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Die Reformation Martin Luthers, auf die Evangelische und Evangelikale sich noch heute berufen, wird oft mit vier markigen Merksätzen zusammengefasst: - Sola Fide (allein aus Glauben) - Sola Gratia (allein aus Gnade) - Sola Scriptura (allein die Heilige Schrift) - Solus Christus (allein Christus) Vorliegende "Streitschrift" lag fünf Jahre zur Ansicht bei einer evangelikalen Akademie mit der Bitte um Durchsicht und Korrektur. Wie eine heiße Kartoffel, scheint es mir, wurde sie intern weitergereicht. Eine Stellungnahme habe ich nicht erhalten. Verständlich, denn wenn das, was ich hier zur Diskussion (!) stelle, stimmt, sind zwei der Säulen der Reformation (Sola Fide und Sola Gratia) durch die dritte (Sola Scriptura) sowie die Worte der vierten (Christus) widerlegt. Leider ist das nicht bloß eine akademische Frage, sondern betrifft die Seelen unzähliger Christen, die aufgrund einer falschen Heilssicherheit einen Wandel führen, der vor dem heiligen Gott nicht bestehen kann.
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Seitenzahl: 152
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Alexander Basnar
Vorwort
Sola Fide – der Schriftbeweis?
Glaube und Bekenntnis
Glaube und Werke
Glaube und Taufe
Glaube und Buße
Mit Furcht und Zittern – die Erschütterung
Glaube und Gnade
Glaube und Vergebung
Glaube und Beziehung
Glaube und Liebe
„Heilspunktualismus“ oder ein Weg des Heils
Wollen und Vollbringen – das Gelingen
Schlusswort
Anhang 1: Andere Lieblingsverse
Anhang 2: Worauf es im Gericht ankommt
Anhang 3: Eine Predigt aus dem 2. Jahrhundert
Geliebte, indem ich allen Fleiß anwandte,
euch über unser gemeinsames Heil zu schreiben,
war ich genötigt, euch zu schreiben
und zu ermahnen, für den einmal den Heiligen
überlieferten Glauben zu kämpfen.
(Judasbrief, Vers 3)
Waren der Herr Jesus und Seine Apostel Evangelikale? Was soll die dumme Frage, natürlich nicht! Oder ist die Frage doch nicht so dumm? In der Apologetik gegenüber der römisch-katholischen Kirche verweisen wir doch ganz gerne darauf, dass weder der Herr noch Seine Apostel jemals etwas vom Fegefeuer oder der Marienverehrung gesagt hätten, Glaubenslehren, die nachweislich auch in den ersten beiden Jahrhunderten des Christentums unbekannt waren. Also vertritt die römisch-katholische Kirche Lehren, die vergleichsweise jung sind. Das letzte Mariendogma wurde erst in den 1950er Jahren verkündigt (Mariä Himmelfahrt). Darum ist die Frage, ob der Herr und Seine Apostel römisch-katholisch gewesen sind, für manche ein Augenöffner, um zum biblischen Evangelium durchzudringen.
Doch dem Herrn ist zweierlei Maß ein Gräuel (Spr 20,10), und Er wird uns mit dem Maß messen, mit dem wir andere gemessen haben (Mt 7,2). Darum ist die Frage, ob der Herr Jesus und Seine Apostel Evangelikale waren, nur fair. Was zeichnet diese Bewegung aus, wenn sie sich nicht nur in Antithesen definiert ist (wir glauben nicht an das Fegefeuer und wir verehren Maria nicht)? Es ist der Grundsatz, dass wir „allein“ aus Glauben gerettet werden. Oder „allein“ aus Gnade. Im Grunde gehören beide Aussagen eng zusammen. Es wäre eine interessante Herausforderung für jeden Evangelikalen, auch nur einen einzigen Vers zu finden, in dem der Herr Jesus selbst das Wort Gnade gebraucht. Einen solchen gibt es nicht. Allein diese Beobachtung macht die Frage interessant, ob die Behauptung wir würden „allein“ durch Gnade oder „allein“ durch Glauben errettet, wirklich mit der Lehre des Herrn und Seiner Apostel übereinstimmt.
