Dorian Hunter 126 - Earl Warren - E-Book

Dorian Hunter 126 E-Book

Earl Warren

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Beschreibung

Die Expedition marschierte wieder los. Das unheilvolle Schweigen dauerte an. Dann lichteten sich die Bäume; das Unterholz war nicht mehr so dicht. Mitten im Dschungel erhob sich ein altes Gemäuer, verwittert, von Pflanzen und Rankenwerk überwuchert.
Man konnte erkennen, dass der Tempel ein pyramidenförmiges Dach hatte. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne beleuchteten ihn, ließen eine düster glänzende Aura um das alte Gemäuer entstehen.
Jetzt war es Chet MacArthur, der die Expeditionsteilnehmer antrieb. »Auf! Hin zum Tempel! Wir schlagen unser Lager direkt dort auf.«
»Ich habe kein gutes Gefühl«, sagte Radschendra Bhandri leise.
Keiner hörte auf ihn. Die sechs Männer und die Frau liefen zu dem verwitterten alten Tempel - ihrem Schicksal entgegen ...

Endlich gibt es eine Spur von Jeff Parker, der sich offenbar in Indien aufhält - aber wird es dem Dämonenkiller-Team wirklich gelingen, den Kontakt zu Parker herzustellen?


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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

DER TEMPEL IM DSCHUNGEL

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.

Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.

Als Rückzugsort in seinem Kampf bleibt Dorian neben der Jugendstilvilla in der Baring Road in London noch das Castillo Basajaun in Andorra, in dem er seine Mitstreiter um sich sammelt – darunter die ehemalige Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu Dorian die Seiten gewechselt hat. Kurz nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Martin versteckt Coco diesen zum Schutz vor den Dämonen an einem Ort, den sie selbst vor Dorian geheimhält.

Auf der Suche nach der Mumie des Hermes Trismegistos findet Dorian den Steinzeitmenschen Unga, der Hermon gedient hat und der sich nach seinem Erwachen schnell den Gegebenheiten der Gegenwart anpasst. Auf Island gewinnt Dorian den Kampf um das Erbe des Hermes Trismegistos.

Kurz darauf erwachen in Dorian Erinnerungen an sein fünftes Leben. Als Samurai Tomotada war er damals im Auftrag des Januskopfes Olivaros aktiv, der in der Gegenwart kurzzeitig als Oberhaupt der Schwarzen Familie agierte. Olivaros Nach-Nachfolger, der Erzdämon Luguri, unternimmt derweil alles, um den Bayerischen Wald in eine Brutstätte des Bösen zu verwandeln, wird aber von Coco und Dorian zurückgeschlagen. Im Tempel des Hermes Trismegistos erhält Dorian einen Hinweis auf das Wirken von Janusköpfen in Indien. Coco und er müssen jedoch Olivaro in die Januswelt Malkuth folgen, weshalb Donald Chapman und Unga an ihrer Stelle nach Indien aufbrechen und dort zwischen die Fronten der beiden Sekten der Padmas und Chakras geraten. Auf Umwegen erreichen auch Dorian, Coco und Olivaro Indien – während der russische Dämonenjäger Kiwibin im Castillo Basajaun auftaucht und Abi Flindt, Phillip und den Zyklopenjungen Tirso mit sich in den Pamir in Zentralasien nimmt. Dort bekämpfen sie erfolgreich den Januskopf Vozu und begegnen Dorian Hunters verschollenem Freund Jeff Parker, der Tirso und den Hermaphroditen Phillip »entführt«. Derweil geht der Kampf der Chakras gegen die Padmas weiter ...

DER TEMPEL IM DSCHUNGEL

von Earl Warren

Papageien kreischten, Affen zeterten in den Bäumen. Ein Tier schrie irgendwo in Todesnot, und zahllose Insekten summten umher. Der tropische Dschungel brodelte vor Leben.

