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Die vorliegende Schrift soll ein kleines Aha-Erlebnis bewirken. Mein Eindruck ist, dass wir in der Regel von den Briefen her die Evangelien lesen und deshalb automatisch voraussetzen, dass die Evangelien voll von der Gnade und der Liebe Gottes seien. Die Überraschung ist daher groß, wenn man erstaunt feststellt, dass gemäß der vier Evangelien der Herr Jesus Christus das Wort Gnade nie gebrauchte, um das Wesen des Evangeliums zu erklären. Ähnliches gilt für die Liebe Gottes, von der Er fast nie redete.
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Seitenzahl: 74
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Gott ist (nicht nur) Liebe
Gottes Liebe ist nicht bedingungslos
Gottes Gnade in der Botschaft des Herrn Jesus
Gottes Liebe in der Botschaft des Herrn Jesus
Das Evangelium ist das Königreich Gottes – Gnade und Liebe sind diesem untergeordnet
Evangelium ist mehr als eine „Gute Nachricht“
Erlösung ist weit mehr als „Sündenvergebung“
Jesus ist mehr als das Opferlamm
Die Gemeinde ist mehr als die Summe derer, denen vergeben wurde
Die christliche Freiheit ist etwas anderes als Autonomie
Das Volk Gottes ist nicht länger von der Welt
Das Evangelium ist Gottes Ultimatum an diese Welt
Warum hören wir das nicht so?
Der Alte Bund endet mit Johannes, dem Täufer
Das Königreich in der Apostelgeschichte
Das Königreich in den Briefen
Der missverstandene Paulus
Der Kanon im Kanon
Ein gnostisches Glaubensverständnis
Zwei Evangelien?
Gnade und Werke bei Paulus
Wir werden nach unseren Werken gerichtet werden
Die vorliegende Schrift soll ein kleines Aha-Erlebnis bewirken. Mein Eindruck ist, dass wir in der Regel von den Briefen her die Evangelien lesen und deshalb automatisch voraussetzen, dass die Evangelien voll von der Gnade und der Liebe Gottes seien. Die Überraschung ist daher groß, wenn man erstaunt feststellt, dass gemäß der vier Evangelien der Herr Jesus Christus das Wort Gnade nie gebrauchte, um das Wesen des Evangeliums zu erklären. Ähnliches gilt für die Liebe Gottes, von der Er fast nie redete.
Als fundamentale Eigenschaft Gottes gilt die Liebe. Viele sehen die Aussage in 1.Joh 4,8 – „Gott ist Liebe“ – als die wichtigste Aussage über Gott. In unserem Sprachgebrauch ist daher oft vom „lieben Gott“ die Rede. Diese Liebe will einerseits richtig verstanden werden, andererseits ist Liebe nicht die einzige Eigenschaft Gottes, sodass nicht alles, was Er sagt und tut aus Seiner Liebe heraus zu begründen ist. Die Sodomiten haben an jenem Tag als Feuer und Schwefel vom Himmel fiel und sie vernichtete, Gott gewiss nicht als „liebenden Gott“ empfunden. Man kann zwar sagen, dass die Liebe Gottes es erfordert, dass Sünde nicht ungestraft bestehen kann, da dies die gesamte Schöpfung verseuchen würde, die Schrift selbst argumentiert in solchen Fällen jedoch nicht von der Liebe Gottes her, sondern von Seiner Strenge oder auch von Seinem Zorn her.
Röm 11,22 Sieh nun die Güte und die Strenge Gottes: gegen die, welche gefallen sind, Strenge; gegen dich aber Güte Gottes, wenn du an der Güte bleibst; sonst wirst auch du ausgeschnitten werden.
Wir sollen also nicht nur die Liebe bzw. Güte Gottes als Antrieb Seines Handelns sehen, sondern auch die Strenge und den Zorn als eine göttliche Motivation verstehen. Für uns bedeutet beides eine sogenannte „extrinsische“ Motivation (Motivation von außen durch Belohnung und Strafe), da sowohl die Güte als auch die Strenge von Gott her kommen und von uns Entscheidungen und Handlugen fordern, zu denen wir uns sonst nicht aufraffen würden..
In der Pädagogik gilt die „intrinsische“ Motivation als die bessere, d.h. man handelt aus eigener Überzeugung, aus Dankbarkeit oder aus unserer Liebe. So schön und gut das ist, so wahr ist es (leider) auch, dass extrinsische Motivation in der Regel die häufigere und auch wirkungsvollere ist, um gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Die meisten werden extrinsisch motiviert, die wenigsten intrinsisch, wenn es darum geht, Eigeninteressen, Bequemlichkeit oder falsche Gewohnheiten und Verhaltensmuster zu überwinden.
Und doch ist, wie wir sehen werden, es unerlässlich, dass wir selbst uns nach der Güte Gottes ausstrecken, Ihn und Seine Gnade suchen, indem wir uns eifrig bemühen, das zu tun, was vor Ihm wohlgefällig ist. Ohne diese Haltung, diesen Beweis unserer aufrichtigen Buße, werden wir weder einen „lieben Gott“ noch einen „gnädigen Gott“ finden. Damit das aber gelingt, muss es tatsächlich von innen kommen, aus unserem Herzen (intrinsisch, denn es muss „echt“ sein).
Spr 11,27 Wer das Gute eifrig sucht, sucht Wohlgefallen [die LXX hat hier das Wort Gnade]; wer aber nach Bösem trachtet, über ihn wird es kommen.
