Entspannung für Kinder - Volker Friebel - E-Book

Entspannung für Kinder E-Book

Volker Friebel

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Beschreibung

Entspannung hilft beim Abbau von Ängsten und Stress, gegen Schlafstörungen und bei mangelnder Konzentration. Diese Symptome nehmen bei Kindern immer noch zu. Das Buch von Sabine Friedrich und Dr. Volker Friebel hat als erstes populäres Elternbuch ein Entspannungsverfahren für Kinder im Kindergarten- und Schulalter vorgestellt. Es ist mit seiner Mischung aus Informationen, einem Entspannungskurs in 12 Stunden und den Entspannungsgeschichten und Phantasiereisen zum Klassiker und Bestseller geworden. Für diese Ausgabe wurde das Buch umfassend überarbeitet und thematisch ergänzt.

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Seitenzahl: 188

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Volker Friebel • Sabine Friedrich

Entspannung für Kinder

Stress abbauen. Konzentration fördern. Mit Entspannungskurs

Rowohlt Digitalbuch

Inhaltsübersicht

VorwortWas ist Entspannung?Entspannung daheimStillemomentePhantasiereisen (Traumreisen)RuhebilderAtementspannungMandalasVerlangsamung (Entspannungsspiele)Meditative TänzeKlingen und SingenMassageDer AlltagIm Entspannungskurs1. STUNDE: Vorübungen2. STUNDE: Ruheübung3. STUNDE: Schwere4. STUNDE: Wärme5. STUNDE: Kurzübung für den Alltag6. STUNDE: Anwendungsbereiche von Entspannung7. STUNDE: Atemübung und Phantasiegeschichten8. STUNDE: Merksprüche9. STUNDE: Bauchübung, Wirkungsweise des Autogenen Trainings10. STUNDE: Herzübung11. STUNDE: Stirnübung12. STUNDE: Gesamtentspannung und AbschiedProgressive MuskelrelaxationPrinzip und PraxisÜbungen und BilderPhantasiereisen und RuhebilderEinführung und AusklangBachUnter dem ApfelbaumWaldFeldwegAm SeeEntspannungsgeschichtenDie InselDas ängstliche KätzchenDer TeppichhändlerDer IgelDie schnellste Schnecke der WeltBeerensammelnIm SchlummerlandDein GartenReise durch den KörperDie Maus und ihr SchattenSchlittenpostAnhangLiteratur
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Vorwort

Unser Buch stellt verschiedene Entspannungsweisen für Kinder vor, wir zeigen, wie sie für Kinder umzusetzen sind, und entdecken Inseln im «Meer der Stürme». Ein Entspannungsurlaub tut gut und gibt Kraft. Auf manchen dieser Inseln finden wir außerdem einiges, das die Kinder in ihren Alltag hineinnehmen können, das ihnen hilft, selbst etwas gegen Stress, Anspannung und Konzentrationsmangel zu tun.

Entspannung für Kinder hat weite Verbreitung gefunden, auch im Kindergarten und in der Schule. Wie aber lässt sich Entspannung zu Hause vermitteln? Wir haben in den ersten Kapiteln zusammengestellt, wie Eltern ohne viel Hintergrundwissen sich und ihren Kindern Gutes tun können. Anschließend beschreiben wir einen «professionellen» Entspannungskurs auf der Grundlage des Autogenen Trainings in einer Erziehungsberatungsstelle. Auch hiervon können Eltern einiges für zu Hause übernehmen. Und wir stellen eine neue, kindgerechte Version des anderen «klassischen» Entspannungsverfahrens vor, der Progressiven Muskelrelaxation.

Viele anschauliche Materialien finden Sie bereits in diesen Darstellungen. Zum Vorlesen gedacht sind die beiden anschließenden Sammlungen von Entspannungsgeschichten und Phantasiereisen.

 

Wir wünschen Ihnen und Ihren Kindern viel Erfolg und viel Freude.

 

Sabine Friedrich und Dr. Volker Friebel

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Was ist Entspannung?

