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Wütend und tränenblind ballt die achtzehnjährige Komtess Andrea von Birkenholst ihre Hände zu Fäusten. Das ist wieder einmal typisch, kaum findet sie Gefallen an etwas, nimmt ihre ältere Schwester Kathleen es sich. Nun wird sie also auch noch den Grafen Hoya heiraten, obwohl Andrea zuerst mit ihm geflirtet hat. Aber sie wird den anderen schon zeigen, dass sie kein kleines Kind mehr ist, das sich alles gefallen lässt!
Als die junge Komtess bei einem Ausritt den gut aussehenden Volker von Rodenbach kennenlernt, reift ein Entschluss in ihr: Wenn sie Graf Hoya nicht haben kann, dann wird sie eben den Grafen von Rodenbach fragen, ob er sie heiraten will. Es wäre doch gelacht, wenn es ihr nicht gelänge, noch vor der ungeliebten Schwester in den Stand der Ehe zu treten ...
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Seitenzahl: 142
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Trotzteufelchens Heirat
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Impressum
Trotzteufelchens Heirat
Wird der Schleier ihre Tränen trocknen?
Wütend und tränenblind ballt die achtzehnjährige Komtess Andrea von Birkenholst ihre Hände zu Fäusten. Das ist wieder einmal typisch, kaum findet sie Gefallen an etwas, nimmt ihre ältere Schwester Kathleen es sich. Nun wird sie also auch noch den Grafen Hoya heiraten, obwohl Andrea zuerst mit ihm geflirtet hat. Aber sie wird den anderen schon zeigen, dass sie kein kleines Kind mehr ist, das sich alles gefallen lässt!
Als die junge Komtess bei einem Ausritt den gut aussehenden Volker von Rodenbach kennenlernt, reift ein Entschluss in ihr: Wenn sie Graf Hoya nicht haben kann, dann wird sie eben den Grafen von Rodenbach fragen, ob er sie heiraten will. Es wäre doch gelacht, wenn es ihr nicht gelänge, noch vor der ungeliebten Schwester in den Stand der Ehe zu treten ...
»Andrea – beeile dich, es wird höchste Zeit! Papa wird schon ungeduldig.« Komtess Kathleen von Birkenholst stieß die Tür zum Ankleidezimmer der jüngeren Schwester auf.
Komtess Andrea saß seelenruhig vor ihrem Ankleidespiegel und schaute auf den Strumpf in ihrer Hand. Sie warf nur einen flüchtigen Blick zu der erregten Schwester hinüber, die zornbebend im Türrahmen stand.
»Der schöne Strumpf ist hin«, klagte sie. »Es war mein letztes Paar Strümpfe. Es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als auf den Besuch des Balls zu verzichten.«
»Bist du von allen guten Geistern verlassen? Ich werde dir schleunigst ein Paar Strümpfe von mir herüberholen, und du wirst dich gefälligst beeilen.« Schon lief Komtess Kathleen davon, um wenige Minuten später mit einem Paar neuer Strümpfe zurückzukehren.
Komtess Andrea lächelte.
»Du kannst den Ball wohl kaum noch erwarten, Kathleen?«, neckte sie. »Bist sicherlich gespannt, wie dein Zukünftiger ausschauen mag. Ehrlich gestanden graut mir davor, einmal wie du vor die Tatsache gestellt zu werden, einen Mann zu heiraten, den man noch nie im Leben gesehen hat.«
»Rede gefälligst nicht so viel, sondern schau, dass du fertig wirst«, unterbrach die Schwester sie ungeduldig.
Sekunden später kletterten sie in das vorsintflutliche Ungetüm eines Autos, und Gräfin Andalusia sparte nicht mit Vorwürfen ihrer Jüngsten gegenüber, weil sie sich wieder einmal verspätet hatte.
»Meine Strümpfe hatten eine Laufmasche«, entschuldigte sich Andrea.
