The ultimate fantastic Lovestory - David Pawn - E-Book

The ultimate fantastic Lovestory E-Book

David Pawn

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Beschreibung

Ich hätte mich nicht darauf einlassen sollen, aber dieser Autor hat mir das in den blumigsten Farben, also krass bunt, ausgemalt. Meine Geschichte zwischen zwei Buchdeckeln. Ich hätte ahnen müssen, dass es einen Haken bei der Sache gibt. Und jetzt ist mir der auch klar: Jeder an der Schule kann jetzt lesen, wie ich mit Lindariel Müller, dem hübschen Typen mit den spitzen Ohren, zusammengekommen bin. Da werden Mathilda und ihre Clique mich um Tipps anhauen, auch dazu, wo sie diese sagenhaft teure neue Hautpflege herbekommen, die meine Oma um dreißig Jahre jünger aussehen lässt. Aber das wird Christina Sack, also ich, ihnen nicht auf die Nase binden. Da müssen sich diese blonden Schlangen schon das Buch kaufen. Wäre ja noch schöner!

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The ultimate fantastic Lovestory

(natürlich auf Deutsch)

 

David Pawn

 

 

Copyright © 2020 David Pawn

[email protected]

Michael Siedentopf

Schweizer Str. 40

01069 Dresden

Lektorat/Korrektorat: Juno Dean

Covergestaltung: Casandra Krammer – www.casandrakrammer.de

Covermotive: © AllaSerebrina, grandfailure, solarseven, aviany, mari_art, FairytaleDesign, mik38 – Depositphotos.com

© All rights reserved

 

ISBN: 9783752147476

 

Das passende, aber frei erfundene Zitat

Es steht geschrieben im Buch der Former, dass dereinst eine Jungfrau aus dem Reiche der Menschen in das Land der Elfen wird übertreten, und sie wird die Weisheit des Alters an ihrer Seite haben, und den Mut eines Bassamunkels in ihrem Herzen. Und es wird ein Sohn des Königs ihres Herzens Begehr sein, nach dem sie sich verzehret. Und sie wird über das Land schreiten und es befreien von dem Joche und am Ende die Strahlen der Hoffnung über das Reich ausschütten wie eimerweise Regenbogen. Dann wird es sein wie am Anbeginn und die Elfen werden das Heißahoppsassa anstimmen zu Ehren der Götter und da wird ein großes Jubeln sein und alle Elfen werden sich beschäftigen mit Vögeln und anderem … äh … Getier.

 

Aus den Prophezeiungen von Wennschon dem ewig Gebeizten. [Es wird vermutet, dass der Ehrenname des Weisen durch eine Fehlinterpretation des elfischen Buchstaben Ragius verstümmelt übersetzt wurde.]

 

Der unvermeidliche Prolog

Es musste nachts geschehen, denn nur zu dieser Stunde konnte sich ein bleicher Vollmond über dem von Nebelschwaden durchwobenen Waldstück zeigen. Trotz der späten oder eher frühen Stunde, gerade hatte die Kirche im Dorf ein Uhr geschlagen, der Glockenklang hatte einige kleine Tiere unsanft geweckt … jedenfalls gab es dennoch zwei Wanderer im Wald. Sie mussten sich um etwas mehr als hundert Kilometer verlaufen haben, wenn man sie so betrachtete. Sie passten eindeutig besser auf eine Veranstaltung des Leipziger Wave-Gothic-Festivals als auf eine Wandertour durch den Harz.

Der Mann war groß, blass und besaß ein schmales, kantiges Gesicht. Er trug einen dunklen Anzug und ein weißes Rüschenhemd, dessen oberster Knopf vorgab, ein Edelstein zu sein. Er funkelte im blassen Mondlicht, was jeden Physiker veranlasst hätte, zu erklären, dies sei unmöglich. Eine ganze Reihe Dinge, die dieser Mann und seine Begleiterin taten, würden eventuell anwesende Physiker dazu veranlassen, sie für baren Unsinn zu erklären, was im Wesentlichen daran lag, dass Physiker keine Ahnung von äthralen Wellen haben.

Auf dem Kopf des Mannes saß ein Zylinder wenigstens doppelt so hoch, wie sein Kopf lang war.

