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Der Schock sitzt tief, als Dori erfährt, dass ihr Zuhause versteigert werden muss. Selbst nach dem Tod ihrer Eltern hat sie sich auf Gut Förnbach immer sehr geborgen gefühlt. Und nun wird die junge Baroness völlig entwurzelt: Sie muss sich nicht nur von ihrer Heimat verabschieden, sondern auch von ihrem geliebten großen Bruder. Der will sich nun in Australien ein neues Leben aufbauen, um dann - auf lange Sicht - auch seine Schwester nachzuholen.
Bis dahin kommt Dori auf Schloss Weißenfels bei ihrer reichen und egozentrischen Cousine Adrienne unter. Diese heiratet kurz darauf einen ominösen Fürsten - und von nun an wird Doris Aufenthalt auf Schloss Weißenfels zur Tortur. Einzig Graf Thulin, ein Freund des Hauses, sorgt sich um Dori und weckt damit große Gefühle in ihr. Doch der Graf verhält sich ihr gegenüber eher wie ein Bruder. Ist auch er nur ein Spielball der intriganten Adrienne?
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Seitenzahl: 145
Cover
Dori und ihr Seelenschmerz
Vorschau
Impressum
Dori und ihr Seelenschmerz
Meisterwerk um das traurige Geheimnis einer Frau
Der Schock sitzt tief, als Dori erfährt, dass ihr Zuhause versteigert werden muss. Selbst nach dem Tod ihrer Eltern hat sie sich auf Gut Förnbach immer sicher und geborgen gefühlt. Doch nun wird die junge Baroness völlig entwurzelt: Sie muss sich nicht nur von ihrer Heimat verabschieden, sondern auch von ihrem geliebten Bruder. Der will sich in Australien ein neues Leben aufbauen, um dann – irgendwann – auch seine Schwester nachzuholen.
Bis dahin kommt Dori auf Schloss Weißenfels bei ihrer reichen und egozentrischen Cousine Adrienne unter. Diese heiratet kurz darauf einen ominösen Fürsten – und von nun an wird Doris Aufenthalt auf Schloss Weißenfels zur Tortur. Einzig Graf Thulin, ein Freund des Hauses, sorgt sich um Dori und weckt damit große Gefühle in ihr. Doch der Graf verhält sich ihr gegenüber eher wie ein Bruder. Ist auch er nur ein Spielball der intriganten Adrienne?
Baron Förnbach trat ans Fenster und blickte hinunter auf den gepflegten Park. Die alten Buchen wiegten wie immer ihre Zweige im Wind.
Wie viele Generationen hatten sie aufwachsen und vergehen sehen! Und nun sollte das Gut der Förnbachs in fremde Hände fallen.
An der Parkmauer tauchte Lux auf. Der gefleckte Schimmel jagte mit Dori in gestrecktem Galopp durch den Park, und sie saß sicher wie eine Amazone im Sattel. Das lange blonde Haar wehte wie eine kleine Fahne hinter ihr her. Im nächsten Augenblick waren Pferd und Reiterin Baron Förnbachs Blicken entschwunden.
Der alte Viktor betrat das Arbeitszimmer des jungen Herrn, um den Aschenbecher zu leeren und die Gläser abzuräumen.
»Bitten Sie die Baroness zu mir, Viktor.«
Viktor, der schon beim alten Baron Förnbach gedient hatte, streifte Baron Aldo mit einem forschenden Blick.
»Sehr wohl, Herr Baron.« Er verneigte sich.
Er ahnte, dass es nicht gut um Gut Förnbach stand, doch er wagte keine Frage zu stellen.
Wenig später stürmte Dori ins Zimmer. Ihre Augen leuchteten, ihre Wangen glühten, und ihr Haar war nicht eben ladylike frisiert. Sie trug noch ihren Reitdress.
Hübsch sieht sie aus, meine kleine Schwester!, dachte Baron Förnbach. Und wie unbeschwert glücklich sie ist! Das Herz schlug ihm dumpf und schwer.
