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Die wahre Liebe ist wie ein kostbarer Diamant – wertvoll, selten und einzigartig Eigentlich wollte es Pippa Bennett in Sachen Liebe langsam angehen lassen und zuerst ihre Scheidung verarbeiten, aber die Liebe hat ihre eigenen Regeln. Irgendetwas hat der Witwer Eric Callahan an sich, dem sie sich nicht entziehen kann. Er ist attraktiv, witzig und ein fürsorglicher Vater – und gegen das heftige Knistern zwischen ihnen kommt sie einfach nicht an. Doch dann erfährt sie, dass Erics Zeit in San Francisco begrenzt ist. Wird es Pippa gelingen, für ihre Liebe zu kämpfen? »Diese Reihe ist zum Verlieben!« Geneva Lee, Autorin der Royals-Serie
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Übersetzung aus dem Amerikanischen von Vanessa Lamatsch
ISBN 978-3-492-97989-4© Layla Hagen 2016Titel der amerikanischen Originalausgabe:»Your Forever Love«, CreateSpace Independent Publishing Platform, 2016© der deutschsprachigen Ausgabe:Piper Verlag GmbH, München 2018Covergestaltung: zero-media.net, MünchenCovermotiv: FinePic®, MünchenDatenkonvertierung: Uhl + Massopust, Aalen
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Inhalt
1 Eric
2 Pippa
3 Eric
4 Pippa
5 Eric
6 Pippa
7 Pippa
8 Pippa
9 Eric
10 Pippa
11 Eric
12 Pippa
13 Pippa
14 Eric
15 Pippa
16 Eric
17 Pippa
18 Eric
19 Pippa
20 Eric
21 Pippa
22 Pippa
23 Eric
24 Pippa
25 Eric
26 Pippa
27 Eric
28 Pippa
29 Pippa
Epilog
1 Eric
»Dad, kann ich Pippa jetzt kennenlernen?«
Ich beobachte mit einem Grinsen im Gesicht, wie sich meine Tochter mit den schmalen Fingern durch das lockige, blonde Haar fährt und auf ihrem Stuhl herumrutscht. Als ich Julie vor ein paar Wochen erzählt habe, dass wir zu Sebastian Bennetts Hochzeit eingeladen sind, hat sie verkündet, dass sie ihr Haar offen tragen wolle, nicht in einem Zopf … Weil Zöpfe etwas für kleine Mädchen seien, sie aber gerade zwölf geworden ist.
Sie wird viel zu schnell erwachsen.
»Noch nicht. Sie ist im Moment ziemlich beschäftigt.«
Ich vermute allerdings, dass Pippa den gesamten heutigen Tag über beschäftigt sein wird, da das hier die Hochzeit ihres Bruders ist.
Julie verehrt Pippa Bennett – oder, um genauer zu sein, ihre Designs. Meine Tochter liebt es, zu zeichnen. In letzter Zeit hat sie angefangen, Schmuck zu entwerfen, was keine große Überraschung ist, da ich mein Geld als Schmuckhändler verdiene. Callahans Finest, die Firma, deren CEO ich bin, ist die größte Kette exklusiver Juweliergeschäfte an der Ostküste und das schon seit drei Generationen. Wir arbeiten eng mit Bennett Enterprises zusammen, und ich bewundere die Bennett-Familie. Sie haben mit nichts angefangen. Sebastian hat Bennett Enterprises vor weniger als fünfzehn Jahren gegründet, und die Firma ist schnell zu einem der renommiertesten Vertreter auf dem Schmuckmarkt geworden. Es braucht eine Menge Entschlossenheit und harte Arbeit, um so etwas in so kurzer Zeit zu erreichen.
Julie hat sich schon vor einer Weile in die Schmuckentwürfe Pippas verliebt und will ihr Idol jetzt unbedingt kennenlernen. Wenn ich ehrlich bin, freue auch ich mich darauf, Pippa Bennett endlich mal persönlich zu begegnen.
»Das ist eine tolle Hochzeit«, sagt Julie, während ihr Blick durch den Ballsaal gleitet und schließlich am Tisch des Brautpaares hängen bleibt. »War deine Hochzeit mit Mom auch so schön?«
Bumm. Ihre Worte treffen mich wie ein Schlag und reißen alte Wunden auf.
»Ja, war sie.«
Mit einundzwanzig, als Sarah mir gesagt hat, dass sie schwanger ist, hat sich mein gesamtes Leben verändert. In diesem Alter war ein Kind wirklich das Letzte, was ich wollte. Aber ich hatte auch nicht vor, die Frau, die ich liebte, mit der Verantwortung allein zu lassen. Also heirateten Sarah und ich und freuten uns bald schon auf das Baby. Julie stahl mir schon im Moment ihrer Geburt das Herz. Ich hielt sie in meinen Armen und wusste, dass mein Leben sich komplett verändern würde.
Vor fünf Jahren wurde dann wieder alles anders, als Sarah bei einem Unfall ums Leben kam. Es war der Unfall, der dafür sorgte, dass Julie heute humpelt und auf einen Inhalator angewiesen ist.
»Hey!« Ich stoße Julie mit dem Ellbogen an, weil ich nicht möchte, dass sie in ihren trüben Gedanken an ihre tote Mom versinkt. »Sollen wir morgen einen Filmabend veranstalten?«
»Na klar. Aber du darfst nicht wieder einschlafen, Dad.«
»Das kann ich dir nicht versprechen.«
Julie liebt Filmabende. Außerdem schaut sie gern wieder und wieder dieselben Filme … weswegen ich manchmal einschlafe.
»Wenn du einschläfst, male ich dir mit Edding einen Schnurrbart ins Gesicht«, droht sie, wobei sie nur mit Mühe ein Grinsen unterdrücken kann. »So musst du dann am nächsten Tag ins Büro gehen.«
Interessanter Gedanke. Das würde meinen Ruf als harter Geschäftsmann definitiv schädigen.
»Du kannst es ja versuchen.«
Julie beginnt zu kichern, dann kann sie nicht mehr an sich halten. Ihr Lachen war schon immer ansteckend, also kann ich bald auch nicht mehr ernst bleiben. Ich liebe dieses kleine Mädchen abgöttisch, und ich würde alles tun, um sie glücklich zu machen.
»Ooooh, guck mal, Daddy!« Julie klatscht aufgeregt in die Hände. »Der erste Tanz.«
Ich lächle meine Tochter an und wuschle ihr durchs Haar, was mir ein ärgerliches Stirnrunzeln einbringt.
»Lass uns den ersten Tanz abwarten«, sage ich. »Dann können wir Pippa Bennett suchen gehen.«
2 Pippa
Ich liebe Hochzeiten. Ich liebe alles daran, vom Treuegelübde über das Tanzen bis zum Kuchen. Oh, der Kuchen! Ich bin von Koffein und Zucker wirklich abhängig, allerdings bemühe ich mich auch nicht besonders, gegen meine Sucht anzukämpfen. Leider sollte ich das, zumindest beim Zucker. Einer der Nachteile, über dreißig zu sein, ist, dass mein Grundumsatz nicht länger mit meinem Appetit Schritt halten kann.
Mein ältester Bruder und seine Frau schweben über die Tanzfläche. Wie glücklich sie sind, sieht man ihnen aus einem Kilometer Entfernung an. Meine anderen sieben Geschwister und meine Eltern haben sich im Raum verteilt und unterhalten die Gäste. Der Ballsaal sieht bezaubernd aus mit der hohen Decke, die sich über uns wölbt, und den Kristalllüstern, die über unseren Köpfen leuchten. Der Raum ist riesig, groß genug für vierhundert Gäste. Die Stühle sind mit elegantem Satin bezogen, winzige funkelnde Lichter zieren die Tische. Alles sieht aus wie in einem Märchen.
