Wenn die Menschen Götter wären - Morbus Sollistimus - E-Book

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Morbus Sollistimus

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Beschreibung

Wenn die Menschen Götter wären, dann würden sie wohl den Tod noch besiegen. Das würden sie wohl tun. Im letzten Moment, man glaubt, alles ist verloren, doch dann ist alles anders, als man denkt, die Menschen werden Götter, die sich selbst vom Tod erwecken.

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Wenn die Menschen Götter wären

-

Von Morbus Sollistimus

1 - Natürlich hat er das schon tausendmal gesagt, aber er versucht es in jeder möglichen Kombination der Worte: "Der Mensch sollte eben nicht an einen falschen, schlicht fiktiven Gott glauben. Der Glaube an das Selbst, die Vernunft und die Menschheit, anstatt dem Gott. Mehr noch, dies und der Glaube an die Allmacht des Lebens. Endlich das freie Individuum, die Wissenschaft und die Weltgesellschaft als Heiligtum." Also redet er im Park zu sich allein und füttert die Tauben mit Brot, das er mit LSD beträufelt hat.

2 - Irgendwo in einer Bar: "Was ist es eigentlich, an der Idee, es gäbe ein Leben nach dem Tod durch die Wissenschaft, wie es viele Produkte auf dem Markt der Wirtschaft gäbe. War es nun die wissenschaftlich-moralische Lage des Zweifels, der Unsicherheit, die jenes Licht eines Ideen-Gebildes so ungenießbar machte oder ist es diese atheistische Erziehung, die lehrt, dass alle Ideen dergleichen eine Krankheit des Geistes sind. Wäre es nicht lächerlich, wenn alle Lebewesen, die jemals lebten, von Wissenschaftlern in ein künstliches Jenseits gebracht werden würden, um dort ewig zu machen, was sie am liebsten machten? Ich meine, wieso! Wieso sollte man ausgerechnet das tun. Ich möchte eben einmal, dass du dich ernsthaft fragst, wenn du allmächtig wärst, würdest du jedes Lebewesen, das je gelebt hat, in einen Kreislauf seiner liebsten Zustände bringen? Würdest du jeder Ameise, jeder Mücke, jeder Fliege, ein ewiges Leben schenken. Einen ewigen Kreislauf, der nichts macht außer die Triebe zu befriedigen? Würdest du das tun, wenn du es könntest?"

3 - Etwas böse, über den ganzen Unfug, den man hier hören musste, daher laut im Ton: "Ich glaube nicht, dass es das überhaupt geben kann, gibt und jemals geben wird! Ein Leben nach dem Tod durch die Wissenschaft, das ist einfach geschmacklos, es besitzt allen Mangel an Pietät, es geht mit Absicht gegen die Ideale des Monotheismus vor sich, es schlägt und schändet alles, einfach alles, was noch an die guten alten Werte glaubt." Doch nur ganz frech dagegen: "Aber, wenn wir Freidenker und Demokraten sind, dann müssen wir damit auch unsere neuen höchsten Werte ausmachen und verewigen, also die Freiheit des Willens und die Vernunft müssen geheiligt werden." "Das macht doch alles keinen Sinn, was sie sich da aus den Fingern ziehen." "Doch, doch, sehr wohl. Der freie Wille, also die Selbstrettung vor dem Tod, anstatt die Rettung durch einen Gott. Die Vernunft, anstatt dem Glauben, also die Wissenschaft als Retter vor dem Tod." Eine Nonne sitzt die ganze Zeit da und schüttelt ungläubig den Kopf: "Ich kann überhaupt nicht verstehen, wieso wir darüber überhaupt sprechen."

4 - Noch einmal, zu der völlig entnervten Gruppe: "Die Tatsache ist eben, dass es kein Leben nach dem Tod gibt und das Leben ist unbefriedigend kurz, die Jugend ist kaum mehr als ein Augenaufschlag, schon ist sie vorbei." Eine Frau, sichtlich mit Kopfschmerzen: "Ich verstehe einfach nicht, wie Sie an der Realität so herumdrehen können. Vorhin gab es ein Leben nach dem Tod durch die Wissenschaft und jetzt ..." "Dann lassen Sie mich doch ausreden. Eben weil es wahr ist, dass es kein Leben nach dem Tod gibt, müssen wir es erschaffen. Wir müssen selber Wege und Brücken zum Himmel errichten und den Himmel selbst werden wir noch erschaffen müssen." Ein älterer Mann, mit Glatze, schon ganz zappelig vor Wut: "Aber das geht nicht! Es ist unmöglich." Aber nur ganz gelassen: "Das Leben und die Erkenntnis, zusammen, sind allmächtig auf Zeit. Es ist eben nur eine Frage der Zeit." "Von welchen Zeiten reden wir da? Sie wollen uns vermutlich sagen, in tausend Jahren da ..." "Nein, nein. Ich denke da eher an Millionen oder Milliarden Jahre. Von mir aus könnte ein Googolplex vergehen, bis wir es schaffen." Alle stöhnen auf. Einer, ein alter, grauer, kleiner Mann: "Googolplex, was ist das denn jetzt schon wieder?"