Jeder Mensch hat eine Vorstellung davon, was gemeint ist, wenn es heißt: Das ist entspannend. Oder: Das macht mir Stress. Ein bisschen mehr zu wissen kann uns helfen, Entspannung besser zu verstehen und mit Stress besser umzugehen. Und wenn ein Kind bereits älter ist, wird es wissen wollen, was wir da machen. Was ist nun Entspannung? Einige Meinungen dazu:

Entspannung ist,

wenn wir schlafen

wenn wir einen Meter über dem Boden schweben

wenn wir ein Computerspiel spielen

wenn wir am Strand liegen und uns sonnen

wenn wir Autogenes Training machen

wenn wir einmal tief durchatmen

wenn wir die Füße gekreuzt aufeinanderlegen

wenn wir singen

 

Vieles ist halb richtig, manches gar nicht. Der Atem hat tatsächlich etwas mit Entspannung zu tun, wir werden also wirklich etwas ruhiger, wenn wir tief durchatmen. Und das Autogene Training ist ein Verfahren, das ausdrücklich Entspannung herstellen soll. Wir sagen uns dabei Entspannungsformeln vor: «Ich bin ganz ruhig» etwa, und werden ruhiger.

Da stellt sich, wie bei vielen anderen, mit Vorstellungen arbeitenden Methoden die Frage: Können wir uns selbst überhaupt dazu bringen, entspannt zu sein? Können Vorstellungen etwas bewirken? Ist es nicht bloß Einbildung, was dabei herauskommt, etwas für Phantasten und Tagträumer?

Entspannungsverfahren sind wissenschaftlich gut untersucht, sie wirken tatsächlich. Wir müssen aber keine Studienergebnisse dazu lesen. Dass Vorstellungen etwas Reales in unserem Körper bewirken können, zeigt uns das Zitronen-Beispiel.

Schließen Sie die Augen und stellen sich einen Tisch vor. Auf dem Tisch liegt ein Messer. Und eine Zitrone. Nehmen Sie die Zitrone und schneiden sie in zwei Hälften. Führen Sie eine der Hälften zum Mund – und beißen Sie herzhaft hinein!

Vorstellungen wirken, Sie werden es gespürt haben: Vielleicht ist Ihnen das «Wasser im Mund zusammengelaufen», vielleicht hatten Sie einen sauren Geschmack im Mund, oder es hat sich bei Ihnen «alles zusammengezogen». Fast alle Menschen spüren so etwas mehr oder minder stark. Auch wenn wir wissen, dass es nur Vorstellungen sind und nur Vorstellungen bleiben werden. Trotzdem führen sie zu spür- und messbaren körperlichen Reaktionen. Sie wussten, dass die Zitrone nur vorgestellt ist, Sie wussten, dass Sie weder jetzt noch später in sie hineinbeißen werden – und trotzdem hat Ihr Körper reagiert. Er hat sogar noch umfangreicher reagiert, als das zu spüren war. Den Speichelfluss werden Sie empfunden haben und den Geschmack, aber die Ausschüttung von Verdauungsenzymen wohl kaum. Sie haben sich vorgestellt, in eine Zitrone zu beißen, und der Körper reagiert darauf in der Art, wie er auf eine wirkliche Zitrone reagieren würde. Die Reaktionen sind nicht ganz so stark, aber sie gehen in dieselbe Richtung wie beim Biss in eine wirkliche Zitrone.

Vorstellungen wirken.

Voraussetzung dabei ist allerdings, dass es sich bei der vorgestellten Reaktion um ein tatsächliches Vermögen unseres Körpers handelt. Unser Körper und unser Geist können entspannen – also können Vorstellungen dabei unterstützen. Welche Vorstellungen besonders günstig sind, wird Thema dieses Buchs sein. Wir können dagegen nicht fliegen, so stark wir auch mit den Armen wedeln – und so nutzen uns Vorstellungen dazu überhaupt nichts, jedenfalls nicht zum Fliegen.

Erwachsenen ist das selbstverständlich, Kindern muss man auch schon einmal sagen, dass Vorstellungen, ein gutes Diktat zu schreiben, nicht unbedingt dazu führen, tatsächlich eine gute Note zu bekommen. Wir müssen nämlich grundsätzlich dazu in der Lage sein. Das heißt: Wir müssen auch gelernt haben. Wer nicht weiß, wie die Wörter geschrieben werden, kann sie auch nicht richtig schreiben, wenn er ganz entspannt ist. Haben wir gelernt, dann allerdings können etwa entspannende Vorstellungen uns dabei helfen, ein besseres Ergebnis zu erzielen. Das wurde in Studien bewiesen. Entspannung wirkt dann nicht als Zauberei, sondern ermöglicht uns, das, was wir können, besser zu machen. Anspannung dagegen, wir kennen das alle, schadet dabei.

