Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 689 - Katja von Seeberg - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 689 E-Book

Katja von Seeberg

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Beschreibung

Sie stammt aus einem adelsstolzen Fürstenhaus - die schöne Prinzessin Alexandra.
Seine Eltern hingegen haben ihm nur mit größter Mühe das Studium ermöglicht - ihm, dem jungen begabten Arzt Dietrich Degenhardt.
Als die beiden Verliebten gegen der Willen ihrer Eltern heiraten, hat Dr. Degenhardt nur ein Ziel: Er will der ganzen Welt beweisen, dass seine "Prinzessin" nichts zu entbehren braucht. Tag und Nacht arbeitet er, wird Chefarzt, überhäuft seine Frau mit Juwelen und Reichtum, aber er verliert sie täglich ein Stückchen mehr. Denn er vergisst die zarte Blüte, die Liebe heißt und die gehegt und umsorgt werden will ...


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Inhalt

Cover

Juwelen für einsame Stunden

Vorschau

Impressum

Juwelen für einsame Stunden

Schicksalsroman um die Frau eines berühmten Mannes

Sie stammt aus einem adelsstolzen Fürstenhaus – die schöne Prinzessin Alexandra.

Seine Eltern hingegen haben ihm nur mit größter Mühe das Studium ermöglicht – ihm, dem jungen begabten Arzt Dietrich Degenhardt.

Als die beiden Verliebten gegen den Willen ihrer Eltern heiraten, hat Dr. Degenhardt nur ein Ziel: Er will der ganzen Welt beweisen, dass seine »Prinzessin« nichts zu entbehren braucht. Tag und Nacht arbeitet er, wird Chefarzt, überhäuft seine Frau mit Juwelen und Reichtum, aber er verliert sie täglich ein Stückchen mehr. Denn er vergisst die zarte Blüte, die Liebe heißt und die gehegt und umsorgt werden will ...

Ein zärtliches Lächeln lag um Lexas ausdrucksvollen Mund, als sie die schmale Vase mit der zartlila Orchidee auf dem festlich gedeckten Tisch hin und her rückte, um sie dann doch wieder genau in die Mitte der Tafel zu stellen.

Eine zartlila Orchidee! Damit hatte alles angefangen – damals vor fünfzehn Jahren.

Vor genau fünfzehn Jahren war sie, Alexandra Prinzessin von Woffelsbach, die Frau des unbedeutenden Assistenzarztes Dr. med. Dietrich Degenhardt geworden.

Nicht nur ihre eigene Familie war gegen diese unpassende Verbindung gewesen, wie schließlich nicht anders zu erwarten. Auch Dietrichs Eltern, einfache Leute, die ihrem Sohn nicht ohne Mühe das Studium ermöglicht hatten, waren voller Skepsis gewesen und deshalb der Hochzeit demonstrativ ferngeblieben.

Niemand hatte ihnen Glück gewünscht. Nur Warnungen und düstere Prophezeiungen hatten ihre ersten Schritte in ein gemeinsames Leben begleitet.

Waren sie vielleicht aus diesem Grund nicht glücklich geworden?

Lexa machte eine Handbewegung, als wolle sie den Gedanken verscheuchen. Heute, wenigstens heute, wollte sie glücklich sein.

Sie holte ein weiches Tuch, um die Gläser noch einmal zu polieren. Dann hielt sie ihr Glas gegen das Licht, um sich von seiner Makellosigkeit zu überzeugen. Es funkelte und blitzte, aber es hatte einen hauchdünnen Sprung.

Lexa legte die Hand vor den Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken. War das etwa ein böses Omen?

Unter keinen Umständen wäre Lexa bereit gewesen zuzugeben, dass sie an so etwas glaubte. Aber die Hochstimmung, mit der sie den Tisch gedeckt hatte, war verflogen. Das Glas entfiel ihrer schlaffen Hand und zerschellte auf dem Parkett.

