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Albert Baron von Berenbrock hat in seinem Testament bestimmt, dass sein Sohn Hans das Gut erben und die Nachbarstochter heiraten soll. Hans jedoch hat Musik im Blut, die Landwirtschaft ist ihm verhasst, und er liebt die Jugendgespielin von einst nicht. Dennoch will er sie heiraten, von ihrer hohen Mitgift sein Gesangsstudium bezahlen und das elterliche Gut dann sofort meistbietend verkaufen.
Hans’ Stiefbruder Christian, ein studierter Jurist, der von dem Vater einst adoptiert wurde, liebt nicht nur die heimatliche Scholle über alles, sondern auch Maria, Hans’ Verlobte. Als Christian zufällig durch ein belauschtes Gespräch von Hans’ Plänen erfährt, nimmt er den Kampf gegen seinen Bruder und seine Stiefmutter auf, doch seinen niederträchtigen, gerissenen Gegnern ist er nicht gewachsen ...
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Seitenzahl: 135
Cover
Wenn Seligkeit zur Sünde führt
Vorschau
Impressum
Wenn Seligkeit zur Sünde führt
Wie lange halten Treueschwüre?
Albert Baron von Berenbrock hat in seinem Testament bestimmt, dass sein Sohn Hans das Gut erben und die Nachbarstochter heiraten soll. Hans jedoch hat Musik im Blut, die Landwirtschaft ist ihm verhasst, und er liebt die Jugendgespielin von einst nicht. Dennoch will er sie heiraten, von ihrer hohen Mitgift sein Gesangsstudium bezahlen und das elterliche Gut dann sofort meistbietend verkaufen.
Hans' Stiefbruder Christian, ein studierter Jurist, der von dem Vater einst adoptiert wurde, liebt nicht nur die heimatliche Scholle über alles, sondern auch Maria, Hans' Verlobte. Als Christian zufällig durch ein belauschtes Gespräch von Hans' Plänen erfährt, nimmt er den Kampf gegen seinen Bruder und seine Stiefmutter auf, doch seinen niederträchtigen, gerissenen Gegnern ist er nicht gewachsen ...
Der Diener fuhr den schweren Wagen aus der Garage, stellte ihn vor dem Herrenhaus fahrbereit ab und ging dann zurück ins Haus, um schon nach wenigen Augenblicken nach einem kurzen Anklopfen das Arbeitszimmer seines Herrn zu betreten.
»Ich habe den Wagen vorgefahren, gnädiger Herr«, sagte er und trat dann zurück in die Halle, wo er einem der Mädchen befahl: »Sag dem gnädigen Fräulein Bescheid, Grete! Es wird Zeit!«
Danach ging er wieder zu dem wartenden Wagen, um seiner Herrschaft später beim Einsteigen behilflich zu sein.
Hinrich von Elfring war sechzig Jahre alt und noch sehr rüstig, nur von Neuerungen hielt er nicht viel. Patriarchalisch herrschte er über das Gesinde, und auch seine einzige Tochter Maria unterwarf sich stets seinem Willen, denn sie kannte es ja nicht anders.
Sie war jetzt einundzwanzig Jahre alt. Ihre Schönheit, die sie aus allen Mädchen der Umgebung hervorhob, war voll erblüht, und der alte Herr hatte wirklich Grund, stolz auf sie zu sein.
Der rosige Teint ihrer zarten Haut, der schön geschwungene Mund, die herrlichen Locken und das warme dunkle Licht der Augen, das alles ergab ein Bild von hinreißender Lieblichkeit.
Maria schritt mit anmutigen Bewegungen die Treppe hinab, im Gehen noch die Handschuhe überstreifend. Ein schwarzer, eng anliegender Mantel mit einem kleinen hochgeschlagenen Pelzkragen umhüllte die makellose Gestalt.
»Ich komme, Vater!«, sagte sie mit sanfter, melodischer Stimme. »Volker ist aber noch nicht so weit!«
»Doch, da bin ich schon.«
Der Eleve, der auf Gut Elfringhausen wie zur Familie gehörend behandelt wurde, stürzte aus seinem Zimmer und lief hinter seiner jungen Herrin her.
Der Freiherr zog ein wenig missbilligend die Uhr.
»Es wird Zeit«, bemerkte Johann noch einmal.
