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Egon von Schendell ist ein Aufschneider und Taugenichts. Seiner reichen Großtante, mit der er um zig Ecken herum verwandt ist, Sand in die Augen zu streuen, das beherrscht er perfekt.
So kommt es, dass die Baronin geradezu einen Narren an Egon gefressen hat. Ihrer Meinung nach ist er genau der richtige Mann für ihre reizende Enkeltochter. Baroness Astrid jedoch verabscheut Egon über alle Maßen. Sie liebt einen anderen, einen sympathischen, rechtschaffenen, jungen Mann mit bester Ausbildung, aber aus einfachen Verhältnissen. Aber da Arm und Reich nicht zusammenpassen, führt die Großmutter kurzerhand eine Trennung der Liebenden herbei. Egons Antrag um Astrids Hand hingegen unterstützt sie nach Kräften. Und zum ersten Mal in ihrem Leben lässt ihre Menschenkenntnis die Baronin jämmerlich im Stich ...
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Seitenzahl: 138
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Die Hochzeit dauerte drei Tage
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Impressum
Die Hochzeit dauerte drei Tage
Wenn die Liebe alle Zweifel besiegt
Egon von Schendell ist ein Aufschneider und Taugenichts. Seiner reichen Großtante, mit der er um zig Ecken herum verwandt ist, Sand in die Augen zu streuen, das beherrscht er perfekt.
So kommt es, dass die Baronin geradezu einen Narren an Egon gefressen hat. Ihrer Meinung nach ist er genau der richtige Mann für ihre reizende Enkeltochter. Baroness Astrid jedoch verabscheut Egon über alle Maßen. Sie liebt einen anderen, einen sympathischen, rechtschaffenen, jungen Mann mit bester Ausbildung, aber aus einfachen Verhältnissen. Aber da Arm und Reich nicht zusammenpassen, führt die Großmutter kurzerhand eine Trennung der Liebenden herbei. Egons Antrag um Astrids Hand hingegen unterstützt sie nach Kräften. Und zum ersten Mal in ihrem Leben lässt ihre Menschenkenntnis die Baronin jämmerlich im Stich ...
»Baroness!«
Heinz Bodmer sprang über den Koppelzaun und lief auf das junge blonde Mädchen zu, das erschrocken den Kopf hob.
»Entschuldigung!« Hastig fasste er sie bei der Hand und zog sie mit sich fort.
Baroness Astrid versuchte vergeblich, sich zu wehren. Ein Wahnsinniger!, schoss es ihr durch den Kopf. Doch eine Sekunde später sah sie die drohende Gefahr.
Als sie auf die Koppel gekommen war, hatte sie vergessen, das Gatter zur Nachbarkoppel zu schließen. Dort war Igor untergebracht, ein Prachtstier mit großen Hörnern.
Irgendetwas schien ihn in Wut gebracht zu haben. Er rannte am Koppelzaun entlang und konnte jeden Augenblick das offene Gatter entdecken.
Da passierte es auch schon. Der Jungstier sah die beiden Menschen über die Wiese laufen. Wütend brüllte er auf und setzte hinter ihnen her.
»Schneller! Wir müssen es schaffen!«, drängte Heinz Bodmer.
Astrid lief, so schnell sie konnte. Nur noch wenige Meter, dann hatten sie das rettende Ausgangsgatter erreicht und passiert.
Als Heinz Bodmer Astrids Hand losließ, sank sie mit einem matten Wehlaut zu Boden.
Hastig wandte der junge Mann sich zurück. Noch war die Gefahr nicht vorüber. Unter Aufbietung aller Kraft schlug er das große Gattertor zu. Es gelang ihm gerade noch, auch den schweren Riegel vorzulegen, dann donnerten Igors Hörner auch schon gegen die schweren Planken.
Heinz atmete auf. Das war Rettung in höchster Not gewesen!
»Sie brauchen sich nicht mehr zu ängstigen, Baroness«, sagte er. »Die Gefahr ist vorüber! Igor kann Ihnen nichts mehr tun.«
»Haben Sie vielen Dank, Herr ... Herr ... Nun haben Sie mir das Leben gerettet, und ich weiß nicht einmal, wie Sie heißen.«
Er lächelte begütigend.
»Dass ich Ihnen das Leben gerettet haben soll, ist vielleicht etwas übertrieben, Baroness. So gefährlich war es doch gar nicht. Im Übrigen heiße ich Heinz Bodmer.«
Astrid blickte ihn voller Interesse an.