Sportler nutzen Vorstellungen und Entspannung ganz selbstverständlich. So kann man auch Kindern nahebringen, dass Entspannung etwas ist, das für alle Menschen da ist, auch etwa dem berühmten Ski-Abfahrtsläufer oder der Hochspringerin hilft sie. Entspannung gehört zu ihrem Training wie Skifahren oder Absprungtechniken. Entspannung wird so auch Sängern gelehrt, Schauspielern oder anderen Menschen, die in der Öffentlichkeit Höchstleistungen bringen sollen.

Das Beispiel der Sportler zeigt uns, dass Entspannung nicht einfach nur etwas für Ruhe ist. Ruhe ist gut – aber manchmal brauchen wir dazu noch etwas anderes, nämlich Konzentration oder Kraft. Entspannung zur Ruhe, Entspannung zur Konzentration – unsere Vorstellungen können mit der Entspannung in verschiedene Richtungen gehen.

So etwas also machen wir, wenn wir Entspannung lernen. Jeder hat andere, ganz individuelle Gründe dafür, der große eine Grund aber ist bei allen gleich: Entspannung ist gut für uns!

ENTSPANNUNG

Das vegetative Nervensystem steuert die Ausrichtung unseres Körpers mehr auf Tätigkeit oder mehr auf Ruhe und Erholung hin. Beides, Aktivität und Entspannung, ist wertvoll und wichtig. Wenn durch äußere oder innere Umstände längerfristig ein Ungleichgewicht auftritt und Spannung zum Dauerzustand, zum Stress wird, kann «professionelle» Entspannung helfen.

Kinder haben in der Regel weniger Schwierigkeiten zu entspannen als Erwachsene, das ist durch eine Vielzahl von Studien nachgewiesen. Aber Kinder lassen sich mehr von äußeren Umständen oder von ihren Impulsen leiten. Erwachsenen hilft Entspannung, Daueranspannung zu unterbrechen. Kinder lernen, Entspannung überhaupt als etwas Wertvolles anzusehen und sich mit Entspannung etwas vom Trubel abzusetzen, der sie umgibt, sowie die eigenen Impulse besser unter Kontrolle zu bekommen.

Heute werden viele Entspannungsmethoden angeboten. Bei fast allen geht es nicht allein um Entspannung, sondern um die Verbindung von Entspannung und Konzentration. Bei manchen sind Beschränkungen des Alters oder der Gruppengröße zu beachten, wenn sie denn in einer Gruppe durchgeführt werden. Insgesamt lässt sich aber nicht sagen, die eine Entspannungsweise sei grundsätzlich besser als die andere. Persönliche Vorlieben haben ein größeres Gewicht. Sehr viel wichtiger als die spezielle Art der Entspannung ist auch die Vermittlung der Entspannung sowie die Hinführung zum selbständigen Einsatz des Gelernten.

Grundsätzlich ist für alle Altersgruppen Entspannung möglich. Die Entspannungsweisen reichen von der Massage für die Kleinsten über Stillemomente, Phantasiereisen, verschiedene Entspannungsspiele, -lieder und -tänze, auch für Kindergartenkinder, bis hin zu Autogenem Training, Progressiver Muskelentspannung und meditativen Übungen für Schulkinder. Alle Entspannungsangebote für Jüngere sind, altersgemäß vorgetragen, auch für ältere Kinder hilfreich.

Das Lernen von Entspannung sollte längerfristig angelegt sein und keinen neuen Stress erzeugen, sondern mit der Zeit zu mehr Ruhe und Konzentration führen. Alle Entspannungsmethoden können dies leisten, aber alle benötigen dazu auch Geduld. Knopfdruckmentalität («Ich drücken – du entspannt sein») macht nur neuen Stress.

Entspannung wird zwar auch erfolgreich bei vielen psychosomatischen und psychischen Problemen angewendet, grundsätzlich ist sie aber etwas für alle Menschen. Gut erklärt werden kann das Kindern und Erwachsenen am Beispiel des mentalen Trainings, das eben nicht von besonders schlechten Sportlern eingesetzt wird, sondern auch und gerade von den besten.