Mechanisch ließ sich die ehemalige Prinzessin von Woffelsbach auf die Knie nieder, um die Scherben aufzuheben.

In diesem Augenblick schlug die Türglocke an.

Dietrich!

Er hatte diesen Tag also doch nicht vergessen, wie sie insgeheim befürchtet hatte, und kam wenigstens heute zeitig.

Aber warum läutete er? Wahrscheinlich hatte er wieder seine Schlüssel vergessen. Er war ja immer so zerstreut.

Lexa erhob sich und eilte zur Haustür. Zu dumm, wenn man nach fünfzehn Ehejahren noch Herzklopfen wie ein junges Mädchen hatte, wenn man seinen eigenen Mann erwartete.

In dem geräumigen, eleganten Bungalow war alles still. Das Personal hatte Ausgang, weil Frau Degenhardt heute ganz allein und ungestört mit ihrem Mann sein wollte. Sie versprach sich so viel von diesem Abend! Vielleicht wurde doch noch alles gut!

Trotz ihrer Ungeduld nahm Lexa sich Zeit, noch einen Blick in den hohen, schmalen Spiegel in der Diele zu werfen. Und mit dem Bild, das er zurückwarf, konnte sie überaus zufrieden sein.

Sie war jetzt fünfunddreißig, aber sie wusste, dass es keine Schmeichelei war, wenn man sie auf achtundzwanzig schätzte. Ihre hohe Gestalt war immer noch mädchenhaft schlank. Der bodenlange enge Kaminrock aus flaschengrünem Samt, zu dem sie einen tief ausgeschnittenen, schlichten schwarzen Pullover mit langen Ärmeln trug, ließ ihre Taille zerbrechlich schmal erscheinen.

Lexa strich mit der Hand über ihr hochgestecktes aschblondes Haar und zupfte den Pony zurecht.

Wieder schlug die Türglocke an, ungeduldig diesmal.

»Ich komme, Liebster«, rief die junge Frau. Erwartungsvoll öffnete sie die Tür. Ob er auch eine zartlila Orchidee für sie hatte – so wie damals, an ihrem Hochzeitsmorgen?

Das Erste, was sie sah, war ein Strauß langstieliger dunkelroter Rosen, hinter dem der Mann, der draußen stand, sein Gesicht verbarg.

Also keine Orchidee! Aber Rosen, dunkelrote Rosen ... Ihr Herzschlag stolperte ein wenig.

»Wie lieb von dir«, sagte sie leise, »dass du daran gedacht hast!«

»Da ich immer an Sie denke, Prinzessin, ist das eigentlich nicht so ungewöhnlich«, sagte der Mann. »Gehe ich fehl in der Annahme, dass Sie jemand anders erwartet haben? Oder gilt dieser überaus freundliche Empfang tatsächlich mir? Das würde mich mehr freuen, als ich sagen kann.«

»Wo ist denn mein Mann?«, stammelte Lexa und vermied es, in das strahlende Gesicht des Oberarztes Dr. Bernhard Pagel zu sehen.

»Also war ich doch nicht gemeint. Ich ahnte es«, sagte Dr. Pagel bekümmert. »Wie kann ein Mann, der von einer Frau wie Sie erwartet wird, anderen Dingen den Vorzug geben? Ich verstehe das nicht.«

Lexa hatte sein Zögern vor dem Wort »Dingen« nur zu deutlich bemerkt. Hatte er eigentlich »Frauen« sagen wollen?

Es gelang ihr, ein höfliches Willkommenslächeln zustande zu bringen. Nur den enttäuschten, verletzten Ausdruck in ihren tiefblauen Augen konnte sie nicht wegzaubern.

»Nett, dass Sie vorbeischauen, Bernhard«, sagte sie steif. »Bringen Sie eine Nachricht von meinem Mann?«

»Ich habe den Herrn Chefarzt seit heute Morgen nicht mehr gesehen. Ich hatte eigentlich erwartet, ihn zu Hause anzutreffen. Wir hatten heute einen ungewöhnlich ruhigen Tag im Krankenhaus.«

Lexa gab den Eingang frei.