»Beglückwünschst du dich selbst für deine Fähigkeiten als Kupplerin, Pippa?«, fragt Max, der neben mir auftaucht.
»Du musst zugeben, dass ich ziemlich begabt bin, kleiner Bruder.«
Es ist nicht mir allein zuzuschreiben, dass unser ältester Bruder heute heiratet, aber zumindest habe ich ihm einen Schubs in die richtige Richtung gegeben.
»Wieso fragst du? Willst du meine Dienste in Anspruch nehmen? Ich warne dich, ich bin teuer. Ich verlange bedingungslose brüderliche Liebe und ewige Dankbarkeit.«
Max hat die letzten paar Jahre in unserem Londoner Büro verbracht, und ich habe ihn schrecklich vermisst. Aber jetzt ist er zurück, und ich habe vor, diese Gelegenheit zu nutzen, um eine geeignete Frau für ihn zu finden.
»Ich kann mir selbst ein Date besorgen. Dafür brauche ich keine Hilfe.«
»Das haben Sebastian und Logan auch behauptet.« Ich zwinkere ihm zu, doch Max schüttelt den Kopf.
Hinter ihm entdecke ich Christopher. Er und Max sind eineiige Zwillinge, und heute fällt es besonders schwer, sie auseinanderzuhalten, weil selbst ihre Smokings und Fliegen identisch sind. Glücklicherweise hat Max etwas längeres Haar, das ihm in die Augen fällt. Trotzdem bin ich versucht, ihnen wie in unserer Kindheit winzige, farbige Punkte auf ihre Kleidung zu kleben, weil es mir dann leichter fällt, sie auseinanderzuhalten.
»Du solltest dir lieber ein Date besorgen«, schlägt Max vor.
Ich seufze. »Das habe ich nach der Scheidung einmal probiert. Ist nicht gut ausgegangen. Ich bin viel besser darin, andere Leute zusammenzubringen.«
Ich glaube an die Liebe. Wirklich. Aber vielleicht ist es mir einfach nicht vergönnt, den Richtigen zu finden. Vielleicht habe ich meine Chance bereits gehabt und in den Sand gesetzt. Ich war die Erste von uns, die geheiratet hat, vor fast fünf Jahren, und es hat sich als Fehler herausgestellt. Denn heute bin ich geschieden.
Beim Gedanken, den Rest meines Lebens allein zu verbringen, breitet sich ein dumpfer Schmerz in meiner Brust aus. Ava und Sebastian auf der Tanzfläche zu beobachten verstärkt den Schmerz nur noch. Ich will auch jemanden finden, der mich ansieht, als wäre ich der Mittelpunkt seiner Welt. Ist das denn zu viel verlangt?
Max zieht mich in eine Umarmung und flüstert: »Du wirst jemanden finden. Aber dafür musst du dich verabreden. Wenn du das ein wenig öfter machst, wirst du auch besser darin.«
Ich hole tief Luft, dann beiße ich mir auf die Wange. Die Wahrheit lautet, dass ich mich nicht verabreden will. Zum einen bin ich noch nicht bereit, mich wieder auf eine neue Beziehung einzulassen. Aber noch viel wichtiger ist: Es ist offensichtlich, dass ich meinem Urteilsvermögen nicht trauen kann, wenn es um Männer geht.
»Übrigens möchte ich dir jemanden vorstellen«, sagt Max.
Ich lache. »Wirklich? Willst du mein Kuppel-Assistent werden?«
»Ich meinte einen Geschäftspartner. Eric Callahan.«
»Der CEO von Callahans Finest?«, frage ich überrascht.
»Genau.«
Callahans Finest gehört zu unseren größten Vertriebspartnern an der Ostküste. Max kennt Eric Callahan seit dem College. Sebastian und Logan haben ihn irgendwann mal persönlich kennengelernt, aber ich hatte nie die Chance dazu.
»Wohnt Callahan nicht in Boston? Was tut er in San Francisco?«
»Callahan hat vor, sein Geschäft an der Westküste auszubauen, also wird er drei Monate hierbleiben, um die Expansion voranzutreiben.«
»Aha.«
»Auf jeden Fall ist er mit seiner Tochter hier, die ein Riesenfan von dir ist. Sie kann es kaum erwarten, dich endlich kennenzulernen. Sie will auch Schmuck-Designerin werden.«
»Lass uns zu ihrem Tisch gehen.«
»Nicht nötig. Sie sind bereits zu uns unterwegs.« Max deutet ans andere Ende des Raums.
Als Erstes fällt mir das Mädchen ins Auge. Sie hat hellblondes Haar, das in wunderschönen Wellen um ihr hübsches Gesicht fällt. Sie trägt ein elfenhaftes, pinkfarbenes Chiffonkleid, das bei jedem ihrer Schritte ihre schlanke Figur umspielt – und sie humpelt. Was mich allerdings am meisten überrascht, ist die Tatsache, dass sie schon elf oder zwölf zu sein scheint.
»Wie alt ist Callahan? Ist er nicht in unserem Alter? Dann müsste seine Tochter doch jünger sein«, murmle ich.
»Sie wurde geboren, als er vielleicht zwanzig war. Seine Frau ist vor ein paar Jahren gestorben«, erklärt Max.
»Wie traurig.«
Als die beiden näher kommen, höre ich das Mädchen flüstern: »Ist sie das, Dad?«
Erst da richte ich meinen Blick auf den Mann neben ihr. Fast zucke ich zusammen, als ich mir ihren Dad genauer ansehe. Heiliges Kanonenrohr. Dieser Mann ist … perfekt. Er hat dunkelbraunes Haar und leuchtend blaue Augen. Außerdem ist er muskulös und groß – mindestens eins achtzig. Seine Arme sind stark genug, dass er wahrscheinlich so gut wie alles mühelos tragen könnte … mich eingeschlossen.
Wo kam denn dieser Gedanke her?
Ich frage mich, was mit mir los ist. Ich bin diesem Mann noch nicht mal vorgestellt worden und denke darüber nach, mich von ihm tragen zu lassen?
Alles an ihm ist sexy, sogar, wie er geht – als würde der Raum ihm gehören. Seine Haltung zeugt von einem Selbstbewusstsein, das Männlichkeit und Macht ausstrahlt.
»Eric«, sagt Max. »Das ist meine Schwester Pippa.«
Jemand ruft Max’ Namen, und sofort setzt mein Bruder eine entschuldigende Miene auf.
»Ich muss da mal hin. Sorry.«
Nachdem Max verschwunden ist, drängt sich das Mädchen eng an ihren Dad, als würde sie sich am liebsten hinter ihm verstecken. Ihr Vater streichelt ihre Wange, als wäre sie eine zerbrechliche Blume, die vom geringsten Windstoß weggerissen werden könnte. Die beiden sind bezaubernd zusammen.
Um das Eis zu brechen, strecke ich ihr meine Hand hin. »Ich bin Pippa. Mein Bruder hat gesagt, dass du eine aufstrebende Schmuck-Designerin bist. Wie heißt du?«
»Julie.«
»Hi, Julie.«
Ich schüttle ihre kleine Hand, wobei ich Schwielen an ihren Fingern spüre. Ich drehe ihre Handfläche nach oben und mustere die verhärtete Haut auf der Innenseite – unübersehbare Zeichen dafür, dass das Mädchen regelmäßig für Stunden einen Stift hält.
