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Zusammen mit anderen Wissenschaftlern wird Dr. Lara Evelyn Douglas zu dem Planeten Hereia geschickt. Die Mission: Das Testen der Überlebensstation, die im Orbit des Planeten ihre Bahnen zieht, und die Erforschung des planetaren Ökosystems aus der Ferne. Mit diesen Erkenntnissen erhofft sich die Regierung der Erde eine Verbesserung der Lebenssituation auf ihrem vergifteten Planeten.
Schon nach kurzer Zeit entdeckt Lara auf der Planetenoberfläche eine Spezies, die genetisch eng mit dem Menschen verwandt zu sei scheint und sich äußerlich vom Homo Sapiens fast nur durch die Reptilienhaut unterscheidet. Die Schlangenmenschen leben nackt im Dschungel und kopulieren bei jeder Gelegenheit miteinander. Die Beobachtungen gehen in ihrer erotischen Ausstrahlung natürlich auch an unserer Wissenschaftlerin nicht spurlos vorbei. Aber damit ist sie nicht alleine.
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Divina Michaelis
Die Entdeckung des
Homo Serpentes
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„Du bist ein Schwamm, du wirst es schon schaffen!“ Die Worte meiner Mutter schwirrten immerfort durch mein Hirn, wurden wie Pingpongbälle hin- und hergeworfen und prallten an der Schädeldecke wieder zurück. Ich wusste, dass Verwirrtheitszustände an der Tagesordnung waren, wenn man aus dem Kryoschlaf erwachte, aber was nützte das Wissen, wenn man selber orientierungslos in einem der sargähnlichen Gebilde zu sich kam?
Um mich herum drehte sich alles und es dauerte ein Weilchen, bis ich durch den Glasdeckel endlich einen Punkt fest fixieren konnte. Dazu kam das watteartige Gefühl in meinem Kopf und die gedämpften Geräusche, die irgendwo von draußen durch den Deckel drangen. Erst so nach und nach gesellten sich auch andere Erinnerungen zu diesem merkwürdigen Satz.
Zu diesen letzten Worten meiner Mutter, bevor ich mich auf den Weg zum Planeten Hereia machte, hatten noch einige andere Sätze gehört, solche wie: „Ich hab dich lieb“, „Du hast es verdient“, oder: „Ich bin so stolz auf dich!“ Dieser Stolz hatte seinen Grund, denn ich war trotz der Tatsache, dass ich aus dem Ghetto kam, nicht nur die jüngste promovierte Absolventin meiner Uni – und damit bereits mit 23 Jahren mit einem Doktortitel ausgestattet, sondern ich gehörte zu den wenigen Personen, die ein Jahr später die Möglichkeit bekamen, in einem anderen Teil des Universums die Tauglichkeit einer Überlebensstation auszutesten und gleichzeitig das Leben auf dem Planeten zu erforschen, in dessen Orbit sie schweben sollte.
Bis ich mich in das Raumschiff begeben hatte, war der Gedanke, dass ich an dieser Mission teilnehmen durfte, äußerst unwirklich. Und auch jetzt noch fühlte es sich komisch an, als wäre das alles nur ein Traum gewesen – ein Traum in Watte.
Ein Surren drang störend in meine Ohren und ich schüttelte unwillig den Kopf. Etwas rot Blinkendes schob sich in mein Blickfeld. Ein grelles Licht blendete auf, stach mir kurz in die Augen, weshalb ich sie reflexartig schloss und erst wieder öffnete, als es verlosch. Die Farbe wechselte von blinkendem Rot zu statischem Grün.
Aufgrund meiner Fähigkeit, Informationen in mich aufzusaugen wie andere ihre zusätzlich gekaufte Sauerstoffration, bin ich von meiner Mutter schon des Öfteren als Schwamm bezeichnet worden, darum wunderte mich dieser Ausdruck beim Abschied nicht. Trotzdem war es genau diese Aussage gewesen, die mein Gehirn nach dem Aufwachen in Beschlag genommen hatte.
Dabei konnte man das gar nicht so verallgemeinern, denn nicht alles blieb in meinem Gedächtnis haften. Meine großen Schwächen waren meine Gesichtsblindheit und dass ich Namen nur schwer behielt. In diesen beiden Punkten gab es in meinem Hirn ein großes schwarzes Loch. Glücklicherweise begleiteten mich auf dieser Mission nur neunundzwanzig Kollegen und vier Techniker, sodass ich das Problem auf der Station einigermaßen in den Griff bekommen müsste – im Laufe der Zeit.
