanischen Originalausgabe:»Your Alluring Love«, CreateSpace Independent Publishing Platform, 2017© der deutschsprachigen Ausgabe:Piper Verlag GmbH, München 2018Covergestaltung: zero-media.net, MünchenCovermotiv: FinePic®, MünchenDatenkonvertierung: Uhl + Massopust, Aalen

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Inhalt

1 Nate

2 Alice

3 Nate

4 Alice

5 Nate

6 Alice

7 Nate

8 Alice

9 Nate

10 Alice

11 Nate

12 Alice

13 Alice

14 Nate

15 Alice

16 Alice

17 Nate

18 Alice

19 Nate

20 Alice

21 Nate

22 Alice

23 Nate

24 Alice

25 Nate

26 Alice

27 Nate

28 Alice

29 Nate

30 Alice

Epilog

1 Nate

»Jedes Mal, wenn ich zu Besuch komme, ist diese Familie noch größer geworden.« Ich traue meinen Augen kaum, als ich mich an diesem Abend im Raum umsehe. Mit neun Kindern war der Bennett-Clan immer schon groß, doch jetzt, da sich die Hälfte von ihnen verlobt hat oder bereits verheiratet ist und Nachwuchs bekommt, überwältigt mich die Anzahl der Leute in diesem Wohnzimmer.

»Mit uns kommt einfach nie Langeweile auf«, meint Sebastian.

»Tut mir leid, dass ich deine Hochzeit verpasst habe.« Ich kenne Sebastian, den ältesten der Bennett-Geschwister, seit der Highschool. Wir wurden schnell beste Freunde. Jahrelang war ich regelmäßiger Gast im Haus seiner Familie, dann musste ich wegen meines Jobs als leitender Produzent beim Fernsehen ständig verreisen und verpasste irgendwie den Anschluss. Schuldgefühle nagen an mir, weil ich bei kaum einem Großereignis der Bennett-Familie in den letzten Jahren dabei war. »Ich bin froh, dass ich es geschafft habe, mich mit euch zu treffen, bevor ich wieder aufbrechen muss.«

»Eine Schande, dass du nur drei Wochen in der Stadt bleibst. Wir sollten …« Sebastian drückt meine Schulter, doch dann bricht er mitten im Satz ab, weil sein Vater um Ruhe bittet.

Mr Bennett hält eine kurze Rede, in der er die Frau über den grünen Klee lobt, mit der er seit vierzig Jahren verheiratet ist. Ihr Geburtstag ist der Grund für diese Zusammenkunft. Ich lächele, als ich mir vorstelle, wie Sebastians Mutter reagieren wird, wenn sie später mein Geschenk öffnet. Ich wollte ihr eine ganz besondere Freude machen, weil ich den Bennetts so viel verdanke. Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich dreizehn war, beide gründeten Jahre später neue Familien. Ich allerdings passte in keine davon hinein. Doch die Bennetts behandelten mich stets, als wäre ich einer von ihnen.

Nach der Rede fängt Sebastians Ehefrau Ava seinen Blick auf und deutet auf ihren zehn Monate alten Sohn Will, den sie auf dem Arm trägt.

»Wir reden später«, sagt er, bevor er zu seiner Frau geht.

Ich steuere auf die improvisierte Bar zu, in der Absicht, mir einen Drink zu holen und mich dann kurz mit jedem der Bennetts zu unterhalten. Ich habe seit meiner Ankunft nur mit wenigen von ihnen geredet, aber ich will alle erwischen. Sie sind für mich wie Geschwister … na ja, abgesehen von Alice. Sie ist Sebastians jüngere Schwester. Zuerst habe auch ich sie als Schwester betrachtet. Als kleine Nervensäge. Doch dann wuchs sie zu dieser unglaublichen Frau heran und ich konnte fortan nie wieder mit platonischen Gefühlen an sie denken.

Wenn man vom Teufel spricht …

Alice steht an der Bar, als ich näher komme, und schenkt sich einen Drink ein. »Der verlorene Sohn kehrt zurück«, sagt sie, als sie mich entdeckt. Ein strahlendes Lächeln prangt auf ihrem Gesicht.

Ich bleibe direkt neben ihr stehen. Verglichen mit meinen ein Meter fünfundachtzig Körpergröße ist Alice winzig. Ihr hellbraunes Haar ist zu einem Knoten zusammengebunden und die Kurve ihres Halses wirkt einladender, als es der Fall sein sollte.

»Hi, Alice.«

»Was willst du trinken?«

»Bourbon on the rocks.«

»Kommt sofort.«

»Ich kann mir den Drink selbst mixen.«

Sie hebt eine Hand, um mich aufzuhalten. »Nein, nein. Ich muss an meinen Fähigkeiten hinter dem Tresen arbeiten.«

»Warum? Ich dachte, Blake ist derjenige, der eine Bar führt«, sage ich, womit ich mich auf einen ihrer jüngeren Brüder beziehe. Soweit ich weiß, hat Alice ein Restaurant.

»Blake und ich eröffnen gemeinsam einen Laden mit großem Barbereich vorn und einem Restaurant im hinteren Teil. Ich will in der Lage sein, die Bar zu übernehmen, wenn Blake mal nicht da ist. Man weiß nie, wann man solche Fähigkeiten brauchen kann.«

»Außerdem willst du dafür sorgen, dass du hinter der Bar besser bist als er, oder?«

»Nate Becker! Wage es nicht, über meinen Perfektionismus zu spotten, oder du wirst dafür bezahlen!«

Ach, wie ich Alice’ Art vermisst habe. Sie hält mich immer auf Trab und ich weiß nie, was als Nächstes über ihre Lippen kommt.

»Verzeih mir.«

Bei meinem übertrieben reumütigen Tonfall zieht sie eine Augenbraue hoch. »Willst du nicht noch einen Knicks machen?«

»Falls es nötig sein sollte, natürlich. Wenn es eine Person gibt, von der ich glaube, dass sie mich umbringen und im Anschluss dafür sorgen könnte, es wie einen Unfall aussehen zu lassen, dann bist du das.«

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich beleidigt sein oder mich geschmeichelt fühlen soll.« Sie lässt ein paar Eiswürfel in ein Glas fallen und schüttet Bourbon darüber.

»Definitiv geschmeichelt. Und jetzt erzähl mir, was ihr plant.« Ich lasse mich auf einen der Stühle neben der Bar fallen. Alice setzt sich neben mich und berichtet mir alles über ihre Pläne. Ich bin tief beeindruckt von ihrem Erfolg. Andererseits habe ich sie schon immer bewundert. Obwohl Sebastian und Logan eine der größten Firmen für Schmuck in den Staaten gegründet haben, wollte Alice immer etwas Eigenes haben.