Dr. Pagel trat ein und schloss die Tür hinter sich. Er sah sich suchend um.

»Nanu, Prinzessin, ganz allein?«

»Sie sollen mich nicht immer Prinzessin nennen! Ich bin Frau Degenhardt, nicht mehr und nicht weniger.«

»Sie sind eine Prinzessin! Und das hat nichts mit Ihrer blaublütigen Familie zu tun. Eine Frau wie Sie, meine liebe Lexa, trägt unsichtbar immer eine Krone.«

Dr. Pagel hängte seinen Mantel auf. Er war im Abendanzug, ein großer, ein wenig zu schwerer Mann, der in einigen Jahren dick sein würde, wenn er nicht auf seine Figur achtete. Er schien eine Menge freie Zeit zu haben, obwohl auch er eine verantwortungsvolle Stellung im Krankenhaus bekleidete.

Lexa musterte ihn verstohlen. Bernhard war der älteste Freund ihres Mannes. Sie hatten zusammen Abitur gemacht, gemeinsam studiert und gleichzeitig als Assistenzärzte angefangen. Jetzt war Dietrich Chefarzt und der Vorgesetzte Dr. Pagels.

Manchmal kam es Lexa so vor, als ob Bernhard es nur schwer verwunden hätte, dass Dr. Degenhardt mit der Leitung der chirurgischen Abteilung betraut worden war und nicht er selbst. Seit dieser Zeit sprach er immer vom Herrn Chefarzt, mit einem leicht spöttischen Unterton.

Der Oberarzt nahm die herrlichen Rosen, die er auf den Dielentisch gelegt hatte, wieder auf und überreichte sie Lexa mit einer zeremoniellen Verbeugung.

»Meinen herzlichsten Glückwunsch zu Ihrem Hochzeitstag«, sagte er.

Er hatte also daran gedacht! Bernhard, der damals ihr Trauzeuge gewesen war, brachte ihr Rosen, rote Rosen, während der Mann, dem sie ihr Jawort gegeben hatte, sie warten ließ – wie so oft in den vergangenen Jahren.

Lexa verbarg ihr Gesicht in dem Strauß und atmete tief den zarten Duft ein.

»Danke«, hauchte sie.

♥♥♥

Dann ging Lexa dem Besucher mit einer einladenden Geste, ihr zu folgen, voran in den behaglichen Wohnraum.

Dr. Pagels graue Augen mit den starren Pupillen streiften die festliche Tafel mit einem Blick. Mit der Hand glättete er sein schon ein wenig schütteres Haar.

»Schade«, meinte er, »dass dieser Tisch nicht für mich gedeckt ist.«

Lexa ging nicht darauf ein. Sie deutete auf den mit weichem weißem Leder bezogenen Klubsessel, der vom Esstisch am weitesten entfernt stand.

»Nehmen Sie Platz«, sagte sie. »Möchten Sie etwas trinken?«

»Ein Whisky würde mir, glaube ich, schmecken«, entgegnete Dr. Pagel. »Aber lassen Sie nur, ich mache das schon. Halten Sie mit?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, ging er mit der Sicherheit des Hausfreundes zu der in die Bücherwand eingebauten Bar und füllte zwei Kristallbecher zwei Finger hoch mit der dunkelbraunen hochprozentigen Flüssigkeit.

Lexa setzte sich auf das große, halbkreisförmige Sofa und zündete sich nervös eine Zigarette an. Wie anders hatte sie sich diesen Abend vorgestellt! Selbst wenn Dietrich jetzt kam, würde der Abend anders sein, als sie erwartet hatte.