Seine Begleiterin war nicht weniger unpassend gekleidet. Sie trug ein lila Kleid, das den gesamten Vorrat an Spitze eines Hochzeitsausstatters verschlungen haben musste. Trotz ihres ausladenden Rockes lief sie durch das Unterholz, als flaniere sie eine Prachtstraße entlang und die Pflanzen wichen ganz augenscheinlich zur Seite, was wiederum Botaniker zur Verzweiflung getrieben hätte. Auf ihrem Kopf balancierte ein Hütchen mit Kirschen und anderem Obst.

Von den beiden Herrschaften ging ein betäubender Geruch nach Patschuli aus. Wenig robusten Menschen triebe er vermutlich die Tränen in die Augen oder so viele Hormone ins Blut, dass sie sofort wollüstig übereinander herfielen.

Die beiden Wanderer in der Nacht erreichten einen Bogengang aus Birken, der sich natürlich gebildet zu haben schien. Sie traten in den düsteren Bereich, scheuchten ein paar kleine, nachtaktive Nager auf und näherten sich einer Tür.

Der eine oder andere Wissenschaftler mag anmerken, dass dies zumindest überraschend ist, aber es sei ihm gesagt, das könnte vielleicht der Grund sein, weshalb diese spezielle Tür sich mitten im Wald am Ende eines natürlichen Tunnels befand.

„Da ist sie“, sagte der Mann mit dem hohen Hut und deutete auf die Tür.

„Das sehe ich selbst, Elastieus.“ Die Dame schüttelte unwillig den Kopf, trat an ihrem Begleiter vorbei und begutachtete die Pforte. Diese besaß keine Klinke. Sie streckte dem Mann die Rechte entgegen. „Hast du den Schlüssel?“

„Nein, Chloristine.“ Der Mann schien erstaunt, dass er überhaupt danach gefragt wurde.

Chloristine fuhr herum und auf ihn los. „Was, in Gisberts Namen, tun wir dann hier mitten in der Nacht?“

Elastieus wich zurück. „Ich dachte … ich wollte … ich wollte sie dir nur mal zeigen“, stieß er hervor.

„Oh Gott, Männer.“ Sie griff sich an den Kopf. „Du führst mich kilometerweit bei Nacht und Nebel durch das Unterholz, nur um sie mir zu zeigen? Dachtest du, ich glaube nicht an sie? Dachtest du, ich müsse mich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass sie existiert, nachdem ich hunderte Male in alten Schriften über sie gelesen habe? Wie eine verdammte Wissenschaftlerin? Ich bin eine Hexe!“ Den letzten Satz keifte sie. Ein paar Vögel erwachten, flatterten auf und prallten gegen den nächsten Baum.

Elastieus hob beschwichtigend die Hände. „Ich werde den Schlüssel beschaffen. Ich werde jemanden finden und dir bringen, der uns Zugang gewährt. Einen Elfen. Oder jemanden in der Art.“

Seine Begleiterin schnaubte. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass du das allein zu Wege bringst.“

„Wenn du es wünschst.“ Er neigte den Kopf demütig. „Wenn du mich kurz entschuldigen würdest, der Weg war lang und ich … äh.“

„Du wirst langsam alt, Elastieus. Ich weiß.“ Sie wandte sich ab. „Gebüsch ist ja genug in der Nähe. Oder muss ich dir sogar dabei helfen?“

„Nein, Chloristine.“ Er verneigte sich gegen den Rücken der Frau und huschte aus dem Gang hinaus.

Keinesfalls wollte er den von Elfen geschaffenen, heiligen Ort entweihen. Es war nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn er es täte. Vielleicht verlöre er all seine Macht oder ihn ereilte eine Blasenentzündung. Damit sollte man nicht scherzen.

Chloristine blieb allein zurück, starrte auf die Tür und murmelte: „Wir brauchen also ein Spitzohr … nun gut, es konnte ja nicht so einfach sein.“

Einführung in den Alltag der Heldin

Sie wissen ja, wie es läuft, oder? Der Tag beginnt scheiße. Immer. Meiner auch. Am Vorabend habe ich meinen kleinen Bruder verdroschen, weil er meinen Lippenpflegestift in dünne Scheiben geschnitten und auf sein Frühstücksbrot gelegt und außerdem mein Poster von Gerard Weizenkeim verschandelt hat.