»Du bist erstaunlich. Ich kann nicht glauben, wie viel ich verpasst habe«, sage ich, nachdem sie zu Ende erzählt hat.

»Dann richte dich hier endlich mal längerfristig ein!«, ruft sie. »Wirst du diesmal in der Stadt bleiben?«

Ich schüttele den Kopf und nippe an meinem Whiskey. »In drei Wochen ziehe ich nach London.«

Sie schlägt die Augen nieder und betrachtet ihr Glas. »Du ziehst weg? So richtig?«

»Ja. Ich habe den Job als Produzent für The 300 bekommen.«

The 300 ist eine international erfolgreiche, seit langer Zeit laufende englische Serie und es hat mich Jahre der harten Arbeit gekostet, es ans Ruder dieses Schiffes zu schaffen.

»Gratulation.«

Ich stoße sie leicht mit dem Ellbogen an. »Du könntest versuchen, ein wenig enthusiastischer zu klingen.«

»Ich freue mich für dich. Ich weiß doch, wie sehr du die Serie liebst. Aber von jetzt an werden wir dich noch seltener zu Gesicht bekommen, oder? Ich bewundere Leute, die einfach umziehen können, wenn sie den perfekten Job gefunden haben. Wirst du dich nicht einsam fühlen? Andererseits bist du wahrscheinlich schon daran gewöhnt, bei deinen ständigen Reisen.«

Ihre Frage ist berechtigt und ich habe sie mir selbst auch schon gestellt. Die Wahrheit lautet: In all den Jahren, in denen ich durch das Land getingelt bin, habe ich mir immer ausgemalt, dass ich mich eines Tages in San Francisco niederlassen würde. Doch dann eröffnete sich mir diese einmalige Gelegenheit. Und ich werde sie nicht an mir vorbeiziehen lassen, nur weil ich deswegen ein neues Leben in Europa beginnen muss. Aber verdammt, ich hätte mich gefreut, wenn dieser laute, übermütige Clan wieder eine größere Rolle in meinem Leben gespielt hätte, so wie es früher der Fall war.

»Du kannst mich besuchen kommen«, schlage ich ihr vor.

»Das würde ich gern tun. Die Briten und ihr Akzent sind unbeschreiblich sexy.«

Ich umfasse mein Glas fester, weil mir die Vorstellung von Alice mit einem anderen Mann gar nicht gefällt – was lächerlich ist. Zwischen ihr und mir herrscht seit langer Zeit ein gefährliches Knistern. Wir flirten eigentlich immer. Aber sie gehört nicht zu mir. Ich darf keinen Anspruch auf sie erheben. Dieses Mantra wiederhole ich ein paar Mal in Gedanken, während Alice nachdenklich auf ihrer Unterlippe herumkaut.

»Du kannst bei mir wohnen, wenn du mich besuchen kommst«, schlage ich vor, um die Stille zu füllen.

»Danke. Ich mag Hotels nicht besonders. Da ist mir die Couch eines Freundes auf jeden Fall lieber.«

Ich beuge mich ein wenig vor, den Blick immer noch auf ihre Unterlippe gerichtet. »Du kannst sogar mein Bett haben.«

Alice schnappt nach Luft, dann fängt sie an zu lachen.

»Das habe ich nicht gemeint«, sage ich hastig. »Ich wollte damit sagen, dass du im Bett schlafen kannst und ich auf die Couch umziehe.«

»Was für ein Gentleman!«

»Wie soll ich sonst mit diesen Briten und ihrem süßen Akzent mithalten?«

Alice braucht ein paar Sekunden, um sich wieder zu beruhigen, dann schenkt sie mir ein strahlendes Lächeln. »Und ich wollte dich gerade für den schlechtesten Anbaggerspruch der Geschichte aufziehen. Bist du dir sicher, dass du es nicht doch so gemeint hast, wie ich es verstanden habe?«

Ihre Wangen glühen und Röte breitet sich über ihren wunderschönen Hals aus, was mir verrät, dass ich nicht der Einzige bin, der darüber nachgedacht hat, die Grenzen der Freundschaft zu übertreten und aus diesem harmlosen Flirt einen gefährlicheren zu machen. Die Dinge, die ich mit dieser Frau im Bett anstellen würde … Verdammt. Ich muss vernünftig sein. Alice hat jemanden verdient, der auf sie aufpasst und dafür sorgt, dass sie immer glücklich ist. Ich bin nicht der Richtige für diese Aufgabe, da ich bald schon wieder abreise.

»So plump würde ich dich nie anbaggern«, ziehe ich sie auf. »Deine Brüder würden mir die Hölle heißmachen.«

Sie drückt sich theatralisch die Hände auf die Brust. »Ich bin zutiefst verletzt. Nachdem du mir erklärt hast, dass du mich für fähig hältst, den perfekten Mord zu begehen, glaubst du also, ich bräuchte meine Brüder, um jemandem so richtig Feuer unter dem Hintern zu machen?«

Lachend schüttele ich den Kopf. Ich lache immer mehr als sonst, wenn Alice in meiner Nähe ist. Sie hebt ihr Glas an die Lippen. Aus einem Impuls heraus ergreife ich ihr Handgelenk und lege meinen Daumen auf ihren Puls. Zufrieden stelle ich fest, dass sich auf ihren Armen eine Gänsehaut bildet.

»Ich habe deine frechen Sprüche vermisst, Alice.«

Sie öffnet den Mund und ich wappne mich schon gegen ihre schlagfertige Antwort, doch Blake stellt sich neben uns, bevor sie auch nur ein Wort sagen kann.

2 Alice

Nate lässt mein Handgelenk in dem Moment los, in dem Blake sich einen Stuhl heranzieht. Meine Haut kribbelt, wo er mich berührt hat. Dieser Mann übt eine viel zu starke Wirkung auf mich aus. Und natürlich hilft es nicht, dass ich seit Jahren für ihn schwärme. Mit dem dunklen Haar, den stechend grünen Augen und seiner schlanken, muskulösen Gestalt ist er der Inbegriff der Versuchung. Das war er schon immer. Und wie guter Wein wird Nathan Becker mit der Zeit nur noch besser.

»Alice, nimm Nate nicht so in Beschlag«, sagt Blake. »Es ist ziemlich schwer, ihn mal für eine Sekunde für sich zu haben.«

»Sie hat mir gerade erzählt, dass ihr zusammen einen Laden aufmacht«, sagt Nate.