»Bodmer? Wie der nette alte Herr aus dem kleinen Häuschen an der Landstraße, der im ganzen Kreis für seine wundervollen Blumen bekannt ist?«
»Er ist mein Vater.«
»Ich habe Sie aber noch niemals hier gesehen.«
»Das ist sehr gut möglich. Ich bin in den letzten Jahren nur selten daheim gewesen. Das Studium ließ mir zu wenig Zeit dazu. Aber nun ist es vorüber. Ich habe es geschafft!« Die letzten Worte klangen unbestreitbar stolz.
Ein kurzer, aber eingehender Blick ihrer leuchtend blauen Augen musterte ihn. Nicht ein Zug seines Gesichtes blieb ihr verborgen.
»Sie sehen immer noch recht mitgenommen aus, Baroness«, sagte Heinz Bodmer besorgt. »Kommen Sie, wir setzen uns dort drüben in den Schatten der großen Buche. Dor können Sie sich von dem Schreck erholen.«
Schweigend gingen sie zu der Buche und ließen sich dort nieder.
»Was haben Sie denn studiert?«, fragte Baroness Astrid.
»Landwirtschaft«, gab er Auskunft. »Die Liebe dazu scheint sich von meinem Vater auf mich vererbt zu haben. Wenn auch das Stückchen Boden, das ihm gehört, nicht groß ist. Seit genau fünf Tagen bin Diplom-Landwirt und Doktor dazu, Baroness.«
»Oh, dann muss ich Ihnen ja gratulieren!« Impulsiv hielt sie ihm ihre schmale, zarte Hand entgegen.
»Vielen Dank, Baroness! Ich bin froh, dass ich es nun geschafft habe. Für meine Eltern war es nicht leicht, mir das Studium zu ermöglichen. Aber nun soll es ihnen besser gehen! Wenn ich erst einmal meine erste Stellung habe ...«
»Ist denn da schon etwas für Sie in Aussicht?«, fragte sie interessiert.
»Natürlich weiß ich nicht, ob etwas aus der Sache wird, Baroness! Sie wissen, dass sich im Besitz der Verwaltung unserer Kreisstadt das Stadtgut Gardel befindet, nicht wahr?«
»Ich kenne es nicht, aber ich habe davon gehört.«
»Der Verwalter des Stadtgutes Gardel wurde bereits pensioniert, versieht seinen Dienst aber noch, bis ein passender Ersatz für ihn gefunden wurde. Ich habe mich um diese Stelle beworben.«
»Dann wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen viel Glück«, sagte die Baroness.
Ein Blick ihrer blauen Augen traf die seinen, und als er in sie hineinblickte, hatte er das Gefühl, auf den Grund eines unermesslich tiefen Sees hinabzusinken.
»Es ist höchste Zeit, dass ich nach Hause komme!«, fügte Astrid verwirrt hinzu.
Heinz Bodmer eilte zu der Hecke zurück, an der immer noch ihr Pferd stand, und führte es ihr zu. Die Baroness reichte ihm die Hand.
»Haben Sie vielen Dank, Herr Bodmer! Leider kann ich Ihnen meinen Dank nur mit Worten abstatten. Aber wenn Sie daheimbleiben, bis Sie Antwort auf Ihre Bewerbung erhalten, werden wir uns wohl noch öfter sehen, nicht wahr?«
»Ich würde mich sehr darüber freuen, Sie wiederzusehen«, entgegnete er hastig.
Er wollte ihr in den Sattel helfen, doch sie wehrte ab. Mit einer eleganten Bewegung schwang sie sich auf das Pferd. Noch einmal nickte sie ihm zu, dann ritt sie davon.
Ein glückliches Lächeln erhellte das Gesicht des jungen Mannes, als er ihr nachschaute. Er wusste, dass die junge Baroness gemeinsam mit ihrer Großmutter das Gut Wilmrode bewirtschaftete.
Frau von Zangshausen war eine resolute alte Dame, die das Zepter fest in der Hand hielt.
Immer noch versonnen lächelnd, setzte Heinz Bodmer seinen Spaziergang fort.
♥♥♥
Als Astrid den steinernen Torbogen passierte, der Park und Gutshof Wilmrode verband, sah sie einen großen chromblitzenden Straßenkreuzer durch den Haupteingang in den Hof rollen. Sie wusste, wem das Auto gehört.
»Der schöne Egon ist wieder einmal im Land!«, rief in diesem Moment Josef Kalinke, der Verwalter, seiner Frau durch das offene Fenster hindurch zu.
