8,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 8,99 €
So nah und doch unerreichbar?Als Clara Abernathy die Nachbarwohnung von Blake Bennett bezieht, kann er sein Glück kaum fassen. Wild entschlossen, ihr Herz zu entflammen, sendet er ihr eindeutige Signale, die Clara auch gerne erwidern würde. Doch kann sie das mit ihrem Gewissen vereinbaren? Der unverschämt attraktive Blake ist fast wie ein Bruder für sie, denn seit dem Unfalltod ihrer eigenen Eltern ist Clara in seiner Familie ein gern gesehener Gast. Riskiert sie das gute Verhältnis zur Familie Bennett, wenn sie ihren Gefühlen freien Lauf lässt?»Wenn ich Bücher zum Wohlfühlen, mit Herz, Humor und Charme benötige, würde ich immer wieder zu den Büchern von Layla Hagen greifen.« bibliophiliehermine.blogspot.de
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Mehr über unsere Autoren und Bücher:www.piper.de
Übersetzung aus dem Amerikanischen von Vanessa Lamatsch
© Layla Hagen 2017Titel der amerikanischen Originalausgabe:»Your Fierce Love«, CreateSpace Independent Publishing Platform, 2016© der deutschsprachigen Ausgabe:Piper Verlag GmbH, München 2019Covergestaltung: zero-media.net, MünchenCovermotiv: FinePic®, MünchenDatenkonvertierung: Uhl + Massopust, Aalen
Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.
In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Wir weisen darauf hin, dass sich der Piper Verlag nicht die Inhalte Dritter zu eigen macht.
Inhalt
1 Blake
2 Clara
3 Blake
4 Clara
5 Blake
6 Clara
7 Blake
8 Clara
9 Clara
10 Clara
11 Blake
12 Clara
13 Blake
14 Clara
15 Blake
16 Clara
17 Blake
18 Clara
19 Blake
20 Clara
21 Clara
22 Blake
23 Clara
24 Clara
25 Blake
26 Clara
27 Clara
Epilog
»Auf eine weitere Bennett-Hochzeit«, rufe ich, als ich mit meiner kleinen Schwester anstoße. Summer nippt an ihrem Champagner und lässt ihren Blick über den vollen Saal gleiten. Unsere Schwester Alice hat heute geheiratet, und es sind fast dreihundert Gäste anwesend. In unserer Familie sind Hochzeiten echte Großveranstaltungen.
»Schau sie dir an. Sie sind so glücklich.« Summer seufzt mit verträumter Miene, den Blick auf Nate und Alice gerichtet.
»Du träumst gerade von deiner eigenen Hochzeit, oder? Ich wette, du weißt bereits, wo du feiern willst.«
»Machst du Witze? Ich weiß sogar genau, welche Art von Kleid ich tragen werde und wie die Blumendeko aussehen wird.« Sie grinst und tippt sich mit dem Finger an die rechte Schläfe. »Alles hier oben drin. Ich brauche nur noch einen Bräutigam.«
Glucksend lege ich einen Arm um ihre Schultern und drücke ihr einen Kuss auf die Stirn. Es ist so schön, dass sie zurück ist. Sie hat in den letzten Jahren für ein Museum in Rom gearbeitet, und für eine Weile hatte ich schon befürchtet, sie würde für immer dortbleiben. »Ich bin mir sicher, dass dir ein bestimmtes Familienmitglied gerne bei der Suche nach dem Richtigen helfen wird.«
Summer wackelt mit den Augenbrauen. Natürlich meine ich unsere älteste Schwester, Pippa. Sie ist eine ziemlich erfolgreiche Kupplerin. Der Beweis: Wir sind insgesamt neun Geschwister, und sechs sind inzwischen verheiratet. Singles sind eine aussterbende Spezies in unserer Familie. Summer, mein Zwillingsbruder Daniel und ich sind die letzten verbliebenen Musketiere.
»Komm, wir mischen uns unter die Gäste«, sage ich. Die Nacht ist noch jung, und ich muss noch unzählige Mitglieder unserer sehr weitläufigen Familie begrüßen, genauso wie enge Freunde. Viele davon haben bereits die Tanzfläche gestürmt, doch angesichts der schieren Anzahl von Gästen gibt es immer noch genug Kandidaten für ein Gespräch.
»Du hast recht. Lass uns ausschwärmen.«
»Jawohl!«
Summer hält direkt auf einen unserer Cousins zu, doch ich schaue zuerst in der Kinderspielecke vorbei. Das Beste daran, verheiratete Geschwister zu haben, ist die große Horde von Nichten und Neffen, die ich verwöhnen kann. Bei dem Tempo, in dem meine Geschwister für Nachwuchs sorgen, wird es bald eine zweistellige Zahl sein. Ich bin der Meinung, je mehr, desto besser. Ich will mich ja nicht selbst loben, aber ich glaube, ich bin ihr unangefochtener Lieblingsonkel.
Bei so vielen unterschiedlich alten Kindern laufen die Dinge gerne mal aus dem Ruder. Ich rechne auch heute Abend mit Ärger, denn die Gruppe ist ziemlich groß – auch viele Gäste haben ihre Kinder mitgebracht. Wir haben Babysitter angeheuert, aber ich will mir selbst ein Bild von der Lage machen, um herauszufinden, ob sich ein Gewitter zusammenbraut. Bisher sieht es noch ganz gut aus.
»Onkel Blake, ich will mehr Süßigkeiten«, verkündet meine vierjährige Nichte Mia.
Ihre eineiige Zwillingsschwester Elena lässt beim Wort »Süßigkeiten« die Puppe fallen, die sie im Arm hält. »Ich auch.«
Sie falten die Hände, als würden sie beten, und starren mich aus großen, flehenden Augen an. Zufällig weiß ich genau, dass Pippa ihren Kindern eigentlich nicht erlaubt, so spät am Abend noch Süßes zu essen, aber … ähm … ich kann diesen Engelchen einfach nichts abschlagen. Diese Charakterschwäche ist wahrscheinlich der Grund für meinen Posten als Lieblingsonkel.
»Kommt sofort, Mädchen.«
Ich drücke mich am Rand der Tanzfläche vorbei, die mit jedem Moment voller wird. Am Desserttisch begegne ich einer meiner Lieblingspersonen: Clara Abernathy. Ich habe sie vor mehr als zwei Jahren kennengelernt, ungefähr zu der Zeit, als Alice und Nate angefangen haben, miteinander auszugehen. Sie ist nicht nur eine enge Freundin von Pippa, sondern auch das, was wir in unserer Familie liebevoll »adoptierte Bennett« nennen. In einem roten Wickelkleid steht sie vor dem Tisch und betrachtet das Angebot.