Mein Bruder erzählt von unseren Plänen und ich muss lächeln, als ich die Begeisterung in seiner Stimme höre. Ich habe über die Jahre zwei Restaurants eröffnet, aber bei diesem dritten habe ich zum ersten Mal einen Co-Inhaber. Ich kann es kaum erwarten, mit meinem Bruder zusammenzuarbeiten. Es wird sicher toll, den Laden mit jemandem zu führen, dem ich vertraue.

»Wie fändet ihr es, wenn das Restaurant in Delicious Dining gezeigt wird?«, fragt Nate.

»Ich würde meine Eier dafür opfern«, sagt Blake ernst.

»Danke für diese bildliche Vorstellung, Brüderchen.« Ich wende mich an Nate und füge hinzu: »Das wäre eine tolle Werbung für uns. Aber eigentlich zeigen sie in der Sendung nur Promilokale oder Restaurants mit Michelin-Sternen.«

»Es ist nicht mein Gebiet, aber ich kann dem Sender den Vorschlag trotzdem mal unterbreiten. Ihr habt sicher gute Chancen. Wir werden uns ein paar Mal treffen müssen, um allerlei Details zu besprechen, aber das müsste sich in den drei Wochen schaffen lassen, in denen ich noch hier bin.«

»Danke. Das wäre toll«, antworte ich. Bei der Erinnerung an seinen baldigen Aufbruch wird mein Herz schwer. Ich finde diesen Mann schon seit Ewigkeiten toll. Am Anfang war er einfach nur der Freund meines älteren Bruders, doch über die Jahre wurde er auch zu meinem Freund. Ich habe keine Ahnung, wann aus dieser Freundschaft mehr geworden ist, aber so ist es nun einmal.

Verdammt, wann immer ich mich in seiner Nähe aufhalte, kribbelt mein Körper. Es hilft auch nicht, dass er alle paar Minuten entweder meinen Hals oder meine Brüste anstarrt. Fast überrascht es mich, dass Blake noch keinen bissigen Kommentar dazu abgegeben hat, andererseits kümmert er sich um so etwas auch nicht. Es sind meine älteren Brüder, die ständig die Beschützer spielen müssen.

»Wie wäre es, wenn Alice und ich uns nächste Woche mit dir im Blue Moon, also dem neuen Laden, treffen?«, schlägt Blake vor. »Wir haben noch nicht eröffnet, aber du könntest dich mal umsehen, während wir alles besprechen.«

»Tolle Idee«, antwortet Nate.

Wir plaudern noch ein paar Minuten. Dann kommt Dad zu uns, offensichtlich will er sich auch mal mit Nate unterhalten. Blake und ich überlassen die beiden sich selbst.

Ich gehe ans andere Ende des Raums, wo meine Schwester Pippa ihre Zwillingstöchter Mia und Elena dabei beobachtet, wie sie einen Turm aus Bauklötzen bauen. Die Mädchen sind letzten Monat zwei Jahre alt geworden und ich liebe sie über alles. Als ich zu ihnen stoße, werden sie unruhig und verlieren das Interesse an den Bauklötzen. Pippa hebt Elena hoch und ich schnappe mir Mia. Sie beruhigt sich sofort, sobald ich sie halte, und kuschelt sich an meine Brust. Ich drücke ihr einen Kuss auf den Scheitel und atme den Duft ihrer Haare ein.

»Spuck’s aus«, sagt Pippa, als wir mit den Mädchen in den Armen zur nächstgelegenen Couch gehen.

»Was soll ich ausspucken?«, frage ich unschuldig. Meine Schwester ist die Kupplerin der Familie. Und sie beherrscht ihr Metier. Außerdem weiß sie von meiner Schwärmerei für Nate, weil … na ja … sie einfach alles weiß.

Sie schenkt mir ein hinterhältiges Lächeln. »Dieser gewisse Freund der Familie konnte den Blick kaum von dir abwenden.«

»Außerdem zieht er in drei Wochen nach London.«

Die Hand meiner Schwester erstarrt am Stirnband ihrer Tochter und ihr Lächeln verrutscht ein wenig. »Er zieht weg? Also dauerhaft?«

»Jepp. Während er in der Stadt ist, will er Blake und mir dabei helfen, das Blue Moon bei Delicious Dining unterzubringen. Aber eigentlich will ich heute Abend gar nicht mehr darüber reden.«

Zu meiner Überraschung hakt Pippa nicht nach. Als Mia ihre kleinen Arme um meinen Hals schlingt, um mit mir zu schmusen, gebe ich nur zu gern nach. Meine Belohnung ist ein süßes Kichern von ihr. Ein paar Haarsträhnen lösen sich aus meinem Knoten. Ich liebe Familientreffen … aber in letzter Zeit frage ich mich jedes Mal, wenn ich von so vielen glücklichen Paaren umgeben bin, ob dieses Glück wohl durch das Werfen einer Münze entschieden wird. Manche Leute finden ihre andere Hälfte, andere eben nicht. Und da ich jetzt schon seit über zehn Jahren mit Männern ausgehe, ohne wirklich die Liebe zu finden, frage ich mich langsam, ob irgendetwas mit mir nicht stimmt. Ob ich es aus irgendeinem Grund nicht wert bin, geliebt zu werden. Der Gedanke, dass ich vielleicht nie einen Mann finde, den ich lieben und mit dem ich mein Leben teilen kann, sorgt dafür, dass mir kurz kalt wird.

Mia lacht und ergreift eine der losen Strähnen aus meinem Dutt, um daran zu ziehen.

»Du liebst mich, oder?«, frage ich und reibe meine Nase an ihrer. Ihre Antwort besteht darin, noch fester an der Strähne zu ziehen und lauter zu kichern. Ich beschließe, dass das ›Ich liebe dich, Tante Alice‹ heißt. Andererseits: Sie liebt jeden, der sie durch die Gegend trägt.

»Ich möchte jetzt gern der jüngeren Bennett-Generation vorgestellt werden.«

Nates Stimme überrascht mich. Ich war so auf meine Nichte konzentriert, dass ich gar nicht gemerkt habe, dass er neben uns getreten ist.

»Sebastians Sohn wirkte nicht allzu beeindruckt von mir. Ich hoffe, dass ich bei den Damen mehr Erfolg habe.«

»Natürlich. Wie schön, dich wiederzusehen, Nate«, sagt Pippa. Sie steht von der Couch auf und küsst ihn auf die Wange, ihre Tochter auf der Hüfte.

»Wie hältst du die beiden auseinander?«, fragt Nate mit einem Stirnrunzeln, als er sich die Mädchen ansieht. Ich lache leise, weil Pippa diese Frage ständig beantworten muss. Elena und Mia sind eineiige Zwillinge und tragen heute beide weiße Kleider.