»Du wolltest mich sprechen, Aldo? Gibt es eine gute Nachricht?« Dori hockte sich kess auf die Kante des Schreibtisches.
Wo soll ich nur beginnen!, dachte Baron Förnbach verzweifelt, und unwillkürlich glitt ihm ein Seufzer über die Lippen.
Forschend blickte Dori ihren Bruder an. »Du siehst bekümmert aus, Aldo. Ist etwas passiert?«, fragte sie und glitt vom Schreibtisch herunter.
Baron Förnbach nahm ihre Hände. »Ja, Dori. Es ist etwas passiert, das heißt, es wird etwas geschehen, etwas, das uns beide betrifft und unser ganzes Leben verändern wird.«
In Doris Augen erlosch das Leuchten. So ernst hatte der Bruder noch nie mit ihr gesprochen – doch, einmal. Damals, als ihr Vater so plötzlich gestorben war. Es war ein Morgen beinahe wie dieser gewesen. Auch damals war sie von einem Ritt zurückgekehrt, und sie hatten so voreinander gestanden wie jetzt. Dori hatte plötzlich einen dicken Kloß im Hals.
»Was – was wird geschehen?«, fragte sie tonlos.
Angst stand in ihren Augen, und Aldo spürte, dass sie zitterte.
»Mein armes kleines Schwesterlein!« Er zog sie mitleidig in seine Arme und strich ihr zärtlich über das Haar.
»Willst du – Lux verkaufen?« Dori blickte mit Tränen in den Augen zu ihm auf.
Baron Förnbach schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, es wird noch schlimmer sein.« Er zog sie fester in seine Arme. »Das Gut wird versteigert!«
»Das Gut ...?« Dori starrte ihn fassungslos an. »Wird versteigert?«
Baron Förnbach nickte. »Ich habe mein Möglichstes getan, um es zu verhindern. Ich weiß, wie furchtbar es für dich ist. Aber es gibt keinen Ausweg mehr.«
»Das bedeutet, wir müssen Förnbach – verlassen?« Dori traten Tränen in die Augen. Sie barg ihr Gesicht an der Schulter des Bruders.
»Ja, Dori, so wird es sein«, sagte der Baron dumpf.
Eine ganze Weile standen sie stumm beieinander, engumschlungen, als könne einer am anderen Halt finden. Dann hob Dori den Kopf.
»Und was wird aus uns werden?«, fragte sie unter Tränen.
»Ich weiß es noch nicht, Dori. Aber mach dir nicht zu viele Sorgen. Ich werde einen Weg finden. Es wird alles wieder gut werden. Zweifellos werden wir eine schwere Zeit durchzustehen haben, doch eines Tages, das verspreche ich dir, eines Tages wird es wieder schön sein!«
Dori nickte. »Wenn wir nur zusammen sind, werden wir alles durchstehen«, sagte sie tapfer.
Baron Förnbach küsste sie auf die Stirn. »Nicht einmal das wird uns vergönnt sein, Dori«, erwiderte er leise. »Wir werden uns trennen müssen.«
»Trennen?« Dori wurde noch bleicher. »Du – du willst mich verlassen und fortgehen?«, stammelte sie fassungslos.
»Ich tue es nur mit schwerem Herzen, Dori. Aber es muss sein. Ich werde in Übersee versuchen, eine neue Existenz für uns aufzubauen. Sobald ich wieder eigenen Grund und Boden besitze und das Geld für eine Fahrkarte zusammengespart habe, werde ich dich nachholen.«
»Ich möchte gleich mit dir fahren, Aldo!« Dori schlang ihm weinend die Arme um den Nacken. »Ich flehe dich an, lass mich nicht allein zurück! Ich will alles gern ertragen. Ich verspreche dir, hart zu arbeiten. Nichts wird mir zu viel sein, nur – lass mich nicht allein zurück!«
Aldo setzte sich in einen Sessel und zog Dori zu sich auf den Schoß. »Ich bitte dich, Dori, mach es mir nicht gar so schwer. Ich habe keine andere Wahl, als allein zu fahren. Wenn Förnbach versteigert ist, bleibt uns nicht mehr viel Geld. Es würde zwar für zwei Fahrkarten reichen, doch dann bliebe kein Startkapital mehr.«
»Und – was wird aus mir?«, fragte Dori zaghaft.