5 - Der Skeptiker und Kritiker: "Ich finde Ihre Behauptung, dass die Logik in ein paar Milliarden Jahren oder einem Googolplex, im Leben, schier allmächtig geworden sein wird, nach wie vor, skandalös. Da wird kein höheres Wesen der Kultur, des Lebens, am Ende aller Tage sein, das, wie Sie sagen, die Toten wiedererwecken wird, gegen alle Gesetze der Natur. Sie reproduzieren diese Geschichte bloß, um sich wichtig zumachen, außerdem gibt es nur einen klassischen Grund, Geschichten über den Tod hinaus zu erfinden. Nämlich die Furcht vor dem Tod." Keinen Grad von der eigenen Meinung abgekommen: "Wissen Sie was, wir machen eine Wette. Wenn es ein Leben nach dem Tod durch die Wissenschaft, den Fortschritt oder die Erkenntnis gibt, da die Logik allmächtig ist, dann werden Sie mir einen Kaffee im Himmel ausgeben müssen." Empört: "Ach, so ein Blödsinn. Und was passiert, wenn ich Recht habe!?"

6 - "Und das Leben nach dem Tod durch die Wissenschaft ist natürlich umsonst es kostet gar nichts, es gibt sogar nicht einmal moralische Notwendigkeiten, politische Implikationen und abermals, es ist gänzlich frei von religiösen Forderungen." Daneben, beinahe interessiert: "Wie umsonst!?" "Ja, der Fährmann wird nach keiner Münze fragen."

7 - Schroff: "Ach, alberner Unfug, es gibt keine Vollendung des Darwinismus, in der die Lebewesen das totale Überleben erreichen werden. Es gibt keine immortality of the fittest!" Aber sich da doch ganz, ganz sicher, ohne auch nur im Geringsten irritiert oder zweifelnd zu sein: "Doch, doch, am Ende der darwinistischen Entwicklung steht die vollkommene Überwindung aller darwinistischen Probleme, Anpassung und Überleben sind dann als Notstand passé. Es wird keine Zeit der Not mehr geben, das Leben wird andere Aufgaben haben. Nämlich die Aufgabe der Weisheit, die Eroberung des Universums und das Leben nach dem Tod durch die Wissenschaft." Er sagt das so, so fröhlich und gläubig, fast fühlt man sich schon schlecht, weil man all dies als Schwachsinn erachtet. Er redet dann noch Minute für Minute wiederholend, davon, dass die höheren Tiere im Darwinismus den Göttern gleicher werden, von denen wir fantasierten. Aber es gäbe natürlich keinen Schöpfergott. Den müsste man erst einmal selbst erschaffen, bevor es ihn gibt.

8 - "Es nutzt auch nichts von gestörten Kollektiven zu reden." "Ach." "Ja, ja, es gibt gar kein Kollektiv, also keine starke Bindungen zwischen den Dingen, wie sie früher in Stämmen, kleineren Dörfern bis Städten existiert hat, mehr. Es gibt keine Existenznotwendigkeit, die die Leute zusammenhält. Das große Ganze ist ein abstrakter Apparat geworden, der sich um Infrastruktur kümmert und du zahlst dafür Steuern. Das war's. Zwischenmenschliche Beziehungen bestehen nicht mehr auf einer Basis der gemeinsamen Lebenserhaltung, sie basieren nur auf dem Prinzip der gegenseitigen Beglückung." Darüber lacht er natürlich: "Beglückung!" "Eine Person macht der anderen halt Spaß, so dünn sind alle Dinge, die uns zusammenhalten. Es gibt darüber hinaus keine Gründe, außer man wäre eine Ehe eingegangen." "Ja, also ..." "Es existiert keine Form von Gruppe oder Kollektiv mehr, außer der Ehe." "Und die kann man natürlich auch einfach auflösen." "Das ist einfach das Mitgift der Freiheit. Niemand ist mehr an irgendwen und irgendwas gebunden." "Das bekommen aber auch nicht-demokratische Gesellschaften hin." "Ja, also, wenn ein Individuum in keinen Zweck, der in einer Gruppe ausgeführt wird, hineinkommt." Danach grinst er schon: "Drückerkolonnen zählen auch nicht?" "Die Leute sammeln die Flaschen auch lieber alleine." "Und die Professoren-Kollektivität?" "Ja, die; bis auf Leben und Tod, für den Gott, für die Wahrheit, für die Wissenschaft." "Ja, natürlich." "Unter jeder Universität ist ein Opferaltar, wo die Verräter geopfert werden.

---ENDE DER LESEPROBE---