Waaaas? Ihnen sagt der Name Gerard Weizenkeim nichts? Das ist der Leadsänger der Ungetragenen Hosen und außerdem die süßeste Ausgabe von einem Jungen, die man sich nur vorstellen kann. Darum ist er für Mädels ab zwanzig tabu, sonst holen die sich Diabetes oder sowas. Zum Glück bin ich erst sechzehn, habe von Mathe keine Ahnung und es darum auch schwer.

Schule ist eh doof. Die knackigsten Typen räumt Mathilda mit ihrer Clique ab. Sicher wissen Sie, wovon ich rede. Das sind diese blonden Scheusale mit den Kulleraugen und den Reißzähnen, die es an jeder Schule gibt. Die Jungs fallen in Ohnmacht, sobald eine von den Schnallen um die Ecke gestiefelt kommt. Du kannst dich gerade mit einem unterhalten, er lächelt dich sogar freundlich an. Dann kommt so eine Tussi daher und bumms! bist du Luft. Das sind Hexen, eindeutig. Nur Magie kann sowas bewirken. Und große Brüste, langes wallendes Blondhaar und Augen wie von einem verirrten Einhorn.

Ich sitze auf dem Bett, habe den Wecker in der Hand und will ihn am liebsten aus dem Fenster werfen. Ich starre zu Gerard hinüber. Der ist mir heute auch kein Trost und Segen, denn seit gestern trägt er einen blauen Schnurrbart, so dass er aussieht, als stamme er aus einer total öden Vorabendserie.

„Tina! Das Bad ist frei!“ Die Stimme meines Vaters röhrt durch die Wohnung.

Ich stelle den Wecker auf den Nachttisch zurück, stemme mich von der Matratze auf und schlurfe ins Bad.

Meine Mutter schaut kurz aus der Küche zu mir. „Meine Güte Tina, da bewegt sich Hertha ja dynamischer.“ Hertha ist meine Oma mütterlicherseits und klagt bei jeder Familienfeier endlos über ihr Rheuma, und das noch niemand was dagegen erfunden hat.

„Dir auch einen guten Morgen“, sage ich und verschwinde im Bad.

Eine Viertelstunde später bummert es an der Tür, als wollte sich ein Elefant Eintritt verschaffen. „Bist du noch nicht fertig?“ Das ist mein kleiner Bruder Georg. Er ist vierzehn und sollte endlich mal von einem Bus überfahren werden. Wobei ich das gerade nur so denke, denn ich bin echt sauer, weil Gerard Weizenkeim von nun an bis zu meinem seligen Ende der Jugend diesen blöden Schnurrbart tragen wird. Auch in meinem Kopf, verdammt.

„Nein, ich bin noch nicht fertig“, fauche ich.

„Dann pinkele ich eben vor die Tür.“

„Das wirst du schön bleiben lassen, junger Mann“, tönt es aus der Küche.

„Meine Güte, was treibt sie jeden Morgen da drin? Eine Organtransplantation?“ Zwei Sekunden Stille. Dann bummert es erneut und eine weinerliche Stimme verkündet: „Mensch Tina, es ist wirklich dringend.“

„Zieh’s hoch und denk an Gerard Weizenkeim“, trällere ich und stimme anschließend eines seiner Lieder an. „Wie ein Regenbogen in der Nacht …“

„Ich kauf dir ein neues.“ Georgs Stimme überschlägt sich fast und mich überfällt das Mitleid. Er ist schließlich mein kleiner Bruder. Als ich alt genug war, es zu verstehen, erklärte mir meine Mutter: „Er ist jünger als du und ein Junge. Darum musst du immer ganz, ganz doll auf ihn aufpassen. Jungs wissen nämlich nie, was gut für sie ist. Dafür, es ihnen wieder und wieder zu sagen, gibt es uns Mädels.“

Ich erwähnte es bereits: Am Vorabend habe ich Georg sehr handgreiflich klar gemacht, was gut für ihn ist. Zum Beispiel, meine Sachen in Ruhe zu lassen, am besten sogar, mein Zimmer niemals mehr zu betreten. Ich nehme an, er hat die Lektion gelernt. Für die nächsten vierundzwanzig Stunden circa.

