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Sophus und die Heiler der Heilerstation Drei Annen müssen gegen einen massiven Ausbruch magischen Fiebers ankämpfen. Der Leiter ordnet gar eine Quarantäne an. Niemand kommt nach Hause. Heiler Katenbauer leidet aufgrund der herumschwirrenden Zaubersprüche an starken Schmerzen und fürchtet, ein Werwolf zu werden. In dieses Chaos platzen zwei überraschende Fälle und als sich am Ende wieder einmal ein paar Beamte des Bundesamtes einmischen, ist das Durcheinander perfekt. Freuen Sie sich auf neue vergnügliche Stunden mit Sophus, Lyra, Katenbauer und all den anderen Heilern, Helfern und sonstigen Magiern aus dem Harz.
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Exmagimemo
David Pawn
Ich entschuldige mich bei allen Fans von Harry Potter, dass ich Ideen und Grundannahmen aus den Büchern von Minerva Mc…, sorry, J. K. Rowling in dieser Geschichte verwendet habe.
Diese Geschichte habe ich bereits 2019 begonnen. Damals schien die Idee einer epidemischen Erkrankung an der Heilerstation ganz witzig. Und dann kam die Wirklichkeit mit Covid-19 um die Ecke. Das hat auch mich belastet und gebremst, aber ich wollte die Geschichte dennoch unbedingt beenden. Und hier ist sie.
Copyright © 2021 David Pawn
Michael Siedentopf
Schweizer Str. 40
01069 Dresden
Umschlaggestaltung: Casandra Krammer
Umschlagmotive: © Shutterstock / lanych – 170428316, Kostenko Maxim – 108920759
All rights reserved
ISBN: 978-3754604106
Sophus Bascomb, seines Zeichens Laborant an der Heilerstation Drei Annen, wankte in den Raum und ließ sich vor dem Kamin einfach fallen. Seit er an dieser von Zauberern und Hexen betriebenen Version eines Krankenhauses arbeitete, hatte er schon viel erlebt, um ein Bild der Seefahrt zu missbrauchen, schon so manchen Sturm überstanden. Aber dieses Mal glaubte er, in den Albtraum eines Irren geraten zu sein. Seit nahezu sechsunddreißig Stunden kämpfte er gemeinsam mit Heilern und Helfern gegen eine Epidemie magischen Fiebers an, und nun sollte er nicht einmal nach Hause zu seiner geliebten Frau und seinem Kind dürfen. Der Leiter der Heilerstation hatte eine Quarantäne verhängt.
Sophus verzog den Mund zu einem hilflosen Grinsen. Für die bösartigen Scherze war eigentlich Heiler Katenbauer verantwortlich, vor dessen Kamin er jetzt saß, um zu Hause Bescheid zu geben. Jener Heiler hatte ihn vor einigen Jahren durch eben diesen Kamin ins Schloss von dessen Vorvätern gehext. Aber das war lange vergeben und vergessen. Inzwischen kämpften sie Seite an Seite gegen magische Krankheiten, intrigante Zauberer und Hexen und Bürokrateneinhörner vom Bundesamt für magische Angelegenheiten.
Sophus hatte vor wenigen Tagen seinen ersten Patienten mit magischem Fieber erlebt. Vor drei Tagen konnten sie den endlich entlassen. Bei dieser Erkrankung kommt es zu unvermittelten Ausbrüchen von Magie, die die Struktur der Wirklichkeit in nicht vorhersehbarerer Art und Weise verändern. Im Laufe der Behandlung des Patienten hatte sich das Krankenzimmer zeitweise in einen Dschungel verwandelt, war ein Schrank auf sie losgegangen, ein Heiler in einen Frosch verwandelt worden, und schließlich musste Sophus auf einem wildgewordenen Krankenbett reiten. Aber das alles erschien ihm inzwischen als eine Ansammlung harmloser Zwischenfälle, wenn er bedachte, was derzeit an der Heilerstation vor sich ging.
Hätten sich in den Krankenzimmern Hundertschaften von Magiern Duelle geliefert, wie dies im Mittelalter auf offenem Felde geschehen war, die Situation könnte nicht verrückter sein. Man konnte keinen Raum betreten ohne Gefahr zu laufen, sich plötzlich auf vier Beinen wiederzufinden, von Möbel attackiert zu werden oder gar einem Drachen gegenüberzustehen.
Eine Flazeb, die Abkürzung für Flamingozebra – so nannte man scherzhaft die Helfer an der Heilerstation wegen ihrer rot-weiß-gestreiften Umhänge – wurde von einer Herde Einhörner überrannt, die plötzlich durch den Gang der dritten Etage preschten. Ein Heiler für Geisteszauber geriet auf der sechsten Etage in einen Wirbelsturm. Nur das beherzte Eingreifen zweier seiner Kollegen verhinderte, dass er hinaus auf den Besenlandeplatz und dort über den Dachrand gewirbelt wurde.
Sophus seufzte, zog das Flohpulver aus der Tasche und warf einige der grünen Körnchen in den Kamin. Er zog den Zauberstab hervor, sprach die notwendigen Worte und schickte seinen Patronus zur Begrüßung auf die Reise. Kurze Zeit später erblickte er Lyras besorgtes Gesicht in den Flammen.