Jemand klopfte an den Deckel, bevor dieser sich mit einem Zischen öffnete. Der Mann, der davor stand, schenkte mir ein breites Grinsen. „Machen Sie sich bitte fertig, Dr. Douglas. Sie haben lange genug geschlafen. Wir erreichen Hereia in Kürze.“ Das alles riss mich aus meinen Gedanken. Als der Deckel der Kryobox weit offen stand, griff ich ein wenig träge nach ihrem Rand. Nur mit Mühe konnte ich mich hochziehen. Langsam bewegte ich erst die Finger, kreiste im Anschluss mit den Handgelenken und meinem Kopf, um die Bewegung schließlich auf den Rest meiner Glieder auszuweiten. Alles fühlte sich etwas steif und ungewohnt an, und erst als ich mich richtig umschauen konnte, kam mir die Tragweite des Ganzen hier wieder zu Bewusstsein und gab mir den Adrenalinschub, den ich brauchte, um endgültig wach zu werden.
„Oh Mann“, machte ich mir Luft. Meine Stimme klang etwas kratzig, aber immerhin konnte ich sprechen. Tief atmete ich ein und schüttelte den Kopf. „Was für ein Trip!“
Auch neben mir war alles in Bewegung. Zwei Besatzungsmitglieder gingen zwischen den sargähnlichen Gebilden umher, überprüften die Werte und öffneten die Deckel genau wie bei mir. Sie mochten es nicht, wenn man sie Särge nannte und bezeichneten sie einfach nur als Boxen, aber der Begriff ‚Box‘ drückte nicht annähernd das aus, was ihr Anblick an Gefühlen auslöste. Und für manchen Weltraumreisenden war so eine Box auch schon zum Sarg geworden, wenn die Technik versagt hatte. So zu reisen war nicht ganz ohne Risiko.
Schon wieder drifteten meine Gedanken ab. So ganz wach war ich wohl doch noch nicht. Wie war das eigentlich? Der Flug dauerte zwei Jahre, die wir im eingefrorenen Zustand verbrachten, zwei Jahre, die wir nicht alterten. Im Prinzip war mein Körper immer noch der einer vierundzwanzigjährigen Frau. Galt ich nun als vierundzwanzig oder sechsundzwanzig? Nach dem Rückflug zur Erde kämen noch einmal zwei Jahre drauf. Durfte man die Reisezeit also mitzählen? Natürlich, wenn man das Alter nach dem Geburtsdatum rechnete, müsste man das tun, aber ich fühlte mich nicht so, da ich meinem Empfinden nach gestern noch vierundzwanzig Jahre alt gewesen war.
Ein Gefühl der Unwirklichkeit überkam mich – wie bei einem Menschen, der nach einem Koma erwacht und feststellen muss, dass die Zeit um ihn herum weitergelaufen ist. Waren wirklich schon zwei Jahre vergangen, seit wir die Erde verlassen hatten? Das Bild auf dem Monitor bewies es. Es zeigte einen dunkelgrün bewachsenen Planeten, um den zwei Monde dicht beieinander ihre Bahnen zogen. Und wir näherten uns rasch.
Fasziniert betrachtete ich einen anderen Bildschirm, auf dem die Station zu sehen war, die unser Transportschiff mit hierher geschleppt hatte. Es war das erste Mal, dass ich einen Blick darauf werfen konnte, denn bevor sie an diesem Schiff angedockt worden war, hatten wir alle schon im Kryoschlaf gelegen. Nun bekam ich einen kleinen Eindruck des gewaltigen Gebildes, knochenförmig, mit einer großen, durchsichtigen Kuppel an einer Seite und über und über mit Solarzellen bestückt. Das sollte für die nächsten zehn Jahre unsere Heimat sein, die Heimat von vierunddreißig Menschen – und ich war die Jüngste von ihnen. Ein mulmiges Gefühl machte sich in meinem Magen breit und ein dicker Kloß steckte in meinem Hals. Dieses hier war so – anders, ganz anders als mein bisheriges Leben. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr zitterten meine Hände und ich fühlte mich ganz flatterig vor Aufregung.
Um mich wieder herunterzubringen, atmete ich bewusst tief und regelmäßig durch die Nase ein und durch den Mund aus. Ich würde das schaffen. Mein Können und mein Ehrgeiz hatten mich hierher gebracht und es gab keinen Grund, an mir zu zweifeln.
Ich wandte den Blick zur Seite. Ein Mann hangelte nach zwei Gehhilfen, die neben seinem Kryosarg von einem Riemen gehalten wurden. Zwar versuchte ich, mich an den Namen zu erinnern, denn wir alle waren uns vor Beginn der Reise bereits vorgestellt worden, aber wie üblich prangte anstelle des Namens ein riesiges Loch. Das war für mich aber kein Hindernis, ihm helfen zu wollen. So schnell es mir möglich war, hangelte ich mich zu ihm hin, wobei ich mich an diversen Kanten und Griffen festhielt, um nicht umzukippen. Mir selber wurden von der Anstrengung die Beine weich, doch ich schaffte es immerhin, ihm seine Gehstützen zu reichen.
„Danke, Dr. Douglas“, sagte er freundlich, als er sie in Empfang nahm. Verflixt, warum funktionierte das Namensgedächtnis nur bei anderen so gut? Auch er wirkte noch etwas desorientiert und dennoch wusste er, wie ich heiße. Peinlich!
„Bitte, gern geschehen.“