Sie hatte mit ihm allein sein wollen, hatte versuchen wollen, einen neuen Anfang zu finden. Sie hatten sich doch geliebt! So sehr geliebt, dass sie alle Hindernisse aus dem Weg geräumt hatten, um sich ein gemeinsames Leben aufzubauen. Konnte eine solche Liebe wirklich in einer banalen Alltagsehe enden? Nein, das würde sie nicht zulassen!

Sie würde eine Aussprache erzwingen! Vielleicht ahnte Dietrich nicht, wie einsam sie sich in den letzten Jahren gefühlt hatte. Er war so selten zu Hause, und wenn, dann war er geistesabwesend, erschöpft und schweigsam. War ihm seine Arbeit wirklich so wichtig, dass er seine Frau darüber vergaß, oder steckte eine andere Frau dahinter?

»So nachdenklich, Prinzessin?« Dr. Pagel war mit den Gläsern herangekommen und stellte eines davon vor Lexa, das andere dicht daneben. Er setzte sich auch nicht in seinen Sessel, sondern neben sie auf das Sofa. Obwohl ein schicklicher Abstand zwischen ihnen lag, fühlte Lexa sich unbehaglich.

»Aber, Bernhard, Sie wissen doch, dass ich nie viel trinke, und jetzt wollen Sie mir eine so große Menge Whisky einflößen! Was haben Sie vor? Sie wollen mich doch nicht etwa betrunken machen?«

Das war eine gute Gelegenheit, wie spielerisch von ihm abzurücken, und sie tat es.

»Auf Ihr Wohl, Prinzessin!«, sagte er und erhob sein Glas.

Lexa nippte und verzog das Gesicht.

»Das ist wirklich zu stark für mich. In der Bar steht Soda.«

Sofort erhob Dr. Pagel sich und holte die kleine Sodaflasche aus der Bar. Er füllte ihr Glas bis zum Rand.

»Versuchen Sie einmal, ob es Ihnen jetzt besser schmeckt.«

Wieder nippte Lexa an dem Glas. Tatsächlich, jetzt schmeckte es, und sie nahm durstig einen großen Schluck.

»So ist es brav«, lobte er sie. »Ich verordne Ihnen als Arzt diese Medizin zur Entspannung.«

»Hoffentlich entspannt sie mich nicht so sehr, dass ich nicht mehr auf meinen Beinen stehen kann, wenn Dietrich kommt«, erwiderte Lexa lächelnd. Sie fühlte, wie sich eine wohlige Wärme in ihrem Körper ausbreitete, und lehnte sich zurück.

Dann warf sie einen Blick auf ihre kleine, mit Brillanten geschmückte Armbanduhr. Es war fast neun!

»Ich verstehe wirklich nicht, wo Dietrich so lange bleibt! Er könnte doch wenigstens anrufen.«

»Ein guter Arzt vergisst über seiner Arbeit alles. Das sollten Sie als Arztfrau eigentlich wissen.«

»Aber Sie haben doch selbst gesagt, es liege nichts Wichtiges vor!«

»Wir haben einen Neuzugang«, sagte der Oberarzt so langsam, als sei er im Zweifel, ob er darüber sprechen sollte. »Vom medizinischen Standpunkt aus nicht besonders interessant, dafür menschlich umso mehr.«

Lexa wurde sofort hellhörig.

»Eine Frau?«, fragte sie.

»Ja, eine Frau«, gab Bernhard widerstrebend zu.

»So sprechen Sie doch!«

»Eine Frau«, wiederholte Pagel, »eine sehr schöne Frau.«

»Wie alt?«, flüsterte Lexa und ärgerte sich über das verräterische Zittern ihrer Stimme.

»Sie ist noch jung. Mitte zwanzig, glaube ich. Sie werden sie sicher kennen. Jeder kennt sie. Sie gilt als eine der talentiertesten Nachwuchsschauspielerinnen. Sie verstehen, dass ich Ihnen ihren Namen nicht sagen darf. Diesmal geht es nicht nur um das Berufsgeheimnis, sondern der ganze Fall muss so geheim wie möglich gehalten werden, damit nichts an die Öffentlichkeit dringt.«

»Ich bin nicht die Öffentlichkeit!«

»Natürlich nicht, aber seien Sie mir dennoch nicht böse, wenn ich schweigen muss.«

»Weshalb dann diese Andeutungen?«

»Ich dachte nur gerade daran, dass ...« Er verstummte.