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Entspannung daheim

Wir stellen in diesem Kapitel verschiedene Möglichkeiten der Entspannung für Kinder vor. Sie bauen nicht aufeinander auf, können also in beliebiger Reihenfolge ausprobiert werden. Manche lassen sich gut miteinander verbinden, darauf weisen wir dann hin. Wir können aber mit jeder von ihnen beginnen.

Stillemomente

Wie lernen Kinder Stille kennen?

In der Nacht, wenn niemand da ist, wenn sie allein sind, sich womöglich vom Leben im Wohnzimmer ausgeschlossen fühlen, vielleicht sogar in der Dunkelheit Angst haben.

Oder wenn sie gut aufgelegt sind und es zu ihnen heißt: «Sei doch mal still!»

Stille wird auch von Erwachsenen oft negativ verstanden, als Abwesenheit von Geräuschen, als nicht reden, nicht handeln, sich nicht einmal bewegen dürfen. Vom Kind wird verlangt, für anderes offen zu sein, für Dinge, für Worte, die ihm von Erwachsenen vorgegeben werden. Wenn zum Kind von Stille geredet wird, bezieht sich das fast immer auf die Bedürfnisse anderer, kaum je auf seine eigenen. Stille ist für Kinder deshalb häufig negativ besetzt.

Stillemomente versuchen dagegen, die positiven Qualitäten von Stille herauszustellen. Stille wird dabei als Erlebnisraum für das Kind (und den Erwachsenen) verstanden, in dem Dinge gehört, gesehen, geschmeckt, gerochen, gefühlt werden können, gefühlt werden dürfen, die sonst in der Fülle des Vorhandenen, im Trubel des Alltags von Kindergruppen untergehen müssen.

Stille hat so mit Achtsamkeit zu tun und besitzt damit meditative Aspekte.

Meist sind Stillemomente mit einer kleinen Aufgabe verbunden, die Kinder interessiert. Ist es zum Beispiel möglich, eine Stecknadel fallen zu hören, so ein kleines Ding? Weil es doch in der Redewendung heißt: «Es ist so ruhig, dass man eine Stecknadel fallen hören kann.» Wir fragen das Kind und probieren es aus.

Dabei bitten wir aber nicht um Stille. Das gerade ist das Bemerkenswerte an Stillemomenten: Sie stellen Stille selbst her. Aber nur kurz. Sobald der Stillemoment vorbei, sobald etwa die Stecknadel gefallen ist, wollen wir ja darüber reden, dann ist es wieder aus mit der Stille.

Stillemomente, immer wieder durchgeführt, lassen mit der Zeit Kinder ruhiger und konzentrierter werden. Das zeigt die Praxis in vielen Kindergärten und Schulklassen, die längere Zeit damit Erfahrungen gesammelt haben.

Warum ist das so?

Stillemomente öffnen für andere Dinge und Menschen, betonen Sinnesmodalitäten wie Hören oder Tasten, die sonst gegenüber dem Sehen zurückstehen. Sie zeigen, dass es auch und gerade in der Stille viele interessante Dinge gibt, auch im Alltäglichen, und dass es an uns selbst liegt, diese eigene Welt zu entdecken. Mit zunehmender Übung gelangen Ruhe und Stille dabei langsam unter die Selbstkontrolle des Kindes, während sie sonst üblicherweise nur von außen verlangt und durchgesetzt werden.

Stillemomente können fast immer und überall durchgeführt werden. Auch im Garten oder unterwegs besteht die Möglichkeit zu ihrer Verwirklichung.

Am besten lässt sich eine Stilleübung aus der Situation heraus entwickeln. Das ist auch der Ursprung dieser Methode. Die Pädagogin Maria Montessori hat sie Anfang des 20. Jahrhunderts zuerst beschrieben: «Eines Tages betrat ich das Schulzimmer, auf dem Arm ein vier Monate altes Mädchen, das ich der Mutter auf dem Hof aus den Armen genommen hatte. Nach dem Brauch des Volkes war die Kleine ganz in Windeln gewickelt, ihr Gesicht war dick und rosig, und sie weinte nicht. Die Stille dieses Geschöpfes machte mir großen Eindruck, und ich suchte mein Gefühl auch den Kindern mitzuteilen. ‹Es macht gar keinen Lärm›, sagte ich, und scherzend fügte ich hinzu: ‹Niemand von euch könnte ebenso still sein.› Verblüfft beobachtete ich, wie sich der Kinder ringsumher eine intensive Spannung bemächtigte. Es war, als hingen sie an meinen Lippen und fühlten aufs tiefste, was ich sagte. ‹Sein Atem geht ganz leise›, fuhr ich fort. ‹Niemand von euch könnte so leise atmen.› Erstaunt und regungslos hielten die Kinder den Atem an. Eine eindrucksvolle Stille verbreitete sich in diesem Augenblick. Man hörte plötzlich das Ticktack der Uhr, das sonst nie vernehmbar war. […] Auf diese Weise entstand unsere ‹Übung der Stille›.» (Montessori 1961)

