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Eine junge Studentin, die gerne Drogen nimmt und die Welt nicht allzu ernst nimmt, entwickelt allmählich ein paar psychiatrische Probleme, aber das macht nichts, die Party wird weitergehen. Dämonen im Kopf und ein paar allzu gute Freunde, die wirklich keine große Hilfe sind.
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Inhaltsverzeichnis
Die Teufel
Impressum
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Eine Kurzgeschichte
von Morbus Sollistimus
„Teufel sind völlig anders, als die Kirche sich das vorstellte. Sie war einfach, wie soll man das sagen: Naiv, nein, eher dumm wie Scheiße. Teufel fahren in die Leute rein, also auch in Päpste, in Bischöfe und Inquisitoren. Sie wählen sich die Hexe zu ihrem Lustfest der Brutalitäten aus. Und foltern mit dem Folterknecht. Und, wenn sie am Ende noch auf das entstellte, zitternde Fleisch der Hexe onanierten.“
„Ach, das beschreiben Sie aber hübsch und bunt.“
„Glauben Sie mir, wenn Sie die anderen Kapitel verstehen wollen, dann sollten Sie den Ernst der Lage verstehen. Wer erlebt denn Dämonen und böse Geister?“
„Die Irren, sonst niemand.“
„Genau.“
Leise wird ihr nächster Gedanke, sie erahnt, worum es geht, und überlegt, ob ein Irrer oder ein Wissender mit ihr redet.
Der scheinbar Wahnsinnige: „Zum Ende des Mittelalters hin übernahm in Deutschland, und überhaupt überall in der christlichen Welt, mehr und mehr die Medizin, also die Psychiatrie, allmählich die Aufgabe, die vorher der Kirche zustand. Die ehemalige Aufgabe der Kirche, den Zustand der psychisch Kranken zu verwalten, die geistig gesunden Verbrecher trennte man von ihnen. Was die Inquisition vor sich hatte, war ein Gemisch von Kranken und Verbrechern. Und noch der Arzt Johann Weyer, ein berühmter Retter der Hexen vor der Inquisition, nannte die Stimmen, die Halluzinationen, die manche Patienten erleben, den Satan. Satanische Phantasien. Das war im Jahr 1563 recht normal, dass man lauter Dinge den Satan nannte, aber man fing an, den Ärzten überhaupt erst einmal zuzuhören, anstatt der Kirche allein. Die Medizin selber fing dann zunehmend in den folgenden Jahrhunderten bis in die Neuzeit an, jeden für verrückt zu erklären, der glaubte es gäbe Dämonen. Und die Patienten, die Einzigen, denen sie sich wirklich zeigen, werden von den Teufeln gequält. Die Ärzte, die Familien, die Leute, die Freunde, in jeden springt ein Teufel einfach rein, und sie zeigen sich nur dem Patienten. Durchgehend quälen sie den Patienten. Sie lügen durch den Mund von Mitmenschen, was ihr Opfer angeht. Üble Nachrede, Verleumdung, seelische Misshandlungen, sie sabotieren das Leben ihrer Opfer. Wer weiß wie schlimm. Die von Dämonen besessenen Ärzte überziehen die Nerven der Opfer-Patienten, vergiften und quälen sie seelisch, sie verstümmeln ihre Menschenwürde und ihr Gehirn, sie bohren ihnen Löcher in den Schädel, wenn sie es noch wollen. Und niemand, einfach niemand kann sich dagegen wehren. Sogar ein Richter ist nur ein Mensch, der schnell von einem Teufel bewohnt wird.“
Sie lächelt: „Und Sie fordern jetzt von mir zu glauben, dass es Dämonen gibt, aber ich Sie deswegen nicht für geisteskrank, wenig intelligent, dement oder gefährlich verwirrt halte?“
Der alte Mann lächelt und nickt, er wirkt schon harmlos, nett und sympathisch: „Absolut, ich weiß, eine unglaubliche Frechheit, scheinbar größer als die sieben Todsünden. Wie gottlos von mir. Das Wichtigste haben Sie aber verstanden?“
Sie: „Ich weiß nicht. Was war Ihnen das Wichtigste?“
„Wir alle, die Menschheit hat den Krieg schon verloren. Unabänderlich, ein Schachmatt. Diese Welt gehört einer fremden Übermacht, für die Menschen Marionetten sind. Die Welt gehört, wie man das in der Religion sagt, dem Satan. Es ist wirklich wahr. Sie glauben es, vielleicht werden Sie deswegen bald Probleme haben, vielleicht auch nicht. Oder Sie glauben es nicht, dann wird vermutlich alles so bleiben, wie es ist. Und, was auch immer wir tun, was auch immer wir sagen werden, wir müssen aufpassen, dass wir keine Patienten werden. Und, egal, wie wir darum flehen, es erbitten und versuchen wollen, die Wahrheit werden wir vermutlich nie verstehen, kaum, dass sie in unsere Nähe kommt, werden wir vermutlich den Verstand verlieren.“
Sie seufzt: „Menschen, die mich nicht langweilen, nennen mich Anne, nennen Sie mich ruhig so. Das ist besser als Annemarie Rosenberg.“
„Ich bleibe beim förmlichen Doktor Segenbach.“
Sie ist enttäuscht und geht weiter daher mit ihrem bis gerade völlig fremden Begleiter – Doktor Segenbach.