»Hey! Dass du ausgerechnet hier zu finden bist, Clara!« Ich schnappe mir einen Teller und versuche abzuschätzen, was Mia und Elena schmecken könnte.
»Du kennst mich. Wenn es irgendwo im Raum Zucker gibt, ist die Chance ziemlich groß, dass ich davon angezogen werde. Der Haselnusskuchen ist übrigens zum Sterben lecker.«
»Wäre nicht meine erste Wahl gewesen.«
»Wunderbar. Bleibt mehr für mich.« Sie grinst und lädt sich eine ordentliche Portion Kuchen auf den Teller, dann richtet sie ihre Aufmerksamkeit auf eine Servierplatte, auf der nur noch ein einsamer Cupcake liegt. »Bitte sag mir, dass du den nicht willst, sonst muss ich mich mit dir darum schlagen.«
Ich bin versucht, sie aufzuziehen, doch eine Kindheit mit drei Schwestern hat mich gelehrt, dass man sich besser nicht zwischen eine Frau und ihre Süßigkeiten stellen sollte, wenn man nicht wirklich bereit ist, die Konsequenzen zu tragen.
»Ich will ihn nicht. Lass ihn dir schmecken.«
»Was für ein Gentleman du heute Abend doch bist.«
»Ich bin so gekleidet, also kann ich mich auch so benehmen.«
»Ich muss sagen, für jemanden, der quasi allergisch gegen Anzüge ist, steht dir der hier wirklich gut. Solltest du öfter tragen.«
»Jetzt lass uns mal nicht übertreiben.« Ich zwinkere ihr zu. Anzüge und Manschettenknöpfe entsprechen nicht meinem normalen Stil. Ich bin durch und durch Jeansträger. Clara lacht leise. Ihr dunkelbraunes Haar wippt auf ihrem Rücken, und mir steigt ein leichter Hauch ihres blumigen, weiblichen Dufts in die Nase.
»Wieso lädst du dir nichts auf den Teller?«
»Eigentlich bin ich auf Beutezug für Mia und Elena. Ich bin mir nicht sicher, was sie mögen. Irgendwelche Ideen?«
»Oh, die Mädchen werden den Cupcake lieben. Und den Haselnusskuchen.« Sie wirft einen kurzen Blick auf ihren Teller, dann drückt sie ihn mir in die Hand und schnappt sich stattdessen meinen leeren. »Bring ihnen das.«
»Du zuckst nicht mal mit der Wimper, wenn du den Cupcake an meine Nichten verschenkst, aber mit mir wolltest du dich darum prügeln? Gut zu wissen.«
»Ich kann deinen Nichten und Neffen einfach nicht widerstehen. Verurteile mich nicht dafür. So, wie du ihnen jeden Wunsch von den Augen abliest, gehe ich stark davon aus, dass für dich dasselbe gilt.«
»Schuldig im Sinne der Anklage.«
»Weißt du was? Ich werde später etwas Süßes essen. Lass uns auch noch Teller für den Rest der Kinder zurechtmachen. Nur einem Teil der Gruppe Kuchen zu bringen gleicht einer Kriegserklärung.«
Dieser Gedanke war mir gar nicht gekommen, aber sie hat natürlich recht. »Danke, dass du mir den Hals rettest.«
»Es ist ein guter Hals. Hat es verdient, gerettet zu werden.«
Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ihr Tonfall klingt irgendwie seltsam. Als wir mit unseren vollen Tellern Richtung Kinderecke marschieren, sagt mir eine kleine Veränderung in Claras Körperhaltung, dass etwas nicht in Ordnung ist. Sie hat die Schultern hochgezogen und seufzt. Gewöhnlich strahlt diese Frau von innen heraus, doch jetzt scheint ihre Energie vor meinen Augen zu verblassen. Zeit, herauszufinden, was sie belastet, und das Problem entweder zu beheben oder dafür zu sorgen, dass sie es vergisst – zumindest für heute Abend.
Die Kinder stürzen sich auf den Kuchen, kaum dass Blake und ich die Teller auf den niedrigen Tischen abgestellt haben. Wir entfernen uns ein paar Schritte von ihnen, beobachten sie aber weiterhin, um rechtzeitig eingreifen zu können, falls Kämpfe ausbrechen sollten.
»Was ist los?«, fragt Blake. Ich verziehe das Gesicht.
»So offensichtlich, hm?«
»Na ja, für jeden, der dich kennt.«
O Mist! Ich will keine schlechte Laune verbreiten. Ich habe alle Zeit der Welt, mir Sorgen um meine Wohnungssituation zu machen, wenn die Hochzeit vorbei ist. Heute Abend habe ich eine Aufgabe – und zwar, mich für Alice und Nate zu freuen.
Bevor er mit Alice nach London gezogen ist, war Nate mein Boss. Und zusätzlich ein Mentor und Freund. Außerdem hat er mich der Bennett-Familie vorgestellt, die zu einem wichtigen Teil meines Lebens geworden ist. Sie sind warmherzig, und ich bete sie an. Letztes Jahr haben sie sogar eine Überraschungsparty für mich geschmissen. Und wann immer ich krank bin, bringt mir jemand aus der Familie – gewöhnlich Blakes Mutter – etwas zu essen vorbei.
Lange Rede, kurzer Sinn, ich schulde Nate eine Menge. Das Mindeste, was ich tun kann, ist lächeln und meine momentane Zwangslage den Abend über zu verdrängen.
»Also, was belastet dich?«
»Nichts, was nicht bis nach der Hochzeit warten könnte«, antworte ich entschlossen.
Blake zieht eine Augenbraue hoch. Ich hätte wissen müssen, dass er sich mit dieser ausweichenden Antwort nicht zufriedengeben würde. Er kann ziemlich hartnäckig sein, wenn er will. Und gerade will er definitiv. Er lehnt sich ein wenig zu nah zu mir und spießt mich mit seinen dunklen Augen förmlich auf. Ich will nicht lügen, unter dem Gewicht seiner vollen Aufmerksamkeit lässt meine Entschlossenheit ein wenig nach. Außerdem schaltet sich mein Fluchtinstinkt ein, weil es gefährlich ist, Blake so nahe zu sein, dass ich ihn riechen kann. Gewöhnlich fängt dann mein Puls an zu rasen und bringt mich völlig durcheinander. Heute Abend scheint mich seine Gegenwart weniger zu beeinflussen …
Moment, zu früh gefreut. Da ist schon dieses Rauschen in meinen Ohren. Jepp, mein Puls rast. Mein Herzschlag beschleunigt sich. Blake hält meinen Blick noch immer gefangen. Stur starre ich zurück, nur um aufzugeben, als ich spüre, wie mir die Röte in die Wangen steigt.