Vor allem mit sehr jungen Kindern (vier Jahre und jünger) sind komplexe Entspannungsverfahren oft nicht sinnvoll. Dann empfehlen sich Stillemomente. Sie sind einfacher und kürzer, für die noch geringe Aufmerksamkeitsspanne der Jüngsten also besser geeignet.

Bei den jüngsten Altersgruppen kann die Entspannung zunächst längere Zeit nur aus solchen Stillemomenten bestehen. Später können Sie dann vorsichtig versuchen, ob die solchermaßen vorbereiteten Kinder auch auf konventionelle Entspannung ansprechen.

Auch bei höheren Altersstufen können diese Stillemomente eine Zeitlang vor der ersten Entspannungsgeschichte eingesetzt werden. Und auch später, wenn Entspannungsgeschichten bereits bekannt sind, lässt sich der Übergang vom Bewegungsspiel zur Entspannungsgeschichte manchmal mit einem der dann schon vertrauten Stillemomente besonders gut gestalten.

STILLEMOMENTE

Kinder wollen Bewegung und Aufregung – und sie haben ein Bedürfnis nach Stille. In Kindergruppen kommt die Stille natürlich zu kurz, deshalb wird für sie mit Stillemomenten ein Raum eröffnet. Momente der Stille wecken so die Achtsamkeit und die Wertschätzung für die kleinen, unscheinbaren Dinge um uns.

Mit Hilfe einer kleinen Aufgabe stellt sich Stille ein. Die Sinne werden gefordert, meist Hören oder Tasten. Stille nehmen wir durch kleine Geräusche viel besser wahr, als wenn es völlig still wäre.

Stillemomente sind altersunabhängig, auch unabhängig von der Anzahl der Teilnehmer.

Stillemomente können gut zwischendurch, beispielsweise als Übergang zwischen zwei Aktivitäten, angeboten werden.

Die Perspektive sollte längerfristig gesehen werden, als ein Weg, Kindern die positiven Seiten der Stille näherzubringen, damit sie über längere Zeit zu mehr Ruhe und innerer Ausgeglichenheit finden.

Stillemomente können sich spontan in der Natur entwickeln: Wir lauschen, ob die Katze irgendwelche Geräusche macht, wir lauschen in die Schneckenhäuser, wir versuchen, in den Steinen Kraft zu empfinden.

Einige Stillemomente

Das offene Fenster: Wir öffnen das Fenster und schließen die Augen. Jemand schlägt einen Ton an, vielleicht mit einer Triangel. Ab diesem Signal achten wir darauf, was alles zu hören ist – aber wir verraten noch nichts, sondern merken es uns. So lauschen wir etwa zwei Minuten lang, dann klingt die Triangel zum zweiten Mal. Wir öffnen die Augen und sagen, was alles zu hören war.

 

Stecknadel hören: Wir fragen die Kinder, ob wohl zu hören ist, wie eine Stecknadel zu Boden fällt. Die meisten Kinder werden das vermutlich bezweifeln. Und dann wird der Versuch gemacht. Die Kinder schließen die Augen. Wir schlagen als Zeichen, dass alle bereit zum Lauschen sind, etwa eine Triangel an. Nach nicht zu langer Zeit lassen wir die Stecknadel fallen. Meist wirkt das Geräusch sehr laut. Wir schlagen wieder die Triangel an, zum Zeichen, die Augen zu öffnen. Dann wird darüber geredet.

Wir können den Versuch auf verschiedenen Unterlagen wiederholen. Ob etwa auf einem dicken Teppich etwas zu hören ist. Oder wenn wir noch einen Pulli unterlegen.

Mit den Kindern lässt sich auch variieren, wie laut es sein darf, dass die Stecknadel noch zu hören ist, beispielsweise, indem Musik angemacht wird oder indem zwei Kinder sich unterhalten.

