Heimkehr der Verlorenen - Alexander Basnar - E-Book

Heimkehr der Verlorenen E-Book

Alexander Basnar

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Beschreibung

Mit dem Büchlein "Heimkehr der Verlorenen" legt der Autor Gedanken und Assoziationen vor, die ihm beim Betrachten der bekannten Gleichnisse vom verlorenen Schaf, der verlorenen Münze und des verlorenen Sohnes gekommen sind. Diese Texte sind so vertraut, dass man sich fragen möchte, was man hier noch dazu sagen sollte. Ist nicht bereits alles gesagt? ... Doch das ist das Erstaunliche an den Worten des Herrn: Sie sind nie abgenutzt und nie völlig ausgelotet; stets aktuell und neu sprechen sie uns in unserem Hier und Jetzt an.

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Inhalt

Vorbemerkungen

Fehleinschätzung

Die Abkehr

Das verlorene Schaf

Die verlorene Münze

Die Abkehr des verlorenen Sohnes

Die Heimkehr

Das heimgekehrte Schaf

Die heimgekehrte Münze

Die Heimkehr des verlorenen Sohnes

Ergänzungen zur Heimkehr

Jesus, der Christus

Jesus, der Sohn Gottes

Die Taufe

Gemeinschaft

Vorbemerkungen

Mit dem Büchlein „Heimkehr der Verlorenen“ lege ich Gedanken und Assoziationen vor, die mir beim Betrachten der bekannten Gleichnisse vom verlorenen Schaf, der verlorenen Münze und des verlorenen Sohnes gekommen sind. Diese Texte sind so vertraut, dass man sich fragen möchte, was man hier noch dazu sagen sollte. Ist nicht bereits alles gesagt?

Ich war geradezu empört, als vor vielen Jahren in meiner Gemeinde zum gefühlten hundertsten Mal über den verlorenen Sohn gepredigt wurde – während zugleich der Großteil der übrigen Schrift vernachlässigt wurde! Ist es redlich, den Glauben nur mit ein paar Lieblingstexten zu nähren und zu begründen? Und nun schreibe gerade ich darüber, in meinem Gewissen angestupst vom Herrn, Seinen Gleichnissen einen weiteren Blick zu gönnen.

Diesmal war ich sehr überrascht, denn mir erschlossen sich Zusammenhänge zu anderen Lehren des Herrn, durch welche mir diese Gleichnisse nicht nur „Neues“ sagten, sondern sie ließen diese auch lebendiger, ja drängender werden. Neugierde, also die Gier nach Neuem, hat mich nicht angetrieben; ich fühlte mich eher fast gegen mein Interesse gedrängt. Ich habe es aber nicht bereut und stehe beschämt da. Gottes Wort ist niemals abgenutzt. Wenn es langweilig geworden ist, dann wahrscheinlich nur deshalb, weil ich unempfänglich geworden bin. Abgestumpft. Und dieses „alles schon Wissen“ und „abgehakt zu haben“, stellt mich in bedenkliche Nähe zu jenen, denen der Herr diese Gleichnisse gesagt hatte: das waren die Pharisäer, die besonders Frommen, die auf die weniger Frommen, die Sünder, die Unwissenden herabblickten. So war denn auch meine Empörung über die hundertste Predigt zum verlorenen Sohn ungerechtfertigt. Meine Empörung. Die Kritik an sich ist natürlich zulässig, inwiefern man die ganze Schrift in der Gemeinde zur Geltung bringt, oder nur eine angenehme, vertraute Auswahl.

Als jemand, der nun selbst seit vielen Jahren als Prediger und Lehrer am Wort dient, merke ich aber, wie schwer es ist, meinen eigenen Ansprüchen zu entsprechen, geschweige denn denen des Herrn. Das macht demütig und sollte auch barmherziger machen. Barmherzigkeit ist das, was der Herr Jesus in Seinen Gleichnissen von den Pharisäern einfordert. Barmherzigkeit und Freude über jeden Sünder, der umkehrt. Über jeden Verlorenen, der heimkehrt. Zu denen nicht zuletzt die Pharisäer selbst gehören.