»Auf diesem Tempel ruht ein Fluch«, murmelte Radschendra Bhandri, einer der beiden Inder, die zu der kleinen Expedition gehörten. »Vielleicht sollten wir umkehren. Mir scheint es nicht geheuer in dieser Gegend. Ich spüre etwas Unheimliches – Gefahr. Es ist besser, wenn wir nicht weitersuchen.«

»Du spinnst, Radsch«, sagte der bullige Roger Ballard. »Glaubst du, ich habe diese Expedition ausgerüstet, damit wir kurz vor dem Ziel die Flinte ins Korn werfen? Kommt gar nicht infrage. Weiter, Leute! Die Sonne geht bald unter.«

»Nimm du doch mal die Machete!«, sagte Chet MacArthur ärgerlich. »Gib nicht immer so an, Roger! Du bist hier nicht in deiner Firma. Wir haben alle unseren Teil zu der Expedition beigetragen.«

»Aber ich das Meiste. Wer hat denn das teurere Funkgerät besorgt, wer die Schnellfeuergewehre, wer den Sprengstoff? Jetzt will ich endlich Resultate sehen.«

1. Kapitel

Das Laub der Urwaldriesen filterte das Sonnenlicht. Hibiskus und Gul-Mohur-Blüten leuchteten im wuchernden Unterholz.

Chet MacArthur wischte sich den Schweiß von der Stirn. Seine Kakikleidung klebte klatschnass am Körper.

»Wo ist denn nun dieser Scheißtempel?«, fragte Roger Ballard. »Seit gestern erzählen Sie uns schon, er muss hier in der Nähe sein. Die Moskitos fressen uns noch bei lebendigem Leibe auf, und wir ertrinken im eigenen Schweiß.«

MacArthur musste eine Weile verschnaufen. Die Machete in seiner Hand schien zentnerschwer zu sein. »Wir müssen bald da sein«, sagte der drahtige Mann. »Der Tempel Shivas mit seinen unermesslichen Schätzen kann nicht weit sein.«

»Die Karte habe ich beschafft«, sagte Chet MacArthur nachdrücklich. »Und dabei musste ich allerhand riskieren.«

»Nun fang nicht schon wieder damit an! Wenn wir den Tempel mit den Schätzen finden, kannst du den Dienst in der britischen Armee quittieren und auf deinen Majorssold pfeifen. Das ist ohnehin nur ein Hungerlohn, den du da bekommst. Ich habe nie begriffen, wie ein vernünftiger Mensch in den Staatsdienst gehen kann.«

MacArthur presste die Lippen zusammen. Er ging weiter, schlug mit der Machete den Weg durch das verfilzte Unterholz frei und kämpfte sich voran. Chet MacArthur war mit Leib und Seele Soldat. Er dachte an den abenteuerlichen Weg, den die brüchige Karte in der Zellophanhülle in seiner Brusttasche hinter sich hatte. Chet hatte die Karte von einem Engländer, der eines Tages halb tot in die englische Botschaft in Bombay gewankt war. Eine Tropenseuche, Entbehrungen und Strapazen ließen sein Leben wie eine Kerze erlöschen. Aber vorher hatte er noch in seinem Einzelzimmer im Tropenkrankenhaus mit Major MacArthur gesprochen, dem Sicherheitsoffizier der Botschaft. Er hatte ihm eine abenteuerliche, gruselige Geschichte erzählt – die Geschichte vom verlorenen Tempel des Gottes Shiva, des Zerstörers. Viele Menschen waren auf der Suche nach diesem Tempel gestorben. Der Engländer, ein skrupelloser Abenteurer, hatte einem reichen Inder die Kehle durchgeschnitten, um die Wegweiserkarte zum Shivatempel zu erhalten. Dieser Inder wiederum hatte den Dieb vergiftet, der die Karte bei einem alten Maharadscha gestohlen und ihm zu verkaufen versucht hatte. Jetzt war Chet MacArthur im Besitz dieser Karte. Fünf Männer und eine Frau bildeten mit ihm die kleine Expedition: Roger Ballard, ein großmäuliger, sehr reicher Import-Export-Kaufmann; Liz, dessen junge, bildhübsche Frau, seit ein paar Monaten mit Roger Ballard verheiratet; sie merkte jetzt allmählich, was für einen groben, ungeschliffenen Klotz sie sich da eingehandelt hatte; Edward Derby, Botschaftssekretär in Bombay, und Mannen Smith, ein Soldat, der Einzige, auf den sich MacArthur voll und ganz verlassen konnte. Dann waren da noch Radschendra Bhandri, ein junger indischer Arzt und Freund Chet MacArthurs, ein sensibler Mann und Schöngeist, der Liz Ballard verehrte und nur ihretwegen mitgekommen war; und Zakir Jawalarlal, ein Moslem, ein finsterer Bursche, der angeblich eine Menge Dschungelerfahrung hatte.