Wenn ja, dann könnte man mit Fug und Recht sagen, die Evangelikalen glauben dasselbe Evangelium, das die Apostel vom Herrn empfangen und in der Heiligen Schrift überliefert haben. Wenn nicht, dann gibt es ein Problem, wenn auch kein Unlösbares …
Der Gerechtfertigte sagt: „Ich habe die
ganzen Sünden vollbracht; Jesus hat die
ganze Erlösung vollbracht.“
Echter Glaube schließt jede Möglichkeit
der Selbsterlösung, der Selbsthilfe und der
Selbstverbesserung aus und erwartet alles
von Christus, dem Erlöser.
(William MacDonald,
Kommentar zu Röm 3,27)
„Sola Fide“ – Allein aus Glauben. Das ist das Hauptkennzeichen der Reformation, wodurch sich fast alle aus diesem Umbruch hervorgegangenen Bewegungen von der römisch-katholischen Kirche deutlich unterscheiden. Der Hintergrund dieser Erkenntnis war die Suche Martin Luthers nach einem gnädigen Gott. Für ihn war es eine tief befreiende Erkenntnis, dass der Mensch nicht durch Wallfahrten, Fasten, Sakramente, Ablässe und viele gute und fromme Werke Gott erst zufrieden stellen muss, um von Ihm angenommen werden zu können. Wir werden aus Gnade durch Glauben errettet. Diese Erkenntnis war damals bahnbrechend und ist es noch heute.
Das Problem liegt aber in der Eigendynamik von Polemik, Debatten, Verfolgung und Apologetik, die immer wieder in der Kirchen- und Dogmengeschichte an sich richtige Erkenntnisse verzerrt und entstellt haben. Ich kann mich selbst gut erinnern, wie ich nach meiner Bekehrung in (besserwisserischen) Diskussionen mit Katholiken dieses „allein aus Glauben“ vertreten habe. Heute schäme ich mich dafür.
Ein Beispiel, wie das „allein aus Glauben“ von vielen Evangelikalen heute verstanden und vertreten wird, sollte vielleicht vorausgeschickt werden. Damit will ich weder behaupten, dass Luther so gedacht hätte (Luther hat sehr viel geschrieben und sich dabei meistens in extremen Formulierungen Gehör zu schaffen versucht, die für sich genommen zumindest „problematisch“ sind), noch dass alle Evangelikalen so denken, denn die evangelikale Bewegung ist alles andere als einheitlich. Das Zitat stammt aus „Grundlagen biblischer Lehre“ (Christliche Verlagsgesellschaft, Dillenburg 1994) von Lewis S. Chafer und John F. Walvoord vom als konservativ und bibeltreu eingestuften Dallas Theological Seminary:
(Walvoord und Chafer, S 191-192) Im Neuen Testament wird an etwa 115 Stellen gesagt, dass die Errettung eines Sünders allein davon abhängt, dass er glaubt, und an etwa 35 Stellen, dass sie abhängig ist von seinem Glauben. Wenn ein Mensch glaubt, ist er bereit, Christus zu vertrauen. Dies ist ein Akt des ganzen Menschen, nicht nur seines Verstandes oder seines Gefühls. Intellektuelle Zustimmung oder reine Gefühlsaufwallungen sind kein wirklicher Glaube. Der Glaube ist ein bewusster Akt, bei dem der Mensch bereit ist, den Herrn Jesus Christus im Glauben aufzunehmen.