Draußen stiegen sie in den Wagen. Der Freiherr und seine Tochter nahmen im Fond Platz, der Eleve stieg vorn zu Johann, der sich hinter das Steuer setzte. So fuhren sie zur Kirche.
Gut Elfringhausen lag inmitten eines großen Waldes. Wenn man die Landstraße erreichte, sah man in der flachen Landschaft das Dorf liegen. Seine roten Dächer scharten sich um die Kirche mit dem spitzen Turm. Auf der gegenüberliegenden Seite sah man das Herrenhaus von Gut Berenbrock, das eine Familie gleichen Namens bewohnte.
Das ganze Gebiet gehörte zum Landkreis Burgsteinfurt, aber das Dorf Borghorst war die nächste Bahnstation. Und zwischen dem Dorf und dem Gut gab es als Verbindung nur den Kutschwagen. Autos waren verhältnismäßig selten, denn die Leute hier waren nicht reich.
Der alte Herr von Elfring war außerdem aus Prinzip gegen jede Neuerung, und er hatte sich lange gegen die Anschaffung eines Wagens gewehrt, aber schließlich hatte er doch zugestimmt. Darin war er einig gewesen mit seinem Freund auf Gut Berenbrock, Albert Baron von Berenbrock, der vor drei Jahren gestorben war.
»Die Berenbrocks werden auch in der Kirche sein«, verkündete der Freiherr während der Fahrt.
Maria sagte nichts dazu. Stattdessen breitete sich auf dem Gesicht des jungen Mädchens Traurigkeit aus. Seit Juli war sie mit dem gleichaltrigen Hans von Berenbrock verlobt, und jetzt schrieb man Ende November. Gleich zu Beginn des neuen Jahres sollte die Hochzeit sein. Die junge Braut dachte mit leichtem Schauder daran.
Sie hatte Angst vor dem letzten entscheidenden Schritt, der sie vom Vaterhaus trennen und Hans auf Gedeih und Verderb überantworten sollte.
In ihre trüben Gedanken hinein klangen die Kirchenglocken zum Gottesdienst. Inmitten des Geläuts erreichten sie ihr Ziel.
Vor der Kirche stand eine ganze Anzahl von Wagen. Die Elfrings hatten oft zu grüßen, ehe sie die Kirche betreten konnten.
Auf der Seite der Frauen thronte Frau Thea von Berenbrock im Gestühl. Sie thronte wirklich, denn ihre Haltung war betont stolz und erhaben unter den sie umgebenden Frauen. Auch die Eleganz ihres schwarzen Persianermantels und des kleinen Schleierhutes war herausfordernd. Das rote Haar in üppiger Gepflegtheit wirkte über dem dezent geschminkten Gesicht wie ein Hohn auf alle Wohlanständigkeit und Bürgerlichkeit ringsum.
Das junge Mädchen schob sich zögernd in die gleiche Bank. Die zukünftige Schwiegermutter verbreitete stets eine Atmosphäre von Kälte und Unnahbarkeit um sich, derentwegen Maria vor dem künftigen Zusammenleben graute.
Nichts verband sie mit dieser Frau, die trotz zweiundzwanzigjährigen Aufenthaltes im Dorf eine Fremde geblieben war. Niemand vergaß, dass Thea von Berenbrock aus der Stadt kam und noch dazu eine Sängerin gewesen war.
Bis zum Tod ihres Mannes, des Barons von Berenbrock, hatte Baronin Thea nichts dazu getan, diese Kluft zwischen sich und der Landbevölkerung zu verwischen. Sie hatte ihren Gatten dazu bewogen, einen pompösen Neubau auf Berenbrock anzufügen, da das alte Herrenhaus ihren Ansprüchen nicht genügte, und in diesem Neubau hatte sie ihr eigenes Leben gelebt. Mit dem Tod des Barons von Berenbrock und der Testamentseröffnung war das alles anders geworden.
Seitdem spielte Baronin Thea die Mutter des neuen Herrn und sah darauf, dass auch Hans seine Rolle vollkommen spielte.
Alles, was Hans und seine Mutter taten, war nur Spiel. Theater war die Verlobung, und so würde auch ihre zukünftige Ehe sein!
Maria nahm mit höflichem Kopfneigen still neben der schönen Schwiegermutter Platz und sah, dass Hans gegenüber Platz genommen hatte. Er war allein, ohne seinen Stiefbruder Christian, stellte Maria fest, und ein tiefer Atemzug hob die bedrängte Brust des jungen Mädchens.