»Ich werde Cousine Adrienne bitten, dich aufzunehmen. Sie ist reich und bewohnt ein großes Schloss. Sie wird mir meine Bitte gewiss nicht abschlagen.«
»Adrienne?« Dori sah ihn unglücklich an.
»Ich dachte immer, du magst sie«, sagte Aldo verwundert.
»Ja, doch. Aber sie macht sich nicht sehr viel aus mir«, erwiderte Dori bekümmert.
»Das siehst du falsch, Dori«, versuchte der Baron seine Schwester zu beruhigen. »Adrienne ist so viel älter als du. Sie hat ganz andere Interessen. In ihren Augen bist du noch ein Kind. Deshalb habt ihr wenig gemeinsamen Gesprächsstoff. Wenn du erst mit ihr lebst, wird sie bald einsehen, dass du schon eine richtige junge Dame bist, und dann wird sich manches zwischen euch ändern.«
»Wenn du meinst, Aldo«, sagte Dori, aber es klang traurig und bedrückt.
♥♥♥
Lux wieherte freudig, als Dori den Stall betrat.
»Lux!«, rief sie. »Lux!«
Der Apfelschimmel tänzelte unruhig hin und her und streckte seinen Kopf weit über die niedrige Tür seiner Box.
Dori nahm seinen Kopf und schmiegte ihr tränennasses Gesicht an seine Nase. Zärtlich streichelte sie ihm das seidige Fell und kraulte ihn hinter den Ohren.
»Wenn ich dich doch mitnehmen könnte!«, schluchzte sie. »Ich weiß nicht einmal, wohin du kommen wirst. Irgendein Fremder wird auf dir reiten.«
Plötzlich fühlte Dori sich von hinten bei den Schultern genommen. »Ich dachte mir, dass ich dich hier finden würde, Dori«, sagte Baron Förnbach.
»O Aldo! Wie furchtbar ist das alles!« Dori warf sich weinend in seine Arme.
»Bitte, beruhige dich, Schwesterlein. Ich werde dafür sorgen, dass Lux in gute Hände kommt«, versprach der Baron. »Er wird sich bald an seinen neuen Herrn gewöhnt haben.«
»Und du glaubst, dass er mich ganz vergessen wird?«
»Sicher nicht, Dori. Aber Lux ist ein kluges Tier. Er wird sehr bald begreifen, dass es sich auch in seinem neuen Stall leben lässt. – Und du solltest dir ein Beispiel nehmen an ihm. Weine nicht mehr. Auf Schloss Weißenfels ist alles viel prächtiger als hier, und Adrienne wird dir gewiss ein Pferd zur Verfügung stellen, mit dem du ausreiten darfst.« Er zog etwas aus der Jackentasche. »Hier. Das habe ich dir mitgebracht, als Abschiedsgeschenk für Lux. Du hast in deiner Erregung sicher nicht daran gedacht.«
»Danke«, schluchzte Dori. »Du bist ein wunderbarer Bruder. Was werde ich ohne dich anfangen?«
Lux naschte begierig die Zuckerstückchen und Mohrrüben.
»So, nun bleibt er getröstet zurück«, sagte der Baron und klopfte dem Schimmel die Schulter. Dann legte er den Arm um Dori und führte sie fort.
♥♥♥
Vier Stunden später hielt der Wagen aus Förnbach vor dem Portal des Schlosses Weißenfels. Der Baron half seiner Schwester ritterlich aus dem Wagen. »Ein herrliches Schloss, nicht wahr?«
»Ich würde lieber in einer Hütte wohnen, wenn ich bei dir bleiben könnte«, erwiderte Dori bedrückt.