»Du weißt, dass ich nächsten Montag eigentlich die Schlüssel zu meiner Wohnung bekommen sollte?«
Ich bin immer noch ganz aus dem Häuschen wegen des Wortes meiner in dieser Aussage. Das wird das erste Zuhause, das wirklich mir gehört. Ein winziges Apartment, aber es wird mein winziges Apartment sein. Irgendwann.
»Sicher.«
»Nun, anscheinend hat die Baufirma noch ein paar Probleme aufgedeckt, und jetzt verschiebt sich die Fertigstellung um zehn bis zwölf Wochen.«
Blake presst die Lippen zusammen. »Lass mich raten. Du hast deine jetzige Wohnung bereits gekündigt?«
Ich verlagere mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und verschränke die Arme vor der Brust.
»Genau. Ich wollte Ende nächster Woche umziehen. Ich habe den Vermieter angerufen und gefragt, ob ich den Vertrag verlängern kann, aber er hat die Wohnung bereits an jemand anderen vermietet, also lautete seine Antwort ungefähr so: Hopp, hopp, raus mit Ihnen.«
»Ich wage jetzt einfach mal zu behaupten, dass die Wohnungssuche nicht allzu gut läuft?«
»Es ist nicht leicht, in San Francisco so kurzfristig etwas zu finden.«
»Besonders, wenn es nur für ein paar Monate sein soll.«
Ich stoße den Atem aus und nicke. Seitdem die Baufirma mich über die Verzögerung informiert hat, durchforste ich jeden Tag die Wohnungsanzeigen und stehe in E-Mail-Kontakt mit einem Makler, doch bis jetzt hat sich nichts ergeben. Die kurze Mietzeit verhindert jede Zusage in der Preisklasse, die ich mir leisten kann, also sieht es ziemlich schlecht aus.
»Ich werde mich einfach zusammenreißen und mir eine WG suchen müssen. Die sind flexibler.« Die Vorstellung, mir eine Wohnung mit Fremden zu teilen, ist beängstigend. Ich bin im Heim aufgewachsen, in dem ich mit fünf, teilweise sogar mit sieben anderen Mädchen in einem Zimmer schlafen musste. Und höchstens die Hälfte davon war mir freundlich gesinnt.
»Du wirst nicht bei Fremden wohnen, Clara.« Blake klingt ein wenig besorgt und sehr beschützend. Im Hintergrund beginnt ein neuer Song, und ich tippe im Takt dazu mit dem Fuß auf den Boden, während ich beobachte, wie sich eine Falte zwischen Blakes Brauen bildet und er sich mit der Hand durch das schwarze Haar fährt. »Da weiß man nie, bei was für Irren man landet.«
»Glaub mir, ich bin auch nicht scharf darauf, aber etwas anderes bleibt mir kaum mehr übrig.«
»Ich habe eine Idee.« Er richtet sich zu voller Größe auf, was meiner Schätzung nach mindestens eins fünfundachtzig sein dürfte. Obwohl er so groß ist, wirkt er nicht massiv, sondern stark. Seine Muskeln und die schmale Hüfte lassen ihn athletisch aussehen. Vergesst das. Sie lassen ihn aussehen wie den Inbegriff von sexy und sündhaft.
»Spuck’s schon aus! Denn ich bin mittlerweile wirklich ratlos.«
»Die Wohnung neben meiner über der Bar steht leer.«
Ich brauche einen Moment, um seine Worte zu verarbeiten. Blake besitzt eine Bar. Und obwohl ich wusste, dass ihm das gesamte Gebäude gehört und er im oberen Stockwerk wohnt, hatte ich keine Ahnung, dass es dort zwei Wohnungen gibt. Aber irgendwie ergibt das Sinn. Das Gebäude ist riesig. Die Sache hat nur einen Haken. Angesichts der Größe und der Lage …
»Ich glaube nicht, dass ich mir die Miete leisten kann.«
»Ich würde keine Miete von dir verlangen.«
Das verletzt meinen Stolz. Gewöhnlich ergreife ich jede Chance, die sich mir bietet, aber das hier fühlt sich an wie Almosen. Ich denke einen Moment über meine Antwort nach. Ich möchte nicht undankbar klingen, schließlich will er mir nur helfen.
»Damit würde ich mich nicht wohlfühlen, Blake.«
»Hör mal, die Wohnung steht sowieso leer, und ich werde sie nie vermieten.«
»Wieso nicht?«
»Ich will keine Nachbarn«, sagt er einfach. »Du bist eine gute Freundin. Damit wäre das etwas anderes. Und außerdem geht es um höchstens zwölf Wochen.«
Gefühle schnüren mir die Kehle zu, doch ich schaffe es, ihn anzulächeln. Obwohl die Bennetts in den letzten Jahren zu einer festen Größe in meinem Leben geworden sind, überrascht es mich jedes Mal wieder, wenn sie mir Hilfe anbieten. Trotzdem fühlt sich das hier nicht richtig an.
Als könnte Blake meine Zweifel spüren, sagt er: »Du kannst mir das zahlen, was du momentan auch an Miete zahlst.«
»Das klingt schon besser, wenn auch dir gegenüber immer noch nicht fair.«
»Es ist fair.« Er lächelt breit, sodass sich kleine Fältchen um seine Augen bilden. »Und jetzt, nachdem die Kinder recht friedlich wirken, lass uns in die Gefilde der Erwachsenen zurückkehren.« Er legt mir eine Hand aufs Kreuz und führt mich davon.
»Willst du vorbeikommen und dir die Wohnung anschauen?«
»Sicher. Wann hättest du denn Zeit?«
»Morgen wäre eigentlich gut, da Sonntag ist, aber nach dieser Feier hier werde ich wahrscheinlich schlafen wie tot. Montag? Bevor die Happy Hour in der Bar losgeht?«
»Abgemacht. Und Blake? Danke. Jetzt bist du derjenige, der mir den Hals rettet. So richtig.«
Ich spüre den sanften Druck seiner Finger an meinem Rücken, und er lehnt sich ein weiteres Mal gefährlich nahe zu mir. »Ich werde ein unterhaltsamer Nachbar sein, versprochen.«
Ist es hier drin plötzlich unglaublich heiß, oder empfinde das nur ich so? Ich mustere Blake aus dem Augenwinkel. Jepp, nur ich. Er schwitzt nicht mal, während unter meinem Kleid quasi die Niagarafälle fließen. Ich wünschte, ich hätte mir die Mühe gemacht, meine Haare zu einem eleganten Knoten hochzustecken, statt sie einfach offen zu lassen. Auch wenn ich vermute, dass die plötzliche Hitze nichts mit den Strähnen zu tun hat, die an meinem Nacken kleben, und alles mit dem Mann neben mir.