Der Gottesdienst begann, und Maria hatte Mühe, sich darauf zu konzentrieren. In wenigen Wochen würden sie und Hans, der Spielgefährte von einst, hier aufgeboten werden. Und dann würde der Tag kommen, an dem sie ihr Ja sprechen musste, das sie für ewig an Hans binden würde und von dem ihr Herz nichts wusste.
Oh, warum musste das alles so sein? Hans, zum Künstler geboren und mit einer begnadeten Stimme gesegnet, musste um einer starren Testamentsbestimmung willen auf die erträumte Karriere verzichten.
Sein Vater hatte seinen einzigen leiblichen Erben zum Alleinbesitzer Berenbrocks und des Vermögens gemacht unter der Bedingung, dass er Landwirtschaft studieren, die Führung der Güter selbst übernehmen und Maria von Elfring sofort nach der Erreichung der Volljährigkeit heimführen würde.
Es war eine Lieblingsidee des alten Barons von Berenbrock und seines nachbarlichen Freundes gewesen, dass die Letzte der Elfrings und der Erbe von Berenbrock dereinst ein Paar und die beiden Güter in einer Hand vereinigt werden sollten.
Marias trauriger Blick ruhte nachdenklich auf dem Profil des Jugendgespielen, der jetzt ihr Bräutigam war. Die Worte des Geistlichen glitten ungehört an ihrem Ohr vorüber.
Wie hatte sich Hans in den drei Jahren seit dem Tod seines Vaters verändert! Nichts mehr von dem heiteren, liebenswürdigen, aufgeschlossenen jungen Mann war an ihm, der mit seinem Lachen alle Herzen gewann. Ein unzufriedener, launenhafter, ruheloser Mann war er geworden, der nur widerwillig das Gut bewirtschaftete, eine Arbeit, die ihm von ganzem Herzen verhasst war.
Er tat ihr leid, sie verstand ihn ja so gut, hatte sie doch auch ihr Leben lang nichts anderes tun dürfen, als Pflichten zu erfüllen als Erbin von Elfringhausen, da die Mutter so früh gestorben war. Aber Mitleid allein genügte für eine Ehe nicht, es fehlte die Liebe.
Als der Gottesdienst zu Ende war, trafen die Elfrings und die Familie des Barons von Berenbrock vor der Kirche zusammen.
Es gab eine kühle Begrüßung zwischen Braut und Bräutigam, kaum, dass sie sich die Hände reichten.
Der Freiherr lud den künftigen Schwiegersohn zu einem Kognak in die »Dorfschenke« ein, wie das so üblich war, aber Hans lehnte ab. Da fuhr er denn allein mit Johann und dem Eleven. Die Berenbrocks nahmen Maria mit und würden sie kurz vor dem Elternhaus absetzen. Den Rest des Weges würde sie dann zu Fuß gehen.
♥♥♥
Nun saßen sie nebeneinander in dem Wagen der Berenbrocks, und Frau Thea kuschelte sich in die Polster. An manchen Sonntagen saß Christian, der Adoptivsohn aus der ersten Ehe des Barons von Berenbrock, neben der schönen Stiefmutter, aber zumeist blieb er in Münster, wo er als Assistent und möglicher Nachfolger von Rechtsanwalt und Notar Dr. Knotte arbeitete.
Maria war dankbar, dass er nicht da war, denn Christians Anwesenheit brachte stets ihr Herz in süße Unruhe.
»Liebe Maria«, sagte jetzt Frau Thea mit ihrer kühlen Stimme, »wir unterhielten uns gestern über den Termin der Hochzeit und fanden den letzten Sonnabend im Januar geeignet. Hoffentlich bist du einverstanden.«
»Gewiss, Mama«, antwortete Maria leise und gehorsam. Was hätte sie auch sagen sollen? Sie hatte ja keinen Grund für einen Aufschub.