»Natürlich, auch das noch. Ständig brauchst du neue Strümpfe, und das nur, weil du einfach nicht mit so feinen Dingen umgehen kannst. Von nun an wirst du daheim nur noch dicke Strümpfe tragen«, schalt sie.
Andrea machte ein Gesicht, als verspüre sie plötzlich heftige Zahnschmerzen.
Schweigend erreichte man Schloss Vanderlohe. Komtess Andrea trippelte hinter den Eltern her die wenigen Stufen zum Portal hinauf. Plötzlich strauchelte sie.
»Was ist?« Gräfin Andalusia wandte ärgerlich den Kopf.
»Ich – ich habe versehentlich in den Volant meines Kleiderrocks getreten«, flüsterte die Komtess erschrocken.
»Du bist ein Unglückswurm, Andrea«, zischte die Mutter unwillig. »Was nun? Das gräfliche Paar hat uns bereits gesehen. Wir können nicht hier stehen bleiben, nur weil du wieder einmal so tollpatschig warst, deine schöne Robe zu ramponieren.«
»Geh nur schon voraus, Mama, ich laufe schnell in die Bedienstetenräume hinunter. Dort wird man mir sicherlich Faden und Nadel borgen können.«
Froh darüber, den zürnenden Blicken von Mutter und Schwester entrinnen zu können, ergriff sie die Flucht.
»Aus Andrea wird niemals eine gesittete junge Dame«, murrte Gräfin Andalusia. Dann raffte sie erneut die Falten ihres Abendkleides zusammen und schritt hocherhobenen Hauptes in die Halle, wo das gräfliche Paar seine Gäste willkommen hieß.
Währenddessen saß Komtess Andrea seelenruhig im Bedienstetenzimmer und nähte den widerspenstigen Volant wieder an. Sie schien wenig Eile zu haben, in den Ballsaal zu kommen, denn selbst, als der kleine Schaden behoben war, ließ sie sich noch ein wenig Zeit, bevor sie endlich über die Hintertreppe den Gesellschaftsräumen zustrebte.
Die Gäste schienen bereits vollzählig versammelt zu sein. Einsam und verlassen lag die Halle vor ihr, die Eingangstür war fest verschlossen.
Während Andrea noch überlegte, was sie tun sollte, hörte sie hinter sich einen leichten Schritt. Erschrocken sah sie sich um und schaute in ein sympathisches Männerantlitz.
»Wollen Sie etwa auch hier hinein?«, fragte Andrea den Ankommenden neugierig.
Ein amüsantes Lächeln glitt um den gut geschnittenen Mund des Mannes.
»Wenn es erlaubt ist, ja, meine Gnädigste. Sie auch?«
»Offen gestanden ja, aber ich überlegte eben, ob es nicht ratsamer wäre, abzuwarten, bis man mit dem Tanz beginnt.«
»Vielleicht können wir uns gegenseitig helfen, indem wir gemeinsam den Saal betreten«, schlug er vor.
»Auch das noch«, entfuhr es Andrea. »Was glauben Sie, würde man sagen, wenn ich mit einem wildfremden Menschen den Saal betreten wollte? Ich habe ohnedies den Unwillen von Mutter und Schwester auf mich gezogen, als mir vorhin das kleine Missgeschick mit meinem Rock passierte. Nun stehe ich hier wie ein Zaungast, dem der Eintritt verwehrt ist.«
Sie schien mit einem Mal nicht mehr gar so selbstsicher zu sein wie zuvor. Fast kleinmütig sah sie auf den gut aussehenden Herrn, der sich ebenfalls verspätet zu haben schien.
»Wissen Sie was? Wir warten gemeinsam, bis der Tanz beginnt, um dann den Saal zu betreten. Allzulange kann es ja nicht mehr dauern«, schlug er vor.
Andrea nickte. »Abgemacht, ich habe ohnehin keine Lust, mir die vielen Vorreden anzuhören.« Spitzbübisch blinzelte sie ihm zu.