Überall in der Schrift wird dieses Zeugnis der Wahrheit bestätigt. Nur Gott allein kann einen Menschen retten, und Gott kann einzig und allein durch das Opfer Seines Sohnes retten. Der Mensch kann diese Botschaft nur im Glauben annehmen und sich von seinen eigenen Werken abwenden und ganz abhängig machen von dem Werk Gottes durch Christus. Glauben ist das Gegenteil von irgendwelchem eigenen Tun; es bedeutet stattdessen, einem anderen zu vertrauen. Daher werden die Schrift und die ganze Lehre von der Gnade verkehrt, wenn die Errettung von etwas anderem als dem Glauben abhängig gemacht wird. Die göttliche Botschaft lautet nicht, „glaube und bete“, „glaube und bekenne deine Sünden“, „glaube und bekenne Christus“, „glaube und lass dich taufen“, „glaube und tue Buße“ oder „glaube und mach dein Unrecht wieder gut“. Diese sechs Aussagen sind in der Schrift genannt, und dort haben sie auch ihre Bedeutung; doch wenn sie genauso wichtig für die Errettung wären wie allein der Glaube, wären sie niemals in den Bibelstellen, die von der Errettung des Menschen sprechen, weggelassen worden (lesen Sie Joh 1,12; 3,16.36; 5,24; 6,29; 20,31; Apg 16,31; Röm 1,16; 3,22; 4,5.24; 5,1; 10,4; Gal 3,22). Die Errettung geschieht nur durch Christus, und die Menschen sind erlöst, wenn sie Christus als ihren Retter annehmen.
Diese Auffassung hört man oft, und ich meine, sie kann als weitgehend repräsentativ gelten. Der Glaube wird gleichgesetzt mit der Bekehrung, einem „punktuellen“ Ereignis in der Biografie eines Menschen (was besonders im letzten Satz deutlich wird). Die Behauptung, der Glaube „allein“ rette, wird in diesen zwei Absätzen mehrfach wiederholt und eingeschärft. Besonders der erste Satz erweckt den Eindruck, als ob diese Lehre in der Schrift immer wieder bekräftigt würde. 115 Stellen würden demnach belegen, dass „allein“ der Glaube rette. Sämtliche Beispiele, die von einem „Glaube und …“ reden, werden vom Tisch gewischt.
Es mag schockierend klingen: Das Wort „allein“ kommt im Neuen Testament nach der Elberfelder Übersetzung 92 mal vor, aber nicht ein einziger Vers sagt, man werde „allein“ aus Glaube errettet. Das Gegenteil ist der Fall. Weil das eine so wichtige Frage ist, nehme ich die Konfrontation bewusst in Kauf, die diese Zeilen mit Sicherheit hervorrufen werden.
Wie steht es aber mit Römer 3,28? Steht dort nicht, dass wir allein aus Glauben gerechtfertigt würden?
(Römer 3,28 – Luther 1984) So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.
Die Luther-Übersetzung ging im Laufe der Jahrhunderte durch mehrere Revisionen, um sie sprachlich zu verbessern oder auch Anpassungen gemäß der besseren Kenntnis des Urtextes vorzunehmen. So verschwand beispielsweise das altertümliche „sintemalen“, und Apg 8,37 wurde in die Fußnoten verschoben, weil die textliche Überlieferung dieses Verses zu umstritten ist.
Das sind gute und notwendige Revisionen, die uns helfen, den Text besser zu verstehen und den Glauben nicht auf Schriftstellen zu begründen, die vielleicht gar nicht zur ursprünglichen Bibel gehört haben (und deshalb wohl auch nicht als inspiriert eingestuft werden können).
Was nun jedoch seltsam ist, ist die Tatsache, dass manche Fehler beinhart weitertradiert werden, obwohl sie ebenso offensichtlich sind. Dazu gehört das Wort „allein“ in Römer 3,28. Jeder, der eine Interlinearbibel hat, kann das nachprüfen: Das Wort „allein“ steht nicht im griechischen Grundtext, und deshalb kommt es auch in anderen Bibelübersetzungen nicht vor. Dort heißt es dann, wie in der Elberfelder Bibel (aus der ich auch in der Folge zitieren werde):
(Römer 3,28) Denn wir urteilen, dass ein Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Gesetzeswerke.
