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Auf dem ersten Ball ihres Lebens lernt die hübsche und reiche Beatrix von Holde, die bis vor Kurzem noch Schülerin eines noblen Schweizer Internates war, den attraktiven Harro Gotenstein kennen. Noch am selben Abend verloben die beiden sich. Mit Charme, Zärtlichkeit und Schmeicheleien gaukelt Harro Beatrix tiefe Gefühle vor, und das unerfahrene Mädchen ist überzeugt davon, durch eine schicksalhafte Fügung der großen Liebe begegnet zu sein.
Wie im Rausch erlebt Beatrix das herrliche Hochzeitsfest und die wundervollen Flitterwochen. Doch als kurz darauf eine alte Jugendfreundin von Harro für einige Zeit zu Besuch auf Burg Gotenstein weilt und Beatrix zufällig ein Gespräch der beiden belauscht, da zerspringt die Illusion von ihrer ach so glücklichen Ehe wie Glas ...
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Seitenzahl: 134
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Die Träume der Burgherrin
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Impressum
Die Träume der Burgherrin
Als auf Gotenstein endlich das Glück einzog
Auf dem ersten Ball ihres Lebens lernt die hübsche und reiche Beatrix von Holde, die bis vor Kurzem noch Schülerin eines noblen Schweizer Internates war, den attraktiven Harro Gotenstein kennen. Noch am selben Abend verloben die beiden sich. Mit Charme, Zärtlichkeit und Schmeicheleien gaukelt Harro Beatrix tiefe Gefühle vor, und das unerfahrene Mädchen ist überzeugt davon, durch eine schicksalhafte Fügung der großen Liebe begegnet zu sein.
Wie im Rausch erlebt Beatrix das herrliche Hochzeitsfest und die wundervollen Flitterwochen. Doch als kurz darauf eine alte Jugendfreundin von Harro für einige Zeit zu Besuch auf Burg Gotenstein weilt und Beatrix zufällig ein Gespräch der beiden belauscht, da zerspringt die Illusion von ihrer ach so glücklichen Ehe wie Glas ...
»Das war das schönste Fest meines bisherigen Lebens, Tante Ilse.« Beatrix von Holde stand mit glänzenden Augen vor ihrer zierlichen weißhaarigen Tante, die zarten Wangen sanft gerötet.
Seufzend betrachtete die alte Dame ihre Nichte.
»Du machst mir Sorgen, mein Kind. Es ist viel zu rasch gegangen mit deiner Verlobung.«
»Warum soll ich warten, wenn ich genau weiß, dass ich mit Harro glücklich werde?«
»Kann man das wissen, wenn man sich gar nicht kennt?«
»Das fühlt man, Tante Ilse! Harro Gotenstein will nichts anderes, als mich glücklich zu machen. Das hat er gesagt.«
»Vielleicht sagen das alle Männer, wenn sie ein Mädchen hübsch finden, Beatrix. Ich verstehe nichts von der Liebe, denn ich bin eine alte Jungfer.«
Ilse von Holde hatte sich mit ihrem einsamen Leben abgefunden. Sie war reich, wie auch ihre Nichte seit ihrem einundzwanzigsten Geburtstag über ein Vermögen von rund einer Million verfügte.
Beatrix' Tante war zeitlebens fast nie auf Gesellschaften gegangen. Den großen Wohltätigkeitsball hatte sie am Vorabend nur mit ihrer Nichte besucht, weil sie Beatrix, die seit vier Wochen aus einem Schweizer Internat entlassen worden war, eine Freude machen wollte. Ihre Freundin Paola Weitz hatte ihr noch gut zugeredet, nicht immer jede Veranstaltung abzusagen. Sie müsse an Beatrix denken.
Also hatte Ilse für sich und Beatrix neue Abendkleider gekauft und war hingegangen. Die Tänzer hatten sich um die hübsche Beatrix geradezu gerissen.
Es hatte auch eine Tombola gegeben, und Harro Gotenstein hatte seinen Gewinn Beatrix überreicht. Es war ein Korb mit Sekt, und seine Bemerkung, den würden sie auf ihrer Hochzeit trinken, hatte Tante Ilse nicht ernst genommen. Immerhin hatte Beatrix seit der Tombola nur noch mit Harro Gotenstein getanzt.
Und als sie im Wagen zurückgefahren waren zu der großen alten Villa, hatte Beatrix ihrer Tante strahlend berichtet, dass sie Harro heiraten werde.
