Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 693 - Katja von Seeberg - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 693 E-Book

Katja von Seeberg

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Beschreibung

Michaela Horneck schließt ihr Studium mit einem ausgezeichneten Examen ab. Und obwohl man die Frauen in diesem von Männern dominierten Beruf an einer Hand abzählen kann, findet die frischgebackene Forstreferendarin sofort eine Anstellung auf dem herrlichen Schlossgut Eschenau. Dort soll sie sich fortan gemeinsam mit dem Oberförster um die Pflege der ausgedehnten Wälder des Barons kümmern.
Immer wenn Michaela dem blendend aussehenden, charmanten Schlossherrn begegnet, schlägt ihr Herz höher, und bald gesteht sie sich ein, dass sie den Baron liebt. Aber er ist für sie unerreichbar, denn er hat eine wunderschöne Frau, die er auf Händen trägt. Doch eines Tages erleidet der Baron einen verhängnisvollen Jagdunfall, und nicht nur die Welt der Eheleute, sondern auch die Michaelas gerät aus den Fugen ...


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Inhalt

Cover

Die Suche nach dem Seelenfrieden

Vorschau

Impressum

Die Suche nach dem Seelenfrieden

Das Schicksal der Liebenden von Eschenau

Michaela Horneck schließt ihr Studium mit einem ausgezeichneten Examen ab. Und obwohl man die Frauen in diesem von Männern dominierten Beruf an einer Hand abzählen kann, findet die frischgebackene Forstreferendarin sofort eine Anstellung auf dem herrlichen Schlossgut Eschenau. Dort soll sie sich fortan gemeinsam mit dem Oberförster um die Pflege der ausgedehnten Wälder des Barons kümmern.

Immer wenn Michaela dem blendend aussehenden, charmanten Schlossherrn begegnet, schlägt ihr Herz höher, und bald gesteht sie sich ein, dass sie den Baron liebt. Aber er ist für sie unerreichbar, denn er hat eine wunderschöne Frau, die er auf Händen trägt. Doch eines Tages erleidet der Baron einen verhängnisvollen Jagdunfall, und nicht nur die Welt der Eheleute, sondern auch die Michaelas gerät aus den Fugen ...

Ruhig durchdrang die klare Stimme die Stille im Prüfungszimmer.

»Die ständige Beunruhigung des Waldes durch den Menschen versetzt die Tiere in eine Stresssituation, die zum Zusammenbruch der Artenvielfalt führen kann.«

Michaela Horneck, schlank und langbeinig, bekleidet mit weißer Bluse und buntem Schottenkilt, das lange blonde Haar zu einem Zopf gebunden, blickte die Prüfungskommission aus ihren braunen Augen mit größter Gelassenheit an.

Nach einem langjährigen schwierigen Studium stand sie nun in der mündlichen Prüfung ihres Examens. Sie hatte gerade die letzte Frage beantwortet, die man ihr gestellt hatte, und das zur vollsten Zufriedenheit der strengen Prüfer.

Wenig später hatte sie ihr Diplom als Forstreferendarin in der Tasche. Ein tiefes Glücksgefühl stieg in ihr auf.

Von ihren Kommilitonen wurde sie bestaunt wie ein Wundertier. Ihr, Michaela Horneck, war es tatsächlich gelungen, in diesen den Männern vorbehaltenen Beruf vorzudringen! Die Forstreferendarinnen, die es gab, konnte man an den Fingern einer Hand abzählen.

Auf dem Gut ihrer Eltern im Oberhessischen war sie schon als Kind mit ihrem Vater leidenschaftlich gern durch den Wald gepirscht. Sie hatte geschaut, gefragt und gelernt. Eine tiefe Liebe zur Natur war mit der Zeit in dem Kind erwacht.

»Wir haben uns einen Michael gewünscht, Walter«, hatte Frau Horneck eines Tages lachend zu ihrem Mann gesagt. »Darum haben wir unser Kind, als es dann endlich kam und doch ein Mädchen war, eben Michaela genannt. Jetzt glaube ich fast, dass wir uns einen halben Jungen herangezogen haben.«

»Nun«, hatte Vater Horneck schmunzelnd erwidert, wobei er seine hübsche Tochter wohlgefällig betrachtet hatte: »Erzogen haben wir sie vielleicht wie einen Jungen, aber trotzdem ist das Ergebnis doch ein erfreulich weibliches, wenn ich das recht sehe.«

An diese Worte musste Michaela denken, als sie nach einer ausgelassenen Examensfeier, die am Abend noch in Göttingen stattgefunden hatte, ihren kleinen Wagen durch die so vertraute heimatliche Landschaft lenkte.