Als wir uns der Mitte des Ballsaals nähern, fällt mir auf, dass sich die lange Schleppe an Alice’ Kleid gelöst hat und zusammengeknüllt neben ihren Füßen am Boden liegt. Sie ist gerade so in ein Gespräch mit Nate vertieft, dass sie es wahrscheinlich noch gar nicht bemerkt hat. Wenn es ihr niemand sagt, stolpert sie womöglich darüber.
»Bis später«, sage ich zu Blake und biege zu seiner Schwester ab. »Entschuldigt, dass ich euch störe, ihr Turteltäubchen, aber deine Schleppe hat sich gelöst.«
Alice senkt den Blick. »Oh, Mist! Sie haben mich gewarnt, dass das passieren könnte, weil der Stoff so schwer ist. Ich habe Sicherheitsnadeln in der kleinen weißen Tasche unter meinem Tisch.«
»Ich hole sie, und dann bringen wir dein Kleid in Ordnung.«
»Wie immer ganz die Retterin«, kommentiert Nate gut gelaunt.
»So ticke ich nun mal.« Ach, ich vermisse es, ihn als Chef zu haben, oder zumindest in meiner Nähe. Ich habe keine Geschwister, doch als ich für ihn gearbeitet habe, hat es sich angefühlt, als hätte ich einen älteren Bruder.
Fünf Minuten später stehen Alice und ich im Waschraum, und ich versuche, die Haken an ihrer Schleppe durch Sicherheitsnadeln zu ersetzen. Alice plappert währenddessen wie ein Wasserfall.
»Ich kriege mein Grinsen einfach nicht unter Kontrolle«, gesteht sie mir. »Jedes Mal, wenn jemand ein Foto machen will und sagt ›Bitte lächeln‹, explodiert mein Gesicht förmlich vor lauter Strahlen.« Ihr Glück ist ansteckend. Ich kann nicht anders, als mich zu fragen, wie es wohl ist, jemanden zu lieben und mit solcher Inbrunst zurückgeliebt zu werden. »Wahrscheinlich werde ich morgen allein vom Lächeln Muskelkater haben.«
»So, fertig«, erkläre ich endlich. »Ich glaube, so müsste es halten, aber ich werde trotzdem ein Auge darauf haben.«
»Du bist meine Heldin. Und jetzt lass uns rausgehen und Spaß haben.«
Wir haben Spaß. Ich tanze mir die Füße wund, doch meine Gedanken wandern immer wieder in eine ganz spezielle Richtung – besonders dann, wenn ich mit einem bestimmten Bennett-Bruder tanze. Blake übt eine so starke Wirkung auf mich aus – wie zur Hölle soll ich es da schaffen, direkt neben ihm zu wohnen?
***
»Das rahme ich mir ein und schaue es mir jeden Tag an.« Ich drücke das Magazin an meine Brust, während ich einen schlechten Cha-Cha-Cha ohne Musik aufs Parkett lege. Das ist das Beste an meinem eigenen kleinen Büro hier im Studio. Ich kann mich darin so lächerlich benehmen, wie ich will, ohne dass jemand meine Mätzchen sieht. Die sorgen sonst oft dafür, dass die Leute mich nicht für voll nehmen. Als bedeute Sinn für Humor und die Tendenz, meiner Freude überschwänglich Ausdruck zu verleihen, dass ich nicht ernst sein kann, wenn die Situation es erfordert.
Aber da ich die Menschen kaum ändern kann, habe ich gelernt, meinem Wahnsinn nur in Gegenwart von Leuten freien Lauf zu lassen, denen ich vertraue. Sobald ich meine Energie weggetanzt habe, lege ich das Magazin auf den Schreibtisch und streiche die Seite glatt, die ich in meinem Anfall von Begeisterung zerknittert habe. Darauf befindet sich eine herausragende Kritik über eine der letzten Folgen, an denen ich mit Nate als seine stellvertretende Producerin gearbeitet habe. Die Folge wurde erst letzte Woche gesendet. Ich mag meinen Job, gehe aber nicht vollkommen darin auf. Manchmal ist eine gute Kritik genau das, was ich brauche, um weiterzumachen.
Ich arbeite bei einer örtlichen TV-Serie, und mein Gehalt reicht gerade aus, um mir mein eigenes, winziges Apartment ein kleines Stück außerhalb der Stadt zu kaufen. Ich weiß, dass ich es nie zur verantwortlichen Senior Producerin bringen werde, aber das ist okay für mich. Ich strebe den Posten gar nicht an. Irgendwann will ich das Fernsehen hinter mir lassen, weil Work-Life-Balance in dieser Branche nicht gerade groß geschrieben wird. Ich hoffe, eines Tages meine eigene Familie zu haben – Kinder, die ich lieben, und einen Ehemann, den ich verwöhnen kann. Außerdem will ich einen Job, der es mir ermöglicht, meinen Teil zum Familieneinkommen beizutragen, ohne dass er deswegen mein gesamtes Leben vereinnahmt. Vielleicht sollte ich, wenn ich schon dabei bin, mir unmögliche Dinge zu wünsche, auch noch kalorienfreie Eiscreme auf die Liste setzen. Für den Moment gebe ich einfach mein Bestes und versuche, eine fantastische Producerin zu sein.
Heute verhalte ich mich allerdings eher geheimniskrämerisch als fantastisch, als ich um vier Uhr aus dem Studio schleiche, um mich mit Blake zu treffen, bevor die Happy Hour in seiner Bar beginnt. Zum Glück ist mein Boss gerade an einem Filmset am Standrand, sodass er mich nicht erwischen kann.
Ich parke meinen Wagen einen Block von der Bar entfernt, dann mache ich mich mit schnellen Schritten auf den Weg, wobei ich die pulsierende Energie des Pacific-Heights-Viertels um mich herum aufsauge. Der Abend ist sonnig, wenn auch kühl, perfekt für die zweite Maiwoche. Ich war schon öfter hier, doch jetzt sehe ich alles mit anderen Augen.
Die Bar befindet sich im Erdgeschoss eines dreistöckigen Gebäudes. Die Wohnungen liegen ganz oben. Das Stockwerk dazwischen nutzt Blake als Lager, was bedeutet, dass der Lärm der Bar nicht bis zu den Wohnungen durchdringt. Ich klatsche aufgeregt in die Hände, als ich mir das Haus noch einmal ansehe: frisch, voller Energie, die eine Menge Spaß verspricht, wenn man hineingeht.