»Kommen Sie, wir gehen in die Bibliothek hinüber. Die Musik wird uns schon sagen, wenn es Zeit ist, den Saal zu betreten.«
Andrea war einverstanden und folgte dem Fremden in die Bibliothek.
Als die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war, schien ihr mit einem Mal die Tatsache unangenehm zu sein, allein mit einem wildfremden Menschen in der Bibliothek eines fremden Hauses zu stehen.
»Hätten wir nicht doch besser in der Halle warten sollen?«
»Also doch ängstlich, nicht wahr? Verzeihen Sie, dass ich mich Ihnen noch nicht vorgestellt habe. Mein Name ist Walther von Hoya-Sandras. Ich bin der Neffe der Gräfin Vanderlohe und hatte auf der Fahrt hierher eine Autopanne, die mich davon abhielt, pünktlich zu erscheinen.«
Andrea legte das Köpfchen ein wenig schräg und schaute ihr Gegenüber prüfend an. Sie tat es unbewusst und ohne Koketterie.
Der Mann schaute fasziniert in das liebreizende Gesichtchen mit den herrlichen blauen Augen und dem süßen kleinen Schmollmund. Der Wunsch, diesen wunderschönen Mund zu küssen, stieg so unvermutet und elementar in ihm hoch, dass er sich Gewalt antun musste, Andrea nicht einfach in seine Arme zu reißen.
Überwältigt von diesem plötzlichen Gefühl wandte er sich fast abrupt ab und trat ans Fenster, vor dem die Dunkelheit der Nacht stand. Befremdet sah Andrea ihm nach.
»Was ist Ihnen?«, fragte sie.
Langsam wandte er ihr sein Gesicht wieder zu.
»Verzeihen Sie – mir wurde gerade bewusst, dass ich Sie in eine recht üble Lage gebracht habe, falls man uns hier sehen sollte.« Er hob lauschend den Kopf. »Hören Sie? Der Tanz im Ballsaal beginnt. Wollen Sie vorausgehen?«
»Natürlich.« Schon war Andrea an der Tür und drückte die Klinke hinunter. Dann huschte sie geräuschlos in die Halle.
Aus dem Ballsaal erklang gedämpfte Musik. Auf dem Parkett drehten sich bereits die Paare, und niemand beachtete die zierliche Mädchengestalt in dem hauchzarten, schneeweißen Tüllkleid.
Andrea ging suchend durch die Tischreihen, bis sie am oberen Ende des Saales die Eltern erblickte. Unauffällig ließ sie sich am Tisch nieder.
»Wo bist du nur so lange geblieben?«, raunte die Mutter ihr ungehalten zu. »Du siehst hoffentlich ein, dass du dich unmöglich benimmst, Andrea. Wie konnte das nur mit deinem Volant passieren? Du kannst dich einfach in feinen Kleidern nicht richtig bewegen«, rügte die Mutter.
Andrea zog es vor, nicht zu widersprechen, da es ohnehin sinnlos war. Neugierig schaute sie den Tanzenden zu.
Sie schrak hoch, als sich unverhofft jemand vor ihr verneigte. Dann starrte sie in die lachenden Augen ihres Zufallsbekannten.
»Sie?« Erschrocken schlug sie sich eine Hand vor den Mund.
»Darf ich Sie zum Tanz bitten?«
Andrea erhob sich wie unter einem geheimen Zwang.
»Ist es Ihnen unangenehm, mit mir zu tanzen?«, hörte sie seine Stimme an ihrem Ohr, als sie sich bereits inmitten der Tanzfläche befanden. »Als ich eben vor Ihnen stand, hatte ich den Eindruck, als wären Sie geradezu erschrocken.«
»Ich war in Gedanken versunken.«
»Darf man wissen, was Sie so sehr beschäftigte?«
»Neugierig scheinen Sie nicht eben zu sein.«
»Nur in ganz bestimmten Fällen«, kam es ungerührt zurück. »Sind Sie vorhin unauffällig an den Tisch Ihrer Eltern gelangt?«
»Es hat alles prima geklappt«, sagte sie burschikos, was ihm wieder ein amüsiertes Lächeln entlockte.