»Es ist üblich, dass die Hochzeit im Haus der Braut gefeiert wird«, fuhr Frau Thea fort. »Aber auf Gut Elfringhausen bist du selber die Hausfrau. Wer wird dir beistehen bei den Vorbereitungen? Dazu gehört eine erfahrene und zuverlässige Person ins Haus.«
»Vater hat mit seiner Schwägerin gesprochen. Tante Friederike wird für einige Wochen kommen, Mama.«
»Dann tätest du gut daran, deiner Tante heute noch zu schreiben«, riet ihr die kühle Stimme. »Und vielleicht ist es notwendig, die Bestände an Geschirr, Leinen, Silber und dergleichen zu überprüfen. Auf Elfringhausen hat es seit dem Tod deiner Mutter ja keine Festlichkeiten mehr gegeben!«
»Gut, Mama, ich werde alles tun.«
Maria antwortete wie ein Automat. In ihrem Kopf war nur der eine peinigende Gedanke: Nun ist es so weit, nun nimmt alles seinen Lauf!
Hans saß so unbeteiligt dabei, als ginge ihn das alles nichts an. Ab und zu gähnte er und hielt sich die Hand vor den Mund. Er hatte am Abend getrunken und heute Morgen einen schweren Kopf. Das kam jetzt öfter vor, denn es gab so manches, was er zu vergessen suchte.
»Du weißt ja, dass Christian als testamentarisch bestellter Vermögensverwalter bis zur Heirat von Hans die Bücher prüft«, begann Frau Thea von Neuem. »Als er das letzte Mal bei uns war, meinte er, nun sei es an der Zeit, einen Antrag wegen der Weiterführung deines alten Namens an die zuständige Behörde zu stellen, denn du weißt ja, dass du die letzte Elfring bist. Und die Rechtsfragen, die sich aus der Zusammenlegung der beiden Güter ergeben würden, machten die Beratung eines Juristen notwendig, sagte er. Er schlug einen Kollegen vor, er selbst wolle das nicht tun.«
»So«, sagte Maria sinnend, »er selber nicht. Warum nicht? Und wozu eigentlich ein Anwalt? Ich bin die Alleinerbin von Elfringhausen, und mein zukünftiger Mann wird mein Erbe mitverwalten. Was gibt es da zu klären?«
Dieses Thema schien auch Hans nicht gleichgültig zu sein.
»Nun, zum Beispiel die Frage«, sagte er, »ob dein Vater Elfringhausen bis zu seinem Ableben weiter bewirtschaftet oder sich schon früher zurückziehen will. Dann weiterhin die Frage, ob zwischen uns beiden Gütertrennung bestehen soll oder nicht.«
Das junge Mädchen sah ihn überrascht an.
»Ich habe gar nicht gewusst, dass das alles so wichtig ist.«
»Dummchen!« Frau Thea lächelte gönnerhaft. »Es ist ja zum Beispiel auch nicht unwichtig festzulegen, was du an Barvermögen am Tag der Hochzeit ausgehändigt bekommst, denn für Hans erwachsen mit diesem Tag große Verpflichtungen. Christian muss abgefunden werden. Inspektor Kramer und andere treue Bedienstete erhalten mit ihrem Ausscheiden hohe Legate.«
»Der alte Kramer geht?« Erschrocken klang es von den Lippen des jungen Mädchens. »Und wenn Christian seine Abfindung erhalten hat, wird er dann nie mehr ... Ich meine, das bedeutet doch keine Trennung, nicht wahr?«
»In gewisser Hinsicht doch, mein Kind!«, erwiderte die Schwiegermutter. »Christian ist ja kein von Berenbrock! Wir wollen doch nicht vergessen, dass er lediglich als Waise adoptiert wurde, als noch keine Aussicht auf einen leiblichen Erben bestand. Blutsmäßige Bande bestehen also zwischen uns nicht. Ich glaube, wenn seine Mission beendet ist, gibt es nicht mehr viele Berührungspunkte.«
Maria hatte das Gefühl, als schleiche etwas Gefährliches und Unabwendbares auf sie zu. Aber sie vermochte es nicht zu fassen und zu begreifen. Irgendetwas lauerte im Hintergrund all dieser scheinbar so freundschaftlichen Gespräche. Man spann ein Netz um sie, und sie sah keine Ausflucht, weil sie nicht wusste, wovor sie eigentlich fliehen wollte.
Mit niemandem konnte sie darüber sprechen. Der Vater hätte sie ausgelacht oder gescholten, und andere Vertraute besaß sie nicht. Der einzige Mensch, zu dem sie Vertrauen hatte, war Christian von Berenbrock, und gerade von ihm trachteten Schwiegermutter und Bräutigam sie zu isolieren.