Die Bar ist bereits gut gefüllt, trotz der Tatsache, dass es noch nicht einmal fünf Uhr ist. Andererseits listen eine Menge Touristenführer und Webseiten das Lokal als Tipp auf, also sind viele der Gäste wahrscheinlich Touristen, die sich nicht an Arbeitszeiten halten müssen. Hinter dem Tresen stehen zwei Barkeeper, aber Blake sitzt an einem der hohen, runden Tische neben der Bar. Bei ihm sind zwei Männer und eine Frau in Business-Kleidung. Soweit ich es erkennen kann, diskutieren sie gerade über irgendwelche Papiere auf dem Tisch. Blake ist in vollem Geschäftsmodus, was ihm verdammt gut steht. Obwohl er ganz in die Unterhaltung vertieft ist, dominiert er die Umgebung und, so wie es aussieht, auch das Gespräch.
Ich winke Blake diskret zu, dann setze ich mich auf einen der Hocker an der Bar, womit ich ihm hoffentlich zu verstehen gebe, dass ich warten werde, bis er sein Gespräch beendet hat. Doch Blake nickt den drei Fremden sofort zu und kommt in meine Richtung. Die Menge teilt sich für ihn, als er den Raum durchquert. Blake strahlt auf subtile Art Macht und Selbstbewusstsein aus. Alles an ihm sorgt dafür, dass man sich augenblicklich höher aufrichtet und seine ganze Aufmerksamkeit auf ihn richtet.
»Hey, zukünftige Nachbarin. Ich bringe diese eine Sache noch zu Ende. In ein paar Minuten können wir hochgehen, okay?«
»Sicher, lass dir Zeit. Ich werde warten und mir ein Glas irgendwas gönnen.«
»Super.« Blake winkt den am nächsten stehenden Barkeeper heran. »Was auch immer die Lady hier trinkt, es geht aufs Haus.«
»Blake«, mahne ich. »Auf keinen Fall …«
»Wenn du in meiner Bar trinkst, zahlst du nicht.«
Er lächelt, doch gleichzeitig lässt sein Tonfall keinen Widerspruch zu.
Bevor ich auch nur den Mund öffnen und mit ihm diskutieren kann, ist Blake schon wieder verschwunden, um zu der Gruppe zurückzukehren. Ich bestelle ein Glas Ingwerlimonade, dann schaue ich mich in der Bar um.
Schon wenige Minuten später begleitet Blake seine Gesprächspartner zur Tür. Eilig versuche ich, für mein Getränk zu zahlen. Ich bin clever und spreche den zweiten Barkeeper an, der nichts von Blakes Anweisung weiß. Fast hätte ich es geschafft, ihm zehn Dollar in die Hand zu drücken, doch Blake packt gerade noch meinen Unterarm.
»Nein«, sagt er einfach. Die Augenbrauen des Barkeepers berühren fast seinen Haaransatz, doch er zieht sich zurück und wendet sich wieder den Cocktails zu, mit denen er beschäftigt war, bevor ich ihn unterbrochen habe.
»Ich will mein Getränk bezahlen«, beharre ich.
»Familie und Freunde zahlen bei mir nicht.«
Seine Stimme ist eine Mischung aus Dominanz und Entschlossenheit, die meinen Puls zum Rasen bringt. Er hält meinen Blick gefangen, genauso wie meinen Unterarm. Seine Finger graben sich leicht in meine Haut. Die Berührung jagt Hitzewellen über meinen Körper. O Mist! Bald, da bin ich mir sicher, werde ich immun sein gegen seinen Charme. Aber heute ist es noch nicht so weit. Zumindest ist das Interesse einseitig, Gott sei Dank.
Ich lecke mir über die Lippen, ziehe meinen Arm zurück und stecke den Zehn-Dollar-Schein wieder in meine Tasche. »Okay. Danke.« Damit trinke ich meine Limonade aus.
»Lass uns nach oben gehen. Außer, du willst noch etwas trinken?«
»Nein, danke. Lass uns gehen.«
»Gut. Folge mir. Es gibt einen gesonderten Eingang im hinteren Teil des Hauses, also musst du nicht jedes Mal durch die Bar gehen. Ich zeige ihn dir.«
Blake geht voraus und hält mir die Tür auf. Als wir auf die Straße treten und ums Gebäude herumlaufen, zieht er mich an seine Seite. Diese beschützerische Geste ist unglaublich süß. Nachdem wir zwei Treppen nach oben gestiegen sind, öffnet Blake die Tür zur Wohnung, und ich lächle breit. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Die Wohnung – oder zumindest das, was ich bis jetzt davon sehen kann – ist besser als alles, was ich mir vorgestellt habe, trotz der Staubschicht, die auf allem liegt.
»Ich habe ein wenig renoviert«, erklärt Blake, als wir die Wohnung betreten. »Aber das Gebäude ist alt.«
»Ich mag alte Dinge. Sie haben eine Seele, eine Geschichte.«
»Stimmt.«
Das Apartment ist eine wunderbare Mischung aus Alt und Neu. Blake führt mich kurz herum. Das Wohnzimmer ist geräumig, das Schlafzimmer dafür nicht so sehr, aber ich liebe es trotzdem. Es ist reizend.
»Mein Schlafzimmer liegt genau da.« Blake deutet auf die Wand. »Die beiden Apartments haben mal eine große Wohnung gebildet, aber der Vorbesitzer hat sie durch eine Wand voneinander getrennt und noch einen zusätzlichen Eingang geschaffen.«
Kurz frage ich mich, wie dick diese Wand wohl sein mag. Nur mit Mühe kann ich mich davon abhalten, die Frage laut zu stellen. Das ist ein Abgrund, in den ich besser nicht zu tief blicken sollte. Wahrscheinlich werde ich es sowieso herausfinden, sobald Blake mal Frauenbesuch hat. Bei diesem Gedanken verkrampft sich mein Magen unangenehm, was wirklich lächerlich ist. Ich habe keinerlei Recht, eifersüchtig zu sein. Absolut kein Recht.
»Es ist staubig, aber ich werde noch putzen lassen, bevor du einziehst«, sagt er, als wir ins Wohnzimmer zurückkehren.