Josef Kalinke saß auf einer leeren Wassertonne und rauchte gemütlich seine Pfeife. Er liebte es, auch seine freien Stunden dort zu verbringen, wo sich sein Arbeitsbereich befand. Hühner kratzten in allernächster Nähe im Sand, von den Schweineställen her klang das Grunzen der Säue zu ihm herüber, ab und zu vernahm er von den Pferdeställen her das Stampfen und Scharren der Ackergäule.
Jetzt blickte Frau Klara, seine Gattin, zum Wohnzimmerfenster heraus. Sie war groß und kräftig, und ihr Gesicht verriet die unbeugsame Energie, die sie zu entwickeln vermochte, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.
»Er soll sich zum Teufel scheren, der schöne Egon!«, rief sie zurück, nickte ihrem Mann zu und verschwand wieder vom Fenster.
Vater Kalinke schmunzelte vergnügt. Der schöne Egon, wie die Gutsleute Egon von Schendell nannten, war hier nicht sehr beliebt.
Astrid schwang sich aus dem Sattel, gab ihrer Stute Anka einen leichten Klaps auf die Hinterhand und ließ sie in den Stall trotten. Sie selbst setzte sich zufrieden aufatmend neben Vater Kalinke auf die alte Tonne.
Inzwischen brachte der schöne Egon seinen Straßenkreuzer vor dem Gutshaus zum Stehen, stieg aus und warf geräuschvoll die Tür zu.
Er war zwischen dreißig und fünfunddreißig Jahre alt, sehr weitläufig mit Astrids Großmutter verwandt und dadurch auch mit ihr. Aber die Verwandtschaft war so entfernt und verzwickt, dass sie sich in Worten kaum noch ausdrücken ließ.
Auch Astrid mochte den eitlen, prahlerischen Egon von Schendell, der stets nach der allerneuesten Mode gekleidet war und natürlich nur den allerneuesten Wagen fuhr, nicht. Seine schmeichelhafte Höflichkeit ihr gegenüber fand sie abstoßend.
Die Großmutter war da ganz anderer Meinung. Seine überaus liebenswürdige Art hatte es ihr angetan. Die alte Dame hatte an dem schönen Egon regelrecht einen Narren gefressen.
Vater Kalinke blickte Astrid von der Seite her verschmitzt an.
»Gleich wird eines der Mädchen im Hof erscheinen und Sie rufen, Baroness«, sagte er.
»Das befürchte ich auch«, gab sie mit einem Seufzer zurück.
Und da kam vom Portal her auch schon das Mädchen Anna gelaufen.
»Ach, da sind Sie ja, Baroness! Die Frau Baronin gab mir eben den Auftrag, Sie zu suchen. Herr von Schendell ist da.«
»Ich weiß. Sein Straßenkreuzer ist nicht zu übersehen. Wo befinden sich die Herrschaften denn?«
»Im Teezimmer. Ich habe Anweisung, Tee und etwas Gebäck zu bestellen.«
»Tun Sie das, Anna. Ich gehe inzwischen rasch einmal in mein Zimmer hinauf. Im Moment bin ich nicht gerade salonfähig.« Astrid nickte dem Mädchen zu und eilte die Treppe hinauf.
♥♥♥
Während die Baroness sich umkleidete, saß unten im kleinen Teezimmer Egon von Schendell der Baronin gegenüber. Ganz Herr von Welt führte er eine Konversation, die die alte Dame immer wieder von Neuem entzückte. Er wusste ganz genau, wie er mit ihr umzugehen hatte.
»Astrid wird jeden Augenblick erscheinen, mein lieber Egon«, sagte die Baronin lächelnd, während sie ihm einen Aschenbecher hinschob. »Du kannst übrigens ruhig rauchen! Ich sehe dir an, wie sehr du nach einer Zigarette lechzt!«
»Vielen Dank für die gütige Erlaubnis, Großtante.« Egon von Schendell zündete sich eine Zigarette an. »Leider kann ich heute nicht lange auf Wilmrode bleiben. Du weißt ja, die leidigen Geschäfte! Es ist, als ob sich alle Welt darum reißen würde, ihre Häuser von mir gebaut zu bekommen. Ich habe keine ruhige Minute mehr, seit ich dieses neue Projekt in Angriff genommen habe.«
Frau von Zangshausen blickte ihn bewundernd an. Dieser Egon von Schendell war ein außerordentlich tüchtiger Mann, und wahrscheinlich würde er in wenigen Jahren der bekannteste und gesuchteste Baumeister des ganzen Landes sein!