»Dieser Abend scheint unter einem günstigen Stern zu stehen, wenigstens für mich. Es dürfte immerhin ein Glückszeichen sein, gleich zu Beginn eines Festes einer so reizenden jungen Dame wie Ihnen zu begegnen.«
»Sie wollen mich wohl verulken?«
»Im Gegenteil.«
Andrea sah skeptisch zu ihm auf.
»Mich scheint niemand für voll zu nehmen. Meine Schwester behandelt mich wie ein Wickelkind, und meine Mama nörgelt auch stets an mir herum«, sagte sie bitter.
»Werden Sie mir glauben, wenn ich Ihnen versichere, dass ich Sie wirklich ernst nehme?« Sekundenlang ruhte Blick in Blick. Andrea verspürte ein eigenartiges Gefühl in sich aufsteigen.
»Haben Sie Ihre Tante schon begrüßt?«, fragte sie, um ihn von dem Thema abzulenken.
Schuldbewusst schüttelte er den Kopf.
»Leider nein. Es fand sich noch nicht die passende Gelegenheit dazu, da meine Tante als Gastgeberin allerlei Pflichten hat. Ich werde das Versäumte später nachholen.«
Andrea fand keine Zeit mehr, etwas zu erwidern, da der Tanz beendet war. Graf Hoya-Sandras geleitete sie zu ihrem Tisch zurück.
Kaum saß Andrea auf ihrem Platz, erschien auch Kathleen.
»Wer war der Mann, mit dem du getanzt hast?«, fragte sie neugierig.
Sekundenlang lag es Andrea auf der Zunge, den Namen ihres neuen Bekannten zu nennen. Dann aber schüttelte sie bedauernd den Kopf.
»Ich weiß nicht, Kathleen. Vielleicht ist er Gast auf Schloss Vanderlohe.«
Kathleen sah überrascht auf und raunte ihre Mutter etwas zu. Andrea sah, wie die Mutter einem Blick der Schwester folgte, und konnte feststellen, dass sie in die Richtung sahen, in der Graf Hoya-Sandras verschwunden war.
Der Graf schlenderte durch den Saal und sah, dass seine Tante gerade allein war. Er ging auf sie zu. Gräfin Vanderlohe begrüßte ihren Neffen liebenswürdig, aber ein wenig vorwurfsvoll.
»Wo warst du so lange, Walther?«
»Verzeih, Tante Clothilde. Erst hielt eine Wagenpanne mich auf, und dann warst du so sehr in Anspruch genommen, dass ich dich nicht stören mochte.«
»Soll das heißen, dass du schon länger hier bist?«
»Genau das, Tantchen.«
»Setz dich ein Weilchen zu mir, Walther.«
Sogleich kam er diesem Wunsche nach.
»Bitte, lach mich nicht aus, wenn ich dir jetzt etwas sage, Walther. Ich möchte dich heute mit einer jungen Dame bekannt machen, die geeignet wäre, einstmals Gräfin von Hoya-Sandras zu werden.«
»Ich weiß, Tantchen. Die betreffende junge Dame heißt Birkenholst, nicht?«
»Du weißt davon?«
Er nickte zerknirscht.
»Ich muss dir ein Geständnis machen, Tante Clothilde. Zufällig sah ich deinen Brief auf Mamas Schreibtisch liegen, und da ich glaubte, dass du vielleicht einige Zeilen an mich beigefügt hättest, las ich den Brief und erfuhr, was du vorhattest.«
»Du hättest den Brief nicht lesen dürfen.«
»Ich weiß, Tantchen, verzeih, aber es ist nun nicht mehr zu ändern.«
»Nun ja, da hast du schon recht. Ich werde dich gleich mit Komtess Kathleen und ihren Eltern bekannt machen, Walther. Ich glaube mit Sicherheit, dass dir die junge Dame gefallen wird.«
Graf Walther schwieg beharrlich. Er wusste, wie gern die Tante Ehen stiftete, und wollte ihr den Spaß nicht verderben.