»Du hast die Hände einer Designerin. Ich habe auch Schwielen, schau.«
Julies Augen werden groß, als könnte sie es nicht glauben. »Aber haben Sie denn für die Entwürfe kein Computerprogramm?«, fragt sie.
»Sicher. Aber ich zeichne lieber mit der Hand.«
»Ich liebe Ihre Entwürfe«, flüstert Julie mir zu, als wäre das ein großes Geheimnis. »Ich werde einen Design-Kurs besuchen, während Dad und ich hier sind.«
»An der Sommerschule?«
Ich sehe Eric an, der nickt. Seine blauen Augen verweilen einen Augenblick zu lang auf meinem Gesicht, und meine Haut fängt unter der Intensität seines Blickes zu kribbeln an.
Heiliger Bimbam …
»Der Kurs fängt in zwei Wochen an. Es ist ein tolles Programm, speziell für Schmuckdesign.« Julie streicht ihr Kleid glatt und fügt leise hinzu: »Ich hoffe, ich bin gut genug.«
Mir krampft sich das Herz zusammen, als ich sehe, wie viel Sorgen sich die Kleine deswegen macht.
»Hast du jeden Tag geübt?«, frage ich sie.
»Ja. Ich habe ein paar Aufgaben bekommen, die ich fertig haben soll, bevor der Unterricht anfängt. Ich hoffe, ich mache es richtig.«
»Ich habe eine Idee. Wie wäre es, wenn du zu mir kommst, bis die Sommerschule anfängt, und ich dir ein paar Techniken beibringe? Auf diese Art bist du bestens vorbereitet, wenn der Kurs losgeht.«
»Das ist nicht …«, setzt Eric an.
Gleichzeitig ruft Julie: »Das wäre toll!« Sie klatscht begeistert in die Hände und sieht breit grinsend zu ihrem Vater auf. »Dad, darf ich?«
Ich vermute, dass Eric Nein sagen will, doch ich kann förmlich sehen, wie seine Entschlossenheit dahinschmilzt, je länger er Julie betrachtet. Wenn ich ehrlich bin, wird auch mir ganz warm ums Herz. Ich bin mir sicher, dass Eric gewöhnlich zu der Sorte Mann gehört, die andere dazu bringt, genau das zu tun, was er will. Zu beobachten, wie er dem Charme seiner Tochter nicht widerstehen kann, ist entzückend.
»Ich denke darüber nach.«
»Du bist der beste Dad der Welt. Danke.«
»Wieso gehst du nicht zu unserem Tisch zurück, und ich kläre mit Pippa die Details?«, schlägt Eric seiner Tochter vor.
Julie nickt und schüttelt mir noch mal höflich die Hand, bevor sie geht. Erics Blick folgt seiner Tochter, bis sie am Tisch angekommen ist, dann wendet er sich wieder mir zu.
»Danke für das Angebot, ihr zu helfen …«
»Ich höre das ›Aber‹ schon kommen.« Lächelnd verschränke ich die Arme vor der Brust.
Eric erwidert das Lächeln und zuckt mit den Achseln. »Nichts für ungut, aber ich erlaube meiner Tochter nicht, Zeit mit Leuten zu verbringen, die ich nicht kenne.«
»Natürlich nicht. Aber Sie sind schon länger mit meinen Brüdern bekannt. Damit kennen Sie mich zumindest über Dritte. Und was mich angeht, ich bin genauso, wie ich auf den ersten Blick wirke.«
»Wer weiß schon, was Sie unter diesem hübschen Lächeln und dem eleganten Kleid verbergen.«
Sein Blick gleitet amüsiert an meinem Körper entlang, als suchte er nach Geheimnissen. Doch irgendwo auf dem Weg verwandelt sich das Amüsement in seiner Miene in etwas anderes. Er bleibt an meinen Hüften hängen, und ich könnte schwören, dass er die Nasenflügel bläht. Als er den Kopf wieder hebt, kann ich die Überraschung von seinem Gesicht ablesen. Als hätte er nicht mit seiner eigenen Reaktion auf mich gerechnet.
»Es wird Julies Selbstbewusstsein stärken, wenn ich ihr ein paar Tricks zeige«, sage ich.
»Sind Sie sich sicher, dass es okay ist, wenn meine Tochter zu Ihnen ins Büro kommt?«
Bilde ich mir das nur ein, oder klingt seine Stimme plötzlich ein wenig rauer? Ob nun Einbildung oder nicht: Wärme breitet sich in meinem Körper aus.
»Wir können uns duzen«, schlage ich vor. »Und was deine Frage angeht, es wird mir ein Vergnügen sein, Julie bei mir zu haben. Ich liebe Kinder. Ich kann kaum erwarten, dass Sebastian und Ava mir ein paar Nichten und Neffen schenken, die ich so richtig verziehen kann.«
Eric lacht leise, und seltsamerweise erfüllt mich dieses Geräusch mit Freude.
»Du bist die erste Person, der ich begegne, die es absolut in Ordnung findet, Kinder zu verziehen. Alle anderen sitzen mir im Nacken, weil ich genau das mit Julie tue.« Er zwinkert mir zu. »Ich kann einfach nicht anders.«
»Und so sollte es auch sein. Also abgemacht, du bringst sie in mein Büro. Sie hat gesagt, ihr bleiben zwei Wochen, bis die Sommerschule anfängt. In dieser Zeit kann ich ihr eine Menge beibringen.«
»Du bist hartnäckig«, merkt er an. Sein Tonfall ist leicht herausfordernd, was mich nur anstachelt.
»Du hast keine Ahnung, wie recht du hast.«
Himmel, seine Augen sind zu blau und seine Lippen zu voll. Diese Kombination sollte verboten werden. Eric Callahan ist ein Meter achtzig purer Sex-Appeal.
»Okay. Dann genieß weiter die Hochzeit deines Bruders. Ich werde dich morgen anrufen, dann können wir die Details ausmachen.«
»Du hast meine Nummer nicht.«
»Ich bin ein Mann, der sich zu helfen weiß.«
Er schenkt mir noch ein schiefes Lächeln, dann verschwindet er.
* * *
Die Hochzeitsfeier läuft wie geschmiert. Die Tanzfläche ist immer gut gefüllt, und dank der ständigen Unterhaltungen und des Lachens der Gäste vibriert der Raum förmlich vor Leben. Ich verlasse die Tanzfläche erst, als ich meine Füße nicht mehr spüre, und setze mich hin, um unter dem Tisch die Schuhe abzustreifen. Ein paar Minuten später sinkt meine Schwester Alice keuchend auf den Stuhl neben mir.
»Die Band ist einfach unglaublich«, sagt sie und fächelt sich Luft zu.
Ein Kellner fragt, ob er etwas für uns tun könne, und wir bestellen beide einen Cocktail. Nachdem er verschwunden ist, lacht Alice kurz über meine nackten Füße, nur um direkt danach ebenfalls die Schuhe abzuschütteln. Gott sei Dank sitzen wir allein am Tisch.
Der Kellner kehrt kurz darauf mit den Getränken zurück, und Alice grinst selbstgefällig, als wir anstoßen. Oh-oh. Dieses Lächeln bedeutet nichts Gutes.
»Spuck es aus«, fordert sie mich auf.
Ich nippe an meinem Glas und lasse mir mit meiner Antwort Zeit. »Wovon sprichst du?«
»Was läuft da zwischen dir und Mr Groß-Dunkel-Gutaussehend?«, drängt Alice.
»Seine Tochter möchte Designerin werden. Ich habe mich mit ihm unterhalten, um ein Treffen mit ihr zu arrangieren, damit ich ihr etwas beibringen kann. Sonst nichts.«
Ich versuche die Begegnung herunterzuspielen, obwohl meine Haut nach seinem langen, prüfenden Blick immer noch erhitzt ist.