»Lieber, was ist los?«, fragte sie ohne Umschweife. »Du siehst furchtbar aus«, fügte sie hinzu.
»Ich weiß. Katenbauer meinte, ich sähe aus wie einer von Caspers Patienten«, sagte Sophus.
Heiler Casper arbeitete als Nekromant in einer der Kelleretagen. Er kümmerte sich laut Katenbauer um all jene Patienten, bei denen die Heilkunst versagt hatte.
»Ich kann leider nicht nach Hause kommen«, fuhr Sophus fort. »Eikendorff hat Quarantäne verhängt. Er meinte, ich wolle doch sicher nicht, dass du oder Sophia erkranken.«
»Ist es wirklich so schlimm? Magie des Tages hat einen Sonderbericht gebracht, aber die bauschen ja auch gern mal etwas auf. Und so viel gezeigt haben sie gar nicht. Du kennst das ja: Eine Viertelstunde lang bestätigen Experten aller möglichen Fachgebiete der Magie, dass sie nichts wissen.«
»Es ist ein Tollhaus«, sagte Sophus. »Zauber fliegen dir hier im Minutentakt um die Ohren. Ich stehe die ganze Zeit entweder an den Kesseln und rühre Asbestolyt, Exinfekto und Subtilis an, oder ich eile mit Körben voller Tränke geduckt wie durch ein Kriegsgebiet über die Gänge. Sogar die Muggelabteilung hat Fälle.«
»Es heißt Abteilung für nichtmagisch Begabte«, sagte Lyra tadelnd.
»Verzeih. Ich bin einfach nur müde.«
»Schon gut. Es gibt tatsächlich Fälle von Van-Neumannose?« Lyras Augen strahlten plötzlich.
»Was?« Sophus runzelte die Stirn. »Ich bin einfach nicht in der Stimmung für Fachgespräche, Schatz.«
»Nichtmagisch Begabte, die plötzlich Magie absondern. Ich habe mir immer gewünscht, mal so einen Fall zu bekommen, und ausgerechnet jetzt bin ich nicht da.«
»Sei froh«, sagte Sophus.
»Es ist sicherlich nur ein Patient, oder?«
»Nein, drei oder vier. Saphira und Markus kümmern sich um sie. Bei einem treten auch noch Komplikationen auf, wenn ich Katenbauer richtig verstanden habe. Er nennt es Harry-Potter-Syndrom.«
»Oh, das ist nicht gut.« Lyra runzelte die Stirn.
»Im Moment ist bei uns gar nichts gut«, erwiderte Sophus. »Zum magischen Fieber gesellen sich alle möglichen Folgeschäden durch die unkontrollierte Magie. Einem Patienten ist zum Beispiel sein Bügeleisen auf den Kopf gefallen.«
»Schwebezauber?«
»Nein, das Ding hatte sich in einen Schwan verwandelt. Als es über ihm flog, verwandelte es sich wieder zurück. Er hat Glück gehabt, dass er nur eine Gehirnerschütterung und eine große Beule davongetragen hat. Hätte auch mit einem Loch im Schädel enden können.«
»Wann, denkst du, habt ihr die Geschichte im Griff und du kannst wieder nach Hause?«
»Keine Ahnung. Vorerst gilt die Sperre für zwei Tage. Die Flazebs richten einen Raum zum Schlafen in der zweiten Etage her. Da ist im Augenblick noch die meiste Ruhe. Einige Heiler schlafen, so hat man mir gesagt, auf ihren Schreibtischen.« Sophus versuchte ein Lächeln. »Genug von der Arbeit. Erzähl mir ein bisschen was von Sophia.«
Der Rest des Gesprächs bestand aus leichtem Geplauder über die alltäglichen Freuden und Sorgen bei der Pflege eines kleinen Zauberermädchens. Schließlich verabschiedeten sie sich voneinander und Sophus zog sich vom Kamin zurück. Er setzte sich in eine entfernte Zimmerecke neben den Schreibtisch, lehnte sich an die Wand und schloss die Augen. Nur einen Moment ausruhen, dachte er.
Katenbauer kam in den Raum. Es überraschte Sophus, dass er sich auf einen Besen stützte. Aber der Heiler für Geisteszauber, der als Hansdampf in allen Gassen an der Heilerstation wirkte, verblüffte immer wieder die Mitarbeiter mit seinen verrückten Einfällen.
»Können Sie das für mich richten, Besenbinder? Sie sind doch Besenbinder, oder?«
Sophus runzelte die Stirn. Etwas stimmte nicht. Katenbauer trug einen himmelblauen Umhang und grüne Strümpfe. Hatte er Elf die Kleider geraubt? Verwirrung breitete sich in Sophus’ Hirn aus. Dieses verdammte magische Fieber brachte alles durcheinander. Es raschelte aus Richtung des Kamins und Sophus blickte hinüber.
Dort lag ein Gehirn auf dem Rost. Wie war es dorthin geraten? Wo waren die Reste der Glut? Vermutlich handelte es sich um Sebastian Webers Gehirn. Dem verdankte er mehr als genug Probleme in den letzten Jahren. Ein Hirn voll krankhafter Bosheit, wie er vor wenigen Tagen erst erfahren hatte.