Gräfin Vanderlohe warf verstohlene Blicke zu dem Tisch hinüber, an dem Graf Birkenholst mit seiner Gattin und seinen beiden Töchtern saß. Als die Musikkapelle wieder einmal eine Pause einlegte, nahm sie die Gelegenheit wahr, ihren Neffen an den Tisch der Birkenholster zu führen.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte Andrea auf den Mann, der sich gerade lächelnd über die Hand ihrer Mutter neigte. Als die Vorstellung an Kathleen kam, schluckte sie heftig, als habe sie plötzlich etwas in die falsche Kehle bekommen.
»Darf ich Ihnen, liebste Kathleen, meinen Neffen Walther von Hoya-Sandras vorstellen?«
Graf Hoya-Sandras sah sekundenlang bestürzt auf Andrea. Dann eilte sein Blick zu Kathleen zurück, die ihn forschend betrachtete. Sie hatte ihn sogleich wiedererkannt. Das war doch der Mann, der zu Beginn des Abends mit ihrer Schwester getanzt hatte. Ihr Gesicht war völlig beherrscht, als sie ihm mit einem liebenswürdigen Lächeln die Hand reichte.
»Ich freue mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen, Komtess«, hörte Andrea den Grafen sagen.
»Und das hier, lieber Walther, ist das Nesthäkchen der gräflichen Familie, Komtess Andrea«, kam die Reihe nun an sie.
Andrea hätte vor Wut und Scham am liebsten laut und böse gelacht. So war es immer. Stets stand sie im Schatten ihrer älteren Schwester, und jeder glaubte sie als Kind betrachten zu dürfen.
Kaum die Fingerspitzen legte Andrea in die dargereichte Männerhand.
»Komtess Andrea und ich haben bereits miteinander getanzt und sind uns keine Unbekannten mehr«, hörte sie ihn sagen.
Ein heimliches Triumphgefühl stieg bei seinen Worten in Andrea hoch, und fast spöttisch war ihr Blick nun auf die Schwester gerichtet.
»Getanzt hast du auch schon?«, fragte Gräfin Vanderlohe. »Aber in der Tat bin ich heute sehr in Anspruch genommen. Vielleicht leistest du Komtess Kathleen inzwischen Gesellschaft, während ich meinen Pflichten nachgehe.«
Schon rauschte sie davon. Sekundenlang stand Graf Walther verlegen am Tisch. Dann bat er, Platz nehmen zu dürfen. Kathleen wollte zur Seite rücken, aber Graf Walther zog sich kurzentschlossen einen Stuhl herbei und platzierte ihn zwischen die beiden Schwestern.
Nur schwer wollte eine harmlose Unterhaltung in Fluss kommen, und Graf Walther schien alle Register seiner Unterhaltungskunst aufbieten zu müssen, um Komtess Kathleen ein wenig gesprächiger zu machen.
Beim nächsten Tanz erhob er sich und entführte sie auf die Tanzfläche. Auch Andrea schwebte am Arm des jungen Grafen Brieden über das Parkett, und ihr helles Lachen klang bis zu ihnen.
»Meine Schwester scheint sich ja glänzend zu amüsieren.« Kathleen lächelte nachsichtig zu ihrem Partner auf. »Leider vergisst Andrea bisweilen, was sich schickt. Durch ihre etwas kindliche Zwanglosigkeit hat sie Mama und mich schon oftmals in Verlegenheit gebracht.«
»Lassen Sie Ihrer Schwester diese Ungezwungenheit, und versuchen Sie sie nicht in eine Schablone hineinzustecken.«
»Sie billigen diese kindliche Ausgelassenheit meiner Schwester?«, fragte sie mit gerunzelten Brauen.