Alice beugt sich zu mir vor und senkt ihre Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern: »Wieso hat er dich dann fast mit den Augen verschlungen?«
»Alice! Ich bin mir nicht sicher, ob man das so sagen kann.«
»Kann man. Ich stand auf der anderen Seite der Tanzfläche, und selbst dort wurde mir heiß.«
Seufzend beuge ich mich vor und ziehe den Teller mit Süßigkeiten aus der Tischmitte heran. Für dieses Gespräch brauche ich definitiv mehr Zucker.
»Ich habe mich bei Max nach ihm erkundigt. Wusstest du, dass sie ihn in Geschäftskreisen ›den Hai‹ nennen?«, fragt meine Schwester und lässt die Zähne aufblitzen.
»Ja.«
»Er ist der perfekte Kandidat, um dir bei deinem Staub-Problem da unten zu helfen.« Das verkündet Alice mit solcher Überzeugung, dass man meinen könnte, ihre Aussage wäre wissenschaftlich fundiert.
»Hör auf, das Wort ›Staub‹ in Verbindung mit meinen Geschlechtsorganen zu verwenden«, zische ich.
»Du hast es zuerst benutzt.«
»Den Fehler mache ich kein zweites Mal.«
Vor vielen Monaten, nach zu vielen Cocktails, habe ich Alice gegenüber zugegeben, dass ich schon eine Weile lang keinen Sex mehr hätte und dass ich vermutete, dass sich unter meiner Gürtellinie langsam Staub ansammle, wenn sich das nicht bald ändere.
»Er ist perfekt für den Job als Staubwedler geeignet. Du bist noch nicht bereit für eine Beziehung, und er ist nur ein paar Monate hier. Ihr könntet einfach Spaß miteinander haben. Er ist solo, und er ist heiß.«
Misstrauen steigt in mir auf. Ich erkenne diese Art der Einmischung, und ich mag sie nicht. Genau auf diese Art habe ich mich nämlich bei Sebastian und Logan – meinem zweitältesten Bruder – eingemischt, damals, als sie noch solo waren. Aber Alice hat sich immer aus jeglicher Kuppelei herausgehalten. Warum will sie das jetzt ändern, und warum ausgerechnet bei mir?
Ich hatte tolle Pläne für Alice und den heutigen Abend. Vor kurzer Zeit habe ich herausgefunden, dass sie seit Jahren für einen von Sebastians Kindheitsfreunden schwärmt. Er sollte auch auf die Hochzeit kommen, also wäre das die perfekte Gelegenheit gewesen, den beiden einen Schubs zu geben. Aber leider hat er vor zwei Tagen angerufen, um abzusagen. Ihm wurde kurz vor der Hochzeit ein Job im Ausland angeboten, den er sofort antreten musste. Er wird Monate weg sein, vielleicht sogar ein Jahr.
»Tut mir leid, dass ich eure kleine Zusammenkunft sprenge, meine Damen, aber ich müsste mich nach einer Telefonnummer erkundigen«, erklingt eine Männerstimme hinter uns.
Alice und ich drehen uns gleichzeitig um. Mein Atem stockt, als ich Erics Blick begegne. Er steht keine dreißig Zentimeter von uns entfernt, ein zweideutiges Funkeln in den Augen. Unangenehm berührt rutsche ich auf meinem Stuhl hin und her.
»Ich lasse euch beide dann mal allein«, sagt Alice, zieht die Schuhe wieder an und verschwindet eilig.
»Es überrascht mich, dass du mich so direkt fragst. Du hast behauptet, du würdest meine Nummer auch ohne meine Hilfe herausfinden.«
»Das tue ich nur, weil es im Moment die beste und einfachste Lösung ist.«
Eric gibt mir sein Handy. Ich versuche zu ignorieren – und versage komplett –, wie sich mein Magen leicht zusammenzieht, als unsere Finger sich berühren.
Ich tippe meine Nummer ein. Ohne aufzuschauen, frage ich: »Wie lange hast du da schon herumgestanden und gelauscht? Hast du einen Teil unseres Gesprächs mit angehört?«
»Ein wenig. Irgendwas über groß, dunkel und gut aussehend. Und über Staub.«
»Also hast du mehr oder minder unser gesamtes Gespräch mitbekommen.« Mir schnürt es die Kehle zu.
»Habe ich. Kann ich jetzt mein Handy zurückhaben?«
»Klar.« Ich schaue auf und gebe Eric sein Telefon zurück. »Das ist der peinlichste Moment meines Lebens, und glaub mir, davon gab es schon einige. Wenn ich jetzt anfange, ein Loch zu graben, könnte ich vom Antlitz der Erde verschwunden sein, wenn die Hochzeitsfeier endet.«
»Pippa …«
»Tut mir leid. Meine Schwester mischt sich zu oft ein. Ich glaube, das hat sie von mir. Und ich gebe nur Unsinn von mir. Das passiert mir manchmal, wenn ich nervös bin.«
»Ich mache dich nervös?« Er lächelt.
»Offensichtlich.«
Eric betrachtet mich eine ganze Minute schweigend, was nicht im Geringsten dazu beiträgt, mich zu beruhigen.
»Du bist hinreißend.« Er senkt den Kopf und lehnt sich zu mir herunter, bis seine Lippen direkt neben meinem Ohr schweben. Dann flüstert er: »Und nur, um jegliche Zweifel auszuräumen: Ich habe versucht, dich mit den Augen zu verschlingen.«
Mein Atem stockt. »Ich … Also … Ich bin mir nicht sicher, ob das die ganze Sache weniger peinlich macht.«
Eric richtet sich wieder auf und fragt: »Wieso besprechen wir das nicht bei einem Tanz?«
»Was ist mit Julie?«
»Sie ist in guter Gesellschaft.«
Er deutet zu einem Tisch, wo Julie sich intensiv mit Nadine, Logans Verlobter, und Alice unterhält. Mit einem Seufzen wird mir bewusst, dass ich recht hatte. Meine Schwester kuppelt tatsächlich, und Nadine spielt mit. Sie schlagen mich mit meinen eigenen Waffen.
»Okay, lass uns tanzen, Mr Groß-Dunkel-Gutaussehend.«
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, bietet er mir seinen Arm an. Eilig schlüpfe ich in meine Schuhe, dann führt er mich auf die Tanzfläche. Die Band spielt ein schnelles Lied, und dieser Mann kann wahrlich tanzen. Mein Herz rast wie wild, weil wir uns so schnell bewegen. Jetzt, wo ich ihm so nahe bin, rieche ich seinen Duft – Sandelholz und Minze – und er macht süchtig.
»Du bist ein toller Tänzer«, murmle ich, als das Lied endet.
Die Band spielt etwas Langsameres, und sofort ergreift Eric eine meiner Hände und legt den anderen Arm um meine Taille. Ich hatte gehofft, mein Herz würde sich wieder beruhigen, doch diese Berührung hat genau den gegenteiligen Effekt.
»Vergib mir, wenn ich neugierig wirke, aber du scheinst mehr über mich zu wissen als ich über dich.«
Ich stoße ein nervöses Lachen aus. »Was willst du wissen?«
»Wieso versucht deine Schwester, dich zu verkuppeln? Eine schöne Frau wie du sollte doch keine Probleme haben, sich zu verabreden.«
Ah, er kommt direkt auf den Punkt.