Seit zwei Jahren lebe ich mit anderen Glaubensgeschwistern in einer „Kommunität“, einer Gemeinschaft, wo wir den Glauben, unseren Besitz und unser Leben teilen. Das ist eine äußere Form der christlichen Gemeinde, die auch im Neuen Testament bezeugt ist und unseres Erachtens zumindest das anzustrebende Ideal darstellt. Denn dieser Rahmen bietet ausgezeichnete Bedingungen, das Pharisäertum abzulegen. Im täglichen Zusammenleben kann man nämlich nicht lange eine Maske tragen. Im täglichen Beisammensein kann man einander auch nicht so leicht aus dem Weg gehen oder ignorieren. Die Bruderliebe wird zur täglichen Erfahrung, aber auch die Ecken und Kanten der Einzelnen, mit denen man leben lernen muss. Diese Erfahrungen, sowie das Ideal an sich, das mich seit über 15 Jahren fasziniert und begleitet, fließen in meine Betrachtungen mit ein. Diese sind es, die mir den Blick dafür öffneten, die Erlösung nicht länger nur als eine persönliche Sache zwischen Gott und mir zu sehen. Das verlorene Schaf kommt zurück zur Herde, die verlorene Münze kommt zurück zum Vermögen der Frau und der verlorene Sohn kommt nicht nur zum Vater, sondern zur ganzen Familie zurück.

Das gibt all diesen Gleichnissen eine weitere Ebene, die oft übersehen wird. Dass ich in der Frau, der eine ihrer Münzen verlorengegangen ist, nicht Gott sehe, der uns sucht, sondern (ganz allgemein) die Armen, die unsere Hilfe brauchen, mag fürs erste für ein Stirnrunzeln oder Skepsis sorgen. Das Prinzip, auf das ich damit hinweise, ist in der ganzen Heiligen Schrift jedoch hinreichend bezeugt; ob es in diesem Gleichnis gesehen werden muss, mag man diskutieren. Mir geht es in dem Buch nicht um „trockene Auslegung“ nach allen Kriterien der Theologie, sondern um die persönliche Ansprache. Das Wort Gottes will herausfordern, nicht systematisch abgezirkelt werden, um unseren akademischen Bedürfnissen zu entsprechen.

„Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und es dringt durch, bis es scheidet sowohl Seele als auch Geist, sowohl Mark als auch Bein, und es ist ein Richter der Gedanken und Gesinnungen des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern alles ist enthüllt und aufgedeckt vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft zu geben haben.“ (Heb 4,12-13).

In genau diesem Sinn und mit dieser Absicht lege ich dir die folgenden Gedanken vor. Mögen sie dich ebenso ins Licht stellen und herausfordern wie mich selbst. Mögen sie, so dies noch fehlen sollte, auch bei dir die Heimkehr zu Gott und den Seinen bewirken.

Fehleinschätzung

Ich will mit einer Begebenheit beginnen, über die ich mich bis heute schäme. Es war im Gottesdienst, als ich in meinem Sonntagsanzug dasaß. Ich trug seit Jahren am Sonntag ein schöneres Gewand, und ich tue das auch heute noch; die Gründe dafür erspare ich uns hier. Es tut etwas mit uns. Gutes und weniger Gutes. Das Gute liegt in der inneren Vorbereitung auf die heilige Versammlung schon bei der Morgengarderobe. Das weniger Gute erkannte ich an jenem denkwürdigen Sonntag vor rund 20 Jahren:

Vier bis fünf fremde Personen setzten sich in unseren Gemeindesaal. Lederjacken, tätowiert, verlebte Gesichter – Junkies. „Was tun die denn hier?“, schoss es mir durch den Kopf, und ich war irgendwie froh, dass sie nicht neben mir Platz nahmen. Plötzlich standen sie während des Gottesdienstes auf und erzählten von ihrer Arbeit unter Drogensüchtigen, und auch, wie sie selbst frei wurden. Ein Bruder, der sich sehr für diese Arbeit einsetzt (bis heute), hat sie damals eingeladen zur Ehre Gottes davon zu berichten. Wie schämte ich mich! Ich ging nach der Versammlung zu einem der Besucher hin und bekannte ihm meine herabwürdigenden Gedanken. Bis heute habe ich diesen Gottesdienst nicht vergessen. Was für eine Fehleinschätzung!

Am Beginn der Gleichnisse vom verlorenen Sohn, vom verlorenen Schaf und der verlorenen Münze steht ebenso eine Fehleinschätzung. Diese gab den Anlass für diese vielleicht bekanntesten Lehren des Herrn Jesus:

„Es pflegten sich Jesus aber alle Zöllner und Sünder zu nahen, um ihn zu hören. Und die Pharisäer und die Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt Sünder an und isst mit ihnen!“ (Lk 15,1-2).

Die Pharisäer glänzten wie ich durch „bessere“ Kleidung und urteilten ebenso wie ich damals nach dem Augenschein. Also ungerecht. Für solche Menschen, die sich für etwas Besseres halten, für Menschen, die meinen, Gott näher zu stehen als andere, hat der Herr Jesus nun drei Geschichten bereit. Zwei davon sind sehr kurz, die dritte ist sehr ausführlich.

Die beiden ersten Gleichnisse, die vom Schaf und dem Geldstück, die jeweils verloren gingen und gefunden wurden, enden mit der Feststellung:

„Ich sage euch, so wird auch Freude sein im Himmel über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die keine Buße brauchen!“ (Lk 15,7 vgl. Lk 15,10).

Schön für den Himmel, und schön für die Engel, wenn sie sich freuen können. Aber die dritte Geschichte endet anders:

„Du solltest aber fröhlich sein und dich freuen; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, und er war verloren und ist wiedergefunden worden!“ (Lk 15,32).

Und so geht es nicht nur um den Himmel, die Engel oder andere, sondern um mich. Kann ich mich darüber freuen, dass Gott die angenommen hat und denen barmherzig ist, von denen ich mich naturgemäß (also aus meiner Überheblichkeit heraus) fern halte? Von denen ich vielleicht sagen würde: Sie haben bekommen, was sie verdient haben?

Für wen erzählt der Herr also diese Geschichten? Zuerst einmal für Menschen wie mich (oder wie vielleicht du auch einer bist), die nach dem Augenschein urteilen und sich für etwas Besseres halten, bzw. die meinen Gott näher zu stehen als andere. Dann aber auch für diese, die durch Menschen wie mich herabgesetzt werden, für die Menschen geringen Ansehens: für Sünder jeglicher Ausprägung, für die Armen, für die Ungebildeten, die von der Gesellschaft Gemiedenen und Verachteten. Es ist eine Einladung für die, die nicht dazugehören, nun doch dazu zu gehören, ohne sich vor denen zu scheuen, die bereits dort sind (oder meinen, es zu sein)!

Der Himmel freut sich darüber, die Engel freuen sich darüber, und auch ich soll lernen mich darüber zu freuen, und den heimgekehrten Bruder in die Arme zu schließen. Gott hat mir seither ein weiteres Herz gegeben, dafür danke ich Ihm. Zu lernen, Menschen zu sehen, wie Gott sie sieht, bleibt aber ein lebenslanger Prozess.

Die Abkehr

Wenn wir jemanden sehen, der völlig auf der schiefen Bahn ist, kann das mehrere Ursachen haben. Die ersten beiden Gleichnisse lassen dieses Verlorengehen auf den ersten Blick eher unschuldig erscheinen, zumindest nicht vorsätzlich.