Renner trat in sein Gesichtsfeld. Er trug einen Glasbehälter mit sich herum, der einen Trugolm enthielt.
»Was willst du denn damit?«, fragte Sophus. Seine Stimme kam ihm seltsam hallend vor. Er erinnerte sich an den Tag, als er mit Renner gemeinsam in der Baumannshöhle zu Rübeland diese Viecher gejagt hatte. Lyra hatte ihm damals eine Art Droge mitgegeben, die die Wirklichkeit surreal erscheinen ließ. So ähnlich ging es in den letzten Tagen zu.
»Muggel, die zaubern können«, sagte Katenbauer.
Wo kam der auf einmal wieder her?
Der Kamin flammte auf. Lyra lächelte heraus. »Van-Neumannose«, sagte sie. Manchmal stand sie Katenbauer in Belehrungen nur wenig nach. Aber er liebte sie von ganzem Herzen, hatte sie von dem Moment an geliebt, da er sie in dieser Bar am Stadtrand von Wernigerode zum ersten Mal sah. Sie bedurfte keiner Sprüche und Zaubertränke, um sein Herz zu erobern.
»Stehen Sie auf!« Katenbauer schon wieder. »Los!« Er spürte einen Stich in die Seite. »Es ist heller Morgen, Herr Bascomb!«
Oh, wenn Katenbauer ihn nicht einfach mit Besenbinder ansprach, war es ihm ernst. Dann sollte er sich beeilen. Er versuchte seine Beine zu entwirren und begriff erst in diesem Augenblick, dass er geschlafen und geträumt hatte. Er blickte auf.
Katenbauer hielt seinen Zauberstab in der Hand, mit dem er ihn offenbar gepikt hatte. Er trug wie üblich Jeans und ein weißes Hemd und runzelte die Stirn. Auf seinen Wangen zeigte sich ein stoppliger Bart. »Gut geschlafen?«, fragte er und klang dabei, als missgönne er Sophus diese Option.
»Sieht das hier wie eine bequeme Bettstatt aus?«
»Besser als meine Nacht ist es vermutlich gewesen. Wieder fünf neue Fälle. Sie werden im Labor gebraucht. Bringen Sie zuerst eine Ladung Tränke in die Muggelabteilung. Stephanie ist schon eine Weile auf den Beinen und hat etwas gegen Van-Neumanose angerührt. Wenn Sie mich fragen: Bei diesem Chaos hätte es das nicht auch noch gebraucht. Vor allem nicht, dass wir auch noch Harry-Potter-Fälle dabei haben.«
»Was ist so besonders an denen?« Sophus rieb sich die Augen und richtete sich auf.
»Gehen Sie mit Heilerin Graßhoff in Zimmer 104, dann erleben Sie es selbst«, knurrte Katenbauer und verließ den Raum.
Sophus benötigte noch ein paar Sekunden, um sich zu sammeln, danach suchte er erst einmal die Toilette auf, um sich zurück in einen Menschen zu verwandeln. Er rieb mit der Hand über das Kinn und meinte zu sich, er müsse aussehen wie ein Bergtroll. Ein Drei-Tage-Bart mochte einem eine männliche Note verleihen, aber nicht, wenn er mit geschwollenen Augen und dunklen Ringen darunter einherging. Er hatte sich schon früher manchmal so gefühlt, aber damals hatte er vorher wenigstens ordentlich gefeiert. Er war eben nicht mehr achtzehn.
Im Labor erwartete ihn Stephanie Katenbauer an den Gnomkäfigen. Sie sah frisch und munter aus und wirkte fröhlich wie immer. Sie rückte ihre Brille zurecht, die ihr wie so oft auf der Nase nach vorn gerutscht war, strich ihre langen, blonden Haare zurück und erklärte: »Dann wollen wir uns mal in die Schlacht stürzen. Auf dem Tresen stehen die Bestellungen der unteren beiden Etagen. Am besten trägst du das erst einmal runter. Das Exmagimemo ist für die Patientin in 104. Saphira weiß Bescheid. Wenn du wieder zurückkommst, kümmere dich bitte um die Bestellungen für Asbestolyt. Ich bereite die Kessel neun und zehn vor.«
Das waren die extragroßen Exemplare ganz links in der hinteren Ecke vor den Fenstern. Sie kamen nur sehr selten zum Einsatz, da viele Tränke in Mengen benötigt wurden, die man in einen Fingerhut füllen konnte. Aber dieser besondere Trank wurde verwendet, um einen Körper vollständig einzuhüllen. Der Patient wurde sozusagen darin gebadet, damit er die Prozedur der sogenannten Wärmekammer wohlbehalten überstand.
Sophus griff nach dem Tragekorb. »Was glaubst du, wie lange wird das anhalten?«
»Wie lange war Dunnerhoven unser Gast? – Etwa eine Woche, oder? Und es kommen ja noch immer neue Fälle rein.«
Sophus schaute Stephanie nur verzweifelt an.