»Nicht nötig. Das mache ich selbst.«
»Ich werde einen Reinigungsdienst beauftragen.«
»Macht es irgendeinen Sinn, dir zu widersprechen? Irgendwie bist du heute besonders herrisch.«
Ein Grinsen bringt sein Gesicht zum Leuchten. »Du kannst es jederzeit versuchen. Es ist gut für mich, hin und wieder herausgefordert zu werden. Das erdet mich. Sonst glaube ich den Hype um mich womöglich irgendwann noch selbst.«
»Du bist wirklich eine Nummer, Blake.«
»Versuchst du, mich um den Finger zu wickeln?«
»Funktioniert es?«
»Nein. Nur, damit das absolut klar ist: Ich werde eine Reinigungsfirma beauftragen. Du kannst mir deswegen gerne einen Tanz machen.«
»Ach, den Tanz spare ich mir für eine andere Gelegenheit auf. Schließlich muss man sorgfältig abwägen, welche Kämpfe es sich zu führen lohnt.«
»Clever. Willst du irgendetwas an der Wohnung ändern?«
»Was dürfte ich denn ändern?«
»Alles, außer die Wände einzureißen.«
»Ich werde mir ein deckenhohes Regal für die Südwand kaufen. Ich weiß auch schon genau, welches.«
Aufgeregt ziehe ich mein Handy aus der Tasche. Ich habe die Seite mit meinem Traumregal gespeichert. Bis jetzt konnte ich es nicht kaufen, weil es riesig ist und auf keinen Fall in meine alte Wohnung gepasst hätte. Ich drehe das Handy, um Blake das Bild zu zeigen. Er scheint ein wenig vor den Kopf gestoßen von meinem Enthusiasmus. Ich ermahne mich selbst, meine Begeisterung etwas zu zügeln. Wenn ich aufgeregt bin, wirke ich manchmal ein bisschen manisch.
Blake sieht sich die Maße des Regals an. »Das passt perfekt.«
»Genau.«
Ich drehe mich einmal im Kreis und beobachte, wie der Staub im Licht glitzert, das durch das Fenster fällt. Das Fenster ist riesig, mit einer Glastür, die sich auf den Balkon öffnet. An sonnigen Tagen muss die ganze Wohnung in Licht gebadet sein.
»Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich auch diese Wand streichen.«
»Sicher. In welcher Farbe?«
»Genau in der, die du in der Bar hast. Du wirst mir den Farbcode verraten müssen, denn ich liebe den Ton.« Er liegt irgendwo zwischen Champagner und Pfirsich. »Ich weiß, dass ich nur eine Weile hier wohnen werde, aber ich mag es … meine Wohnungen zu individualisieren.«
Blake nickt. »Willst du den Balkon sehen? Das ist der einzige Nachteil.«
Bevor ich nachfragen kann, wieso zum Teufel ein Balkon ein Nachteil sein sollte, öffnet Blake die Fenstertür, und wir treten beide nach draußen.
»Wir werden ihn uns teilen müssen.«
»Ach, das ist der Grund, warum du die Wohnung nicht vermieten willst.«
»Jepp. Ich könnte ihn natürlich umbauen und in zwei Balkone teilen lassen. Dafür wären zwar unzählige Genehmigungen und Anträge nötig, aber es wäre machbar.«
»Wäre allerdings eine Schande. Außerdem willst du vielleicht eines Tages diese dünne Wand zwischen den zwei Schlafzimmern einreißen, und dann hättest du einen zweigeteilten Balkon.«
»Genau mein Gedanke. Gerade überlege ich auch, was ich mit den Möbeln hier anstellen soll. Vielleicht sollte ich die Sitzsäcke verschwinden lassen.« Er deutet mit dem Daumen über die Schulter auf zwei leuchtend grüne Sitzsäcke in einer Ecke. Sie sehen gemütlich aus, aber dieser Balkon hat mehr Liebe und Aufmerksamkeit verdient.
»Hmm. Vielleicht ein paar nette Liegestühle. Oh, und eine Hollywoodschaukel wäre toll.« Der Gedanke begeistert mich so sehr, dass ich auf den Zehenspitzen wippe. »Stell dir nur vor, wie du hier draußen sitzt und dir mit einem Glas Wein in der Hand den Sonnenuntergang ansiehst. Ich wette, es wäre wunderschön.«
Ich kann mir auch gut vorstellen, wie ich hier draußen sitze und zeichne, was definitiv das beste Hobby auf der ganzen Welt ist. Und eines, das mich am Laufen hält, wenn die Lage im Studio mal wieder zu irre wird.
»Liegestühle und eine Hollywoodschaukel also«, verkündet Blake.
»Du musst das nicht alles kaufen, nur weil ich es will«, wende ich ein, obwohl allein der Gedanke an die Hollywoodschaukel dafür sorgt, dass ich vor Freude quasi hüpfe.
»Ich habe dich um deine Hilfe, deine Anregungen gebeten. Und sie gefallen mir.«
»Okay.« Ich versuche, meine Begeisterung zu zügeln, ich bemühe mich wirklich, aber ich kann einfach nicht anders – bei der Vorstellung, wie ich an einem sonnigen Tag hier auf einem Liegestuhl liege oder es mir mit einem Buch auf der Schaukel bequem mache, um meinen Blick ab und zu über die Dächer schweifen zu lassen, wenn meine Augen eine Pause brauchen, muss ich breit grinsen.
Ich trete an den Rand des Balkons, der von einem schwarzen, aus fantastischen Mustern und Schnörkeln bestehenden Metallgeländer begrenzt wird. Es ist ein wenig niedrig, bietet aber genug Sichtschutz, dass niemand von der Straße aus auf den Balkon schauen kann. Ich liebe es. Zumindest, bis mein Rock sich an besagten Schnörkeln verhakt. Bei dem Versuch, mich zu befreien, verliere ich das Gleichgewicht. Mein Magen hebt sich, als ich mit dem Oberkörper über das Geländer kippe. Für einen kurzen Moment bin ich überzeugt, dass ich zwei Stockwerke tief fallen werde, doch dann greifen starke Hände nach mir. Ich protestiere nicht, als Blake mich an sich zieht und die Arme um mich schlingt. Ich atme einfach nur seinen männlichen Duft ein, verliere mich in der Sicherheit seines starken Körpers, meine Augen fest geschlossen.
»Scheiße!«, murmle ich an seiner Brust. Zu meinem Entsetzen merke ich, dass ich zittere.
»Ich habe dich.« Blakes Stimme klingt beruhigend, aber auch besorgt. Da stelle ich fest, dass ich nicht die Einzige bin, die zittert. Ich habe uns beide zu Tode erschreckt. »Ich habe dich, Clara. Du bist in Sicherheit.« Ich verharre in seiner Umarmung, bis das Zittern endlich nachlässt und mein Herz wieder da schlägt, wo es hingehört, nicht in meinem Hals.