»Du hast doch noch keinerlei Erfahrungen«, hatte die Hausherrin zu bedenken gegeben.
»Nein, woher auch, Tante Ilse?«, hatte die Nichte erwidert. »Ich kann Englisch, Französisch, Reiten, Skifahren, Tennis, weiß über die moderne Literatur Bescheid, aber einen Freund hatte ich bisher nie. Und jetzt bin ich verlobt und sehr glücklich.«
Draußen läutete es. Sie lauschten gespannt auf die Schritte des Hausmädchens, das wenige Augenblicke später mit einem in weißes Papier eingeschlagenen Blumenstrauß ins Zimmer trat.
»Das ist abgegeben worden für Fräulein Beatrix.«
Das junge Mädchen riss ungeduldig das Papier ab. Rote Rosen leuchteten ihr entgegen.
»Wie schön, Tante Ilse!«, flüsterte Beatrix. »Die letzten Rosen habe ich von Papa bekommen, als ich sechzehn wurde. In dem Jahr ist er gestorben. Ich wünschte, er lebte noch, um an meiner Hochzeit teilnehmen zu können. Burg Gotenstein! Bist du früher mal dort gewesen?«
»Ja, einmal vor sehr vielen Jahren. Es wurde ein Fest dort gegeben. Deine Eltern hatten so lange auf mich eingeredet, bis ich endlich mitgekommen bin. Es ist eine schöne alte Burg auf einem Hügel.«
»Ich weiß. Harro hat mir Bilder gezeigt. Ich finde es großartig, dass ich auf einer Burg leben werde.« Ihre Finger strichen über die samtigen dunklen Blüten.
»Du solltest die Blumen ins Wasser stellen, Beatrix«, mahnte die Tante.
Beatrix lief in die Küche und kehrte nach einigen Minuten mit einer Kristallvase zurück, in der sie die langen Stiele arrangiert hatte.
Wieder ging draußen die Türglocke. Kurz darauf erklang eine Männerstimme.
Obwohl Beatrix im Pensionat gelernt hatte, dass eine Dame zu warten habe, bis der Besucher angemeldet war, stellte sie die Vase hastig auf die Seite und lief hinaus in die Diele.
»Eben sind deine Rosen gebracht worden, Harro!«, erzählte sie mit strahlenden Augen.
Harro Gotenstein ergriff ihre Hand und führte sie an die Lippen.
»Zuerst wollte ich nur die Rosen schicken. Aber dann wurde mir klar, dass ich dich sehen musste. Hier bin ich.«
Beatrix stellte sich auf die Zehenspitzen und bot dem geliebten Manne die Lippen.
»Noch müde von gestern?«, fragte er zärtlich.
»Kein bisschen. Ich hätte vierundzwanzig Stunden weiterfeiern mögen. Aber meine liebe Tante hatte Kopfschmerzen.«
»Ist sie zu sprechen?« Er strich ihr über das helle Haar. »Ich hätte deine verehrte Frau Tante gern gesehen, wenn es möglich ist.«
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür zum Wohnzimmer, Ilse von Holde erschien.
»Guten Morgen, Herr Gotenstein«, sagte sie. »Es ist nett von Ihnen, dass Sie uns besuchen. Kommen Sie doch herein. Ich fürchte, Beatrix hat ganz vergessen, dass wir außer der Diele auch noch Zimmer im Hause haben.«
Harro Gotenstein verneigte sich höflich. Kaum waren sie im Wohnzimmer, als er auch schon sein Anliegen vorbrachte.
»Nein, gnädige Frau, ich möchte mich nicht setzen«, lehnte er ab. »Ich habe eine wichtige Frage zu stellen. Vielleicht hat Beatrix Sie schon vorbereitet.«
Ilse von Holde nickte.
»Es ist sehr rasch gegangen«, erklärte Harro gleichsam entschuldigend. »Und nun stehe ich vor Ihnen, um Sie um die Hand Ihrer Nichte zu bitten. Wir lieben uns.«
Er begegnete Beatrix' Blick, die am Fenster stand und ihn unverwandt ansah.
»Meine Nichte muss selbst über ihr Schicksal entscheiden, Herr Gotenstein. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie den Weg zu mir finden. Aber ich kann Ihnen keine Antwort geben. Die müssen Sie sich bei Beatrix holen, wenn Sie sie nicht schon haben«, erwiderte die Tante.