»Das sind die Freuden des Heilerberufs«, sagte diese. »Und man wird uns nicht danken. Stattdessen werden alle jammern, warum es so lange gebraucht hat, die Lage in den Griff zu bekommen. Aber wenigstens sind wir vor den Presseleuten sicher. Es kommt keiner rein oder raus außer Patienten. Neue und geheilte.«
»Diese Anita Horch findet bestimmt einen Weg sich einzuschleichen«, brummte Sophus, griff nach den Körben mit den Tränken und verließ das Labor.
Einige Minuten später betrat er mit Saphira Graßhoff ein Krankenzimmer. Die Heilerin war viele Jahre Lyras rechte Hand gewesen. Jetzt, während der Zeit da diese sich Sophia kümmerte, leitete sie die Abteilung für nichtmagisch Begabte. Ihr Scheitel reichte Sophus nur knapp bis zur Schulter. Sie trug eine dicke Hornbrille, die mit einer Kette um ihren Hals gegen Absturz gesichert war. Ihr Haar war zu einem Knoten gebunden.
Im Bett vor ihnen beiden hockte eine junge Frau. Sophus schätzte sie auf noch nicht dreißig. Sie hielt den Zeigefinger der Rechten aufrecht in die Luft gereckt. Eine grüne Flamme tanzte darauf wie ein Irrlicht.
Plötzlich wirbelte die Frau den Arm durch die Luft und rief durchdringend: »Wingardium Leviosa.« Der Schwebezauber sollte offenbar das Frühstückstablett vom Bett in die Luft erheben. Aber nichts dergleichen geschah.
Plötzlich knallte es. Ein grüner Blitz zuckte aus dem Zeigefinger heraus. Eine Maus sprang vom Bett und versuchte, sich unter dem Schrank zu verbergen.
»Daran muss ich noch üben«, sagte die junge Frau.
»Wir haben Ihre Medizin mitgebracht. Sie müssen das nicht mehr lange erdulden«, sagte Sophus.
»Erdulden? Ich bin doch nicht krank!« Die junge Frau riss die Augen auf und starrte Sophus an. »Vermutlich wartet der Brief schon daheim auf mich.«
»Welcher Brief?«
»Der aus Hogwarts«, sagte die Frau mit Überzeugung in der Stimme.
Saphira beugte sich zu Sophus hinüber. »Harry-Potter-Syndrom«, flüsterte sie. »Die Patientin glaubt, eine Hexe zu sein.«
Sophus wandte sich zu der Heilerin um. Er deutete auf die Patientin. »Selbst wenn dem so wäre, was wollte sie dann in Hogwarts?«
»Natürlich ausgebildet werden«, meldete sich die junge Dame zu Wort.
»Sind Sie in Großbritannien geboren?«
»Nein. Ich komme aus …«
»Sehen Sie«, fiel Sophus ihr ins Wort. »Dann werden Sie auch nicht nach Hogwarts bestellt. Wir haben unsere eigene Schule für Magie.«
»Wir?« Die Patientin starrte Sophus an. »Soll das heißen, Sie sind ein Zauberer? Wo bin ich hier?«
»In einer Heilerstation. Wir heilen hier magische Krankheiten.«
»So wie St. Mungos?«
»Ja. Nur, dass es das nicht gibt. Die Heilerstationen befinden sich niemals in großen Städten. Es wäre viel zu gefährlich.«
»Ich glaube Ihnen nicht.«
Sophus zog seinen Zauberstab aus dem Umhang und intonierte den Schwebezauber, den die Patientin versucht hatte, als sie eingetreten waren. Das Tablett stieg vom Bett auf. »Sehen Sie.«
»Dann waren Sie in Hogwarts?«
»Nein. Ich habe es schon erklärt. Die Zaubererschule im Harz liegt oben in den Hohne-Klippen.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, erwiderte die Patientin. »Ich bin dort oben oft genug herumgelaufen. Da gibt es nur bizarre Felsen und Bäume.«
»Sie könne sie natürlich nicht sehen«, sagte Sophus. »Es ist eine Schule für Hexen und Zauberer. Sie sind eine nichtmagisch Begabte.«
»Meinen Sie eine Muggel? Nein. Sie haben doch gerade erlebt, wie ich eine Kaffeetasse in eine Maus verwandelt habe«, begehrte die junge Frau auf.
»Das waren nicht Sie, das war Ihre Krankheit.« Sophus stieß einen Becher mit Exinfekto nach vorn, so dass er praktisch gegen ihre Nase prallte. »Trinken Sie das.«
»Was ist das?«
»Ein Zaubertrank.«
»Wie heißt er?«
»Exinfekto.«
»So einen Trank gibt es nicht. Er wird im Buch nicht erwähnt.«
»Weil es ein Heiltrank ist. Glauben Sie wirklich, aus diesen Memoiren lernen Sie alles, was Sie über Zauberkunst wissen müssen?« Manche Muggel waren so einfältig. Katenbauer hatte ganz recht.
Die junge Frau verzog das Gesicht. Ihr Mund war nicht mehr als ein schmaler Strich. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und ließ sich zurückfallen.