Jer 5,1-3 Durchstreifet die Gassen Jerusalems, und sehet doch und erkundet und suchet auf ihren Plätzen, ob ihr jemand findet, ob einer da ist, der Recht übt, der Treue sucht: so will ich ihr vergeben. Und wenn sie sprechen: So wahr Jahwe lebt! so schwören sie darum doch falsch. - Jahwe, sind deine Augen nicht auf die Treue gerichtet?
1.Petr 3,10-12 Denn wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der enthalte seine Zunge vom Bösen, und seine Lippen, dass sie nicht Trug reden; er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach; denn die Augen des Herrn sind gerichtet auf die Gerechten, und seine Ohren auf ihr Flehen; das Angesicht des Herrn aber ist wider die, welche Böses tun.
Die zitierten Verse zeigen uns zudem eine Facette der Liebe Gottes, die in der modernen Verkündigung oft verleugnet wird: Die Liebe Gottes ist nicht bedingungslos. Die Liebe Gottes gilt zwar tatsächlich allen Menschen, aber das macht sie weder voraussetzungsnoch bedingungslos:
Joh 3,16 Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.
Die Liebe Gottes veranlasste Ihn zwar, Seinen Sohn für uns zu geben, allerdings ist der Glaube die Voraussetzung, die Wirkung dieser Hingabe persönlich zu erfahren und ewiges Leben zu erhalten. Mehr noch: Der Glaube muss ein anhaltender Glaube sei (Präsens), um dieses ewige Leben zu erhalten (Konjunktiv).1 Das ist eine Bedingung.
Während Gott allen Menschen Seine Liebe anbietet, sind sie jedoch gleichzeitig unter Seinem Zorn und bleiben unter diesem Zorn, wenn sie nicht umkehren und sich versöhnen lassen:
Joh 3,36 Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem Sohne nicht glaubt
[wörtl. gehorcht]2, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm.
So kann Johannes also innerhalb von nur 20 Versen gleichwertig von der Liebe Gottes und dem Zorn Gottes reden, welche gleichzeitig allen Menschen gelten. Die Liebe Gottes ist daher keine allversöhnende Liebe, sondern an die Bedingungen von Umkehr und anhaltendem, gehorsamen Glauben gebunden.
1 Das bezieht sich auf die Zeitformen der Verben im griechischen Text. Leider vermitteln manche Kommentare den Eindruck, als handle es sich beim rettenden Glauben um eine einmalige Glaubensentscheidung. Das ist falsch. Es geht um einen anhaltenden und vor allem tätigen Glauben. Darum ist die Verheißung ewigen Lebens auch im Konjunktiv und nicht, wie viele falsch mit der Tatsachenform „hat“ übersetzten und den Schluss ziehen: Wenn man das ewige Leben hat, könne man es nicht mehr verlieren. Vielmehr ist die Verheißung an die Bedingung gebunden, den Glauben (bis zum Ende) zu bewahren (vgl. Mat 24,13).
Beginnt man in den Briefen zu lesen, um das Evangelium zu verstehen, dann meint man, das Schlüsselwort des Evangeliums sei Gnade. Gnade sei der Gegensatz zu den menschlichen Werken, so dass wir nicht durch unser Tun, sondern durch ein freies Geschenk gerettet würden. Das wird besonders von all jenen als große Befreiung erfunden, welche trotz aller religiösen Bemühungen dennoch keine Glaubensgewissheit und keinen Frieden erfuhren. Das bekannteste Beispiel dafür war ein asketischer Augustinermönch, der an seiner Suche nach einem „Gnädigen Gott“ verzweifelte, bis er ihn im Römerbrief fand. Da die katholische Kirche diesen Gott offenbar nicht zu vermitteln vermochte, gab Martin Luther dieser Gnade Gottes und den Briefen des Paulus in seiner Theologie ein solches Gewicht, dass wir eigentlich zutiefst irritiert sein müssten, wenn wir sehen, dass der Herr Jesus das Wort „Gnade“ nicht ein einziges Mal benutzte, um das Wesen des Evangeliums zu beschreiben.
Schlimmer noch: Er verwendet das Wort Gnade in einem für uns völlig anderen Sinn, in dem es im Griechischen jedoch ebenfalls gebraucht wurde:
Luk 6,32-34 Und wenn ihr liebet, die euch lieben, was für Dank ist es euch? Denn auch die Sünder lieben, die sie lieben. Und wenn ihr denen Gutes tut, die euch Gutes tun, was für Dank ist es euch? Denn auch die Sünder tun dasselbe. Und wenn ihr denen leihet, von welchen ihr wieder zu empfangen hoffet, was für Dank ist es euch? Denn auch die Sünder leihen Sündern, auf dass sie das gleiche wieder empfangen.
Das Wort, das mit „Dank“ übersetzt wird, ist das Wort „Gnade“. In den Parallelversen in der Bergpredigt (Mat 5-7) steht das Wort „Lohn“. Die Vorstellung, Gnade mit Lohn gleichzusetzen, grenzt für evangelikal gesinnte Christen an Häresie; für jene, deren Muttersprache Griechisch war, ist das jedoch völlig normal. Das bedeutet, dass auch Gnade nicht als bedingungslos definiert werden kann, sondern Wohlgefallen gegenüber Wohlgefälligem zum Ausdruck bringt. Die Wortwurzel von Gnade ist Freude bzw. Wohlgefallen.
2 Leider verschleiert die Elberfelder Bibel hier, dass Johannes zwei verschiedene Worte gebraucht: pisteuo (glauben) und apeitheo (nicht gehorchen) – diese Ungenauigkeit ist wohl der „allein aus Glauben“-Theologie der Übersetzer geschuldet.