Beatrix lief auf Harro zu und schlang die Arme um ihn.
»Längst hat er sie, Tante Ilse. Und wir wollen so rasch wie möglich heiraten.«
Ilse von Holde zwang sich, ihren Kopfschmerz zu vergessen. Auch an die unbestimmte Angst, die sie bedrängte, wollte sie jetzt nicht denken. War es Beatrix nicht zu gönnen, dass sie das erfüllte Leben einer verheirateten Frau führte, Kinder hatte und glücklich wurde?
»Wollen wir uns nun nicht setzen?«, fragte Ilse mit nicht ganz echter Fröhlichkeit. »Die Fragen sind geklärt, und Sie gehören jetzt zu unserer Familie, Herr von Gotenstein, wenn ich so sagen darf.«
»Ich danke Ihnen, gnädige Frau.« Harro küsste ihr die Hand, machte aber keine Anstalten, sich zu setzen. Stattdessen zog er aus der Tasche seines Anzuges ein Päckchen, entfernte das Papier und öffnete das kleine Kästchen. Dann überreichte er Beatrix sein Geschenk.
Es war ein Ring mit einem großen Brillanten.
»Willst du ihn nicht probieren?«, fragte Harro lächelnd, als das Mädchen sprachlos vor Freude auf das Schmuckstück starrte.
»Ja, Harro, natürlich will ich. Der Ring ist so schön.« Vorsichtig zog sie ihn aus dem Seidenfutter des Kastens und streifte ihn über. »Er passt genau!«
Sie hielt die Hand ausgestreckt und bewegte sie langsam. Das Licht brach sich vielfältig in dem geschliffenen Stein.
»Bildschön, Harro. Ich werde ihn von heute an immer tragen.«
Er griff nach ihrer Hand mitsamt dem Ring.
»Das musst du auch, liebe Beatrix. Jetzt bist du meine Braut, und bald wirst du meine Frau sein – Burgherrin von Gotenstein.«
»Ja, Harro, Burgherrin von Gotenstein.«
Endlich hielt Harro die Zeit für gekommen, sich zu setzen. Er lachte.
»Zuerst hatte ich gar keine Lust, wegen des Festes in die Stadt zu fahren. Mein Vater hat mich praktisch überredet. Wenn ich ihm jetzt erzähle, dass ich mich verlobt habe, wird er es kaum glauben.«
»Wird es deinem Vater auch recht sein?«, fragte Beatrix ängstlich.
»Er wird dich mit offenen Armen aufnehmen. Wir zwei einsamen Männer auf der alten Burg brauchen dich.«
»Ich werde euch auf dem Gut helfen. Du musst mir alles zeigen.«
»Gern. Arbeit gibt es auf einem Gut genug. Ich denke, es wird dir gefallen. Aber vergiss nicht, dass es eine alte Burg ist. Dicke Mauern, viele Treppen und Winkel, alles ein bisschen aus Urgroßvaters Zeiten.«
»Ich besinne mich«, warf Tante Ilse ein. »Ich war einmal dort, und ich habe mich verlaufen.«
»Ach ja?«, erwiderte Harro. »Ich kann mich gar nicht an Sie erinnern.«
»Sie waren damals noch ein kleiner Junge von vielleicht vier Jahren.«
Ilse von Holde fand Harro immer netter. Seine natürliche Art gewann ihr Herz, und ihre Besorgnisse schwanden allmählich dahin.
»Sie müssen uns bald einmal mit Beatrix besuchen, gnädige Frau. Ich verspreche Ihnen, dass ich aufpasse, damit Sie sich nicht verirren.«
»Wir kommen gern, Herr Gotenstein. Beatrix ist gewiss gespannt, ihr zukünftiges Heim kennenzulernen.«
Einem plötzlichen Entschluss folgend lud Ilse Harro ein, mit ihnen zu Mittag zu essen. Er nahm die Einladung an.
Als er sich schließlich verabschiedete, waren er und Ilse von Holde die besten Freunde geworden.
»Ist er nicht großartig?«, fragte Beatrix. »Ach, Tante Ilse, ich liebe ihn!«
♥♥♥
Kurt Gotenstein zog die Wolldecke fester um die schmerzenden Knie. Sein Rheuma plagte ihn. Kein Wunder, denn die Heizung funktionierte nicht richtig. Das alte Gebäude war kalt. Die Heizanlage hätte der Renovierung bedurft wie so vieles auf der Burg und im Gutsbetrieb. Doch dazu fehlte leider das Geld.