Baron Förnbach legte ihr den Arm um die Schultern und führte sie die breite Schlosstreppe hinauf. »Du wirst das Schlossleben bald genug zu schätzen wissen, mein Kleines.«
Das hohe Portal öffnete sich vor ihnen, und Butler Anderson empfing sie mit einer Verbeugung.
»Komtess Lauenstein erwartet Sie bereits. Wenn Sie mir bitte folgen würden.«
Dori ging ganz dicht neben ihrem Bruder. Die luxuriöse Pracht der großen Halle deprimierte sie. Wie arm und bescheiden hatten sie dagegen auf Förnbach gelebt!
»Haltung bewahren, Dori!«, flüsterte Baron Förnbach seiner Schwester zu.
Dori nickte und zwang sich ein Lächeln ab.
Cousine Adrienne empfing ihre armen Verwandten im kleinen Besuchssalon. Der Raum war ebenso prunkvoll ausgestattet wie die Halle, aber hatte eine so unpersönliche Note, dass Dori trotz des warmen Sommerwetters fröstelte.
»Die kleine Dori ist ja beinahe erwachsen«, sagte Adrienne und reichte ihrer Cousine mit gönnerhafter Miene die Hand. »Betrachte Weißenfels als deine neue Heimat. Ich hoffe, du wirst dich hier ebenso wohl fühlen wie auf Förnbach.« Ein Anflug von Spott spiegelte sich in den dunklen Augen der schönen jungen Frau wider.
»Ich danke dir für deine Gastfreundschaft, Adrienne«, erwiderte Dori scheu. »Ich werde versuchen, mich ein wenig nützlich zu machen.«
»Wozu?« Adrienne winkte lässig ab. »Ich habe Personal genug. Außerdem möchte ich nicht, dass es heißt, ich nutze eine arme Verwandte aus.«
Doris senkte den Kopf. »Wie du meinst, Adrienne.«
»Es ist mir wirklich eine große Beruhigung, dass ich Dori bei dir geborgen weiß«, sagte Baron Förnbach, obgleich er während der vergangenen Minuten schon erkannt hatte, dass Dori auf Schloss Weißenfels nicht sehr glücklich werden würde.
»Du willst wirklich nach Übersee gehen?«, erkundigte sich Adrienne.
»Ich habe keine andere Wahl. Mit dem Geld, das mir bleibt, kann ich drüben mehr erreichen als hier.«
»Nun, ich bin sicher, dass einer meiner Freunde über kurz oder lang einen neuen Verwalter braucht«, sagte Adrienne. »Wenn du willst, könnte ich dich empfehlen.«
Das Gesicht des jungen Barons überzog sich mit einer flüchtigen Röte. »Ich danke dir für dein gutgemeintes Angebot, Adrienne, doch versteh bitte, wenn ich es vorziehe, ein freier Mann zu bleiben.«
»Wie du meinst, Aldo. Dori wird es jedenfalls an nichts fehlen, bis du selbst wieder für sie sorgen kannst.« Adrienne erhob sich. »Anderson kann Dori jetzt ihr Zimmer zeigen. Ich nehme an, du möchtest dich auch ein wenig von der Reise erfrischen. Ich erwarte euch in einer halben Stunde zum Abendessen.«
Anderson führte die Geschwister in den Gästeflügel. Er hatte für Dori ein kleines Appartement mit Salon, Schlafzimmer, Bad und Umkleideraum herrichten lassen. Gemessen an dem Raum, den Dori bisher auf Förnbach bewohnt hatte, war sie hier luxuriös untergebracht, dennoch sehnte sie sich von ganzem Herzen zurück nach Förnbach. Wie liebvertraut war ihr dort jeder Winkel ihres Zimmers gewesen!