»Um was für ein neues Projekt handelt es sich denn, mein lieber Egon?«
»Eine ganz große Sache, Großtante! Die Verhandlungen laufen bereits seit einem halben Jahr. Eine wahrhaft einmalige Angelegenheit! Ein Hochhaus in der Landeshauptstadt mit zwölf Stockwerken, Büros großer und größter Firmen. Die Leute, die sich mit ihrem Geld an der Sache beteiligen, werden bald merken, dass sich ihr Kapital zu einem Zinssatz verzinst, den ihnen keine Bank bieten kann.«
»Wenn sich nur genug große Firmen finden, die bereit sind, in dieses Hochhaus zu ziehen, mein lieber Egon!«
»Finden, Großtante! Wir haben sie schon! Die Leute stürmten mir das Büro und lagen buchstäblich auf den Knien vor mir, um nur Räume in einem so repräsentativen Bau zu bekommen.«
»Mich persönlich brächten keine zehn Pferde höher als in den dritten Stock!«
»Es sollen ja auch keine Wohnungen, sondern Büros werden, Großtante. Übrigens, für den Fall, dass du Gebrauch davon machen willst, kann ich dir einen ausgezeichneten Tipp geben. Ich weiß nicht, wie du dein Geld angelegt hast, aber falls du etwas davon in mein Hochhaus zu stecken gedenkst, könnte ich das noch arrangieren. Eine ausgezeichnete Kapitalanlage, wenn man an die Höhe der Erträgnisse denkt.«
Die Baronin musterte Egon von Schendell. In Geldsachen war sie äußerst vorsichtig.
»Wie viel brauchst du denn noch, mein lieber Egon?«, fragte sie.
Egon von Schendell lachte belustigt auf.
»Du missverstehst mich, Großtante. Von ›brauchen‹ kann keine Rede sein. Die Geldgeber flehen mich beinahe an, Geld von ihnen zu nehmen. Mit so hohen Einkünften, wie sie mein Hochhaus bringt, können sie anderweitig nicht rechnen. Aber ich bin da sehr wählerisch. Ich sehe mir die Leute genau an, die mir ihr Geld zur Verfügung stellen wollen.«
Das imponierte der Baronin mächtig.
»Hm, ich kann mir die Sache ja einmal überlegen! So eilig, dass ich mich sofort entscheiden muss, ist es wohl nicht, oder? Es würde nicht allzu schwer für mich sein, fünfzigtausend Mark flüssigzumachen.«
»Lass nur, Großtante!« Egon von Schendell winkte überlegen ab. »Du kannst dir wohl denken, dass es bei einem solchen Riesenprojekt mit fünfzigtausend Mark nicht getan ist. Sprechen wir nicht mehr darüber! Ich bin, wie gesagt, keinesfalls auf dein Geld aus. Ich wollte dir nur einen kleinen Gefallen tun, weil du immer so nett zu mir bist. Und dann ...« Er unterbrach sich und sprang auf, denn gerade trat Astrid ein.
Sie sah hinreißend aus, ohne sich natürlich für Egon absichtlich hübsch gemacht zu haben. Das wäre ihr gar nicht in den Sinn gekommen.
Egon von Schendell starrte Astrid hingerissen an, ehe er sie mit seiner allerschönsten Verbeugung bedachte.
»Taufrisch wie eine Rose, munter wie der junge Morgen und schön wie ein Ährenfeld voll bunter Sommerblumen!«, säuselte er gefühlvoll und legte dabei die Hand aufs Herz.
»Komm, setz dich zu uns, Kind!«, bat die alte Dame liebevoll. »Der Tee muss jeden Augenblick kommen. Unser lieber Egon hat wieder einmal nur sehr wenig Zeit für uns.«
»Die Geschäfte, Großtante, die Geschäfte! Wenn man ein so gesuchter Architekt ist wie ich ...«
In diesem Augenblick trat Anna ein und servierte den Tee.
»Du wirst immer schöner«, sagte Egon zu der Baroness, nachdem das Mädchen wieder hinausgegangen war und er gerade den ersten Schluck getrunken hatte. »Obwohl das eigentlich gar nicht möglich ist, so schön wie du bist!«
Astrid waren seine platten Komplimente zuwider. Peinlich berührt senkte sie den Kopf.
Um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken, erzählte sie der Großmutter die aufregende Geschichte von dem wild gewordenen Stier Igor und die Rettung durch Heinz Bodmer.