Der Burgherr hatte sich mit diesem Zustand abgefunden und sich wegen seiner schmerzenden Knie von der Arbeit zurückgezogen. Die Verantwortung für den Gutsbetrieb trug Harro. Er machte seine Sache gut. Dass es am flüssigen Kapital fehlte, war nicht seine Schuld.
Die Tür öffnete sich, und Harro trat ein.
»Guten Morgen, Vater! Ich wollte dich gestern Abend nicht mehr stören. Es war ziemlich spät, als ich zurückkam.«
»Du hättest ruhig noch zu mir hereinkommen können.«
»Ich bringe eine ziemlich aufregende Nachricht mit, und damit wollte ich dich nicht mitten in der Nacht überfallen, Vater.«
»Aufregend?«, fragte Kurt misstrauisch.
»Ich habe mich verlobt, Vater!«
»Verlobt? Mit wem?«
»Mit Fräulein Beatrix von Holde.«
»Aber die ist uralt. Sie könnte deine Mutter sein, Junge. Geld hat sie allerdings!«
»Nicht mit der alten Dame. Es ist ihre Nichte. Die alte Dame heißt Ilse mit Vornamen.«
»Ach so. Dann ist deine Beatrix die Tochter ihres verstorbenen Bruders. Und sie war auf dem Ball?« Kurt Gotenstein war nun so sehr bei der Sache, dass er seine Schmerzen vergaß. Sein Sohn setzte sich.
»Ich habe unwahrscheinliches Glück gehabt, Vater. Dieses Mädchen war bis vor ein paar Wochen in irgendeinem Internat. Vorgestern ist sie von ihrer Tante zum ersten Mal ausgeführt worden. Elmar machte mich auf sie aufmerksam. Du solltest sie sehen. Sie ist bildhübsch. Aber mir wäre das gleich gewesen, solange sie wenigstens einigermaßen aussah. Was mich interessiert, ist ihr Vermögen.«
»Sie muss viel Geld besitzen«, meinte der Vater nachdenklich. »Kann sie auch selbst darüber verfügen?«
»Ja, sie ist gerade volljährig geworden. Es ist alles in schönster Ordnung, Vater. Da sie bisher hinter Internatsmauern aufgewachsen ist, war es nicht schwer, ihr Herz zu gewinnen. Auch ihre Tante mag mich, soweit ich es beurteilen kann, gut leiden.«
»Wir werden hier einiges herrichten lassen, damit sie nicht denkt, wir hätten ihr Geld gebraucht.«
»Ja, das habe ich mir auch schon überlegt.«
»Ich hatte gehofft, dass du auf dem Fest vielleicht ein nettes vermögendes Mädchen triffst, Junge, aber dass du gleich aufs Ganze gehen würdest, hätte ich nicht zu träumen gewagt.«
»Wir sind ja nicht arm, Vater«, wandte Harro ein. »Gotenstein hat einen hohen Wert.«
»Das weiß ich, Harro, aber es mangelt uns an flüssigem Kapital. Jedenfalls freut es mich, dass es hier nicht mehr so einsam sein wird, wenn du Beatrix heimführst.«
»Beatrix und ihre Tante werden uns bald einmal besuchen. Ich habe sie eingeladen.«
»Dann müssen wir sofort Handwerker kommen lassen. Frauen haben scharfe Augen.«
»Ich mache mir nicht allzu viele Sorgen«, meinte Harro lachend. »Beatrix ist bis über beide Ohren in mich verliebt. Und Liebe macht bekanntlich blind. Trotzdem werden wir das Nötigste in die Wege leiten.«
»Ich kann es noch immer nicht fassen, dass du so schnell ein reiches Mädchen gefunden hast.«
»Beatrix ist nicht nur reich, sondern auch nett. Aber Liebe? Meine Güte ...« Er ließ den Satz unbeendet.
»Ich habe deine Mutter sehr geliebt, mein Junge.«
Harro sah seinen Vater nachdenklich an. Der Vater war noch nicht einmal sechzig. Aber er hatte sich aus dem täglichen Leben zurückgezogen. Schon seit mehr als fünf Jahren vergrub er sich in die Trauer um seine Frau.