»Wollen Sie denn nicht gesund werden?« Saphira versuchte es mit einer sanften, einschmeichelnden Stimme.
»Ich bin nicht krank. Ich bin eine Hexe. Sehen Sie doch meine Haare an.«
»Was ist damit?« Sophus fühlte sich wie in einem Gespräch mit Katenbauer. Nur jeder zweite Satz ergab für ihn einen Sinn.
»Sie sind rot.«
»Ja, und?«
»Hexen haben rote Haare.«
»Manche«, sagte Sophus. »Andere haben blonde, braune, schwarze. Und Zauberer haben unter Umständen sogar eine Glatze. Sie werden einen magisch begabten Menschen nicht erkennen, wenn er auf der Straße an Ihnen vorbeigeht.« Sophus setzte sich auf die Bettkante. »Sie wissen doch, wir müssen uns an die Regeln zur Geheimhaltung halten. Es steht in den Büchern. Und darum laufen wir auch nicht zauberstabschwenkend im Umhang und mit spitzem Hut auf dem Kopf auf den Straßen herum.«
»Gut«, sagte die Patientin. »Wenn ich nicht nach Hogwarts kann, will ich wenigstens auf diese andere Schule, wo Sie gelernt haben.« Sie reckte wieder den Finger vor, auf dem erneut ein Flämmchen tanzte. »Sehen Sie, was ich kann!«
Sophus pustete, die Flamme erlosch. »Seien Sie vorsichtig. Sie beherrschen die Magie nicht. Die Magie beherrscht Sie.« Sophus überlegte sich eine andere Strategie. »Es ist schwarze Magie. Sie wollen doch nicht als die Frau enden, deren Name nicht genannt werden darf.«
»Oh!« Ihr Mund formte einen nahezu perfekten Kreis. Einen Augenblick zögerte sie noch, dann hielt sie ihm die Linke hin. »Geben Sie mir den Trank. Schmeckt der wenigstens?«
»Wie tote Fische«, sagte Sophus und zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid.«
Tapfer nahm die Patientin die Medizin, verzog den Mund und schüttelte sich wie ein Hund, der gerade aus dem Wasser gestiegen war. »Himmel, ist das eine Brühe«, sagte sie. »Snape würde Ihnen Strafarbeiten aufbrummen.«
»Snape würde mir eine Eins mit Sternchen geben«, sagte Sophus und grinste. Er kannte die Memoiren gut genug, um hin und wieder mit nichtmagisch Begabten darüber diskutieren zu können.
Nachdem Saphira und er die Patienten verlassen hatten und wieder auf dem Gang standen, sagte die Heilerin: »Das Schlimmste ist ja nicht, dass diese Patienten ihre Medizin nicht nehmen wollen, weil sie sich für kerngesunde Zauberer halten.«
»Sondern?«
»Dass man sie nicht vernünftig illusionieren kann«, erklärte Saphira. »Dadurch, dass sie so fest an Magie glauben, werden alle Erfahrungen mit Zauberei viel stärker in ihrer Erinnerung verankert und auf verschiedene Teile des Gehirns verteilt.«
»Darum habe ich doch das Exmagimemo mitgebracht«, wandte Sophus ein.
»Das wirkt auch nicht sicher. Es soll Gedanken über Magie aus ihrem Hirn verdrängen, aber wenn sie sich daran klammern, wirkt es nicht richtig. Dann müssen die Geisteszauberer ran. Aber selbst wenn wir sehr tief gehen, und das ist gefährlich, werden unter Umständen Erinnerungsbrocken auftauchen.
Diese Leute wollen so gern Zauberer sein. Und Magie erschreckt sie nicht, die begeistert sie. Eigentlich ist es Unsinn, sie zu illusionieren. Sollen sie einen netten Zauberer oder eine nette Hexe kennenlernen, heiraten und sich an den Dingen erfreuen, die ihr Ehegespons kann.« Saphira winkte ab. »Ach, lassen wir das. Ich habe noch mehr Patienten, komm.«
Eine halbe Stunde später erreichte Sophus wieder das Labor, um weitere Tränke zur Verteilung zu bereiten. Aber es stand bereits der nächste Korb am Ausgangstresen bereit.
»Bringst du den schnell zu Greg rüber«, rief Stephanie ihm von den Mikrokesseln her zu.
Diese speziellen Apparate waren nicht größer als Kaffeepötte und wurden mit einem speziellen Rührholz von Teelöffelgröße bedient. Eigenschaften, die ihnen den laborinternen Spottnamen Gintassen eingetragen hatten. Katenbauer hatte mal bemerkt, Stephanie sähe aus wie eine englische Lady, die Gin in ihren Tee rührt, als sie daran arbeitete.