Das verlorene Schaf

Wir haben in unserer christlichen Gemeinschaft, wo wir als Christen zusammenleben, auch eine Handvoll Ziegen. Für mich als Stadtkind ist es eine neue Erfahrung, Verantwortung für Tiere zu übernehmen. Unser „Goaßbauer“ ist zwar ein anderer Bruder unserer Gemeinschaft, aber wir unterstützen da und dort, helfen mit bei der Heuernte oder beim Melken. Wir halten sie auf einer Weide, umgeben von einem Elektrozaun, den wir regelmäßig versetzen müssen. Manchmal funktioniert etwas mit der Elektrik nicht, dann ist der Zaun ohne Strom. Sobald die Tierlein dies bemerken, beginnen sie, sich ihren Weg in die Nachbarschaft zu bahnen, und wir müssen sie wieder einfangen. Zorn ist dabei völlig unangebracht, denn es sind Ziegen, und sie handeln ja ganz natürlich. Es sind intelligente Tiere, aber klarerweise denken sie anders und nicht so weit wie wir. Sie denken: Futter. Und wenn die eigene Weide nicht mehr so appetitlich aussieht, lockt das Grün jenseits des Zaunes umso mehr.

In Israel war es zur Zeit Jesu ein vertrauter Anblick, dass Hirten mit ihren Herden durchs Land zogen. Schafe sind wie Ziegen, ebenso auf Futter versessen, daher leicht ablenkbar, bzw. auf uns Menschen umgemünzt: leicht verführbar. Das Gleichnis des Herrn umfasst nur wenige Sätze:

„Welcher Mensch unter euch, der hundert Schafe hat und eines von ihnen verliert, lässt nicht die neunundneunzig in der Wildnis und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es auf seine Schulter mit Freuden; und wenn er nach Hause kommt, ruft er die Freunde und Nachbarn zusammen und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war! Ich sage euch, so wird auch Freude sein im Himmel über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die keine Buße brauchen!“ (Lk 15,4-7).

Zuerst stellt sich doch die Frage der Verantwortung, oder? Wer ist für das Schaf verantwortlich? Der Hirte. Wenn das Schaf abirrt, kann man zwar argumentieren: „Dummes Vieh! Warum bist du nicht bei der Herde geblieben?“ Aber es ist eben ein Schaf. Genauso unsinnig wäre es, dem Schaf Vorwürfe zu machen, wenn es von einem Wolf gerissen würde. Es ist Aufgabe des Hirten, auf die Schafe zu achten. Darum geht er dem verlorenen Schaf nach, sucht es und bringt es zurück zur Herde.

Der Herr Jesus spricht aber nicht von Schafen, denn Schafe können nicht Buße tun, das heißt sie haben kein Schuldbewusstsein, keine Einsicht und können über ihr Verhalten nicht selbstkritisch nachdenken, um es zu ändern. Das können nur wir Menschen, weshalb das Schaf in dem Gleichnis nicht nur zu entschuldigen und der Hirte nicht allein verantwortlich ist.

Was aber ist „schäflich“ an uns Menschen? Dass wir abirren können, dass wir vom Weg abkommen, weil wir uns ablenken lassen. Ablenkungen haben ja damit zu tun, in eine andere Richtung abgelenkt zu werden; solche kommen in der Regel von außen, durch Verführung. Petrus sagt dies einmal von uns allen:

„Denn ihr wart wie Schafe, die in die Irre gehen; jetzt aber habt ihr euch bekehrt zu dem Hirten und Hüter eurer Seelen.“ (1.Petr 2,25).

Je länger man wieder bei der Herde ist, desto mehr vergisst man das. Das ist der Hauptgrund, wenn man auf andere herabblickt: man hat vergessen, wo man selbst einmal war. Wie wurden die 99 Schafe zu jenen 99 „Gerechten“, die keiner Umkehr bedürfen?1 Durch