»Gewöhnlich ziehe ich sie unterschiedlich an, heute haben sie aber nur Stirnbänder in verschiedenen Farben. Das ist Elena. Alice hat Mia auf dem Arm.«

Kaum hört sie ihren Namen, löst Mia ihre Arme von meinem Hals und streckt sie in Nates Richtung aus. Diese kleine Verräterin.

»Darf ich?«, fragt er Pippa mit einer Geste auf Mia.

»Mach nur.«

Nate nimmt mir Mia geschickt ab und … Heilige Himmelspforten!

Über die Jahre habe ich Nate schon oft in Situationen gesehen, die seine Sexyness unterstrichen. Beim Fußballspielen – ein Mann, der ein Tor schießt, ist einfach unglaublich heiß. Wie er in unserem Garten mit nacktem Körper Sit-ups gemacht hat – das war das erste Mal, dass ich davon geträumt habe, meine Finger über seine Bauchmuskeln gleiten zu lassen …

Doch Nate mit einem Baby im Arm zu sehen, lässt mich erschaudern. Besonders, als er Mia einen Kuss auf die Stirn drückt, liebevoll und beschützend. Ich mache mein Alter von einunddreißig Jahren dafür verantwortlich. Meine Hormone ticken gerade aus. Als Nate die Hand nach meiner Schulter ausstreckt, um nach dem Stirnband zu greifen, das von Mias Kopf gerutscht ist, verweilen seine Finger ein wenig zu lang an meiner Halsbeuge, als könnte er nicht anders, als mich zu berühren. All meine Sinne schalten in Alarmbereitschaft und meine Nervenenden beginnen zu kribbeln. Kaum zieht er seine Hand zurück, fühlt sich die Stelle, die er berührt hat, kalt an. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Pippa grinsend zwischen uns hin und her sieht.

»Übrigens, Blake hat vorgeschlagen, dass wir uns morgen Vormittag im Blue Moon treffen, um ausführlicher darüber zu reden, wie wir euch bei Delicious Dining unterbringen wollen. Hättest du Zeit?«

»Klingt gut. Zehn Uhr?«

»Perfekt.«

Mia wird unruhig und streckt die Arme nach mir aus. Nate drückt ihr noch einen Kuss auf die Haare, bevor er mir die Kleine zurückgibt.

»Wo ist eure Mom? Mit ihr möchte ich auch noch reden. Ich habe ihr nur kurz gratuliert, als ich gekommen bin.« Er sieht sich im Raum um. »Ah, da ist sie ja.« Mit einem Zwinkern verschwindet er.

»Vergiss nicht zu atmen, wenn er in der Nähe ist«, meint Pippa grinsend.

Verdammt, ich muss mich zusammenreißen. Ich benehme mich total blöd. Dieser Mann wird nie mir gehören. Es wird Zeit, mir einen Eimer mit Eiswasser über den Kopf zu schütten, damit diese Schwärmerei endlich ein Ende findet. Einfacher gesagt als getan … besonders, da ich ihn morgen schon wiedersehen werde.

***

Am nächsten Tag wache ich zu spät auf und verfalle gleich darauf in Panik, als ich versuche, mich für ein Outfit zu entscheiden, das nicht zu optimistisch für Anfang Juni ist. Ich liebe diese Zeit des Jahres. Die Tage sind lang und es regnet selten, auch wenn sich der lästige Küstennebel nach meinem Geschmack etwas zu lange hält, besonders morgens. Trotzdem wird die ganze Stadt von einer ansteckenden Energie durchströmt. Touristen schlendern durch die Straßen und überall finden Festivals statt.

Ich ziehe mir ein hellgelbes Kleid an, dazu Leggins und einen leichten Mantel. Kleider sorgen gewöhnlich dafür, dass ich aussehe, als hätte ich mir mit meinem Aussehen Mühe gegeben, obwohl das gar nicht stimmt. Pflegeleicht ist mein zweiter Vorname, also besitze ich eine Menge Kleider. Bevor ich die Wohnung verlasse, greife ich noch nach einem Paar Ohrringen in Form von kleinen Früchten. Farbenfrohe und seltsam geformte Ohrringe sind mein heimliches Laster, zusammen mit hochhackigen Schuhen.

Um ehrlich zu sein, begann meine Liebe für die hohen Hacken aus reinem Zufall. Was mir an Körpergröße fehlt, mache ich durch Persönlichkeit und Absätze wett. Mir wurde früh klar, dass ich laut sprechen und mich unmissverständlich ausdrücken muss, wenn ich in einer Familie von elf Personen gehört werden will. Diese Fähigkeit hat sich als sehr nützlich herausgestellt, besonders, als ich mich in die Geschäftswelt wagte. Aber laut sein ist nicht immer gut, und die meisten Leute neigen dazu, kleine Menschen zu übersehen. Das ist der Punkt, an dem Absätze von Vorteil sind. Nudefarbene Pumps gehören zur Grundausstattung in meinem Kleiderschrank. Ich kann ein Lächeln nicht unterdrücken, als ich mich daran erinnere, wann ich mein erstes Paar getragen habe: zum Abschlussball vor dreizehn Jahren.

Es war eine der schlimmsten, aber auch eine der besten Nächte meines Lebens. Mitten in der Veranstaltung erwischte ich mein Date dabei, wie er mit einem anderen Mädchen knutschte. Für eine Achtzehnjährige bedeutet das quasi eine Naturkatastrophe, wenn nicht sogar das Ende der Welt. Meinem betrügerischen Begleiter eine saftige Ohrfeige zu verpassen, linderte den Schmerz überhaupt nicht, auch wenn ich mich danach etwas besser fühlte. Dann wurde mir klar, dass ich keine Lust mehr hatte, auf dem Ball zu bleiben. Also fuhr ich nach Hause. Doch als ich dort angekommen war, konnte ich plötzlich das Haus nicht betreten. Ich war hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis, mich schluchzend im Schoß meiner Mutter zusammenzurollen, und dem Wunsch, mich dem Mitleid der anderen nicht auszusetzen. Schließlich endete ich in einer Hängematte im Garten, die versteckt genug hing, dass mich vom Haus aus niemand sehen konnte.

»Was tust du hier?«

Nates Stimme überraschte mich. Eilig wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht. Ich hatte nicht mal gewusst, dass er da war.