»Es wird dir besser gehen, wenn Beatrix zu uns kommt«, sagte Harro. »Ich denke, dass sie dir gefallen wird.«
Mit diesen Worten stand Harro auf und verließ das Zimmer seines Vaters. Dann stieg er die gewundene Steintreppe hinunter und nahm in der kleinen dunklen Eingangshalle seinen kurzen Pelz von der Garderobe.
Auf dem gepflasterten Hof stand der offene kleine Wagen mit den hohen Rädern, den Harro für seine Fahrten auf die Felder benutzte. Es war kalt. Aber das Wetter hatte ihm noch nie etwas ausgemacht. Er war auf dem Lande aufgewachsen und der geborene Landwirt. Und darum war er auch bereit, sein persönliches Liebesglück dem Wohl des Gutes unterzuordnen.
Er traf seinen Inspektor auf dem Kornspeicher, wo gerade Weizen umgeschaufelt wurde. Die Leute grüßten ihn freundlich. Sie mochten ihn, bedauerten es jedoch auch, dass viele Maschinen und Anlagen im Betrieb veraltet und erneuerungsbedürftig waren.
Harro freute sich auf den Tag, da er endlich Geld haben würde, um die notwendigen Modernisierungen durchzuführen.
Nach dem Gespräch mit dem Inspektor fuhr er in die Molkerei. Alles blitzte vor Sauberkeit. Nächstes Jahr würde auch hier vieles verändert werden.
Während Harro das Butterbuch durchblätterte, dachte er an das reiche blonde Mädchen, das all diese Wunder vollbringen sollte. Er musste Beatrix dazu bewegen, dass sie ihm Vollmacht über ihr Geld einräumte.
Jetzt fuhr Harro zu den Stallungen. Bei den Pferden verweilte er besonders gern. Er suchte nach einem Stück Zucker in seiner Tasche und schob es seinem Reittier in das weiche Maul.
Beatrix konnte reiten. Das hatte sie ihm schon erzählt. Vielleicht müssten sie ein weiteres Reitpferd anschaffen. Das war zwar reiner Luxus, aber schließlich sollte es ihr auf Gotenstein gefallen.
Harro lächelte, ohne es zu wissen. Er war überzeugt, dass Beatrix bei ihnen glücklich sein würde. Sie durfte nie erfahren, dass er sie nicht liebte.
Jäh verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht. Er strich sich mit einer fahrigen Bewegung über die Stirn. Nein, er wollte nicht an Agnes denken.
Doch als Harro später in dem kleinen Raum an der Turmstiege, den er sich als Büro eingerichtet hatte, saß, wanderten seine Gedanken wieder zu dem zierlichen Mädchen mit dem dunklen Haar und den großen Augen, in denen immer Vertrauen gestanden hatte.
♥♥♥
In Ilse von Holdes Haus herrschte rege Betriebsamkeit. Beatrix stellte Listen für ihre Aussteuer zusammen und probierte mit unermüdlicher Geduld ihre Kleider an. Sie würde viel Neues brauchen. Alles, was sie im Internat getragen hatte, erschien ihr für die künftige Herrin von Burg Gotenstein nicht schön und elegant genug.
Auch Ilse von Holde wollte sich ein paar nette Kleider anschaffen, zumindest ein besonders schönes für die Hochzeit.
Diese Hochzeit sollte in ihrem großen Hause gefeiert werden. Die Vorbereitungen nahmen ihr schon jetzt den Atem. Dabei dauerte es noch einige Zeit bis dahin.
»Denkst du daran, dass wir morgen nach Gotenstein fahren, Tante Ilse?«, fragte Beatrix. Sie trug ein helles Jackenkleid und drehte sich einmal im Kreise.
»Nachdem du seit vier Tagen von nichts anderem sprichst, kann ich es kaum vergessen«, antwortete Ilse von Holde.
»Glaubst du, dass ich dies anziehen sollte? Macht es eine gute Figur? Und wird es Harro gefallen? Er hat übrigens heute nicht angerufen. Eigentlich schade. Seinen Vater kenne ich nun auch schon ganz gut durch Telefongespräche. Er sagt immer, er wäre ein alter Mann. Dabei hat er eine freundliche und recht jugendliche Stimme. Schließlich kann er nicht sehr alt sein, wenn Harro sein Sohn ist.«
Ilse von Holde überlegte.
»Er muss Ende fünfzig sein, schätze ich. Ich kenne ihn flüchtig.«
»Hm, nun sage schon, was ich anziehen soll.« Beatrix war immer in Aufregung, seit sie sich verlobt hatte.