»Aber die meisten Fälle liegen auf der Vierten. Wäre es da nicht viel dringlicher …«
»Er ist mein Mann«, fiel Stephanie ihm ins Wort. »Also, sei so lieb und erledige das schnell. Die Tränke für die Vierte trage ich runter. Dann kannst du dich an den Kesseln entspannen. Hier zuckt wenigstens keine unkontrollierte Magie durch den Raum.«
Sophus nickte ergeben, nahm den Korb und setzte sich in Bewegung. Er durchquerte das Treppenhaus und betrat den Gang auf der anderen Seite. Das erste Patientenzimmer auf der linken Seite war leer. Im zweiten lagen ein Herr und eine Dame, beide wohl um die fünfzig, schätzte Sophus. Sie waren in ein leises Gespräch vertieft. Aus den Wänden des Raumes sprossen Rosenbüsche. Weitere magische Aktivitäten waren nicht zu erkennen. Hier handelte es sich wohl um zwei leichte Fälle. Einer der Heiler war nicht zu entdecken.
Plötzlich blickte die Frau auf. »Suchen Sie jemanden?«
»Heiler Katenbauer.«
»Die Heiler sind mit der Visite schon durch«, sagte der Mann.
Die Frau nickte bekräftigend. »Ich hoffe nur, ich habe die nette, junge Frau nicht allzu sehr verletzt«, sagte sie.
»Äh, ja. Danke.« Sophus zog sich eilig zurück, bevor auch er verletzt werden konnte.
Er war schon auf dem Weg zur nächsten Tür, als weiter hinten im Gang Renner auf den Korridor trat. »Ah, Sophus, da bist du ja endlich. Der Chef will sofort seine Ration Solarserum.«
Sophus starrte in den Tragekorb. Schickte Stephanie ihn tatsächlich wegen Katenbauers Werwolfverletzung los, während überall in der Heilerstation nach Mitteln gegen das magische Fieber gelechzt wurde? – Tatsächlich, da stand es neben zwei Dosen Exinfekto.
»Du weißt, wie unleidlich er wird, wenn der Vollmond kurz bevorsteht.« Renner eilte Sophus entgegen. Er blickte auf die Tränke. »Ah, mit denen kannst du uns gleich ins nächste Zimmer begleiten. Dann kann ich sofort den magischen Tropf auffüllen.«
In diesem Moment traten auch Katenbauer und Heilerin Ungesang auf den Gang. Die junge Frau trug eine Art Turban auf dem Kopf. Ihre Kleidung musste sie auf dem Weg zur Heilerstation einer Vogelscheuche gestohlen haben. Hose und Umhang sahen aus, als wäre sie einem Waldbrand mit knapper Not entronnen.
»Ist das der neueste Modeschrei?«, flüsterte Sophus Renner zu. Die Heilerin, von allen wegen ihres Kleidungsstils nur Elf genannt, hielt nicht viel von helfenden Hinweisen.
»Nein, ein Feuerzauber hat sie vorhin erwischt. Katenbauer gelang es gerade noch, sie zu löschen, ehe sie körperlich Schaden nehmen konnte. Nur das Haar ist angesengt.«
»Darum der Turban?«
»Nein. Das war ein Klatscher. Hat sie frontal an der Stirn erwischt. Sie war eine Minute weggetreten.«
»Spielen Patienten Quidditch in den Zimmern?«
»Haha, Sophus. Mensch, du weißt doch selbst, wie es seit vorgestern hier zugeht.« Renner wandte sich ab. »Komm jetzt, sonst müssen wir auch Verbände tragen.«
Sie traten zu Katenbauer und Elf. Der Heiler eilte ihnen in seinem typischen stelzenden Gang voran, riss schwungvoll die nächste Tür zu einem Krankenzimmer auf und trompetete: »Guten Tag« in den Raum hinein. Dieser war leer.
»Hat sich der Patient entlassen?« Er wandte sich zu den anderen um.
»Nein, er …«, setzte Elf an.
»… ist auf dem Klo«, unterbrach Katenbauer, als die Wasserspülung lautstark ihre Inbetriebnahme bekannt gab. »Dann warten wir einen Augenblick.
Sie traten ein und Sophus schloss die Tür hinter sich.
»Wen haben wir hier?«
»Charles Bartok, fünfundvierzigjähriger Patient aus Nordhausen. Arbeitet als Musiklehrer …«
»Irrelevant.«
»Er ist der Mann, dem das Bügeleisen auf den Kopf gefallen ist.«
In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Waschraum. Der Mann war füllig und trug einen Kopfputz, der dem von Elf ähnelte. Er steckte in einem der typischen Heilerstationskittel. Er humpelte zum Bett und kroch wieder unter die Decke.
»Elf, könnten Sie noch einmal wiederholen, was dem Mann fehlt?« Katenbauer legte den Kopf schief und trat näher zum Bett.
»Er hat magisches Fieber. Wie praktisch alle, die aktuell zu uns kommen. Und ihm ist das Bügeleisen auf den Kopf gefallen.«
»Es war zuvor ein Schwan«, sagte der Mann mit verhaltener Stimme.
»Vermutlich hat man Sie darum in die Abteilung für Verletzungen durch Tierwesen gelegt. Auch wenn ich ein Bügeleisen nicht als Tierwesen bezeichnen würde.« Katenbauer ließ den Blick über den Körper des Patienten wandern, der teilweise von der Decke verborgen war. Dann schaute er auf und fragte Elf: »Wie schlägt die Therapie an?«
»Sehr gut. Exinfekto und Subtilis. Heute Morgen war er bereits fieberfrei.«
»Wann kam es zur letzten magischen Entladung?« Katenbauer wandte sich wieder Herrn Bartok zu.