Hofgut Laubach lag in dem nur dünn besiedelten Teil des Landes. Es war umgeben von herrlichen Wäldern, in denen das Wild noch ungestört lebte.

Michaela ließ Bad Salzhausen mit seinen würdigen alten Häusern und dem großen Kurpark hinter sich.

Sie liebte dieses kleine Bad und seinen stillen, schattigen Kurpark, der ein wahres Juwel der Gartenbaukunst war, dicht bepflanzt mit vielen Hundert edel gewachsenen oder bizarren Bäumen aus aller Herren Länder. Sie musste an das schöne Kurhaus denken, in dem sie ihren Tanzstundenball gefeiert hatte.

Michaela lächelte glücklich vor sich hin. Es war so schön, wieder daheim zu sein. Sie hatte sich in Göttingen immer sehr wohlgefühlt, aber ihr Herz hing an diesem stillen, schönen Ort.

Vater Horneck hatte es sich nicht nehmen lassen, zu Michaelas Empfang die Eingangstür mit einer üppigen Fichtengirlande zu schmücken.

Jetzt näherte Michaela sich dem Gehöft, einem wunderschönen alten Fachwerkbau.

Links von der Einfahrt befand sich das dreistöckige Wohnhaus mit dem mächtigen Giebel, im Hintergrund lag das Wirtschaftsgebäude mit den Wagenschuppen und den Ställen für Schafe, Kühe und Schweine. Auf der rechten Seite ragte in gleicher Höhe wie das Wohnhaus die Scheune auf, in der auch die Pferde ihre Boxen hatten.

Bello, der prächtige Schäferhund, döste in seiner Hundehütte und sprang mit freudigem Gebell heraus, als Michaela aus dem Wagen stieg.

Vom Gebell herbeigelockt, erschien Michaelas Mutter in der fichtenumkränzten Eingangstür. Die Röte auf ihren Wangen und die blütenweiße Schürze, die sie trug, ließen darauf schließen, dass sie gerade in der Küche gestanden hatte.

»Michaela!«, rief sie freudig. »Wir haben dich so früh nicht erwartet. Vater und ich haben geglaubt, dass ihr das Examen ausgiebig feiern werdet.«

»Das haben wir auch getan, Mutter. Ich bin gar nicht mehr ins Bett gegangen. Bei Sonnenaufgang fuhr ich los. Ich hatte plötzlich mächtige Sehnsucht nach euch.«

Michaela umarmte ihre Mutter herzlich.

»Komm ins Haus, mein Kind. Dein Zimmer ist schon längst gerichtet. Vater musste leider in die Kreisstadt. Schade, dass er dich nicht empfangen konnte. Aber er hat dich auch nicht so früh erwartet.«

Arm in Arm trat Michaela mit der Mutter ins Haus. Sie schnupperte.

»Was riecht denn hier so gut? Darf ich raten?«

Die Mutter nickte lächelnd.

»Nun, was soll es anderes geben, als dein Leibgericht ...«

»... gekochte Ochsenbrust mit grüner Soße. Die sieben Kräutlein frisch aus Mutter Hornecks Kräutergärtlein!«

»So ist es.« Else Horneck strahlte über das ganze gutmütige Gesicht. Aber gleich darauf lief sie mit einem entsetzten Aufschrei in die Küche zurück, denn irgendetwas kochte gerade zischend über.

Erneut hörte man Bellos fröhliches Gebell.

»Das wird der Vater sein. Sicher hat er deinen Wagen schon entdeckt, und jetzt ist er betrübt, dass er nicht daheim war, als du ankamst. Lauf zu ihm, Kind!«

Michaela trat in die Tür.

»Vater!«, rief sie fröhlich.

Mit ein paar Sätzen sprang Walter Horneck die wenigen Stufen zur Tür hinauf.

»Da bist du ja, Tochter! Es tut mir leid, dass ich noch einmal in die Kreisstadt musste.«

Vater und Tochter umarmten sich liebevoll.

Walter Horneck war groß und schlank. Die Ähnlichkeit mit der Tochter war unverkennbar. Er trug braune Cordhosen und ein kariertes Hemd und wirkte noch sehr jugendlich.

»Nun, mein Fräulein Forstreferendarin. Wie fühlt man sich denn so?« Walter Horneck betrachtete sein hübsches Kind voller Stolz.

»Gut, Vater. Sehr gut. Man hat mich mächtig gefeiert.«

»Ich habe neulich in der Zeitung gelesen, dass es nur eine verschwindende Anzahl von Frauen gibt, die ins Forstfach gehen. Du besitzt Seltenheitswert, Tochter.«

Michaela lachte herzlich.