Saft spritzte aus den Ranken, die MacArthur mit wuchtigen Hieben durchtrennte. Der Lärm der Tierstimmen des Dschungels wurde lauter, so als protestierten die Tiere dagegen, dass die sieben Menschen gerade in diesen Dschungelbezirk eindrangen.

MacArthur ließ die Hand mit der Machete sinken. »Wer löst mich ab?«, fragte er.

Mannen Smith nahm das Haumesser. Wie ein Roboter arbeitete er sich durch das Gestrüpp. Er war ein Bauernsohn aus Wales, eine geradlinige, einfache Natur.

Die Sonne berührte schon die Baumwipfel. Der Chor der Tierstimmen wurde leiser, verstummte ganz.

Liz Ballard fiel es zuerst auf. »Hört ihr? Es ist vollkommen ruhig.«

Sie blieben stehen und lauschten. Kein Laut war mehr zu hören. Nicht einmal die Insekten summten. Verwundert sahen die sieben Menschen sich an. Selbst in Zakir Jawalarlals Messerstechervisage war deutlich das Unbehagen zu lesen, die Angst vor dem Unbekannten.

»Vielleicht sind wir schon nahe bei dem verfluchten Tempel«, sagte Radschendra Bhandri. »Es ist die Stille des Todes.«

»Blödsinn!«, schnauzte Roger Ballard. »Das sind doch alles nur Ammenmärchen. Von wegen verfluchter Tempel! In Indien ist alles Mögliche verflucht oder unberührbar. Deshalb fressen diese Affen doch auch ihre heiligen Kühe nicht. Eher krepieren sie vor Hunger.«

»Roger!«, rief Liz vorwurfsvoll. »Wir haben zwei Inder bei uns. Musst du immer so ordinär sein?«

»Na ja, ist doch wahr. Los, weiter! Wenn dieser Tempel in der Nähe ist, will ich ihn heute noch sehen.«

Die Expedition marschierte wieder los. Das unheilvolle Schweigen dauerte an.

Dann lichteten sich die Bäume; das Unterholz war nicht mehr so dicht. Mitten im Dschungel erhob sich ein altes Gemäuer, verwittert, von Pflanzen und Rankenwerk überwuchert. Steinbrocken, davon manche zentnerschwer, waren vom Tempeldach heruntergefallen, Statuen umgestürzt.

Man konnte erkennen, dass der Tempel ein pyramidenförmiges Dach hatte. Jetzt wuchsen Büsche und sogar kleinere Bäume darauf. Ein lang gestreckter, breiter Seitenteil schloss sich an den runden Bau an. Nur von einer Seite schob sich der Dschungel an den Tempel heran. Auf den drei übrigen umgab ihn ein seltsames helles Grün, in dem weiße Punkte leuchteten.

Die sieben Expeditionsmitglieder konnten sich nicht erklären, was das war. Sie schauten zu dem vom Dschungel fast überwucherten Tempel hinüber. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne beleuchteten ihn, ließen eine düster glänzende Aura um das alte Gemäuer entstehen.