Warum nur? War es wirklich wahr, dass Christian mit der Beratung nichts zu tun haben wollte?
Nun waren sie an der Grenze zwischen Elfringhausen und Berenbrock angelangt, und der Wagen hielt. Der alte Gustav wandte den Kopf und sah Maria fragend an.
»Ja, Gustav, ich steige hier aus!«, sagte sie. Dabei ging es ihr durch den Sinn: Ob sie diesen treuen alten Mann auch entlassen? Warum soll denn alles anders werden auf Berenbrock? »Ich werde Vater sagen, dass er sich mit Hans berät über alle diese Fragen«, sagte sie abschließend und drückte den beiden im Wagen die Hand. »Auf Wiedersehen!« Und dann eilte sie davon.
Der berenbrocksche Wagen fuhr auf dem holperigen Landweg weiter, und Frau Thea verzog verärgert die Lippen.
»Diese ländlichen Verhältnisse gehen mir wirklich schrecklich auf die Nerven«, jammerte sie.
»Mir auch!«, brummte ihr Sohn und gab sich keine Mühe, seiner Braut nachzuwinken.
Maria war nicht nach Winken zumute, während sie auf dem schmalen Feldweg in Richtung Herrenhaus schritt.
Nach dem Mittagessen berichtete sie ihrem Vater getreulich jede Einzelheit des Gesprächs mit den Berenbrocks.
Hinrich von Elfring war mit dem Termin der Hochzeit einverstanden. Von einem Juristen und einer Gütertrennung hielt er nichts.
»Was der Frau gehört, gehört auch dem Mann!«, sagte er. »Wenn du heiratest, gehört Elfringhausen Hans, und ich ziehe mich aufs Altenteil zurück. An Geld für seine Verpflichtungen soll es ihm auch nicht fehlen. Sie haben ohnehin auf Berenbrock viele Ausgaben gehabt durch die Krankheit und den Todesfall, und das Studium war auch nicht billig. Na, und die Verlobung haben sie sich auch etwas kosten lassen. Nein, das kommt schon alles in Ordnung, der alte Elfring lässt sich nicht lumpen!«
Maria wurde bei den Worten des Vaters ein ungutes Gefühl nicht los.
Mit bedrücktem Herzen erhob sie sich nach dem Essen vom Tisch und zog sich auf ihr Zimmer zurück.
Nachmittags wollte sie Tante Friederike schreiben und sie bitten zu kommen. Und dann musste sie wohl in den nächsten Tagen einmal nach Münster fahren, denn die Schwiegermutter hatte recht. Es fehlte einiges auf Elfringhausen, was zu einer standesgemäßen Feier notwendig war.
♥♥♥
Frau Thea saß in ihrem luxuriös ausgestatteten Damenzimmer, das absolut nicht auf einen Gutshof passte, und schrieb einen Brief.
Viele dieser Briefe hatte sie schon geschrieben, mit zierlicher Schrift auf kostbarem Papier. Und die Adresse hatte immer gelautet:
L. L. Hoffnung, Münster, hauptpostlagernd.
Lieber Lothar!
Heute hatten wir ein Gespräch mit Maria und legten den Termin der Heirat auf den letzten Sonnabend im Januar fest. Ihren Vater haben wir zu Besprechungen gebeten. Ich denke, er wird auf alles eingehen und den Großzügigen spielen. Wer den Erben von Berenbrock zum Schwiegersohn bekommt, darf sich nicht lumpen lassen.
Ich habe der Kleinen eingeredet, Christian habe die juristische Beratung abgelehnt. Es ist besser so. Sie könnten in Elfringhausen sonst darauf verfallen, ihn um seine Meinung zu fragen, weil er nun einmal ein juristisch ausgebildetes Familienmitglied ist, und er fühlte sich am Ende genötigt, elfringsche Interessen zu vertreten. Du verstehst.
Hans ist im richtigen Fahrwasser. Er vernachlässigt die Arbeit, hat Differenzen mit Inspektor Kramer, trinkt ab und zu und sehnt den Tag der Befreiung herbei. Es steht alles gut für unsere Pläne.
Herzlichst Deine Thea
Diesen Brief nahm der Tenor Lothar Liebig am Schalter für postlagernde Sendungen in Münster mit einem Lächeln der Befriedigung in Empfang.
Maria saß derweil im Zug nach Münster.