»Ich lebe hier«, antwortete ich bissig, bevor ich mich aus der Hängematte kämpfte. »Was tust du hier?«

»Ich habe mir mit deinem Dad zusammen das Basketballspiel angeschaut. Solltest du nicht auf dem Abschlussball sein?«

»Ich habe meine Verabredung dabei gesehen, wie er ein anderes Mädchen geküsst hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er auch die Hand unter ihrem Rock hatte.«

»Zeig mir ein Foto von ihm und ich werde dafür sorgen, dass er morgen ein Veilchen in der Visage hat.«

Ich grinste. Dasselbe hätten meine Brüder gesagt, doch aus Nates Mund hatte es irgendwie eine andere Bedeutung.

»Schon erledigt. Ich hab ihm eine runtergehauen.«

Nate musterte meine tränenfeuchten Wangen. Ich trug wasserfeste Mascara, also sah ich nicht aus wie ein Waschbär … oder zumindest hoffte ich das.

»Wann sollst du wieder zu Hause sein?«

»In drei Stunden.«

Er nickte in Richtung des Gartentors. »Lass uns gehen. Mein Auto steht draußen.«

Aufregung stieg in mir hoch. »Wohin bringst du mich?«

»Einfach raus. Du brauchst eine schöne Erinnerung an den heutigen Abend. Dann sorgen wir jetzt mal für eine.«

Es war das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, er würde mich bewusst wahrnehmen – nicht nur als Schwester seines Freundes. Ich schwärmte schon ein paar Jahre für ihn, aber das hier war etwas anderes. Es fühlte sich erwachsen an und ich fand Nates Idee unglaublich süß.

Er führte mich in ein hippes Restaurant, wo es gute Burger und noch bessere Musik gab. Nach dem Essen nahm Nate meine Hand und zog mich auf die Tanzfläche. Und dann folgten die heißesten Minuten meines Lebens – bis zu diesem Zeitpunkt.

Nate tanzte nicht wie die Kerle an meiner Schule. Er unternahm keine ungeschickten Versuche, meinen Hintern zu begrapschen oder sich an mir zu reiben. Mir wurde klar, dass es daran lag, dass diese Kerle noch halbe Kinder waren, Nate aber ein Mann. Ich war achtzehn, er dreiundzwanzig. Er führte mich mühelos über die Tanzfläche und hielt mich so eng an sich gedrückt, dass seine Brust meine berührte. Seine Hände lagen auf meinen Hüften, wo sie hingehörten, und nur sein fester Griff und die Art, wie seine Lippen hin und wieder über meine Wangen glitten, verrieten, dass er mir gern noch näher gekommen wäre.

An diesem Abend verstand ich zum ersten Mal, was heiße Blicke waren. Und ich wäre fast gestorben vor Hingabe. Aber Nate benahm sich wie der perfekte Gentleman. Als wir gehen wollten, stellten wir fest, dass das Restaurant einen Fotoautomaten hatte. Es war eine kitschige Idee, Schnappschüsse von uns aufzunehmen, aber ich liebte jede verdammte Minute, die wir in dem Ding verbrachten, und besitze heute noch alle Fotos, die an diesem Abend geschossen wurden.

Als Nate mich nach Hause brachte, grinste ich von einem Ohr zum anderen. Er hatte dafür gesorgt, dass ich mich fantastisch fühlte, und dafür vergötterte ich ihn.

***

Um kurz nach zehn betrete ich das Blue Moon und sehe, dass Blake und Nate bereits an einem kleinen, runden Tisch neben dem Tresen sitzen. Der Barbereich ist bisher der einzige Teil, der schon fertig ist; im restlichen Raum fehlt noch ein Großteil des Mobiliars. Doch wenn alles eingerichtet und dekoriert ist, wird der Laden eine absolute Wucht.

»Hey, Jungs.« Ich lege den Mantel ab und werfe ihn über die Lehne eines Stuhls. Dann gehe ich mit hoch erhobenem Haupt und zurückgenommenen Schultern auf die Jungs zu. Das Gespräch bricht ab und beide stehen auf.

»Alice, ich habe auf dich gewartet, damit wir Nate gemeinsam herumführen können. Das ist für dich, ein doppelter Espresso. Als du mir geschrieben hast, dass du zu spät kommen wirst, dachte ich, du hast wahrscheinlich keine Zeit für einen Kaffee.« Er deutet auf einen Pappbecher auf dem Tisch.

»Ooooh, du rettest mir das Leben. Danke.«

»Nee, ich rette uns das Leben.« Blake wedelt mit der Hand. »Wenn du morgens keine zwei Kaffee hattest, bist du immer schlecht gelaunt.«

Was soll ich sagen? Mein Bruder kennt mich. Er drückt mir einen Kuss auf die Wange. Dann drehe ich mich zu Nate um, nur um festzustellen, dass seine Augen über meinen Körper wandern. Als er mir schließlich direkt ins Gesicht blickt, erwärmt sich meine Haut und meine Wangen werden rot. Mist. Der Entschluss, meine Schwärmerei für Nate zu vergessen, hat allem Anschein nach keinerlei Einfluss auf die Reaktion meines Körpers. Es war blöd, zu vermuten, dass ich mich seiner Anziehung durch pure Willenskraft widersetzen könnte … aber man wird ja wohl noch hoffen dürfen.

Als Nate sich vorlehnt, um seine Lippen kurz über meine Wange gleiten zu lassen, befürchte ich, dass meine Haut in Flammen aufgeht. Da er mir so nah ist, bemerke ich, dass er ein wenig nach Seife riecht – und sonst nach nichts. Er trägt kein Aftershave, aber ich schwöre, sein eigener Duft ist der Inbegriff von Erotik. Könnte man ihn in Flaschen abfüllen und verkaufen, würde man damit ein Vermögen machen.

Ich verziehe keine Miene, als er sich wieder aufrichtet, in der Hoffnung, wie eine professionelle Geschäftsfrau zu wirken und nicht wie ein verliebtes Mädchen. Doch so, wie er einen seiner Mundwinkel anhebt, fürchte ich, dass er mich durchschaut hat.

»Lasst uns die Tour starten«, sagt Blake.

In der nächsten Viertelstunde legen wir Nate unsere Vision dar, beschreiben, wie der Restaurantbereich aussehen wird, und zeigen ihm auch die Küche, die bereits fertig ist. Ein oder zwei Mal ertappe ich ihn dabei, wie er mir Blicke zuwirft, die ich nur als hungrig beschreiben kann, doch ich versuche, sie zu ignorieren.

Komm schon, Alice. Du musst diesen Tag irgendwie überstehen. Und dann siehst du Nate wahrscheinlich nicht mehr, solange er hier ist, und im Anschluss verschwindet er aus der Stadt.

Sobald die Führung vorbei ist, setzen wir uns an den kleinen Tisch neben der Bar.

»Was brauchst du noch von uns?«, fragt Blake.