»Ich bin geschieden und habe mich in letzter Zeit bei Dates nicht allzu geschickt angestellt. Alice versucht nur, mir zu helfen.«
Wir bewegen uns ein paar Sekunden zur Musik, bevor er meint: »In Bezug auf das, was sie über mich gesagt hat … Man könnte beinahe denken, ich wäre ein wirklich guter Fang.«
»Und du willst mir erzählen, das wärst du nicht?«
»Na ja, ich bin offensichtlich groß, dunkel und gut aussehend.« Er zwinkert mir zu.
Ich lache. Gott, ich liebe Männer, die mich zum Lachen bringen können.
»Offensichtlich.«
Das Lächeln in seinem Gesicht verblasst. »Aber ich bin beschädigte Ware. Ich bin kein guter Fang, absolut nicht. Ich mag dich nicht gut kennen, aber ich glaube, du hättest einen guten Fang verdient. Egal, ob es darum geht, dich auszuführen oder um etwas gegen diese Staub-Situation zu unternehmen.«
Ich fange an zu lachen, teilweise auch, um meine Verlegenheit zu kaschieren. Gleichzeitig nehme ich mir vor, den Staub-Ausdruck nie wieder zu verwenden.
»Also war dein Blick …«, setze ich an, doch er unterbricht mich mit einem Kopfschütteln.
»Ein Moment der Schwäche meinerseits. Ich bin schließlich auch nur ein Mann, und du bist schön.«
Meine Wangen werden heiß. »Du sprichst sehr offen über deine Gedanken und Gefühle.«
»Ich habe mein Herz schon immer auf der Zunge getragen. Das ist nicht immer unbedingt gut, aber ich kann einfach nicht anders. Nachdem meine Frau starb, war ich ein paar Jahre lang bei einem Therapeuten. Er hat mir dabei geholfen, meine Gedanken – wie du es nennst – offen auszusprechen. Das zu lernen war besonders in Bezug auf Julie sehr wichtig.«
»Es tut mir leid wegen deiner Frau.«
»Es ist vor langer Zeit passiert.«
Er starrt ins Leere, während sich verschiedene Gefühle auf seinem attraktiven Gesicht abzeichnen – Schmerz, Resignation, vielleicht Hoffnung. Gleichzeitig graben sich tiefe Falten in seine Stirn. Ich entscheide in diesem Moment, dass das so nicht geht, und mache mir zur Aufgabe, sein wunderbares Lächeln zurückzuholen. Die Sache wird mir erleichtert, weil die Band ein Lied aus den Fünfzigerjahren anstimmt und Eric auffordernd die Augenbrauen hochzieht.
»Noch einen Tanz?«, fragt er.
»Rock ’n’ Roll? Ernsthaft?«
»Ich habe den Dreh raus«, versichert er mir mit weicher, verheißungsvoller Stimme. »Ich mag kein guter Fang sein, aber das heißt noch nicht, dass ich dich nicht in die Luft werfen und wieder auffangen könnte.«
»Was auch immer du vorhast, vergiss nicht, dass ich ein Kleid trage. Ich will nicht allen meinen String präsentieren, auch wenn es ein fantastisches, rotes Teil von La Perla …«
»Hör auf, über deine Unterwäsche zu reden. Ich stelle sie mir jetzt vor, und das ist gefährlich.«
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, hebt er mich in seine Arme und beginnt mich durch die Luft zu wirbeln. Halb schiebt, halb wirft er mich erst nach rechts, dann nach links. Ich presse die Knie aneinander, bis beide Füße wieder den Boden berühren. Mir schwirrt der Kopf.
»O mein Gott«, sage ich. »Das war … Ich kann nicht glauben, dass du es durchgezogen hast.«
»Dein Mangel an Vertrauen ist enttäuschend«, sagt er, als wir die Tanzfläche verlassen, doch er lächelt. »Ich sollte zurück zu meiner Tochter.«
»Mach das. Ich sehe euch beide dann am Montag. Julie wird mein Büro lieben. Überall liegen Musterzeichnungen herum.«
»Wieso bist du so nett zu uns?«
»Ich bin nett zu allen«, antworte ich ein wenig zu schnell. »Aber ich mag Julie. Sie und ich werden gut miteinander auskommen.«
»Also hat dein Angebot nichts mit der Tatsache zu tun, dass ich Mr Groß-Dunkel-Gutaussehend bin?«
»Das wirst du mich nie vergessen lassen, oder?«
»Immerhin habe ich den Staub nicht noch einmal erwähnt. Man sieht sich am Montag.«
Er nickt mir einmal kurz zu, bevor er zu seiner Tochter geht, während ich atemlos und lächelnd zurückbleibe. Ich kehre schließlich zu meinem Tisch zurück und schnappe mir einen Cookie, wobei ich Eric aus dem Augenwinkel beobachte. Dieser Mann ist eine Sahneschnitte. Ich kann den Blick nicht von ihm abwenden, so wie ich mich scheinbar nicht davon abhalten kann, mir noch einen weiteren Cookie in den Mund zu schieben.
Zumindest hat die menschliche Sahneschnitte keine Kalorien.
3 Eric
»Dad«, sagt Julie am Montag, als wir gerade beim Frühstück sitzen. »Ich möchte einen Lippenstift.«
Ich verschlucke mich an meinem Toast und starre sie quer über den Tisch an. »W-was?«
»Ich möchte einen Lippenstift.«
»Dafür bist du zu jung.«
Sie verschränkt die Arme vor der Brust, bereits im Kampfmodus. Meine Tochter ist wunderbar, aber wenn sie sich etwas in den Kopf setzt, ist sie sturer als ich. Die Arme vor der Brust zu verschränken ist der erste Schritt, Stirnrunzeln der zweite. An diesem Punkt gebe ich gewöhnlich nach, doch heute werde ich hart bleiben.
»Dad, ich bin zwölf.«
»Lipgloss erlaube ich dir hin und wieder, aber für Lippenstift bist du zu jung.«
Ja, ich kenne den Unterschied zwischen diesen beiden Dingen. Das passiert automatisch, wenn man alleinerziehender Vater einer Tochter ist.
»Sagt wer?«
»Sage ich.«
»Aber du bist kein Mädchen. Du verstehst das nicht.« Sie seufzt dramatisch. »Ich will roten Lippenstift.«
»Iss dein Brot auf, Julie.«
Sie hat eine meiner größten Ängste in Worte gefasst: dass sie eine weibliche Bezugsperson braucht. Natürlich habe ich das immer gewusst, aber es macht es nicht einfacher, es laut ausgesprochen zu hören.
Es dauerte lange, bis ich mich nach Sarahs Tod wieder gefangen hatte. Nachdem das Schlimmste vorüber war, fing ich nach aufmunternden Worten von Freunden und Familie wieder an, mich zu verabreden. Das stellte sich jedoch schnell als Fehler heraus. Die meisten Frauen gaben nur vor, an Julie interessiert zu sein, um ein zweites Date rauszuschlagen. Also hörte ich wieder auf mit den Verabredungen. Bis meine Tochter achtzehn ist, steht sie auf meiner Prioritätenliste ganz oben. Es gibt nur sie und mich, und die meiste Zeit ist das in Ordnung. Es sei denn, sie fängt an, mich wegen Lippenstift zu bedrängen. Mit zwölf. Wenn sie erst mal einen Freund hat, wird das in einem Blutbad enden.
»Ich bin fertig«, verkündet Julie, als ihr Teller leer ist. »Wir können gehen.«
»Bist du dir sicher, dass du mit mir ins Büro willst? Ich kann Ms Blackwell bitten, den Tag mit dir zu verbringen.«
Zu Hause in Boston hat Julie zwei Nannys, Ms Smith und Ms Blackwell. Letztere hat zugestimmt, uns den Sommer über in San Francisco Gesellschaft zu leisten. Julie ist nicht gerade begeistert davon, den ganzen Tag lang von Nannys bewacht zu werden, aber sie versteht die Notwendigkeit.