»Ihre Schwester gibt sich so, wie sie ist, Komtess. Ist das etwa ein Vergehen?«
»Sie haben eigenartige Ansichten, Herr Graf.«
Kathleen schien sichtlich verärgert. Ihr unwilliger Blick eilte zu Andrea hinüber, die sie jedoch nicht zu bemerken schien. Sie lachte und flirtete, obgleich ihr das kleine Herzchen seltsam schwer in der Brust lag. Aber gerade darum gab sie sich lustig, um niemanden merken zu lassen, wie ihr in Wahrheit zumute war.
Komtess Kathleens Augen sprühten vor Zorn. Sie fühlte instinktiv, dass der Mann an ihrer Seite mehr an die kleine Schwester dachte als an sie.
»Achte auf Andrea, Mama«, raunte sie ihrer Mutter in einem unbewachten Augenblick zu. »Sie benimmt sich wie ein Dienstmädchen und flirtet so auffallend mit dem jungen Grafen Brieden, dass ich mich ihrer schäme. Was soll Graf Hoya-Sandras nur von uns denken?«
Gräfin Andalusia blickte zur Bar hinüber, an der ihre Jüngste, von einem Schwarm junger Herren umringt, auf einem Barhocker thronte.
»Beruhige dich, Kathleen. Ich werde dafür Sorge tragen, dass Andrea dich nicht weiter brüskiert.«
Wenige Minuten später erschien Graf Birkenholst an der Bar und holte seine jüngste Tochter ab.
»Was gibt es, Papa?«, fragte sie, als sie neben ihm in der Halle stand.
»Mama hat mich zu dir geschickt, Andrea. Ihr behagt dein Benehmen nicht, und sie hat mich beauftragt, dir zu sagen, dass du dich mehr zurückhalten sollst.«
»Ich habe nichts getan, dessen ich mich zu schämen hätte, Papa. Warum also schickt Mama dich hinter mir her? Wenn ich doch nicht gesellschaftsfähig bin, warum nimmt sie mich überhaupt mit? Habe ich schon einmal etwas getan, was nicht Mamas und Kathleens Tadel herausgefordert hätte? Ich werde nicht wieder in den Saal zurückkehren, sondern warten, bis die Herrschaften geruhen, heimzufahren.«
»Du wirst vernünftig sein, Andrea«, sagte er nun schärfer als beabsichtigt. »Ich kehre jetzt in den Ballsaal zurück, wohin du mir wenige Minuten später folgen wirst. Wage nicht, gegen mein ausdrückliches Verbot zu verstoßen, sonst werde ich ungemütlich.«
»Ich werde mich deinem Befehl fügen.«
Andrea trat zum Fenster und musste daran denken, dass sie wenige Stunden zuvor mit Graf Hoya-Sandras vor eben diesem Fenster gestanden und in die Nacht hinausgesehen hatte.
Warum schmerzte sie nur der Gedanke so sehr, dass ausgerechnet er der Mann war, den Kathleen an diesem Abend erwartet hatte? War es nicht im Grunde genommen völlig gleichgültig, wer einmal der Gatte Kathleens wurde? Eine Stimme in ihrem Innern wehrte sich gegen diesen Gedanken, und plötzlich schlug sie beide Hände vor das Gesicht und weinte.
Sie schreckte erst wieder hoch, als hinter ihr eine Tür geöffnet wurde. Da ergriff sie eilends die Flucht und stürzte in den Park hinaus.
Vergessen war das Versprechen, das sie dem Vater kurz zuvor gegeben hatte. Auf einer Bank im Park ließ sie sich nieder und versuchte Ordnung in ihre Gedankengänge zu bringen.
Sie wusste nicht, wie lange sie so gesessen hatte. Erst als ganz in der Nähe ein Zweig unter dem Fuße eines Menschen raschelte, schrak sie hoch. Ihr erster Impuls war, zu fliehen. Aber dann stand der Mann schon vor ihr, an den sie seit Stunden immerfort denken musste.