 

Kleiner Bär lauscht: Ein Stillemoment für jüngere Kinder, der gut zum Innehalten in hektischen Alltagssituationen passt (es können auch beliebige andere Tiere verwendet werden). Die Anleitung dazu kann etwa folgendermaßen lauten: «Stell dir vor, was der kleine Bär manchmal macht, wenn er so aufgeregt ist. Komm, wir machen es einmal zusammen! Der kleine Bär steht einfach ein Weilchen da und lauscht. Er steht ganz still, die Beine fest auf dem Boden. Er atmet tief ein und langsam wieder aus … tief ein und langsam wieder aus … ruhig ein und ruhig wieder aus … er macht ein Weilchen lang nichts, er achtet nur genau auf alles, was um ihn herum passiert. Er steht nur da und atmet ruhig ein und aus und achtet auf seine Umgebung … Jetzt macht er die Augen wieder auf und achtet noch ein kleines Weilchen nur auf seine Umgebung.»

 

Stillelicht: Jeder Teilnehmer bekommt ein kleines Glas. An einer großen Kerze in der Zimmermitte werden dann Teelichter entzündet und den Teilnehmern in die Gläser gegeben, eines nach dem anderen. Wenn ein Kind sein Stillelicht bekommen hat, soll nicht mehr geredet werden. Es setzt sich an seinen Platz im Kreis um die große Kerze. Das Stillelicht stellt es vor sich hin. Wenn der Kreis vollständig ist, werden einfach eine oder zwei Minuten lang die Kerzen betrachtet.

Dieses Stillemoment eignet sich sehr gut zur Einleitung einer ausführlicheren Entspannungsübung. Die Entspannungsübung würde beginnen, wenn alle Kinder mit dem Stillelicht ihren Platz gefunden haben.

 

Weitere mögliche Stillemomente: Wir lauschen dem Wind (wenn es stürmt); wir lauschen dem Regen; wir liegen im Garten, ein Ohr am Boden, und lauschen jemandem, der vorübergeht; wir lassen gesammelte Kiesel herumgehen und tasten sie, versuchen dabei etwa, Stille in ihnen zu spüren; wir zeichnen einander Figuren auf den Rücken, Kreise, Dreiecke, Vierecke, oder Buchstaben, wir spüren und raten anschließend, was es war.

Phantasiereisen (Traumreisen)

Phantasiereisen (oder Traumreisen) könnte man als Entspannungstexte aus dem Buch der Natur bezeichnen. Fast immer nämlich kreisen sie um Naturszenen wie ein Feld, ein Waldbach, ein See, um Sonne, Himmel, Wind, Baum, das Singen der Vögel.

Eine Ein- und Ausführung ist mindestens für die meisten Erwachsenen hilfreich und auch für manche Kinder. Einstimmung und Ausklang sowie einige Phantasiereisen stehen ab Seite 136.

Die beste Beschreibung einer Phantasiereise ist die Phantasiereise selbst. Hier als Beispiel die «Pusteblume». Wir lesen sie langsam, mit kleinen Pausen nach jedem Absatz, die länger werden können, je älter die Kinder sind. Wir lesen lebendig und lassen uns beim Lesen ganz von der Stimmung und den Naturbildern tragen.

Pusteblume

Vor dem Haus auf der Wiese steht eine Pusteblume zwischen all den anderen Blumen und den Grashalmen.

Ihr langer Stängel, oben die silberne Kugel: Leicht schwankt sie im Wind.

Ab und zu fliegt ein Insekt vorbei, eine dicke Fliege oder eine Biene auf der Suche nach Blumen und Nektar. Und eine Hummel brummt. Gemächlich zieht sie an der Pusteblume vorbei.

Hier und da sind Vögel zu hören, vielleicht von den Apfelbäumen des Nachbarn. Auf dem Birnbaum gleich bei der Pusteblume singt eine Amsel. Die Pusteblume aber ist stumm.

Vielleicht hört sie darauf, was der Wind ihr erzählt. Sie wiegt sich im Wind, sie lässt sich schaukeln vom Wind. Hinwiegen, herwiegen, einfach im Wind, wie im Traum. Die Pusteblume hat alle Ruhe in sich versammelt. Vielleicht spürst du die Ruhe der Pusteblume.