Doktor Segenbach geht in Düsseldorf am Rhein-Ufer daher und lächelt, der Mond steht am Himmel: „Wir wissen nicht genau, seit wann das so ist. Wir vermuten, dass die Teufel, wie man sie früher nannte, und wie man in allen Kulturen unabhängig von ihnen erzählte, in Wahrheit seit vielen Jahrtausenden die Menschheit infiltrieren und so die Kontrolle über die Menschheit haben. Wir vermuten, es handelt sich um eine außerirdische Macht, oder sie lebten schon vor dem Menschen auf der Erde. Und, wir verstehen nicht, wie sie das machen, in den Köpfen der Menschen und überall zu sein.“
Anne schüttelt den Kopf und ist schon sichtlich empört: „Hätte ich gewusst, dass Ihre Geschichte sich so religiös entwickelt, wäre ich natürlich nicht gekommen. Ich erwartete eigentlich von Ihnen eine Deutung bestimmter psychiatrischer Phänomene. Von Ihnen als Psychiater und Neurologe. Ihre theologischen Gedanken-Gewächse waren leider nicht mein Interesse.“
Doktor Segenbach: „Sie wollten wissen, was die Stimmen bedeuten, wenn hinter ihnen scheinbar ganze Ichs leben.“
Anne: „Ja, das war meine Absicht. Ich befürchte, dass die Psychiatrie ignoriert, dass in manchen Patienten mehr als ein Ich lebt, aber diese Ichs wehrlos gegen die Kultur sind, die einfach nicht begreift, dass in einem Gehirn mehr als ein Ich leben kann. Ich gehe davon aus, dass diese übersehen und ignorierten Ichs ziemlich leiden, wenn es sie denn gibt.“
Doktor Segenbach: „Ich weiß, ich weiß. Diese Deutung werde ich Ihnen auch lassen. Es ist wahr, dass da Ichs versteckt sind, und sie leiden. Sie leiden wirklich schlimm. Aber, Sie übersehen eine Frage, wer oder was platziert diese Ichs da, wer oder was erschafft sie, und, wer oder was ist bei diesen Ichs, sie alle erschaffend, mit ihnen redend, ihnen Bilder, gar ganze Träume einflößend, sie im Grunde programmierend, und scheinbar auch irgendwohin holend, wenn sie wieder verschwinden.“
Anne runzelt die Stirn: „Ja, das ist wahr, die Ichs entstehen irgendwie, aber sie verschwinden auch wieder. Das erleben etwa die so oft belächelten Patienten der dissoziativen Identitätsstörung. Manche ihrer Ichs verschwinden einfach wieder, und niemand kann wirklich erklären, wo sie herkommen. Sage man, die Theorien sind alle philosophische Luft. Ein Ich bricht durch Belastungen in viele Teile. Leere Worte, kein biologisches Verstehen. Oder, wenn man so frech sein darf, auch Patienten der Schizophrenie hören plötzlich irgendein Ich, das zu ihnen redet, das stirbt dann scheinbar irgendwann ab, oder verstummt, kann nicht mehr reden, etwa, wenn wir den Patienten bestimmte Medikamente geben. Wobei ich hier besonders befürchte, dass ein gequältes Ich, ein nicht erkanntes, zusätzliches Ich im Gehirn das Problem sein kann. Man könnte gar sagen, es geht dann nicht um Schizophrenie, oder man erweitert den Begriff Schizophrenie um einen weiteren Symptom-Typ. Es ist absolut egal. Ich rede von Mord an Ichs, die staatlich nicht anerkannt werden, wenn es hochkommt.