Das ist keine Nebensächlichkeit, denn es gibt tatsächlich einen Vers, in dem die Worte „Glaube“, „allein“ und „gerechtfertigt“ vorkommen, allerdings mit einer Negation:
(Jakobus 2,24) Ihr sehet also, dass ein Mensch aus Werken gerechtfertigt wird und nicht aus Glauben allein.
Wir erkennen sehr schnell, dass Jakobus 2,24 mit Röm 3,28 in einem direkten Widerspruch stünde, hätte Paulus tatsächlich geschrieben, wir würden „aus Glauben allein“ gerettet oder gerechtfertigt. Das Wort für allein ist „monos“ und meint tatsächlich „einzig“ und „allein“.
Jakobus lehrt wohlgemerkt nicht, dass wir aus Werken allein gerechtfertigt würden. Es ist auch bei Jakobus der Glaube, der rettet, aber im Zusammenhang mit den Werken; er schreibt kurz davor:
(Jakobus 2,22) Du siehst, dass der Glaube zu seinen Werken mitwirkte, und dass der Glaube durch die Werke vollendet wurde.
Der Glaube steht am Beginn des Weges mit Gott und wird durch die Werke vollendet. Bei Paulus im Römerbrief geht es um die Frage, wie Nichtjuden zu Gott kommen können. Müssen diese erst beschnitten und Juden werden, um Zugang zur Gnade Gottes zu finden? Nein, sagt Paulus. Einerseits ist das mosaische Gesetz in Christus zum Ziel (Vollendung – gr. telos) gekommen, andererseits muss der Mensch nicht erst eine Vorleistung bringen, um von Gott angenommen zu werden. Jeder Mensch wird aus Gnade durch Glauben errettet und gerechtfertigt. Das ist das Thema in Römer 3,28. Der gesamte Römerbrief hat aber das Thema, Christen den Gehorsam des Glaubens beizubringen. Damit beginnt und endet der Römerbrief:
(Römer 1,5) (durch welchen wir Gnade und Apostelamt empfangen haben für seinen Namen zum Glaubensgehorsam unter allen Nationen,
(Römer 16,26) jetzt aber geoffenbart und durch prophetische Schriften, nach Befehl des ewigen Gottes, zum Glaubensgehorsam an alle Nationen kundgetan worden ist,
Auch bei Paulus steht der Glaube also nicht allein da, und es ist grob irreführend, dass in der Luther-Übersetzung in Röm 3,28 das „allein“ belassen wird und in sämtlichen evangelischen und evangelikalen Darlegungen des Evangeliums das „Sola Fide“ groß herausgestrichen wird.
Jakobus erklärt, dass der Glaube durch die Werke vollendet wird; der Glaube ist also der Anfang eines Weges. Wir beginnen ohne Vorleistungen als Sünder vor Gott auf der Basis der Sündenvergebung in Christus, doch dann beginnt der Weg des Glaubens, der Nachfolge und der Heiligung. Hier wird der Glaube durch Werke bzw. Glaubensgehorsam vollendet. Die endgültige Errettung kommt nach unserem Abscheiden und basiert … auf den Werken:
(2. Korinther 5,10-11) Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, auf dass ein jeder empfange, was er in dem Leibe getan, nach dem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses. Da wir nun den Schrecken des Herrn kennen, so überreden wir die Menschen, Gott aber sind wir offenbar geworden; ich hoffe aber, auch in euren Gewissen offenbar geworden zu sein.
Dass es hier nicht um ein (hypothetisches) „Preisgericht“ geht, das für die Gläubigen nicht über Heil oder Verdammnis, sondern bloß über den „Lohn im Himmel“ entscheidet, wird meines Erachtens daran deutlich, dass Paulus auf den Schrecken des Herrn verweist.