Frau von Zangshausen hörte atemlos zu. Nachträglich zitterte sie noch bei dem Gedanken, dass ihre geliebte Astrid in großer Gefahr geschwebt hatte.
»Wer ist denn dieser junge Bodmer eigentlich?«, fragte Egon von Schendell. »Ich habe den Namen noch nie gehört.«
»Seinem Vater gehört das kleine Häuschen an der Landstraße. Du kommst jedes Mal daran vorbei, wenn du von der Stadt nach Wilmrode kommst.«
»Ach ja, jetzt weiß ich Bescheid! Kleine Leute also.« Das klang reichlich verächtlich.
Astrid ärgerte sich über seinen Ton.
»Ja, kleine Leute!«, sagte sie angriffslustig. »Aber ehrliche und biedere Menschen. Die Eltern sparten sich das Geld für das Studium ihres Sohnes buchstäblich vom Munde ab.«
»Also wieder einer mehr aus dem sogenannten akademischen Proletariat!«
»Herr Bodmer hat vor einigen Tagen seine Prüfung bestanden und den Doktor gemacht. Er ist jetzt Diplom-Landwirt. Sobald es ihm gelingt, eine gute Stellung zu bekommen ...«
Astrid war versucht, von Bodmers Aussichten auf den Verwalterposten vom Stadtgut Gardel zu sprechen, doch ihr Gefühl riet ihr, es besser nicht zu tun.
Egon von Schendell blickte sie prüfend an. Hatte er sich geirrt, oder hatte er soeben bei der Erwähnung des jungen Mannes Interesse bei der Baroness wahrgenommen? Er hoffte, sich geirrt zu haben, denn er hatte die Absicht, selbst um Astrids Hand anzuhalten, wenn es erst einmal so weit war.
»Hast du ihn zu uns eingeladen, Kind?«, fragte die Baroness.
»Nein, Großmama! Ich kann doch nicht einfach ohne dein Wissen fremde Leute ins Haus bringen!«
»Unsinn, Kindchen! Jemand, der dir das Leben gerettet hat, ist uns kein Fremder mehr. Wie wäre es, wenn wir ihn für heute zum Abendessen einladen? Es gehört sich, dass auch ich ihm meinen Dank ausspreche. Schließlich bist du meine Enkelin.«
Egon von Schendell lachte amüsiert.
»Tust du da nicht ein bisschen zu viel des Guten, Großtante? Er konnte Astrid behilflich sein, und sie bedankte sich geziemend. Damit ist die Sache doch abgetan!«
»Ich finde, es gehört sich, dass auch ich ihm danke«, widersprach die Großmutter. »Schließlich war das, was er tat, wirklich sehr selbstlos.«
Egon von Schendell verneigte sich.
»Ganz wie du meinst, Großtante. Obwohl ich anderer Ansicht bin.«
Die Baronin pflegte ihren Entschlüssen, sobald sie sie erst einmal gefasst hatte, rasch die Tat folgen zu lassen. Sie läutete nach Anna.
»Sage Paul, er möchte doch rasch einmal zu den Bodmers hinüberfahren!«, sagte sie, als das Mädchen eintrat. »Da ist jetzt der Sohn zu Besuch. Paul soll ihn fragen, ob er uns die Freude machen will, heute Abend mit uns zu speisen. Er kann die Antwort gleich mit zurückbringen. Die Frist ist zwar ein wenig kurz, aber ich hoffe, er wird es nicht so genau nehmen.«
»Sehr wohl, Frau Baronin!« Anna ging wieder, und auch Egon von Schendell erhob sich.
»Es tut mir außerordentlich leid, liebe Großtante, aber nun muss ich dich verlassen! Ich habe noch einige Besprechungen von Wichtigkeit vor mir, die unbedingt heute erledigt werden müssen. Ein Projekt wie dieses Hochhaus macht eine Menge Arbeit.«
»Hoffentlich lässt du dich bald wieder einmal auf Wilmrode sehen, lieber Egon!«
»Natürlich, so bald wie möglich! Du weißt doch, wie gern ich zu dir komme, Großtante! Und auch Astrid weiß, wie gern ich sie sehe. – Wirklich, Mädel, du wirst von Tag zu Tag hübscher! Du bist eine wahre Augenweide.« Er sandte einen feurigen Blick zu Astrid hinüber.
Sie fand diesen Blick, von dem er wohl glaubte, er sei unwiderstehlich, furchtbar unangenehm.