Baron Förnbach las ihr die Gedanken von der Stirn ab. »Du wirst dich sehr bald an dein neues Zuhause gewöhnt haben, Dori«, sagte er. »Und wenn du erst deine kleinen persönlichen Dinge ausgepackt hast, wirst du schnell heimisch sein.«
Dori nickte nur stumm.
»Wenn du magst, helfe ich dir beim Auspacken«, erbot der Baron sich.
»Danke, dazu ist später noch Zeit – oder morgen.« Dori strich zögernd mit dem Zeigefinger über das abgeschabte Leder eines Koffers. Plötzlich wandte sie sich ihrem Bruder zu. »Bitte, nimm mich mit, Aldo. Ich flehe dich an, lass mich nicht hier!«
Sie eilte auf ihn zu und schlang ihm die Arme um den Nacken.
»Mach mir doch das Herz nicht so schwer, Dori.« Er strich ihr beruhigend über das Haar. »Es wird nicht lange dauern, bis du nachkommen kannst. Ich fürchte nur, du wirst dich bis dahin so sehr an den Luxus hier gewöhnt haben, dass du dich dann in meinem Farmhaus nicht mehr einleben wirst.«
»Wie kannst du nur so etwas denken, Aldo!«
»Schon gut, Kleines.« Aldo tätschelte ihr die Wange. »Ich meinte es nicht so wörtlich.« Baron Förnbach war froh, als im gleichen Augenblick in der Halle der Gong ertönte. »Beeilen wir uns. Wir dürfen Adrienne nicht warten lassen«, sagte er.
Adrienne empfing ihre Gäste im kleinen Speisesaal. Der Tisch war festlich gedeckt, Kerzen brannten in kostbaren Leuchtern. Adrienne trug ein Abendkleid aus schwarzem Samt, dessen Dekolleté und Rocksaum mit weißer Spitze eingefasst waren. Glühende Rubine hoben sich von der zarten Haut der schönen jungen Frau ab.
Ein verwunderter Blick streifte Dori, die noch dasselbe kleine Sommerkleid trug, in dem sie eingetroffen war.
Dori blickte beschämt an sich hinunter. »Verzeih, dass ich mich nicht umgezogen habe, Adrienne. Es wird nicht wieder vorkommen.«
Bekümmert dachte sie daran, wie ärmlich ihre beiden festlichen Kleider neben denen Adriennes wirken mussten.
Baron Förnbach hatte den gleichen Gedanken, und einmal mehr zweifelte er daran, dass Dori auf Schloss Weißenfels glücklich werden würde. Doch jetzt war es zu spät, eine Alternative zu finden.
Anderson erhielt das Zeichen, mit dem Servieren zu beginnen. Die Unterhaltung bei Tisch beschränkte sich auf Belangloses, nicht nur weil Anderson stets zugegen war, sondern auch, weil man an einer drei Meter langen Tafel saß und der Abstand vom einen zum anderen ein flüssiges Gespräch sehr erschwerte.
Dori saß stumm vor ihrem Gedeck und brachte kaum einen Bissen hinunter. Tränen schimmerten in ihren Augen, sooft sie den Bruder ansah, und ihre Hände hatten kaum die Kraft, das Besteck sicher zu halten.
Aber auch Baron Förnbach musste seine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um das Gesicht nicht zu verlieren.
»Willst du noch einen Mokka mit uns nehmen?«, fragte ihn Adrienne nach dem Essen.
»Ich möchte mich lieber gleich verabschieden, wenn du erlaubst.«
»Natürlich.« Sie reichte ihm die Hand. »Ich wünsche dir eine angenehme Fahrt und für deinen neuen Start alles Gute.«
»Danke. Und danke vor allem, dass du Dori zu dir nimmst. Es ist so beruhigend, sie in guten Händen zu wissen.« Er beugte sich über ihre Hand. Dann wandte er sich Dori zu. »Schwesterlein.« Er schloss sie herzlich in die Arme. »Sei brav. Halt dich tapfer und denke immer an unseren Leitspruch. Ich schreibe, sobald ich kann.«
Er küsste sie auf die Stirn, und ehe Dori noch etwas hätte erwidern können, hatte er sich abgewandt und mit schnellen Schritten das Zimmer verlassen.