»Es wird einiges Erstaunen bei meinen zukünftigen Dienstherren hervorrufen, schätze ich. Hoffentlich nimmt mich überhaupt jemand.«

»Aber Michaela! Was für eine Frage bei deinem ausgezeichneten Diplom. Du findest ganz sicher eine Stelle.«

»Dein Wort in Gottes Ohr, Vater.«

»Du wird schon sehen, mein Kind. Komm, Mutter wartet schon mit dem Essen. Ich will mir nur rasch die Hände waschen.«

♥♥♥

Sie aßen in der behaglichen Bauernküche.

Michaela erzählte ausführlich von ihrer Prüfung und von der Abschlussfeier. Dann schilderte sie lebhaft ihre Fahrt durch den frühen Morgen in die aufgehende Sonne.

»Es war so schön zu beobachten, wie der letzte Stern am Himmel erlosch, der Himmel sich im Osten rot färbte und die erste Amsel ihr Morgenlied anstimmte. Der Tau hing noch in den Gräsern. Die weiße Rinde der Birken schimmerte wie poliertes Silber. Dann war plötzlich die Sonne da, und ich dachte, wie schön das Leben doch ist.«

Else Horneck blickte ihre Tochter gerührt an.

»Du warst schon immer so verbunden mit der Natur. Du warst nie ein Stadtmensch.«

Michaela nickte.

»Ihr wisst ja, immer wenn es mir in Göttingen zu eng geworden ist, kam ich rasch über ein Wochenende zu euch. Hier kann man wenigstens atmen. Diese verpestete Luft in den Städten! Diese Hektik und der ständige Lärm!«

»Wir leben hier noch ein ruhiges Leben, nicht wahr, Else?« Walter Horneck strich seiner Frau zärtlich über die Hand.

Zur Feier des Tages hatte er eine Flasche rheinhessischen Wein, einen St. Johanner Geyersberg, der vom Weingut seines Bruders stammte, geöffnet.

»Setzt euch in den Garten«, schlug Else Horneck vor. »Ich räume nur schnell die Küche auf. Wir haben in diesem Jahr einen wunderschönen Mai. Die Rosen fangen schon an zu blühen.«

Die Rosenhecke bildete eine natürliche Laube. Dort standen weiße Korbstühle und ein runder Tisch. Ein süßer Duft entströmte dem Rosenbusch, in dem die Bienen summten.

Mit einem glücklichen Seufzer ließ Michaela sich in einen der Korbsessel sinken.

»Kein Laut der aufgeregten Zeit drang noch in diese Einsamkeit«, rezitierte sie.

Walter Horneck hielt sein Glas gegen das Licht und ließ die Sonne im Wein funkeln. Dann trank er mit Behagen einen Schluck.

»Wie lange willst du bei uns bleiben, Tochter?«

»Bis ich eine Anstellung gefunden habe, was hoffentlich recht bald der Fall sein wird, denn ich habe euch lange genug auf der Tasche gelegen.«

Der Vater winkte ab.

»In der Fachzeitschrift ›Der Jäger‹ las ich vor ein paar Tagen eine Anzeige. Ich habe sie rot angestrichen. Vielleicht wäre das etwas für dich.«

»Darf ich die Anzeige sehen?« Michaela sprang wie elektrisiert auf, ihre braunen Augen funkelten vor Aufregung.

»Jetzt trinken wir erst unseren Wein aus. Eben hast du noch die Ruhe genossen, und nun habe ich den Eindruck, dass du es gar nicht erwarten kannst, wieder von hier wegzukommen.«

»Aber Vater! Wie kannst du so etwas sagen?«

Die beiden lächelten sich in tiefem Einvernehmen an, dann saßen Vater und Tochter schweigend da und genossen den Mittagsfrieden.

♥♥♥

Sybille von Eschenau ließ ihre großen graugrünen Augen über den Jachthafen von Saint-Tropez gleiten. Wie in jedem Jahr waren sie und ihr Mann, Rüdiger Baron von Eschenau, im Mai in Saint-Tropez. Und wie in jedem Jahr bewohnten sie die Suite Nummer 19 des Hotels »Le Yaca«. Gerade nahmen sie auf dem sonnigen Balkon ihr Frühstück ein, wie sie es seit Jahren zu tun pflegten.

Rüdiger Baron von Eschenau, Großindustrieller und Konzernherr, fiel sogar in diesem Ort durch seinen schmalen, rassigen Kopf, die edel geformte Nase und den ernsten, gut geschnittenen Mund auf. Sein Haar war dunkel, und obwohl er erst fünfunddreißig Jahre alt war, zogen sich schon einige graue Strähnen hindurch. Seine Augen waren sehr hell, und auf seinem Gesicht lag häufig der Ausdruck einer ungewöhnlichen Nachdenklichkeit.