»Ich habe einen Geschäftsbericht«, biete ich an. »Mit Finanzplänen und …«

»Nein, danke. Ich brauche nur ein paar Alleinstellungsmerkmale, damit sie aufmerksam werden. Und ein paar harte Fakten, wie zum Beispiel die Anzahl der Gäste in deinen anderen Restaurants. Aber hauptsächlich brauche ich eine gute Geschichte. Ideen verkauft man nur mit einer Story. Nicht alles, was ihr mir erzählt, wird es auf den Bildschirm schaffen. Wahrscheinlich sogar das Wenigste davon. Aber zuerst muss ich den Sender davon überzeugen, sich für diesen Laden zu entscheiden.«

Nate ist nicht nur gebildet, sondern auch gewieft. Sicher, er kann mit seinem Charme jedes Gespräch beherrschen, aber ich würde darauf wetten, dass er es nicht allein dadurch nach ganz oben geschafft hat. Seitdem ich ihn kenne, hat er sich nie auf eine Diskussion eingelassen, ohne ein paar wirklich gute Argumente zu haben. Ich habe seine Intelligenz immer bewundert.

»Was willst du wissen?«, frage ich.

Nate zieht Block und Stift aus der Ledermappe vor sich – und eine Brille. Ich kann nur mit Mühe ein Seufzen unterdrücken, als er den kantigen schwarzen Rahmen auf seine Nase schiebt. Sein Sex-Appeal schraubt sich gerade in astronomische Höhen. Normalerweise finde ich Männer mit Brille nicht besonders attraktiv, aber ihm steht sie.

»Zuerst einmal, wie ist es dazu gekommen, dass ihr beide gemeinsam einen Laden eröffnet? Der familiäre Zusammenhalt spricht für euch – die Zuschauer würden es lieben.«

Während Blake und ich reden und Nates Fragen beantworten, macht er sich Notizen. Ich kann die Story, mit der er uns bei den Entscheidungsträgern präsentieren wird, beinahe hören.

»Wir sollten noch eine lustige Geschichte aus eurer Kindheit einbauen. So was wirkt bei Projektvorstellungen immer. Wie wäre es mit dem einen Mal, als Blake versucht hat, durchs Fenster zu springen, und sich dabei das Bein gebrochen hat?«

Nate ist fünf Jahre älter als ich, aber ein wenig jünger als Sebastian. Was dafür gesorgt hat, dass er teilweise auch an den Mätzchen der jüngeren Geschwister beteiligt war.

»Wie wäre es mit einer Geschichte, bei der ich nicht wie ein Trottel dastehe?«, meint Blake.

Ach, meine Brüder und ihre Egos.

»Selbstkritik und Humor wirken auf dem Bildschirm immer«, erklärt Nate, doch mein Bruder verzieht nur das Gesicht.

»Wenn du schon dafür sorgen musst, dass ich im Fernsehen wie ein Idiot dastehe, dann erzählt die Geschichte, wie meine Jeans am Zaun hängen geblieben ist und ich der Welt meinen blanken Hintern dargeboten habe.«

Bei der Erinnerung muss ich kichern. Nate lacht leise.

»Ich kann immer noch nicht glauben, dass ihr euch habt erwischen lassen.«

Es gibt zwei Zwillingspaare in meiner Familie. Christopher und Max sind etwas jünger als ich und eineiig. Sie haben ihre Ähnlichkeit so oft wie möglich eingesetzt, um uns Streiche zu spielen, und meistens sind sie sogar damit durchgekommen. Daniel und Blake sind das jüngere Zwillingspaar. Doch die Tatsache, dass sie sich optisch nicht im Mindesten ähneln, hielt sie nicht davon ab, mit Max und Christopher um den Titel der besten Streichespieler zu konkurrieren. Sie allerdings wurden meistens erwischt.

Wir beantworten noch eine gute Stunde Nates Fragen, dann bimmelt Blakes Handy. Er greift danach und sieht stirnrunzelnd aufs Display.

»Verdammt. Ich muss weg. Mein bester Barmann ist krank und jemand muss die Lieferungen in Empfang nehmen.«

»Ich habe schon eine Menge Infos«, antwortet Nate, als er noch einmal seine Notizen überfliegt. Die Brille rutscht ein kleines Stück nach unten. Sofort sehnen sich meine Finger danach, sie wieder hochzuschieben. Meine Güte … Zum Glück ist es nicht so, dass ich nach Gelegenheiten Ausschau halten würde, um ihn zu berühren oder irgendwas.

»Ich kann dir alles erzählen, was du noch wissen musst«, biete ich an, doch zu meinem Entsetzen stelle ich fest, dass Blake mich aus zusammengekniffenen Augen mustert. Ohoh.

»Alice, können wir noch kurz die anstehenden Aufgaben für nächste Woche durchgehen, bevor ich gehe?«, fragt mein Bruder. Das ist offensichtlich ein Vorwand, da wir die Details schon gestern besprochen haben, bevor wir zu Moms Party aufgebrochen sind.

Nate steht auf, die Notizen in der Hand. »Ich gehe mal kurz raus, damit ihr in Ruhe reden könnt.«

Blake verschwendet keine Zeit. Kaum ist Nate aus unserem Blickfeld verschwunden, stürzt er sich auf mich. »Er ist es, richtig?«, fragt er leise. »Der Freund der Familie, auf den du schon seit Ewigkeiten stehst?«

Ich stöhne, stemme die Ellbogen auf den Tisch und lasse das Kinn in die Handfläche sinken. Anscheinend ist mein kleiner Bruder nicht so ahnungslos, wie ich dachte. Und offensichtlich funktioniert die Bennett-Gerüchteküche besser als je zuvor. In einem Moment der Schwäche habe ich Max einmal gestanden, dass ich für einen Freund der Familie schwärme, allerdings ohne Nates Namen zu nennen. Dass Blake mich quasi wörtlich zitiert, verrät mir, dass die Brüder in meiner Familie genauso tratschen wie die Schwestern.

Mein Bruder deutet mein Schweigen als Zustimmung.

»Muss ich ihm drohen? Ihm sagen, dass er sich benehmen soll? Muss ich ihm den Bruder-Vortrag halten?«

»Jetzt mach mal halblang. Das geht dich überhaupt nichts an, Blake.«

»Da irrst du dich aber gewaltig.«

»Nein, du musst deine Bruder-Muskeln nicht spielen lassen. Es passiert ja gar nichts.«

Blake richtet den Zeigefinger auf mich, doch dann piept sein Handy wieder. »Verdammt, das ist der Lieferant. Ich muss los. Falls du deine Meinung in Bezug auf den Bruder-Vortrag änderst, sag es mir.« Damit eilt er aus dem Restaurant.