Dori wollte ihm nacheilen, doch Adrienne hielt sie zurück. »Bleib hier, Dori. Einmal musst du die Trennung doch hinter dich bringen. Komm mit hinüber in den Salon. Anderson wird uns den Mokka servieren.«
Dori fühlte sich zu elend, um Adrienne zu widersprechen. Willenlos folgte sie ihr, doch bis zum letzten Moment behielt sie die Tür im Auge, durch die Aldo gegangen war.
Nachdem Adrienne ein paarmal vergebens versucht hatte, ein Gespräch zu beginnen, und Dori stets nur einsilbige Antworten gab, sagte sie ärgerlich: »Ich bitte dich, Dori, verdirb mir den Abend nicht mit deinen Launen. Es ist nicht meine Schuld, dass Förnbach unter den Hammer kommt, und du hast durchaus keinen Grund, dich zu bemitleiden. Du wirst hier ein besseres Leben führen, als du es auf Förnbach jemals gekannt hast.«
Dori sah ihre Cousine erschrocken an. »Verzeih, Adrienne, ich wollte dich nicht kränken«, stammelte sie.
»Am besten gehst du auf dein Zimmer und kümmerst dich um dein Gepäck. Sag Anderson, wann du das Frühstück möchtest. Mittagessen ist um eins, und ich erwarte, dass du pünktlich bist. Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Adrienne«, erwiderte Dori verstört und schlich sich aus dem Zimmer.
♥♥♥
Als Anderson am nächsten Morgen seiner jungen Herrin das Frühstück servierte, stand auf dem Teewagen ein herrlicher Strauß dunkelroter Rosen.
»Diese Blumen sind heute Morgen für Sie abgegeben worden, Komtess.« Er verneigte sich leicht und reichte Adrienne auf einem silbernen Tablett einen Briefumschlag, der mit den Blumen gekommen war.
Adrienne griff begierig danach, doch als sie die Karte herauszog und den Namen des Absenders las, knüllte sie sie ärgerlich zusammen und warf sie auf den Teppich.
»Fort mit den Blumen!«, befahl sie.
»Wie Sie befehlen, Komtess.« Anderson bückte sich nach der Karte und nahm die Rosen vom Teewagen. »Haben Sie noch einen Wunsch, Komtess?«, erkundigte er sich devot.
»Mein Pferd. Ich reite aus. Und Selma soll kommen.« Adrienne biss in den frischen Toast, dass es krachte.
Anderson verneigte sich noch einmal und zog sich zurück. In der Halle glättete er die Karte, warf einen indiskreten Blick darauf und nickte.
Kurz nach elf erschien Graf Thulin auf Weißenfels.
»Ich bedaure sehr.« Anderson verneigte sich leicht. »Komtess Lauenstein ist ausgeritten«, sagte er, ohne auch nur mit einer Miene zu verraten, welches Schicksal die Rosen des Besuchers erlitten hatten.
»So werde ich auf ihre Rückkehr warten«, entgegnete Graf Thulin, und ohne die Zustimmung Andersons abzuwarten, reichte er ihm Hut und Handschuhe.
»Bitte sehr, Herr Graf.« Anderson verneigte sich abermals. »Wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
Gerade als Graf Thulin den kleinen Salon betrat, hatte Dori die geschwungene Treppe erreicht, die hinunter zur Halle führte. Sie sah den Besucher nur von hinten und nur für einen Augenblick, aber sie war ganz sicher, Aldo erkannt zu haben. Ein Wunder ist geschehen!, dachte sie. Aldo ist gekommen, um mich zurückzuholen! Sie wollte rufen: Aldo, hier bin ich! Doch die Stimme versagte ihr den Dienst.
Unten schloss sich die Tür hinter dem Besucher.