»Wollen Sie etwa andeuten, dass Dietrich und diese Frau ...?«

»Natürlich nicht. Habe ich das gesagt?«

»Dietrich ist Ihr Freund!«

»Aber auch Ihr Mann!«

»Eben! Was hat es also mit dieser geheimnisvollen bekannten Unbekannten auf sich?«

»Wahrscheinlich wird sie mit ihrem Ruhm, der allzu früh kam, nicht fertig. Sie war innerlich noch nicht reif dafür.«

»Ist sie krank?«

»Nicht die Spur! Sie ist kerngesund, aber leider fest davon überzeugt, dass nur eine Herzoperation sie retten kann.«

»Dann scheint sie mir mehr ein Fall für den Psychiater als für den Chirurgen zu sein.«

»Sie war bisher in psychiatrischer Behandlung, aber dadurch wurde alles nur noch schlimmer. Der Herr Chefarzt hat sich halb und halb überreden lassen, eine ziemlich ungewöhnliche Therapie anzuwenden.«

»Sie sollen von Dietrich nicht immer als dem Herrn Chefarzt sprechen!«

Dr. Pagel bemühte sich, seinen stechenden grauen Augen einen unschuldsvollen Ausdruck zu geben.

»Aber das ist er doch, oder?«

»Für Sie ist er Dietrich! Und was ist das für eine ungewöhnliche Behandlungsmethode?«

»Man will eine Scheinoperation versuchen. Die Herren Kollegen von der Psychiatrie sind fest davon überzeugt, dass die Patientin wieder völlig in Ordnung sein wird, wenn sie glaubt, dass ihr Herz behandelt wurde.«

»Das scheint mir wirklich sehr gewagt«, erwiderte Lexa.

»Eben! Deshalb wahrscheinlich auch das ungewöhnliche Interesse, das Dietrich dieser Patientin entgegenbringt.«

Aha! Ungewöhnliches Interesse! Lexa nahm ihr Glas und trank es in einem Zug aus.

Sofort erhob sich Pagel und füllte es wieder, ohne um Erlaubnis zu fragen. Auch er selbst bediente sich.

Lexa zündete sich wieder eine Zigarette an und trank. Die Aussprache, die sie sich für den heutigen Abend vorgenommen hatte, schien noch dringlicher geworden zu sein. Dietrich und eine andere Frau! Eine schöne junge Frau!

Dr. Pagel nahm ihre Hand und zog sie an seine Lippen.

»Hoffentlich habe ich Ihnen jetzt nicht den Abend verdorben.«

Lexa entzog ihm ihre Hand, aber sie lächelte.

»Natürlich nicht!«, sagte sie mit gemachter Munterkeit. »Im Gegenteil! Darf ich Sie zum Dinner einladen? Es ist jetzt fast zehn, und der Herr des Hauses scheint mich sitzen zu lassen. Schade um das schöne Essen! Ich werde jetzt in die Küche gehen und sehen, was sich noch davon retten lässt.«

»Sie? Aber Prinzessin! Wo ist denn Ihr Mädchen?«

»Es hat Ausgang.«

»Darf ich wenigstens helfen?« Dr. Pagel führte sein Glas zum Mund. Seine Hand zitterte leicht dabei.

Lexa sah es und erschrak. Hoffentlich deutete er die Situation nicht falsch! Er hatte ihr immer den Hof gemacht, sie mit Blumen und Komplimenten verwöhnt, nie einen Geburtstag vergessen. Und sie hatte es sich gefallen lassen.

Und jetzt war etwas Neues zwischen sie getreten.