Jetzt war es Chet MacArthur, der die Expeditionsteilnehmer antrieb. »Auf! Hin zum Tempel! Wir schlagen unser Lager direkt dort auf.«

»Ich habe kein gutes Gefühl«, sagte Radschendra Bhandri leise.

Keiner hörte auf ihn. Die sechs Männer und die Frau liefen zu dem verwitterten alten Tempel, ihrem Schicksal entgegen.

Beim Näherkommen sahen die sieben, dass der Tempel auf einer Halbinsel stand. Auf drei Seiten war er von grünem, fauligem Wasser mit Algen, Schlingpflanzen, Wasserrosen und Lotosblumen umgeben. Vom Tümpel führten unzählige Wasserarme in den Dschungel hinein und endeten vor einer hohen Felswand. Auch diese Felswand, einen Kilometer entfernt, war von Dschungelpflanzen überwuchert.

Die Wurzeln der Urwaldriesen hatten stellenweise das Tempelfundament gesprengt. Vor dem Tempel blieben die sieben Expeditionsmitglieder stehen.

»Sollen wir hineingehen?«, fragte Edward Derby, der kleine Brillenträger, und dämpfte unwillkürlich die Stimme.

Roger Ballard räusperte sich. Er lachte, aber es klang unecht. »Natürlich. Dazu sind wir doch schließlich hergekommen, oder? Wollen doch mal sehen, was es mit den Schätzen des alten Shiva auf sich hat.«

Er wollte losgehen, aber Chet MacArthur hielt ihn zurück. »Halt, Roger! Es ist nicht nötig, dass wir alle in den Tempel gehen und zudem noch unsere ganze Ausrüstung hineinschleppen. Die Stelle da drüben ist als Lagerplatz geeignet. Wir lassen alles dort, was wir nicht mitnehmen müssen, und zwei Mann bleiben zur Bewachung zurück: Zakir Jawalarlal und Mannen Smith.«

Jawalarlal hob die Schultern. Die Männer trugen die schweren Gepäckstücke auf den bezeichneten Platz. Jeder von ihnen trug fünfzig, sechzig Pfund; das war bei diesem Klima und im Dschungelgelände eine Menge. Die Männer schleppten zwei Zelte mit, Schlafsäcke, eine komplette Dschungelausrüstung, Proviant, ein Funkgerät, ja, sogar ein Schlauchboot, das zusammengelegt aber nicht mehr Platz wegnahm als eine Einkaufstasche, Waffen, eine Expeditionsapotheke und einige andere Dinge, darunter auch eine Leuchtpistole für Signale. Auch Liz Ballard hatte ihre dreißig Pfund Gepäck getragen und war froh, sie jetzt vom Rücken zu bekommen.

Mannen Smith und Zakir Jawalarlal blieben am Lagerplatz zurück und öffneten schon die Proviantdosen. Die anderen gingen zum Tempel.

Vor dem Tempeleingang mit den verwitterten Säulenkapitellen drehte Liz Ballard sich noch einmal um. Mannen Smith winkte ihr zu, die Feldflasche in der linken Hand. Der blonde Waliser lachte. Er war ein unkomplizierter Mensch, der sich wenige Gedanken machte. Sein erstes Unbehagen hatte sich schon verflüchtigt.

Chet MacArthur lud sein AR15-Gewehr durch, eine Schnellfeuerwaffe mit Kunststoffschaft; es entstand ein metallisches Geräusch.

Radschendra Bhandri zuckte zusammen. »Was soll denn das, Chet?«

»Nur eine Sicherheitsmaßnahme, damit wir keine unangenehme Überraschung erleben. Haltet eure Waffen schussbereit, aber dass mir keiner grundlos herumballert!«

Die vier Männer und die schöne blonde Frau standen in der düsteren Vorhalle des Tempels. Das alte Gemäuer roch modrig, die Steine glänzten feucht in der Treibhausatmosphäre. Eine Heuschrecke zirpte irgendwo in der Nähe. Das leise Geräusch war noch nervenaufreibender als die völlige Stille.