»Gestern Abend«, sagte dieser.
»Gut, dann stehen Sie mal auf und gehen sie zur Klotür und wieder zurück.«
Der Patient schlug die Decke zurück, schwang die Beine vom Bett und setzte sich in Bewegung. Er schlurfte bis zur Tür und wieder zurück. Vor dem Bett blieb er stehen.
»Noch einmal, bitte. Etwas schneller, wenn es möglich ist. Stellen Sie sich vor, ihre Freundin steht in einer Minute hier im Raum und da ist noch ein Furz, der unbedingt raus will.« Katenbauer deutete mit dem Zauberstab auf die bewusste Tür.
»Ich habe keine Freundin.«
»Dann eben eine Ihrer Schülerinnen. Eilen Sie, Mann, eilen Sie. Oder wollen Sie sich bis auf die Knochen blamieren?«
»Was soll das?«, raunte Renner von hinten Katenbauer zu.
»Vielleicht schauen Sie einfach hin, Renner.«
Inzwischen erreichte der Patient zum dritten Mal in kurzer Zeit sein Bett.
»Sie können sich wieder hinlegen«, sagte Katenbauer. Dann drehte er sich zu den anderen um, breitete die Arme aus und rief: »Bin ich hier der Einzige, der Augen im Kopf hat?«
Keine Reaktion.
»Was, meine lieben Kollegen, ist ihnen aufgefallen?«
»Der Mann humpelt«, sagte Sophus.
»Sehen Sie, der Besenbinder weiß die Antwort.« Er trat zu Elf. »Geben Sie mir mal die Akte. Sagten Sie nicht, dem Mann wäre etwas auf den Kopf gefallen? Als ich studiert habe, lief man noch nicht mit dem Kopf.« Er nahm die Papiere und blätterte darin herum. »Lumiscare interio der Beine und der lumbalen Wirbelsäule, vielleicht wurde da was gestaucht oder hat sich beim Sturz verletzt.« Er wandte sich an den Patienten. »Sind die Beinschmerzen stark?«
»Eigentlich nicht.« Der Mann schüttelte den Kopf. »Es ist so ein leichtes Ziehen.«
»Wie lange liegen Sie schon hier?«
»Seit gestern.«
»Noch nicht lange.« Katenbauer wandte sich an Elf. »Holen Sie Willemsen her. Das ist etwas für unseren Arzt. Er soll prüfen ob eine Thrombose vorliegt.« Elf verließ den Raum, Katenbauer schaute zu Renner. »Besorgen Sie sich ein vampyrales Besteck und dann sorgen Sie dafür, dass unser Besenbinder etwas zu tun …«
Donner grollte, die Tür flog auf und ein Schwarm Schwalben flog herein. Er umkreiste die Lampe und kehrte dann auf den Flur zurück.
Katenbauer drosch seinen Zauberstab gegen das Fenster. »Wie soll man in diesem Tollhaus medimagisch tätig werden können? Renner, Tür zu!«
»Ich dachte, ich soll ein vampyrales Besteck …«
»Ja, verdammt, gehen Sie und schließen sie das Brett hinter sich, ehe es sich selbständig macht.«
Ganz offensichtlich war Katenbauers Laune deutlich unter dem Nullpunkt. Er schaute auf, sah den Tränkekorb in Sophus’ Hand und lamentierte: »Und Sie sollten mir das Solarserum geben. Warum stehen Sie noch immer damit in der Landschaft herum? Starrezauber?«
Er stakte zu Sophus hinüber, sich dabei eines seiner Beine haltend. Sophus vermeinte, Katenbauer habe auch mehr als seinen üblichen Bartwuchs. Unwirsch griff er nach der ersten Flasche, schraubte sie auf und schüttete den Heiltrank in gierigen Schlucken in sich hinein wie ein Trinker, der seinen ersten Drink am Morgen zu sich nimmt. Er wischte mit dem Handrücken über seine Lippen, blinzelte und erklärte: »So, jetzt kann ich hoffentlich wieder klar denken.« Danach nahm er etwas bedächtiger die zweite Dosis und kippte auch diese in einem Zug.
»Sie sollten nicht zwei Einheiten …«, setzte Sophus an.
Katenbauer funkelte ihn an. »Glauben Sie wirklich, ich benötige einen Laboranten, der mir erklärt, wie ich mit Heiltränken zu verfahren habe, Besenbinder?«
»Äh …«
Renner kam mit dem vampyralen Besteck zurück und beeilte sich, eine Blutprobe des Patienten zu nehmen. Dabei warf er hin und wieder einen Seitenblick auf seinen Chef, als fürchte er Schläge oder gar, dass diesem Reißzähne wüchsen.
»Renner, passen Sie auf, was Sie da tun. Oder wollen Sie den Patienten ausbluten.« Er rieb sich das Kinn. »Wobei, dann wissen wir wenigstens, was ihm fehlt.«
»Er litt unter magischem Fieber und ein schwerer Gegenstand ist ihm auf den Schädel geschlagen«, sagte Renner zu sich selbst, aber laut genug, dass auch Katenbauer es gehört hatte.