Um die vollen sinnlichen Lippen seiner jungen Frau spielte jetzt ein elfenhaftes Lächeln. Sybille von Eschenau wusste dieses zauberhafte Lächeln ganz bewusst einzusetzen.

Baron Rüdiger ließ seinen Blick über den langen, edlen Hals gleiten, hinab zu ihren zarten Brüsten, die von der lässig geschlossenen Bluse kaum bedeckt wurden. In seinen Augen lag jetzt verhaltene Leidenschaft. Sybille, dachte er. Wie lange sind wir nun schon verheiratet? Und immer wieder gibt mir dein schöner Körper neue Rätsel auf.

Er griff nach der schmalen Hand seiner Frau und zog sie an die Lippen.

»Du siehst wieder bezaubernd aus, Liebes. Ich glaube, du wirst jeden Tag schöner.«

Sybille lachte, und dieses Lachen kam tief aus ihrer Kehle. Es war eigenartig rau und sinnlich.

»Saint-Tropez hat eben seinen alten Zauber noch nicht verloren. Ich fühle es jedes Mal ganz stark, wenn wir hierherkommen. Übrigens hörte ich heute Morgen beim Schwimmen, dass in den nächsten Tagen ein angesagter Modeschöpfer aus Paris hierherkommt. Dort arbeitet man schon an der neuen Winterkollektion. Ich werde mir bei ihm auch einige Modelle bestellen.«

Das Gesicht des Barons war wieder ernst geworden. Eine gewisse Traurigkeit erschien in seinen Augen. Er wusste, dass es damals, als er vor sieben Jahren Sybille geheiratet hatte, vor allem ihre außerordentliche Schönheit und ihre sinnliche Ausstrahlung gewesen waren, die ihn geradezu magisch angezogen hatten.

Im Laufe der Ehe war ihm klar geworden, dass er zwar eine bildschöne, aber auch wenig intelligente Frau geheiratet hatte. Schöne Kleider, endlose Sitzungen beim Friseur und der neueste Gesellschaftsklatsch waren Sybilles Lebensinhalt.

Der Baron musste an Schloss Eschenau denken, den Stammsitz derer von Eschenau. Die Aufenthalte des Ehepaares dort wurden immer seltener, weil die schöne Sybille sich in dem einsam gelegenen Schloss langweilte. Lediglich seine Jagdgesellschaften im Herbst hielt Baron von Eschenau dort ab. Dabei liebte er Eschenau sehr. Er wäre lieber dorthin als nach Saint-Tropez gefahren.

Andreas Pirker, der langjährige Forstmeister des Barons, hatte geschrieben, dass ein neuer Forstreferendar eingestellt werden müsste und dass er, Pirker, dabei nicht auf den Rat des Barons verzichten wolle.

»Ich werde dich ein paar Tage allein lassen müssen, Liebes. Pirker bittet dringend um meine Anwesenheit auf Schloss Eschenau. Es soll ein neuer Forstreferendar eingestellt werden.«

Sybille machte ihren Schmollmund.

»Musst du wirklich nach Eschenau? Kann Pirker das nicht allein erledigen?«

»Ich bin viel zu selten auf Eschenau.«

Sybille war aufgestanden. Schmeichelnd legte sie ihre weichen gebräunten Arme um den Hals ihres Mannes.

»Ich werde in deiner Abwesenheit heftig flirten«, drohte sie.

Der Baron biss sich auf die Lippen. Er wusste, dass Sybille mit dieser Drohung ernst machen würde. Er kannte ihre Gefallsucht. Der Gedanke daran tat ihm manchmal weh, und dann wieder ließ er ihn seltsamerweise kalt.

»Ich kann dich nicht daran hindern, liebes Kind.« Es klang kühl. »Schließlich sollst du in Saint-Tropez auf deine Kosten kommen. Hier gehört eben das Flirten einfach dazu, mein Schatz. Du wirst dich jedenfalls kaum langweilen ohne mich.«

Sybille lächelte in sich hinein. Dass sie heute dem Grafen Henno von Wenkheim begegnet war, verschwieg sie wohlweislich.

Graf Henno war ihr Nachbar in Eschenau und zeigte Sybille ganz unverhohlen, dass er sie begehrte. Er selbst war seit ein paar Jahren geschieden. Er besaß in den Anhöhen der Côte d'Azur ein wunderschönes altes Haus mit ausgeblichenen, rosafarbenen Mauern, umgeben von einem riesigen, terrassenförmig angelegten Garten. Sein »Liebesnest« hatte Graf Henno das Haus einmal augenzwinkernd genannt.