»Nein, ich will dein Büro sehen. Es macht Spaß, dir dabei zuzusehen, wie du Leuten Angst einjagst.«
»Ich will, dass sie ihren Job gut erledigen. Ich verängstige sie nicht absichtlich.«
»Das ist das Witzigste daran.«
Ich seufze. »Okay, lass uns gehen. Hast du deinen Inhalator eingepackt?«
Julie nickt und wirft sich den Rucksack über die Schulter. Meine Tochter ist eine Kämpferin. Nach dem Unfall habe ich sie von den besten Ärzten behandeln lassen, aber auch sie konnten keine Wunder vollbringen. Julie hatte schwere Verletzungen an ihrer linken Hüfte und dem Bein sowie am linken Lungenflügel. Trotz aller Bemühungen wird mein kleines Mädchen beim Gehen immer humpeln und einen Inhalator mit sich herumtragen müssen. Sie bekommt nur selten Atemprobleme – überwiegend dann, wenn sie sich körperlich anstrengt –, trotzdem muss sie das Spray immer dabeihaben.
Das Humpeln und der Inhalator üben eine fast magische Anziehungskraft auf Schulhoftyrannen aus, weswegen Julie bisher schon vier Mal die Schule gewechselt hat. Doch jetzt scheint sie endlich Freunde gefunden zu haben.
»Ich mag dieses Haus, Dad«, sagt sie, als wir die Haustür hinter uns schließen.
»Das freut mich.«
Es ist ein Bungalow mit Garten und Schwimmbad im Herzen von San Francisco. Das Haus ist schlicht, aber trotzdem elegant. Die Außenwände sind in hellem Grün gestrichen und die Fenster haben weiße Läden.
Ich hätte ein luxuriöseres Haus mieten können, denn ich kann es mir leisten. Doch ich bin mit Leuten aufgewachsen, die dem alten Geldadel entstammen, daher ist mir bewusst, dass finanzielle Sicherheit Kindern zwar Möglichkeiten eröffnet, zu viel Geld ihr Leben aber zerstören kann. Einige meiner Jugendfreunde waren spielsüchtig, nahmen Drogen oder verplemperten ihr Leben, weil sie nie arbeiten mussten. Ich habe vor, meine Tochter zu keiner Luxusgöre zu erziehen. Das bin ich Sarah schuldig.
Während der Fahrt zum Büro frage ich mich, ob es tatsächlich eine gute Idee war, Julie mit nach San Francisco zu nehmen. Sie sagt, dass sie es aufregend finde, mit mir zu reisen … aber sie kennt hier niemanden. Ich kann nur hoffen, dass sich das ändert, sobald die Sommerschule anfängt. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es egoistisch von mir war, sie mitzunehmen. Ich muss ein paar Monate hier verbringen, um die Expansion von Callahans Finest zu überwachen, und ich habe diese Reise in ihre Sommerferien gelegt, weil ich den Gedanken nicht ertragen konnte, drei Monate getrennt von ihr zu sein.
»Das ist ja ein riesiges Haus«, verkündet Julie, als wir aus dem Auto steigen.
Im belebten Geschäftsviertel haben wir vor einem Wolkenkratzer angehalten, der alle anderen Gebäude überragt. Wir sind am vergangenen Freitag in San Francisco angekommen, und ich bin schon kurz darauf ins Büro gefahren, um das Team kennenzulernen, aber Julie ist das erste Mal hier.
»Wir haben nur vier Stockwerke gemietet.«
»Warum? In Boston bist du auf mehreren Etagen. Allerdings ist das Gebäude dort auch nicht so groß.«
»Das Team hier ist viel kleiner. Wir fangen an der Westküste ja gerade erst an.«
Mein Urgroßvater hat Callahans Finest als kleinen Juwelierladen ohne Angestellte gegründet. Seitdem ist die Firma zu einem Multi-Millionen-Dollar-Unternehmen herangewachsen. Uns gehören Hunderte Läden an der Ostküste und selbst in Europa, aber kein einziger an der Westküste. Vor Kurzem ist einer unserer Konkurrenten pleitegegangen, und wir haben dessen Geschäfte hier übernommen – zusammen mit dem Team.
Julie und ich nehmen den Aufzug und fahren in den fünften Stock. Als wir aus der Tür treten, schalte ich in den Geschäftsmodus. Das Team kennt mich noch nicht gut, und die Tatsache, dass ich mit meiner Tochter im Büro auftauche, könnte den Eindruck vermitteln, dass ich ein Softie bin. Das bin ich nicht – nicht in Geschäftsdingen. Man nennt mich nicht umsonst »den Hai«.
»Veronica«, sage ich zu meiner Assistentin. »Bitte sag den anderen, dass das Meeting in fünf Minuten beginnt.«
»Der Konferenzraum ist vorbereitet. Wird Ihre Tochter der Sitzung ebenfalls beiwohnen?«
»Nein. Sie bleibt in meinem Büro.«
Ich führe Julie in mein Büro, ein Eckzimmer mit deckenhohen Fenstern ringsum.
»Das Meeting wird ungefähr eine Stunde dauern«, erkläre ich ihr. »Du kannst hierbleiben und zeichnen. Wenn du etwas brauchst, Veronica sitzt vor der Tür. Nach dem Mittagessen bringe ich dich dann zu Pippa.«
Als ich zum Konferenzraum gehe, bemühe ich mich – so wie ich es das ganze Wochenende getan habe –, nicht über Pippa Bennett nachzudenken. Diese Frau ist unglaublich. Alles an ihr führt mich in Versuchung, angefangen bei ihrer Freundlichkeit gegenüber Julie bis zu ihrem ansteckenden Lachen. Ihre Tendenz zum Unsinnreden, wenn sie nervös wird, ist einfach anbetungswürdig – außer wenn sie ganz beiläufig über ihre Unterwäsche spricht. Dann ist sie gefährlich.
Verdammt, Callahan. Reiß dich zusammen.
Ich bin nur drei Monate hier, also ist es ausgeschlossen, dass ich mit Pippa etwas Ernsthaftes beginne. Trotzdem lächle ich bei dem Gedanken daran, wie wir miteinander getanzt haben. Auf der Tanzfläche war ich nicht der besorgte Vater oder der harte Geschäftsmann. Ich war einfach ich selbst, was eine erfrischende Abwechslung dargestellt hat.
Ich betrete den Konferenzraum und mustere die Leute vor mir, bevor ich mich bemerkbar mache. Die Atmosphäre ist entspannt, und die zwei Dutzend Angestellten, die um den Tisch sitzen, unterhalten sich gut gelaunt. Nun, das wird sich gleich ändern. Da ich als ihr härtester Konkurrent die Firma erworben habe, gehe ich nicht davon aus, dass sie sich darauf freuen, mit mir zu arbeiten.
»Guten Morgen«, sage ich laut.
Sofort verstummen die Gespräche, und es wird nur noch geflüstert.
»Lassen Sie uns anfangen. Wir haben drei Monate, um dafür zu sorgen, dass Callahans Finest an der Westküste wie ein gut geöltes Uhrwerk läuft. Die Uhr tickt ab jetzt.«
Sofort verstummt auch das Flüstern. Ich mustere die verschreckten Mienen. Perfekt. Mom hat mit mir gewettet, dass mich das Team am Ende meines Aufenthalts in San Francisco »den Hai« nennen wird. Ich habe dagegengewettet, denn ich habe vor, mir diesen Spitznamen schon bis zum Ende der ersten Woche zu verdienen.