Um den Irrtum des „allein aus Glauben“ zu verdeutlichen, möchte ich einige Beispiele von „Glaube und“ betrachten. Das soll jeweils relativ kurz geschehen, mit dem Ziel, die evangelikale Verkündigung des Evangeliums als unzureichend bewusst zu machen. Jeder kann sich gleich zu Beginn die Frage stellen, was die Konsequenzen wären, wenn sich die These, die hier in der Einleitung vorgestellt wurde, als richtig erweisen würde. Es wird, soviel kann ich vorausschicken, keine leichte Lektüre werden …
Wollt ihr Gewissheit haben, dass er sich damals
nicht aus Furcht zurückzog? Um von jeder
anderen Entschuldigung abzusehen; er hat ja selbst
später den Märtyrertod wirklich erlitten; ihm
hätte er sich doch sicherlich wiederum entzogen, wenn er
es schon das erste Mal getan hätte. Allerdings hatte
er damals Furcht, aber eine berechtigte: die Furcht
nämlich, die sich scheute, den Herrn zu beleidigen,
eine Furcht, die lieber den Geboten Gottes
gehorchen, als im Widerspruch mit ihnen
die Märtyrerkrone gewinnen wollte.
(Diakon Pontius über
Cyprian von Karthago, + 258)
Ebenfalls im Römerbrief finden wir folgende bekannte Verse, die gleichfalls zum Thema haben, wie man errettet wird:
(Römer 10,8b-9) Das ist das Wort des Glaubens, welches wir predigen, dass, wenn du mit deinem Munde Jesum als Herrn bekennen und in deinem Herzen glauben wirst, dass Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, du errettet werden wirst.
In diesem Vers ist der Glaube durch ein „und“ mit dem Bekenntnis verbunden. Genügt es demnach, einfach von Herzen zu glauben, um errettet zu werden? Oder genügt es, Jesus mit den Lippen allein als Herrn zu bekennen? Letzteres ist uns klar, denn besonders freikirchliche Christen verweisen oft auf die Namenschristen in den Volkskirchen, die zwar das Glaubensbekenntnis mitbeten, aber nicht davon überzeugt sind. Aber auch umgekehrt gilt: Wer an Jesus zwar im Herzen glaubt, Ihn aber nicht als Herrn bekennt, hat keine Verheißung auf Errettung, denn das „und“ bindet diese zwei Elemente zusammen, um aus beiden eine Einheit zu machen. Erst in der Einheit haben sie die Verheißung.
Schauen wir uns beide Seiten dieser Verheißung an:
(Johannes 11,25) Jesus sprach zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist; und jeder, der da lebt und an mich glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit. Glaubst du dies?
Der Herr Jesus bestätigt einmal die eine Seite der Verheißung, die den Glauben betrifft. Wie ist „glauben“ hier zu verstehen? Jesus stellt eine gewaltige Behauptung in den Raum, die wir um Seiner Selbst willen für wahr halten sollen. Danach gibt Er ein Zeichen, indem Er Lazarus von den Toten auferweckt. Die eigentliche Grundlage des Glaubens ist letztlich aber Seine eigene Auferstehung. Wenn Paulus also schreibt, der Glaube an die Auferstehung Jesu sei notwendig, dann leitet sich das (unter anderem) von diesem Selbstzeugnis des Herrn Jesus ab. „Glaubst du das?“ bedeutet in diesem Fall: „Hältst Du das für wahr und zuverlässig? Bist Du bereit, Dich auf mich einzulassen aufgrund dieser Behauptung (die dann belegt wird)?“ Die Frage ist für uns nicht minder spannend, denn wir sind selbst weder Zeugen der Auferweckung des Lazarus noch der Auferstehung Jesu. Unser Glaube gründet auf Berichten von vielen Zeugen, die alle bereits seit langer Zeit entschlafen sind. Das ändert nichts an der Wahrheit ihrer Zeugnisse, wohl aber an der Nachprüfbarkeit. Der Glaube beruht daher auf einer Tatsache, die wir nicht beweisen können, beinhaltet also ein gewisses Wagnis. Das galt damals aber auch für die überwiegende Mehrzahl der Christen, die nicht die Gelegenheit hatten, nach Jerusalem zu fahren, um die Zeugen des Auferstandenen persönlich zu befragen.