»Ich bin okay«, flüstere ich. »Du kannst mich jetzt loslassen.«
»Sobald du deine Finger aus meinem Shirt löst.«
Ich öffne erst ein Auge, dann das andere. Und tatsächlich, ich klammere mich an seinem schwarzen Poloshirt fest, als hätte ich vor, meine Klauen in seine Brust zu schlagen. Sofort löse ich meine Finger und halte meine Hände ungeschickt über seine Brust. Ich kann meine Arme nicht senken, weil Blake mich immer noch umschlungen hält. Ich stehe an seinen steinharten Körper gepresst, und wir berühren uns fast auf voller Länge – und zwar an Stellen, über die ich besser nicht nachdenke. Blake sieht auf mich herunter, seine Pupillen vergrößern sich, als er mein Gesicht mustert, bis sein Blick auf meinen Lippen landet. Ich lecke sie, fast unbewusst. Er atmet scharf aus, sodass sein warmer Atem über meinen Mund streicht. Lieber Himmel. Was passiert hier gerade? Bilde ich mir etwas ein? Oder habe ich Blake falsch eingeschätzt, und mein Interesse wird durchaus erwidert? Das dürfte der gefährlichste Gedanke sein, den ich je hatte. Ich muss mir das einbilden. Wäre ja nicht das erste Mal, dass ich Aufmerksamkeit mit Anziehung verwechsele.
Eine der Aufseherinnen im Heim hat uns einmal erklärt, dass Waisen als Erwachsene oft Bindungsprobleme haben, weil der Mangel an elterlicher Liebe in den prägenden Jahren ein großes Loch im Herzen hinterlässt. Das trifft ziemlich gut auf mich zu. Meistens suche ich die Leute, die ich an mich heranlasse, sorgfältig aus … aber was diejenigen angeht, die tatsächlich so weit kommen? O Mann, die sollten sich besser auf übertriebene Zuneigungsbekundungen gefasst machen. Sie werden nach Strich und Faden verwöhnt und manchmal auch überraschend durchgeknuddelt, wenn ich beschließe, mich verrückt zu benehmen – was oft der Fall ist. Manche Leute sind nicht besonders scharf darauf, mit Aufmerksamkeit überschüttet zu werden. Besonders galt das für meine Exfreunde. Die Worte »klammern» und »ersticken« wurden mir in einem Trennungsstreit schon ein-, zwei- oder auch fünfmal an den Kopf geworfen, was meinen Traum von einem Leben mit Ehemann und Kindern ungefähr so wahrscheinlich macht wie den Weltfrieden. Doch über diese Komplikationen muss ich ein andermal nachdenken.
Zurück zu meinem aktuellen Problem. Blake hält mich immer noch in den Armen, und sein Blick ist nach wie vor auf meine Lippen gerichtet. Okay … Zeit, sich der Sache zu stellen und meinen Verdacht entweder zu bestätigen oder zu entkräften. Erneut lasse ich meine Zunge über die Unterlippe gleiten. Blakes Reaktion ist fast primitiv. Wieder schickt ein scharfes Ausatmen heiße Luft über meinen Mund, während seine Fingerspitzen sich in meine Haut bohren. Bei allen fliegenden Einhörnern! Was soll ich damit anfangen? Als ich mich aus seinen Armen löse, kann ich diese neue Entwicklung kaum verarbeiten. Ich wusste von Anfang an, dass es riskant sein würde, neben Blake einzuziehen. Selbst wenn das Interesse nur einseitig von mir ausgegangen wäre, hätte ich mich auf gefährliches Terrain begeben.
Aber wenn die Anziehung zwischen uns beidseitig ist? Dann stehe ich plötzlich mitten in einem Minenfeld.
»Bist du dir sicher, dass es dir gut geht?«, fragt Blake, als ich zurücktrete.
»Ja, ich bin nur erschrocken. Ich werde mich diesem Geländer in nächster Zeit besser nicht mehr nähern.« Ich drehe mich um und gehe zurück in die Wohnung, Blake folgt dicht auf meinen Fersen. »Lass uns über die Miete reden. Wo ich jetzt wohne, zahle ich …«
»Hier wirst du gar nichts zahlen.«
Ich verschränke die Arme vor der Brust und drehe mich zu ihm um. »Doch, tue ich.«
»Diese Wohnung steht leer, und wenn du nicht einziehst, wird sie das auch weiterhin tun.«
»Wir haben doch auf der Hochzeit schon darüber geredet.«
»Na ja … ich wollte dich nur zum Schweigen bringen, daher habe ich dir erzählt, was du hören wolltest, damit du die Party genießen kannst.«
Ich öffne den Mund, dann schließe ich ihn wieder, unsicher, wie ich darauf reagieren soll. »Ich habe das Gefühl, ich sollte sauer auf dich sein, weil du so hinterhältig warst.«
»Sei ruhig sauer.«
»Ich kann nicht«, gestehe ich. »Zufällig vertrete ich die Regel, dass es durchaus erlaubt ist, hinterhältig zu sein, wenn es einem guten Zweck dient.«
»Da bin ich voll auf deiner Linie.«
»Hör mal, ich weiß, dass du das Geld nicht brauchst.«
»Brauche ich wirklich nicht. Und das sage ich nicht, um großkotzig zu klingen.«
Okay, wie verhandelt man mit jemandem, der nichts braucht? Blake gehört nicht nur diese Bar, sondern er besitzt mit Alice zusammen auch noch drei Restaurants. Ich habe vor zwei Jahren gesehen, wie viel Profit sie machen. Nate hat ihnen geholfen, in einer Folge von Delicious Dining vorgestellt zu werden, und ich habe im Sender mit ihm an dem Material dafür gearbeitet. Sie machen Wagenladungen voller Geld und noch mehr. Die gesamte Familie ist gut situiert. Mehr als die Hälfte der Geschwister arbeitet bei Bennett Enterprises, einer der führenden Firmen im Bereich hochklassigen Schmucks.
»Das heißt aber noch lange nicht, dass ich hier umsonst wohnen kann. Das ist einfach nicht richtig.«
»Wenn ich es sage, ist es das. Und ich sage es.«
Er tritt näher an mich heran; ragt über mir auf, als wäre er entschlossen, das Gespräch zu dominieren. Mich zu dominieren. Er sollte besser damit aufhören, denn das macht mich ziemlich an.