»Beides keine Leiden, die Beinschmerzen begründen würden. Sehen Sie, Renner, und genau deshalb leite ich diese Abteilung und Sie arbeiten für mich.«
Willemsen und Elf betraten das Zimmer.
»Sie haben einen Patienten für mich?«, fragte der Heiler, der sich auf Leiden spezialisiert hatte, die nicht durch Magie verursacht wurden.
»Fünfundvierzigjähriger Patient, litt unter magischem Fieber. Durch einen Zauber hat sich sein Bügeleisen in einen Schwan verwandelt, leider fand die Rückverwandlung gerade in dem Moment statt, als sich das Tier über seinem Haupt befand. Plötzlich Beinschmerz. Ziehend.«
»Ich möchte ihn auf meiner Etage haben, wenn ich ihn untersuchen soll«, sagte Willemsen.
»Ist bei Ihnen überhaupt ein Bett frei? – Ich will nur eine zweite Meinung.«
»Warum heute so bescheiden, Katenbauer? Sonst brauchen Sie doch auch keinen.«
»Meine! Beine! Tun! Weh! Es ist diese verfluchte freie Magie. So. Und jetzt kümmern Sie sich nicht länger um mich, sondern um diesen Patienten.« Katenbauer winkte zu Herrn Bartok hinüber und wandte sich danach zum Fenster.
»Heiler Renner, Heilerin Ungesang, wir werden den Patienten zunächst einmal genauer in Augenschein nehmen. Wir brauchen ein Bildtuch.« Willemsen wandte sich an den Patienten. »Drehen Sie sich bitte auf den Bauch.«
Der Mann gehorchte. Renner trat vor die Tür. Sie hörten ein lautes Pfeifen vom Gang her, kurze Zeit später einen Fluch und ein gequältes »Accio Bildtuch!«
Kurz danach huschte Renner in geduckter Haltung ins Zimmer, als bewege er sich durch ein Kriegsgebiet unter Beschuss.
»Was war denn da draußen los?«, fragte Willemsen in jovialem Ton. Es schien, als könne den Heiler nichts erschüttern, was in den letzten Tagen an der Heilerstation vor sich ging.
»Keine Ahnung. Irgendetwas ist links und rechts an mir vorbeigeschossen und am Ende des Gangs in die Wand eingeschlagen. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn es mich erwischt hätte.« Renner richtete sich auf und reichte das Tuch zu Willemsen hinüber.
Katenbauer stakte zur Tür und lugte hinaus.
»Da stecken zwei Tischbeine in der Wand«, erklärte er, als er wieder ins Zimmer zurückschaute.
Inzwischen hatten sich Elf und Renner links und rechts des Patienten aufgestellt und spannten das weiße Tuch über dessen Körper auf. Willemsen trat zu ihnen und schwenkte den Zauberstab, während er einige Beschwörungen murmelte. Auf der weißen Fläche wurden die Knochen im Inneren des Patienten sichtbar.
»Nichts gebrochen. Die Wirbelsäule sieht auch gut aus«, erklärte er. »Halten Sie mal etwas höher. – Nein, ich meine näher zum Kopf des Patienten«, korrigierte er, weil Renner die Arme anhob.
Willemsen wiederholte die Zaubersprüche. Das Bild der unteren Region verblasste und wurde durch eines der oberen ersetzt.
»Da ist auch nichts zu sehen«, konstatierte er. »Keine Ischialgie, keine Lumbalischialgie.« Er wandte sich an Katenbauer. »Was denken Sie?«
»Ich habe Schmerzen«, sagte dieser. »Ich kann im Moment nicht klar denken. Ich habe sogar darum gebeten, eine Blutprobe zu nehmen. Sehen Sie, wie sehr ich geschädigt sein muss?« Er wandte sich an Sophus. »Besenbinder, nehmen Sie die verdammte Probe und sehen Sie zu, ob Sie etwas finden, ja. Und besorgen Sie mir Solarserum. Literweise!«
»Solarserum sollte nur in kleinen …«
»Ich weiß, Besenbinder, ich weiß! Aber ich will nicht in Fell mit Reißzähnen über die Gänge hetzen und das auch noch mit Holzbeinen!« Katenbauer wandte sich ab und stampfte zum Fenster.
Als Sophus auf den Gang trat, schneite es. Der Schnee fiel einfach so von der Decke, als sei dies der natürlichste Vorgang der Welt. Ehe er am Ausgang zum Treppenhaus angekommen war, stapfte er durch eine knöcheltiefe Schicht.
Im Labor war es verhältnismäßig angenehm. Da auf dieser Seite des Gangs keine Patienten untergebracht waren, kam es nur zu wenigen Störungen durch die Auswirkungen des magischen Fiebers.
»Dein Göttergatte dreht noch durch«, sagte Sophus zu Stephanie, die am Drachenherz-Chromatographen arbeitete.
»Das ist die freie Magie. Sie regt die Werwolfzellen an.«
»Er will mehr Solarserum.«
»Ich werde ihm selbst welches bringen. Man darf ihm nicht so viel geben, wie er will.