Das Wagnis hat einen Einfluss auf die Freimütigkeit unseres Bekenntnisses. Das Christentum ist auch heute die am meisten verfolgte Religion der Welt. Von allen Menschen, die weltweit aus religiösen Gründen verfolgt werden, sind 80% Christen. Etwa 150.000 von ihnen verlieren dabei jedes Jahr ihr Leben. Jesus sagt zum Bekenntnis:
(Lukas 12,4-9) Ich sage aber euch, meinen Freunden: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und nach diesem nichts weiter zu tun vermögen. Ich will euch aber zeigen, wen ihr fürchten sollt: Fürchtet den, der nach dem Töten Gewalt hat, in die Hölle zu werfen; ja, sage ich euch, diesen fürchtet. Werden nicht fünf Sperlinge um zwei Pfennig verkauft? Und nicht einer von ihnen ist vor Gott vergessen. Aber selbst die Haare eures Hauptes sind alle gezählt. So fürchtet euch nun nicht; ihr seid vorzüglicher als viele Sperlinge. Ich sage euch aber: Jeder, der irgend mich vor den Menschen bekennen wird, den wird auch der Sohn des Menschen vor den Engeln Gottes bekennen; wer aber mich vor den Menschen verleugnet haben wird, der wird vor den Engeln Gottes verleugnet werden.
Der Hauptgrund, Jesus nicht zu bekennen, ist Furcht vor Menschen. Der Herr Jesus lässt diesen Grund aber nicht gelten. Wer Ihn vor den Menschen verleugnet, den wir auch Er vor Gott verleugnen. „Wer irgend“ Ihn jedoch bekennen wird, den wird Er auch vor Gott bekennen. Liest man dies, so könnte man den Eindruck bekommen, es komme nur auf das Bekennen an. Der Glaube wird gar nicht thematisiert. Natürlich ist es schwer vorstellbar, dass jemand ohne Glauben Jesus unter solchen Umständen bekennen würde.
Wir sehen also, dass Römer 8,9 in beiden Teilen auf Aussagen des Herrn selbst zurückzuführen ist. Der Glaube an die Tatsachen des Evangeliums und das Bekenntnis vor Menschen gehören zusammen. Das „und“ ist eine Zusammenführung zweier Bedingungen des Evangeliums, wobei dieser Vers dennoch keine vollständige Auflistung dessen ist, was zum Heil notwendig ist.
Wenn du ein Prediger der Gnade bist,
dann predige keine unwirkliche Gnade,
sondern eine wahre; und wenn die
Gnade wahr ist, dann lass auch deine
Sünde wahr und nicht unwahr sein. …
Sei ein Sünder und sündige mutig!
Aber mutiger vertraue und glaube an
Christus, der der Sieger ist über Sünde,
Tod und Welt!
(Martin Luther, in einem Brief an
Philipp Melanchthon; zitiert bei
Philipp Yancey)
Wir sollen Jesus als Herrn bekennen, nicht nur als den Auferstandenen, an den wir von Herzen glauben sollen. Der Herr Jesus verbindet viel mit diesem Bekenntnis:
(Johannes 13,13-14) Ihr heißet mich Lehrer und Herr, und ihr saget recht, denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und der Lehrer, eure Füße gewaschen habe, so seid auch ihr schuldig, einander die Füße zu waschen.
Es ist „würdig und recht“, Jesus „Herr“ zu nennen. Doch dabei soll es nicht bleiben. Wenn Er der Herr ist, dann haben wir von Ihm zu lernen, wie wir leben sollen. Das sind wir Ihm aufgrund des Bekenntnisses schuldig. In diesem Fall geht es um die Erniedrigung zum Dienst. Das Bekenntnis hat unmittelbare Konsequenzen auf unser Leben, wenn es aufrichtig ist. Der Herr ist aber noch schärfer:
(Matthäus 7,21-27) Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Reich der Himmel eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist. Viele werden an jenem Tage zu mir sagen: Herr, Herr!