»Blödes Vieh!«, brummte Roger Ballard.

MacArthur schaltete den Stabscheinwerfer ein, obwohl man im Dämmerlicht auch noch so sehen konnte. Blutrot versank die Sonne im Dschungel. Die Schritte der fünf Menschen, die nun in die Haupthalle des Tempels eintraten, hallten laut. Schatten nisteten in dem Tempel, und auch Roger Ballard und Radschendra Bhandri schalteten ihre Lampen ein.

Die Haupthalle war rund und hatte einen Durchmesser von gut hundert Metern. Behauene Säulen, mit Reliefs und Skulpturen verziert, standen in gerader Reihe und teilten zwei Seitenschiffe ab. Zwischen den Steinfugen der Bodenplatten wuchsen Gräser und ein paar kleine Büsche, und manche Säulen und Teile der Wand waren mit Moos und Flechten bewachsen. Auch hier war von der Decke einiges heruntergekommen.

»Sieht nicht gerade feudal aus«, sagte Roger Ballard. »Kein Ort, an dem man Millionenschätze erwartet.«

»Wenn sie da sind, liegen sie in den Gewölben«, antwortete Chet MacArthur. Ihre Stimmen hallten in der Tempelhalle, in der sie sich klein und winzig vorkamen. »Seht mal, die Statue dort auf dem Altar!«

Die drei Lichtkegel huschten durch den Tempel und rissen die grüne Statue aus dem Halbdunkel. Die Statue stand auf einem Sockel und war dreieinhalb Meter hoch und aus grünem Stein gehauen. Sie stellte Shiva dar, den Zerstörer. Er trug eine mitraähnliche Krone, viel Schmuck und einen Lendenschurz. Aus jeder Schulter Shivas kamen zwei Arme, sodass er vier Arme und vier Hände hatte. Jede Hand hielt einen Dolch mit gewundener Klinge. Die grünen Jadeaugen schienen die Eindringlinge mitleidlos anzustarren. Ein Flammenkranz, aus einem dunklen Metall gearbeitet, umgab die Götterstatue.

»Nicht gerade sympathisch, dieser Vierhänder«, sagte Roger Ballard.

»Der Flammenkranz müsste dir umso sympathischer sein«, sagte MacArthur. »Er besteht nämlich aus purem Gold.«

»Gold? Du willst mich wohl auf den Arm nehmen. Das Zeug ist doch fast schwarz.«

»Na und? Meinst du vielleicht, Gold glänzt nach Jahrhunderten noch genauso wie beim Juwelier im Schaufenster? Das ist Gold, Roger, das kannst du mir glauben.«

Roger Ballard stieß einen Schrei aus und lief los. Edward Derby und Radschendra Bhandri folgten ihm langsamer. Ballard stieg auf den Altarsockel, zog sein Messer und begann, an dem Flammenkranz herumzukratzen. Er lachte laut auf. »Na, alter Shiva, da freust du dich, dass du wieder mal Besuch hast, was? Gib uns nur deine Schätze. Du kannst ja doch nichts damit anfangen.«

Chet MacArthur schaute Liz Ballard von der Seite an. Wie hatte ein so nettes, hübsches und gebildetes Mädchen nur einen Kerl wie Roger Ballard heiraten können? Einen Prügel, der sich für eine ganz besondere Art von Mensch und Mann hielt. Einen groben, rohen Klotz, für den Takt und Rücksicht Fremdworte waren.

MacArthur hatte die Shivastatue für ein paar Sekunden aus den Augen gelassen. Als er wieder hinschaute, kam es ihm so vor, als hätte sich die Stellung der Arme verändert. Er kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Das konnte nicht sein. Die Statue war aus Jade, und Stein konnte sich nicht bewegen.