Als Rüdiger Baron von Eschenau am nächsten Tag in seinen Wagen stieg, war der Abschied zwischen den Eheleuten nicht besonders herzlich.

♥♥♥

Schloss Eschenau war klein, aber von besonderer Schönheit. Das Hauptgebäude stammte aus dem Barock und wies in seiner ockergelben, weiß abgesetzten Fassade alle typischen, verspielten Stilelemente dieser Zeit auf.

Über eine breite, leicht geschwungene Freitreppe, die reich mit Blumenkübeln geschmückt war, gelangte man in die große, helle Eingangshalle. Schmale, hohe Türen – liebevoll mit Blumengirlanden bemalt – öffneten sich in die einzelnen Räume, die sich um die Diele gruppierten. Von hier aus führte auch die breite Holztreppe mit den niedrigen Stufen und dem handgeschnitzten Geländer in das Obergeschoss hinauf, wo die Schlafräume und die Gästezimmer lagen.

In den Keller hatte Baron von Eschenau seiner Frau Sybille zuliebe eine Sauna und eine Dusche eingebaut. Wenn er seine Frau tatsächlich mal dazu bewegen konnte, mit nach Schloss Eschenau zu kommen, dann suchte sie regelmäßig die Sauna auf. Und dort träumte sie dann von südlichen Gefilden. Dass in diesen Träumen sehr häufig ein gewisser Graf Henno eine große Rolle spielte, ahnte Baron Rüdiger selbstverständlich nicht.

Da sich der Baron nicht angemeldet hatte, fand er das Schloss wie in einen Dornröschenschlaf versunken vor. Die schweren Samtvorhänge waren geschlossen, die wertvollen, alten Möbel mit Schutzüberzügen versehen und die Bilder verhängt.

Als sein Wagen vor dem Schloss hielt, eilten die Haushälterin, Frau Schroeder, und ihr Mann, der als Diener, Gärtner und auch einmal als Chauffeur fungierte, erschrocken herbei.

»Aber Herr Baron!«, rief Frau Schroeder, »warum haben Sie sich denn nicht angemeldet? Wir sind auf Ihren Besuch überhaupt nicht vorbereitet.«

Max Schroeder war schnell in die Jacke seiner Livree geschlüpft. Mit der Hand fuhr er sich durch sein borstiges Haar.

»Ja, Herr Baron. Warum haben Sie sich nicht angemeldet?«

Er war, wie so häufig, das Echo seiner resoluten Frau.

»Nun, ein Butterbrot werden Sie doch für mich haben, Frau Schroeder?«

»Der Herr Baron ist immer so bescheiden«, stellte Anna Schroeder einmal mehr fest. Sie schätzte Rüdiger von Eschenau sehr.

Als ganz junges Mädchen hatte sie bei der Mutter des Barons im Schloss Dienst getan. Auch nach ihrer Heirat war Anne Eschenau treu geblieben. Sie hatte es sogar verstanden, ihren etwas unbeholfenen Mann geschickt als Gärtner unterzubringen. Nach und nach waren beide für Eschenau einfach unentbehrlich geworden. Und heute konnte sich Baron Rüdiger seine Heimat gar nicht mehr ohne diese beiden treuen alten Leutchen vorstellen.

»Schön ist es hier um diese Jahreszeit.« Der Baron lächelte.

»Bei uns ist es zu jeder Jahreszeit schön.«

Max Schroeder wies mit einem gewissen Stolz auf den Park, der zu jeder Jahreszeit eine für ihn typische Pracht entfaltete. Jetzt, im Mai, war er ein einziges Farbenmeer. Die Blumenrabatten, die der Gärtner mit viel Liebe angelegt hatte, blühten zu jeder Jahreszeit wahrhaft verschwenderisch.

»Was du ererbt von deinen Vätern ...«, murmelte der Baron gedankenverloren. Es wurde ihm plötzlich bewusst, dass es eigentlich die Schroeders waren, die das Erbe im Sinne seines Vaters verwalteten.

Was hatte er bisher dazu beigetragen, das Ererbte zu erwerben? Doch eigentlich nichts.

Nachdenklich schritt Baron Rüdiger durch die Räume des Schlosses. In seinem Arbeitszimmer ließ er sich hinter seinem Schreibtisch nieder, an dem sein Vater viele Stunden des Tages verbracht und von dem aus er seinen Besitz verwaltet hatte.