* * *
Fünf Stunden später betreten Julie und ich das Gebäude von Bennett Enterprises. Der Portier informiert mich, dass sich die Kreativabteilung im ersten Stock befindet.
Zwei Dinge schockieren mich, als Julie und ich die Abteilung betreten. Zum einen: das Chaos, das hier überall herrscht. Zum anderen: Pippa Bennett – im Speziellen die Art, wie sie dieses Chaos dirigiert. Es ist ein strenges Regiment, das sie führt. Das hätte ich von der süßen Frau, die auf der Hochzeit wild mit mir getanzt hat, nicht erwartet.
Es gibt zehn Schreibtische in dem großen, offenen Raum, und jeder einzelne ist mit großen Papierbögen, Entwürfen und Schmuckmustern beladen.
Pippa befindet sich in der Mitte des Raums. Sie trägt ein eng anliegendes, blaues Kleid, das ihre wunderbaren Kurven betont, und unterhält sich mit einem Kerl Mitte zwanzig, der kleiner ist als sie. Er kaut an den Nägeln und wirft Pippa immer wieder unsichere Blicke zu, während sie den Bogen kommentiert, den sie in der Hand hält.
»Luke, ich liebe dich, aber wenn du mir noch mal etwas so Unausgegorenes lieferst, werden wir ein ernsthaftes Gespräch führen müssen.«
Obwohl ihr Tonfall streng ist, liegt eine gewisse Wärme darin. Interessanterweise wirkt der arme Schwachkopf, den sie gerade zusammenstaucht, nicht verängstigt, sondern nur beschämt. Die Leute, die ich anblaffe, sehen danach in der Regel aus, als wollten sie sich jeden Moment in die Hose machen. Natürlich beinhaltet meine Kritik auch kein »Ich liebe dich«.
»Ich werde dir in einer halben Stunde einen neuen Entwurf liefern. Tut mir leid.« Er murmelt noch etwas, bevor er zu einem der Schreibtische eilt.
Pippa dreht sich zu einer Rothaarigen um, die hinter einem Computer sitzt und wie wild tippt.
»Kathy, wie läuft es mit den Prototypen?«
»Ich bin dran«, antwortet die Rothaarige. »Riley versucht noch Zeit rauszuholen, aber ich bin dran.«
»Trete ihm in den Arsch, wenn es nötig ist«, sagt Pippa knapp. »Das muss heute fertig werden.«
In diesem Moment bemerkt sie Julie und mich. Wir stehen in der Tür, und es ist ein Wunder, dass Julie überhaupt so lange still war. Ein Blick zu ihr, und das Geheimnis ihrer Zurückhaltung ist gelüftet: Sie starrt wie gebannt die ganzen Edelsteine im Raum an.
»Ich habe euch gar nicht gesehen«, ruft Pippa.
Mit einem breiten Lächeln kommt sie auf uns zu. Ihr langes, blondes Haar fällt in Wellen über ihre Schultern und bis auf ihre Brüste. Als sie die Haare zurückstreicht, erlaube ich mir einen Moment der Schwäche und mustere so diskret wie möglich die elegante Kurve ihres Halses. Dann folgt noch ein Moment der Schwäche, als ich ihren perfekten Hüftschwung bewundere.
Pippa hält vor uns an, ihre gesamte Aufmerksamkeit auf Julie gerichtet. »Gefallen sie dir?«, fragt sie.
Die Augen meiner Tochter sind unverwandt auf den nahe gelegenen Ständer mit Schmuck gerichtet.
»Sind das Diamanten?«, fragt sie gebannt.
Julie war schon in einigen unserer Läden, aber wir lassen Edelsteine gewöhnlich nicht einfach so herumliegen.
»Ja«, antwortet Pippa. »Auf meinem Schreibtisch liegen sogar Rubine und Saphire.«
»Wow«, seufzt Julie.
»Verabschiede dich von deinem Dad, dann fangen wir an. Ich habe schon alles vorbereitet. Das ist mein Schreibtisch.« Pippa zeigt mit dem Daumen über die Schulter auf den größten Arbeitsplatz ganz am Ende des Raums. »Ich habe einen zweiten Stuhl für dich aufgetrieben.«
Julie drückt mir einen schnellen Abschiedskuss auf die Wange, um dann zu dem Schreibtisch zu rennen. Pippa sieht ihr nach, bevor sie sich zu mir umdreht, wobei sie auf einen bestimmten Punkt auf meinem Hemd starrt. Weicht sie meinem Blick aus?
Da ich niemand bin, der um den heißen Brei herumredet, frage ich: »Pippa, versuchst du gerade zu vermeiden, mir in die Augen zu sehen?«
»Ja«, flüstert sie und sieht auf.
»Warum?«
»Du hast es schon wieder getan«, antwortet sie, diesmal ein wenig lauter.
»Was?«
»Dieser heiße Blick«, stellt sie klar. »Gerade eben.«
»Okay.«
Ich fahre mir mit der Hand durchs Haar und fluche innerlich. Anscheinend war ich in meinem Moment der Schwäche doch nicht so diskret wie gedacht.
Pippa streicht sich eine goldene Locke hinters Ohr und da bemerke ich, dass der obere Rand rot leuchtet. Kann diese Frau noch süßer werden? Sie ist eine witzige Quasselstrippe, eine umwerfende Sexgöttin, eine wunderbare Tanzpartnerin und eine strenge Geschäftsfrau – alles in einem.
»Ich werde mein Bestes geben, es nicht wieder zu tun. Allerdings kann ich nichts versprechen. Du bist einfach zu schön.«
Pippa leckt sich die Lippen und wendet den Blick ab. Es wird Zeit für mich, zu gehen.
»Bist du dir sicher, dass es okay ist, wenn ich Julie den gesamten Nachmittag hierlasse?«, hake ich noch einmal nach.
»Ja«, antwortet sie. »Und bevor du fragst, es ist auch okay, wenn du sie die nächsten zwei Wochen jeden Tag bringst, bis ihr Unterricht anfängt. Ich habe es ihr versprochen.«
»Wenn es zu viel wird, sag es mir. Dann lasse ich mir etwas einfallen, um dich von deinem Versprechen zu entbinden.«
Pippa verschränkt die Arme vor der Brust. »Ich verspreche nichts, was ich nicht auch einhalten kann. Ich werde Julie nicht enttäuschen. Für Enttäuschungen bleibt ihr noch genug Zeit, wenn sie älter ist.«
Ihr Blick verdunkelt sich für einen Moment, und sofort schaltet sich mein Beschützerinstinkt ein. Pippa hat es nicht verdient, enttäuscht oder verletzt zu werden. Ich kenne sie kaum, aber jemand, der Fremden gegenüber so freundlich ist, hat nur das Beste verdient.
»Wann bist du mit der Arbeit fertig?«, fragt sie.
»Ich werde um sechs Uhr hier sein.«
Pippas Mundwinkel zucken. »Ich dachte, du arbeitest länger, nachdem sie dich doch ›den Hai‹ nennen.«
»Ich bemühe mich, feste Arbeitszeiten einzuhalten«, gebe ich zu. »Wenn ich mir kein Limit setze, arbeite ich zu lange und sehe Julie kaum. Gewöhnlich bleibe ich abends wach und arbeite noch von zu Hause aus, wenn sie schon im Bett liegt. In Boston funktioniert das ganz gut. Ich bin mir nicht sicher, ob es hier auch klappen wird, nachdem es so viel mehr zu tun gibt.«
Sie nickt, und in diesem Augenblick fällt mir ein, dass sie bei der Hochzeit roten Lippenstift getragen hat. Ich gebe ja zu, dass mir mein geschäftlicher Biss bei meiner Tochter keinen Deut weiterhilft, doch ich kann eins und eins zusammenzählen. Julie will Lippenstift – und zwar roten –, weil sie ihn bei der Hochzeit an Pippa gesehen hat.