MacArthur trat ein paar Schritte vor. »Hör endlich auf, an dem Flammenkranz herumzukratzen, Roger! Das Ding wiegt mindestens eine Tonne. Du kannst es sowieso nicht mitnehmen.«

»Das ist tatsächlich Gold!«, schrie Roger Ballard. »Leute, schon allein deswegen hat sich die Expedition gelohnt. Jetzt holen wir nacheinander den ganzen Kram von hier raus und werden alle steinreich.«

Edward Derby und Radschendra Bhandri ließen sich von Roger Ballards Begeisterung mitreißen und lachten. Chet MacArthur und Liz Ballard kamen langsam näher. Liz sah ihren Mann ein wenig verächtlich an, schaute aber fasziniert auf den Strahlenkranz, der die Shivastatue wie ein flammender Ring umgab.

MacArthur leuchtete die Statue an. Er konnte sich nicht helfen; ihm war es schon wieder so, als wäre die Stellung der Arme geringfügig anders.

Ein Schrei gellte von draußen herein, wurde von einem Menschen in Todesnot und in äußerstem Entsetzen ausgestoßen. Weitere Schreie folgten.

Vor Schreck erstarrt, sahen die fünf Menschen im Tempel sich an. Chet MacArthur handelte als Erster. Das Gewehr in der Hand rannte er nach draußen, gerade als die Schreie verstummten. Der Himmel war flammend rot. Die Oberfläche des grünen Tümpels nahe beim Ufer war bewegt, als wäre ein großer Körper hineingeglitten. Luftblasen stiegen auf und zogen in gerader Linie auf den Tümpel hinaus. Der Boden des Lagerplatzes war zertrampelt und zerwühlt. Ein paar Ausrüstungsgegenstände lagen verstreut herum. Stinkende Wasserpfützen hatten sich auf dem Boden gebildet.

Chet MacArthur sah einen zusammengekrümmten Körper in einer Blutlache liegen. Insekten umschwirrten ihn, und jetzt begannen die Tierstimmen im Dschungel schlagartig wieder ihr Konzert, so, als hätte etwas Unheimliches die Tiere zum Verstummen gebracht.

Auch Roger Ballard, Liz, Edward Derby und Radschendra Bhandri kamen nun aus dem Tempel. Die Männer hielten die Waffen schussbereit.

Chet MacArthur lief zum Lagerplatz, zu dem stöhnenden, zusammengekrümmten Mann. Ihm wurde übel. Mannen Smiths Brust war vollkommen zerfetzt. Auch der blutdürstigste Tiger konnte einem nicht so grauenvolle Verletzungen beibringen. Mannen Smiths Gewehr lag am Ufer des grünen, stinkenden Tümpels mit den vielen Seitenarmen. Düster ragte die Felswand am anderen Ufer empor. Luftblasen stiegen jetzt in der Mitte des großen Tümpels auf und zerplatzten immer an derselben Stelle.

Chet MacArthur kniete neben dem Sterbenden nieder. »Mannen, zum Teufel, was ist passiert?«

»Aus – dem See«, röchelte Mannen Smith, und blutige Blasen erschienen auf seinen Lippen. »War plötzlich da. Hat Zakir mit ins Wasser genommen.« Er verstummte. Ein Zittern lief durch seinen Körper. Sein Unterkiefer fiel nach unten.

Chet MacArthur sprang auf, entsicherte das Gewehr und zielte auf die Stelle, wo die Luftblasen aufstiegen. Der drahtige MacArthur jagte das erste Magazin mit einem langen Feuerstoß hinaus. Wasserfontänen spritzten hoch, und das Rattern erschreckte die Dschungeltiere. Vögel flogen auf, Tiere schrien, und viele flüchteten.

Mit verkniffenem Gesicht setzte MacArthur das nächste Magazin ein und wollte wieder losfeuern. Roger Ballard schlug ihm den Gewehrlauf nach oben. »Was soll das, Chet? Bist du verrückt geworden?«