Wieder ein Windstoß – er reißt zwei, drei Samen aus der silbernen Kugel. Die segeln nun über die Wiese. Braune Samen an silbernen Segelschirmen – im Wind über die Wiese treiben sie hin.

Schon sind die Samen auseinandergetrieben. Einer ist etwas zurückgeblieben, leicht schwebt er über die Gräser und Blumen. Er fühlt seine Leichtigkeit im Wind – und er fühlt die Schwere der Welt, die zieht ihn immer ein bisschen hinunter zur Erde. Vielleicht spürst du die Schwere im treibenden Samen.

Da kommt noch ein Windstoß – noch einmal geht es ein Stückchen hinauf in den Himmel. Du siehst über dir das offene Blau. Unter dir gleitet die Wiese hinweg, das Grün, das Rot, das Gelb, das Weiß – all die Blumen, die du magst. Weit hinten liegt schon der Gartenzaun.

Der Samen ist sanft gelandet. Da liegt er, am Bach, halb schon in die Erde eingesunken. Hier wird er bleiben. Er liegt einfach da, gerade wo ein Sonnenstrahl auf den Boden fällt. Vielleicht spürst du die Wärme der Sonne, vielleicht spürst du die Wärme der Erde.

Im Samen regt sich die Kraft. Noch schlummert sie, wie in einem Traum. Nächstes Jahr wird hier eine neue Pusteblume stehen. Aber vielleicht kannst du jetzt schon fühlen, wie sie sich bewegt.

Die Ruhe – spürst du die Ruhe der Pusteblume? Spürst du die Ruhe in dir?

Die Schwere – spürst du die Schwere der Pusteblume? Spürst du die Schwere in dir?

Die Wärme – spürst du die Wärme der Pusteblume? Spürst du die Wärme in dir?

Die Kraft – spürst du die Kraft in der Pusteblume? Spürst du die Kraft auch in dir?

Wir sehen es an der Pusteblume: Phantasiereisen sind ruhig gehaltene, bildbetonte Texte mit viel freiem Raum zwischen den Sätzen, mit freier Zeit zum eigenen Erleben. Darauf allein nämlich kommt es an. Die Worte sollen nur eigene bildhafte Vorstellungen wecken und helfen, diese möglichst konkret auszumalen. Abenteuer wird in der Phantasiereise keines erlebt, eine Handlung gibt es kaum. Es werden einfach nur bildhafte Vorstellungen aus der Natur ausgearbeitet. Entspannungsformeln wie Ruhe, Schwere, Wärme aus dem Autogenen Training oder zum Atem aus verschiedenen Atemmeditationen können eingebaut werden. In der Pusteblume haben wir das an passenden Stellen erlebt, und dann noch mal am Schluss. Das muss aber gar nicht unbedingt sein, Phantasiereisen kommen auch nur mit Bildern der Natur aus.

Solche Reisen können schon im Kindergarten durchgeführt werden. Manche der Jüngsten werden damit vielleicht Schwierigkeiten haben. Wer nicht mitmachen möchte oder nicht mitmachen kann, für den sollte eine andere stille Beschäftigung vorbereitet sein, beispielsweise Malen in einem anderen Teil des Raumes.

In der Schule eignen sich Phantasiereisen zum Beispiel für den Stundenbeginn. Oder vor einer Klassenarbeit, zur Beruhigung.

Schön ist es, wenn anschließend über die Phantasiereise gesprochen werden kann. Unbedingt erforderlich ist das nicht. Auch mit Malen können sich die Kinder hinterher noch mit der Phantasiereise auseinandersetzen.

Wichtig ist, den Text nicht wie eine Geschichte herunterzulesen, sondern immer wieder beim Lesen freie Zeit zu lassen für die Phantasie und das eigene Erleben der Kinder.

Wir erhalten hier auch Gelegenheit, auf die Kinder zu schauen, darauf zu sehen, wie sie mit der Phantasiereise zurechtkommen, ob Unruhe da ist. Entsprechend kann dann der weitere Fortgang der Phantasiereise variiert werden – sie kann verkürzt, sie kann verlängert werden, die «stillen Stellen» lassen sich ausweiten oder einschränken.

Wichtig sind also nicht die gedruckten Texte. Die können Sie beliebig verändern oder ganz durch eigene ersetzen. Sie sollen nur Anhaltspunkte dafür geben, worum es geht.