»Hör auf, so stur zu sein.«
Auf seinem Gesicht erscheint ein Lächeln, das dem der Grinsekatze in nichts nachsteht. »Warum? Mache ich dich langsam mürbe?«
»Nein.« Ich richte mich höher auf. Unglücklicherweise hilft das nicht viel, weil Blake einen guten Kopf größer ist als ich. Obwohl ich hohe Schuhe trage. »Aber mir gehen die Argumente aus. Nur damit du es weißt, ich werde dieses Thema noch mal ansprechen.«
»Wunderbar. Aber nur, damit du gewarnt bist, ich kann durchaus dauerhaft stur sein.«
»Genauso wie ich.«
»Also, was sagst du? Bist du bereit, dieses wirklich üble Angebot anzunehmen?«
»Ach, hör auf, Blake. Du weißt, dass du mir einen Riesengefallen tust. Ich werde dich so bald wie möglich wieder in Frieden lassen. Und während ich hier bin, verspreche ich, dir nicht auf die Nerven zu fallen.«
»Du wirst mir nicht auf die Nerven fallen, Clara.«
»Warte, bis du Damenbesuch hast und ihr klar wird, dass du quasi mit einer Frau zusammenwohnst. Das dürfte keinen großen Anklang finden.«
Er reißt den Kopf zurück. Darüber hat er offensichtlich noch nicht nachgedacht. »Darum musst du dir keine Sorgen machen. Du bist eine gute Freundin. Gehörst quasi zur Familie. Jeder, der damit ein Problem hat, ist mir sowieso nicht willkommen.«
Seine Worte rühren mich tief, geben mir das Gefühl, wichtig zu sein. Ich kann mich unglaublich glücklich schätzen, dass Blake und seine Familie Teil meines Lebens sind. Außerdem versuche ich, nicht allzu intensiv über seine zukünftigen Übernachtungsgäste nachzudenken. Er ist gerade mit niemandem zusammen, weshalb er auch allein auf der Hochzeit war. Aber während eines unserer vielen Weiberabende haben Pippa und Summer mal angedeutet, dass Blake … Abwechslung mag. Was verständlich ist, angesichts der Tatsache, dass er neunundzwanzig und sündhaft attraktiv ist.
»Was ist mit dir?«, fragt er. »Gehst du öfter mit Männern aus?«
»Ich versuche es, aber ich begegne ständig Kerlen, die etwas ganz anderes wollen als ich. Sie suchen nur nach Spaß oder einer Freundschaft mit gewissen Vorzügen.«
»Und wonach suchst du?«
»Ich will eine Familie, also jemanden, der anständig und verlässlich ist. Aufrichtig und nicht zu streitlustig. Vertrauenswürdig. Ich weiß, dass die meisten Leute Sicherheit für langweilig halten, aber ich bin da vollkommen anderer Meinung. Ich glaube, sie ist einfach … sicher.«
»Clara, entspann dich. Du musst dich mir gegenüber nicht rechtfertigen.« Er mustert mich einen Moment lang, bevor er hinzufügt: »Ich meine, eine Familie ist im Augenblick das Letzte, was ich mir vorstellen kann, aber … ich glaube nicht, dass ich jemals jemanden so offen und ehrlich über seine Wünsche sprechen gehört habe.«
Ich habe diese Gedanken vorher noch nie laut ausgesprochen. Jetzt, wo ich es getan habe, fühle ich mich plötzlich verletzlich, also versuche ich, das mit einem Witz zu überspielen.
»Nun, ich bin eineinhalb Jahre älter als du. Warte, bis du dreißig wirst – da spielen die Hormone verrückt. Allerdings könnte das auch etwas damit zu tun haben, dass ich eine Frau bin. Die biologische Uhr und all das. Auf jeden Fall musst du dir keine Sorgen um nächtliche Aktivitäten auf meiner Seite der Wand machen. Ich habe so was nicht vor, bevor ich nicht mit jemandem zusammen bin, der zumindest so wirkt, als wolle er dasselbe wie ich. Wo wir gerade von … nächtlichen Aktivitäten sprechen … Könntest du mich warnen, wenn du vorhast, jemanden mitzubringen? Ich will nicht neugierig sein, aber ich muss wissen, ob ich Ohrstöpsel zur Hand haben sollte … Diese Wand zwischen unseren Schlafzimmern besteht nur aus Rigips. Kann nicht schalldicht sein.«
Mist! Wäre ich noch leichter zu durchschauen, wäre ich durchsichtig. Blake beugt sich leicht vor. Nicht auf aufdringliche Art, sondern so, dass ich mir gleichzeitig wünsche, er würde zurückweichen und näher kommen. Ich verliere offiziell den Verstand.
»Wir werden das schon irgendwie hinkriegen. Wir werden einfach improvisieren.«
Damit lehnt er sich zurück. Gott sei Dank. Ich nicke stumm. Was gibt es dazu schon zu sagen? Der Mann hat recht, und ich bin eine Meisterin der Improvisation. Nachdem mein gesamtes Leben quasi eine einzige Improvisation war, bin ich inzwischen Profi darin. Ich weiß gar nicht, warum ich mich so aufrege.
»Okay. Nur … wie ich schon sagte, ich will dir nicht auf die Nerven fallen.«
»Das ist eine schreckliche Phrase. Ich will sie nie wieder hören.«
»Okay, vermerkt. Auf jeden Fall musst du dir keine Sorgen machen. Ich werde nicht reinplatzen, wenn du gerade jemanden auf dem Balkon verführst oder so. Ich weiß, wie man sich unsichtbar macht, wenn die Situation es erfordert.«
Clara ist förmlich in sich zusammengesunken. Bei dem Gedanken, dass andere ihr das Gefühl gegeben haben, sie müsste sich unsichtbar machen – dass sie unbedeutend ist –, sehe ich sofort rot. Mein erster Instinkt ist, sie zu fragen, wer sie so behandelt hat, um diese Personen dann dafür zahlen zu lassen … aber gleichzeitig sehe ich nicht, wie das die Sache besser machen sollte. Also folge ich meinem zweiten Impuls – ihr zu versichern, dass sie für mich nie unwichtig sein wird.
Ich trete zu ihr und lege ihr die Hände auf die Schultern, sodass ein Daumen an ihrem Hals ruht. Ihr Puls geht unregelmäßig.
»Ich will dich hierhaben, Clara. Sonst hätte ich dir die Wohnung nicht angeboten.«
»Okay.«
Ich schätze meine Privatsphäre sehr, was der Grund ist, warum ich die Wohnung nie vermietet habe, nicht einmal an Freunde.
Lange Zeit habe ich keinen Moment gezögert, Leute in mein Leben zu lassen. Ich bin ein sehr geselliger Mensch; ich mag große Gruppen, je größer, desto besser. Freunde zu finden ist mir immer leichtgefallen. Ich habe lange gebraucht, um herauszufinden, dass einige Leute nur mit mir abhingen, weil ich ihnen Luxus ermöglichte – kostenlose Urlaube, kostenloses Alles. Ich war ziemlich jung, als meine Familie zu Geld kam, was positive und negative Seiten hatte. Ich hatte immer alles, was ich brauchte und wollte, aber gleichzeitig hatte ich nie gelernt, vorsichtig zu sein. Ich kannte nicht den Wert eines gewissen anfänglichen Misstrauens. Es waren viele Reinfälle nötig, um zu begreifen, dass manche Leute nur das wollten, was ich ihnen zu bieten hatte, und ihre hässliche Seite zeigten, wenn es ihrer Meinung nach nicht genug war.