Eine Sekunde später taucht Nate wieder auf. Kaum hat er sich wieder auf den Stuhl sinken lassen, ändert sich die Atmosphäre im Raum. Anscheinend war das Einzige, was verhindert hat, dass es zwischen uns mächtig zu funken anfängt, Blake.

»Also, was willst du noch wissen?«, frage ich, während ich mit den Fingern auf den Tisch trommele und verzweifelt nach einer Möglichkeit suche, die Stimmung aufzulockern. Das Knistern in der Luft scheint Besitz von meinem Körper ergriffen zu haben und das macht mich unruhig.

Nate lehnt sich leicht über den Tisch. »Erzähl mir mehr von dieser Schwärmerei.«

Ich brauche eine Sekunde, um zu verstehen, was er damit meint. Und mit einem Mal ist der Tisch zwischen uns viel zu klein.

»Wie …«

»Ich hatte nicht mal die Tür erreicht, als Blake losgelegt hat. Also stehst du seit Jahren auf mich, ja?«

Mein Hirn friert für einen Moment ein, weil die Verlegenheit mich überwältigt. Dann gehe ich in den Angriff über – reflexhaft. Ich war nie ein Feigling, womit mir nur die Option »Angriff ist die beste Verteidigung« bleibt. Ich reiße mich zusammen, nehme die Schultern zurück und sehe ihn direkt an. »Beantworte mir zuerst eine Frage. Flirtest du seit Jahren mit mir oder habe ich mir das nur eingebildet?«

Zugegeben, ich klinge ungefähr eine Million Mal tougher, als ich mich fühle, aber ich sehe einfach keine andere Möglichkeit, als den Stier bei den Hörnern zu packen.

»Nichts davon hast du dir eingebildet.«

Plötzlich schwillt mein Herz auf doppelte Größe an. Für einen kurzen Moment verstehe ich, was es bedeutet, ›im siebten Himmel zu schweben‹.

»Aber ich ziehe nach London. Und selbst wenn es nicht so wäre, bin ich nicht der Richtige für dich.«

Und in diesem Moment falle ich von Wolke sieben direkt auf den hässlichen Boden der Tatsachen.

»Dreh das Messer doch noch mal in der Wunde herum.« Meine Stimme ist ausdruckslos und trocken, obwohl ich gehofft hatte, ich würde humorvoll klingen. Ich habe Humor schon immer als Schutzschild eingesetzt. Gewöhnlich funktioniert das ganz gut.

»Ich hatte nicht vor, dich zu verletzen.« Nate beugt sich vor und legt seine Hand auf meine. Ich glaube, er hat es als beruhigende Geste gemeint, doch sobald wir uns berühren, durchfährt mich ein heißer Stich. So scharf, wie Nate einatmet, hat er es auch gespürt.

Ich ziehe eilig die Hand zurück. »Keine Berührungen.«

»Okay.«

»Nachdem wir diese peinliche Frage beantwortet haben, können wir uns auf deine Präsentation konzentrieren?«

Nate grinst mich an, sodass ich mir sicher bin, dass er mich gleich aufziehen wird. Er hat mich immer schon gern aufgezogen. »Peinliche Frage, hm?«

Glücklicherweise bin ich ziemlich schlagfertig, selbst wenn ich einem Meter fünfundachtzig purem Sex-Appeal gegenübersitze. Diese strahlend grünen Augen sind allerdings tödlich. Kombiniert mit seinem messerscharfen Verstand und ich bin verloren.

»Hey, nun mach dir mal nicht ins Hemd«, sage ich mit einem schrecklichen britischen Akzent. »Du wirst bald verschwinden. Bis dahin musst du dich nur bemühen, mich nicht vom Hocker zu hauen, indem du klüger, heißer oder witziger bist als gewöhnlich.«

Ein Lachen dringt aus seiner Kehle. »Du bist die ungewöhnlichste Frau, die ich kenne, und das finde ich großartig.«

»Hör mal, du hilfst uns nicht weiter, wenn du nette Dinge über mich sagst. Es wäre besser, wenn du launisch und gemein wärst.«

»Okay. Du stehst nicht auf launische Kerle, ja?«

»Du hast ein gutes Gedächtnis.«

Ich erinnere mich an eine Situation mit ihm vor ein paar Jahren. Nate verbrachte die Weihnachtsfeiertage bei uns. Zu dieser Zeit kannte ich ihn schon lange genug, um mich in seiner Nähe wohlzufühlen. Gewöhnlich hatten wir eine Menge Spaß miteinander, üblicherweise auf Kosten meiner jüngeren Geschwister, doch in diesen Ferien rannte er ständig mit gerunzelter Stirn herum und war launisch. Das gefiel mir nicht. Ich wollte meinen lachenden Freund Nate zurück.

Ich war immer noch ein Kind, zu jung, um wirklich auf ihn zu stehen, doch selbst damals konnte ich einfach nicht anders, als ihn zu trösten. Mom hatte mir erzählt, dass Nate sich kurz vor Weihnachten heftig mit seiner Mutter gestritten hatte. Meiner Meinung nach reichte das als Grund nicht aus, um über Tage zu schmollen. Ich wollte ihn aufmuntern, aber ich wusste nicht, wie ich es anstellen sollte. Also tat ich das, was ich immer tat: Ich zog ihn auf.

»Wenn du weiter ständig die Stirn runzelst, kriegst du Falten«, teilte ich ihm eines Tages mit.

»Nein, kriege ich nicht.« Seine Stimme war ausdruckslos und er schien keinerlei Interesse daran zu haben, sich mit mir zu unterhalten. Genau das störte mich. Normalerweise hätte Nate nach meinem Kommentar einen Witz gerissen oder mir zumindest eine schlagfertige Antwort serviert. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und musterte ihn kühl.

»Nur zu deiner Information, launische Kerle sind total aus der Mode. Die Mädels stehen einfach nicht mehr auf sie. Falls du jemanden brauchst, der dir den Stock aus dem Arsch zieht, ich bin draußen.«

Nate starrte mich einen Moment lang ungläubig an, dann begann er zu lachen. Es war das erste Mal seit seiner Ankunft, dass er richtig lachte. Mich machte das nicht nur stolz, sondern vor allem glücklich.

»Du hast recht. Wir sollten uns auf die Präsentation konzentrieren.« Nate senkt den Blick auf seine Notizen. »Eine Frage wollte ich noch stellen. Wieso arbeitet ihr nur mit kleinen Farmern aus der Umgebung zusammen? Wieso das ›Vom Feld auf den Tisch‹-Konzept?«

Ah. Darüber kann ich den ganzen Tag reden.