»Dürfte ich dich um einen Rat bitten?«
»Sicher.«
»Julie hat mir heute mitgeteilt, dass sie einen Lippenstift haben will.«
Pippa wirft lachend den Kopf in den Nacken. »Was hast du geantwortet?«
»Dass sie noch nicht alt genug dafür ist.«
»Ich nehme mal an, das kam nicht allzu gut an.«
»Deswegen möchte ich dich um Hilfe bitten. Sie wollte roten Lippenstift, wie du ihn auf der Hochzeit getragen hast.«
Pippa nickt verständnisvoll. »Überlass das mir. Wir sehen uns um sechs Uhr.«
Gewöhnlich bin ich sehr wählerisch in Bezug auf die Leute, mit denen meine Tochter Zeit verbringt. Aber ich bin froh, auf meinen Instinkt gehört zu haben, als ich Julie erlaubt habe, hierherzukommen.
Pippa wirbelt herum, stiefelt selbstbewusst zu ihrem Schreibtisch und flüstert Julie etwas ins Ohr. Meine Tochter lacht laut auf. Ich lächle, während ich mir wünsche, ich könnte länger bleiben. Auch wenn mich das Gefühl beschleicht, dass ich diese Frau den ganzen Tag beobachten könnte – und das ist gefährlich.
4 Pippa
Julie ist wunderbar. Sie hört meinen Erklärungen zu und gibt ihr Bestes, meine Tipps umzusetzen. Sie ist talentiert, und mit der richtigen Ausbildung wird sie später einmal sicher Erfolg haben.
»Ich bin nicht so gut wie du.« Seufzend lässt sie den Kopf in die Hände sinken.
Nichts würde ich lieber tun, als sie zu umarmen. Ich umarme gern Leute. Wenn ich eines Tages selbst eine Familie habe, werde ich zu dieser Art von Mutter, die ihre Kinder ständig in Verlegenheit bringt, weil sie sie noch auf offener Straße küsst und herzt, obwohl sie schon den Führerschein haben.
»Als ich mit dem Zeichnen angefangen habe, war ich auch noch nicht allzu gut. Aber ich bin hartnäckig gewesen, habe an mir gearbeitet und mich immer weiter verbessert.«
»Hat dir jemals jemand gesagt, du wärst nicht gut genug?«, fragt Julie leise, wobei sie auf ihre Hände starrt.
Mein Herz verkrampft sich – offensichtlich hat ihr jemand das gesagt. Aber sie ist ein Kind, um Himmels willen! Ihr bleibt noch viel Zeit zum Üben.
»Um ehrlich zu sein, ja. Ich hatte in der Schule einen Lehrer, der mir sagte, ich solle mich auf Mathe oder ein anderes Fach konzentrieren, weil ich zwar akzeptabel zeichnen könnte, aber sicherlich nicht überdurchschnittlich gut.«
»Was hast du getan?«
Ich halte kurz inne und denke an diesen Tag zurück. »Ich habe lange geweint und für ein paar Wochen jede Motivation verloren. Dann habe ich mir selbst etwas vorgenommen. Ich würde hart arbeiten und mein Bestes geben. Wenn wirklich nichts draus werden sollte, hätte ich es zumindest versucht. Außerdem habe ich ungefähr zu dieser Zeit zum ersten Mal die Redewendung ›Meinungen sind wie Arschlöcher, denn jeder hat sie‹ gehört und zu schätzen gelernt.«
Julie schlägt sich kichernd die Hand vor den Mund. »Du darfst das A-Wort eigentlich nicht in meiner Nähe verwenden.«
O Mist. Stimmt. Ich bin nicht gerade auf der Höhe, was elterliche Benimmregeln angeht.
»Tut mir leid. Wirst du mich bei deinem Dad verpfeifen?«
»Nein. Das kann unser Geheimnis bleiben.«
Sie beginnt zu strahlen, weil ihr die Idee, ein Geheimnis mit mir zu teilen, offenbar gefällt. Ah, ein Mädchen ganz nach meinem Geschmack.
»Auf jeden Fall, um zu unserem Gespräch zurückzukehren: Wenn du entschlossen genug bist und hart arbeitest, wirst du schaffen, was du dir vorgenommen hast.«
»Glaubst du das wirklich?«, fragt sie hoffnungsvoll.
»Ja.«
Als Nächstes nimmt Luke Julie mit zu seinem Schreibtisch, während ich eine E-Mail an meinen Bruder Logan schreibe. Er ist der CFO der Firma, der Finanzvorstand. Sebastian ist der CEO. Logan hat ein paar von Sebastians Aufgaben übernommen, bis dieser aus seinen Flitterwochen zurückkehrt.
Viel zu früh ist sechs Uhr, und das Bimmeln des Aufzugs kündigt Erics Rückkehr an. Er betritt das Büro mit hocherhobenem Kopf, als würde ihm der Raum gehören. Der Mann strotzt nur so vor Männlichkeit und Selbstbewusstsein … allein wenn ich ihn ansehe, muss ich hyperventilieren. Er ist mehr als nur eine Sahneschnitte, denn einer Sahneschnitte kann man widerstehen. Eric Callahan jedoch ist köstlich und absolut unwiderstehlich. Wie ein riesiger, Mensch gewordener Cupcake. Was für eine gefährliche Kombination!
Als er Julie entdeckt, die immer noch an Lukes Tisch sitzt, beginnen seine Augen zu leuchten. Je länger ich sein Gesicht mustere, desto mehr Ähnlichkeiten zwischen Julie und ihm entdecke ich. Sie ist so auf das konzentriert, was Luke ihr am Computer zeigt, dass sie nicht bemerkt, dass ihr Dad schon da ist.
»Wie war sie?«, fragt Eric mich, als er vor meinem Schreibtisch anhält.
»Super. Sie ist ein sehr wohlerzogenes Kind.«
Er hat die Schultern hochgezogen, als wäre er vollkommen verspannt, und das gefällt mir nicht. Ich mag ihn lieber so, wie er auf der Hochzeit war: sorglos und glücklich.
»Wie war dein Tag?«
»Mit einem neuen Team zu arbeiten ist immer schwer.« Mit einem Zwinkern fügt er hinzu: »Und ich muss meinem Spitznamen gerecht werden.«
»Wieso nennt man dich überhaupt ›den Hai‹?«
Er grinst so breit, dass seine Zähne aufblitzen, und antwortet: »Ich beiße. Oft.«
Ich habe keine Ahnung, wieso diese Worte dafür sorgen, dass ich auf der Unterlippe herumkaue, doch mir wird erst bewusst, dass ich das tue, als Erics Blick sich an meinem Mund festsaugt. Himmel! So habe ich schon seit sehr langer Zeit nicht mehr auf einen Mann reagiert. Gibt es irgendetwas, was er sagen oder tun kann, was mich nicht nervös macht? Ich bezweifle es.
»Dad«, ruft Julie, die ihren Vater endlich bemerkt hat. »Können wir noch ein bisschen bleiben? Luke zeigt mir gerade ein tolles Design-Programm.«
»Sicher.« Eric lächelt seiner Tochter zu, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf mich richtet.
»Du würdest zu allem Ja sagen, worum sie dich bittet, oder?«, erkundige ich mich.
Ende der Leseprobe