Na, wenn schon!, dachte Lexa. Wenn Dietrich es nicht einmal für nötig befindet, unseren Hochzeitstag mit mir zu feiern, wird er schon sehen, was er davon hat!

Sie nahm noch einen Schluck aus ihrem Glas und erhob sich. Verwundert stellte sie fest, dass sich der vertraute Raum plötzlich um sie zu drehen schien. Sie blieb einen Augenblick ganz ruhig stehen, und der Schwindelanfall verging wieder. Mit Bewegungen, die ihr selbst wie die einer aufgezogenen Puppe erschienen, ging sie in die Küche.

Fast körperlich konnte sie den Blick Dr. Pagels in ihrem Rücken fühlen.

♥♥♥

Nach einer Weile kehrte Lexa, das Tablett mit der Terrine mit der Schildkrötensuppe unsicher balancierend, zurück.

Dr. Bernhard Pagel hatte inzwischen die Kerzen in dem silbernen Leuchter angezündet, wodurch die Tafel in ein festliches Licht getaucht wurde. Der Damast schimmerte, und das Silberbesteck funkelte. Galant rückte der Oberarzt seiner Gastgeberin den Stuhl zurecht, bevor er sich selbst niederließ.

Schweigend löffelten sie ihre Suppe.

Lexa stellte sich vor, was Dietrich wohl sagen würde, wenn er jetzt hereinkäme und dieses Bild sähe. Entzückt würde er sicherlich nicht sein.

Die Frage, wie sich der Chefarzt Dr. Dietrich Degenhardt in dieser ungewöhnlichen Situation tatsächlich verhalten würde, blieb offen, denn er kam nicht, nicht während des Hauptganges und auch nicht, als Lexa das Dessert servierte.

Erst als sie ihr Menü bereits beendet hatten, fiel Lexa auf, dass ihr Gast immer stiller geworden war. Sie warf ihm einen überraschten Blick zu. Er sah wirklich erschreckend bleich aus.

»Fühlen Sie sich nicht wohl?«, fragte Lexa aufrichtig besorgt.

»Oh, es ist nichts! Mir ist nur ein wenig warm, und dann das gute Essen ... so spät am Abend ... nicht gewohnt ...«

Er stammelte ja! Lexa Degenhardt war nun wirklich beunruhigt.

»Kann ich etwas für Sie tun?«, fragte sie.

»Nein, nein! Wenn ... mich nur ... einen Augenblick ... entschuldigen ...« Er erhob sich und ging schwerfällig hinaus.

Lexa beschloss, den Tisch abzudecken.

Kaum hatte sie sich erhoben, fühlte sie sich wieder schwindlig. Während des Essens hatte sie nicht das Geringste davon bemerkt, aber jetzt musste sie sich doch wahrhaftig am Tisch festhalten. Was konnte das nur sein?

Plötzlich kicherte Lexa albern wie ein Backfisch. Sie wusste jetzt, was mit ihr los war! Sie hatte einen Schwips!

Das Schwindelgefühl war wieder vergangen. Sie fühlte sich plötzlich leicht und schwerelos. Versuchsweise machte sie ein paar Tanzschritte. Es ging sehr gut. Es war, als ob sie auf Wolken schwebe.

In diesem Augenblick trat Dr. Pagel wieder ein. Er hatte sich in der kurzen Zeit erstaunlich schnell erholt. In sein Gesicht war wieder die gesunde Farbe zurückgekehrt, seine Haltung hatte sich gestrafft, und seine Bewegungen waren wieder voller Elastizität. Mit einem Blick erfasste er die Situation.

»So vergnügt, Prinzessin?«, fragte er.

Lexa sah nur sein Lächeln und nicht den berechnenden Ausdruck in seinen Augen.

»Bernhard«, rief sie, »ich möchte tanzen, tanzen, tanzen und ...« Für einen Augenblick wurde sie ernst. « ... alles vergessen.« Dann lachte sie, aber etwas zu laut, etwas zu schrill.