»Nun ja, es hat damit zu tun, wo wir herkommen.«

Vor langer Zeit – bevor Sebastian Bennett Enterprises gründete – war unsere Familie arm. Dann wendete sich unser Schicksal. Bennett Enterprises wuchs von Jahr zu Jahr und unser Bruder kümmerte sich um die gesamte Familie. Doch vorher besaßen meine Eltern eine Ranch. Hauptsächlich war es eine Viehwirtschaft, aber es gab auch ein paar Obsthaine und Gemüsefelder. Die Arbeit erforderte Engagement und Sorgfalt. Die Produkte zu verkaufen, war jedoch eine ganz andere Geschichte.

»Bauern arbeiten lange und unendlich hart. Aber wenn es darum geht, ihre Erzeugnisse zu verkaufen, können sie in der Preisgestaltung mit den großen Produzenten nicht mithalten. Supermarktketten setzen die Landwirte oft unter Druck, ihre Lebensmittel zu billig zu verkaufen. Restaurants entscheiden sich selten, von den lokalen Bauern zu kaufen, weil die meistens nicht günstig sind. Aber wenn man es klug anstellt, kann man als gastronomischer Betrieb trotzdem wirtschaftlich einkaufen, ohne hart arbeitende Leute auszunutzen.«

Nate nickt, macht aber keine Notizen.

»Wieso schreibst du das nicht auf?«

»Ich werde mich daran erinnern. Ich habe dich noch nie so leidenschaftlich über etwas sprechen hören. Du bist fantastisch.«

»Hey, danke, Mister. Ich würde vorschlagen, du sparst dir die Komplimente. Nicht vergessen, du darfst mich nicht vom Hocker hauen!«

»Hör auf, so was zu sagen, Alice.«

Die Art, wie er meinen Namen ausspricht, gehört verboten. Es liegt solche Sinnlichkeit in diesen zwei Silben, dass es mich ins Schleudern bringt. Dabei versucht der Mann nicht mal, mich zu verführen. Ich frage mich, wie er wohl klingen würde, wenn er es doch versuchte. Verdammt. Das ist die Art von Gedanken, die ich tunlichst nicht mehr haben sollte. Ich muss damit aufhören, sonst stürze ich mich ins Unglück.

»Was denn?«

»Du klingst, als würdest du das Gegenteil von dem meinen, was du sagst.« In seinen Augen lodert ein Feuer auf und sein heißer Blick durchfährt mich. Unwillkürlich presse ich die Schenkel zusammen, in der Hoffnung, auf diese Art das dumpfe Sehnen zu unterdrücken, das sich langsam von dort ausbreitet.

»Du ziehst voreilige Schlüsse.« Ich habe keine Ahnung, ob Humor die Situation retten oder verschlimmern wird, aber auf keinen Fall kann ich jetzt noch einen Rückzieher machen. Trotzdem ist es wahrscheinlich sicherer, beim Thema der Fernsehshow zu bleiben. Ich deute auf seinen Block und frage: »Hast du alles, was du brauchst?«

»Ja.«

»Super. Sind wir dann fertig?«

»Hast du Angst, noch länger mit mir allein zu sein?«

Mir liegt schon eine schlagfertige Antwort auf der Zunge, doch ich schlucke die Worte hinunter und sage stattdessen: »Nein, aber ich muss ins Restaurant. Samstag ist unser bester Tag.«

Nate nickt und ich bin erleichtert, dass er mich vom Haken lässt. Dann nimmt er die Lesebrille ab – schade. Wir erheben uns von den Stühlen. Sobald ich meinen Mantel geholt und ihn angezogen habe, verlassen wir das Restaurant. Die ganze Zeit über fühle ich Nates Blick auf mir. Draußen atme ich tief die dringend benötigte frische Luft ein.

»Wann wirst du dem Sender die Idee präsentieren?«

»Kommende Woche. Es dauert ziemlich lange von einem ersten Vorschlag bis zu tatsächlichen Filmaufnahmen, also will ich die Sache so schnell wie möglich anstoßen. Ich melde mich, sobald ich mehr weiß.«

»Danke. Ich weiß das wirklich zu schätzen.«

»Wo hast du geparkt?«, fragt er, als wir auf der Straße stehen.

»Bin mit dem Taxi da. Mein Auto ist in der Werkstatt.«

»Du fährst nicht immer noch diese alte Kiste, oder?«

»Doch, tue ich. Und ich liebe meinen Wagen.«

»Es hat einen Grund, warum sich die meisten Leute alle zehn Jahre ein neues Auto anschaffen. Wenn ich mich richtig erinnere, war die Karre auch in der Werkstatt, als ich die letzten zwei Mal da war.«

»Reiner Zufall. Mach dich nicht über mein Auto lustig.«

Ich pikse ihn, um ihn zu ärgern. Großer Fehler. Piksen heißt berühren und das Gefühl dieser steinharten Bauchmuskeln unter meiner Fingerspitze ist … Ich kann nichts anderes denken als: Lecker!

»Jetzt gestehen wir uns nicht nur, dass wir uns jahrelang toll fanden, sondern sind schon beim Befummeln angekommen?«

Scheiße. Anscheinend habe ich meine Hand flach gegen seine Bauchmuskeln gedrückt, während ich im Geiste damit beschäftigt war, Nate auszuziehen. Eilig ziehe ich die Hand zurück.

»Selbst schuld, wenn du so heiß bist.«

»Vergiss nicht witzig und klug«, fügt er hinzu. »Komm. Ich fahre dich.«

»Nein.«

»Das war keine Frage.« Sein Tonfall und seine Körpersprache lassen keinen Widerspruch zu, was dafür sorgt, dass meine Knie weich werden und mir das Wasser im Mund zusammenläuft. Ich muss das unterbinden.

»Ich mag es nicht, wenn du dich in einen Neandertaler verwandelst.«

»Oh, tust du wohl.« Er beugt sich vor, dann lässt er seine Fingerknöchel über meine Wange gleiten. »Du errötest, Alice. Du liebst es.«

Abstand. Ich brauche Abstand, um wieder klar denken zu können. Ich trete einen Schritt zurück, verschränke die Arme vor der Brust und bemühe mich, ruhig zu atmen.

»Interpretiere nicht zu viel«, meint Nate gelassen. »Ich biete dir einfach nur eine Mitfahrgelegenheit an.«

»Schön. Dann lass uns fahren.«

Zwischen uns herrschte immer schon eine ganz besondere Dynamik, aber das hier ist etwas vollkommen anderes. Ich wittere die Gefahr. Anderseits mag ich alles, was schlecht für mich ist – von Kohlehydraten über Zucker bis zu Nate.