Manchmal wünsche ich, ich wäre eine dieser Heldinnen aus den Büchern, die sich in meinem Zimmer in der linken Ecke neben dem Fenster stapeln. Die haben es auch alle nicht leicht, aber eines Tages klopft eine gute Fee an ihre Tür oder es kommt ein Vogel mit einem Brief, mal eine Eule, mal ein Rabe, mal eine Nachtigall. Und der Brief oder die Fee verkünden ihr, dass sie gar nicht so ein Durchschnittsgör ist, wie sie bisher gedacht hat, sondern was ganz besonderes kann – zaubern oder Phönixe dressieren oder Bullenreiten – und dass sie jetzt die Welt retten muss. Und während sie das dann erledigt, lernt sie natürlich den Traumtypen kennen.

Ich frage mich manchmal, ob es ein Naturgesetz gibt, das dafür sorgt, dass Heldinnen, die die Welt retten müssen, auch einen Typen kennenlernen, der nicht nur Traummaße besitzt, sondern auch klug, zärtlich und charmant ist. Vielleicht handelt es sich um einen Ausgleich für die zu bestehenden Gefahren.

Es heißt doch, im Universum sei alles im Gleichgewicht. Da muss es wohl für jemanden, der sich völlig den Arsch aufreißt, auch eine ansprechende Belohnung geben.

Jedenfalls bin ich leider nicht so eine. Mich baggern immer nur die Deppen an, die keine andere abkriegen. Wenigstens ist die Schulzeit bald zu Ende. Meine Eltern liegen mir ununterbrochen in den Ohren, ich solle mir überlegen, was ich hinterher machen wolle. Da fallen Standardsätze, die Formulierungen enthalten wie: „Etwas auf die Reihe kriegen“, „Füße nicht mehr zu Hause unter den Tisch stecken“ und „Endlich etwas Vernünftiges machen“. Dabei mache ich etwas sehr vernünftiges. Ich designe Schmuck für meine Freundinnen.

Oh, habe ich den Eindruck erweckt, ich hätte keine? Doch, schon. Cynthia und Angela. Cynthia ist rothaarig und besteht praktisch nur aus Sommersprossen, Angela passt gerade so durch die Tür zum Klassenzimmer. In der Höhe. Sie spielt Basketball in der Damenmannschaft der Stadt und ist wohl auch sehr gut darin. Den Jungs ist sie einfach zu groß und zu dürr. Wenn sich unsere kleine Gemeinschaft einen Namen hätte geben müssen, würde er wohl Die Außenseiter lauten.

Ich trete aus dem Bad, deute mit einer Hand hinein, als führte ich eine Gruppe Aliens durch eine Ausstellung und sage: „Bitte sehr, der gnädige Herr.“

Georg grunzt und verschwindet eilig.

Ich gehe in die Küche. Mein Vater hat das Frühstück bereits beendet, meine Mutter schiebt zwei Scheiben Toast in den Toaster. Dann wendet sie sich um, lächelt mich an und fragt: „Was ist schon wieder los, Tina?“

„Georg hat mein Poster beschmiert“, sage ich, setze mich und nehme mir eine Scheibe Toast. Bei uns gibt es zum Frühstück immer Weißgebäck, obwohl ich meinen Eltern schon wenigstens dreiundzwanzig Mal erklärt habe, wie ungesund das ist. Sie wollen sich einfach nicht dazu durchringen, sich zeitgemäß zu ernähren. Ich sehe mich kurz um. „Gibt es eigentlich kein Müsli?“

„Ist alle“, sagt mein Vater, steht auf und macht sich auf den Weg. Er küsst kurz noch meine Mutter auf die Wange, dann ist er auch schon zur Tür hinaus.

Ich begnüge mich also mit Toast, beende das Frühstück und verdrücke mich.

An der Straßenecke erwartet mich Cynthia, Angela treffen wir am Eingang zur Schule. Ich bin überzeugt, es wird ein öder Tag werden wie jener zuvor und der davor und so weiter.

Wird er auch, jedenfalls bleibt er es bis zur dritten Stunde. Gerade als die Hubrich uns zu erklären versucht, was es mit der Photosynthese auf sich habe – als würde das eine Sau interessieren – wird die Tür aufgerissen und die Topfschnittfrisur unserer Direktorin, Frau Senkbeil, zeigt sich.

„Störe ich?“

„Nein, natürlich nicht.“

Schleimerin! Ich glaube, die Hubrich ist lesbisch und scharf auf die Senkbeil. Nicht, dass das ein Problem ist. Die beiden sind Lehrerinnen. Das ist das Problem.

Frau Senkbeil tritt in den Raum, begrüßt uns mit einem Lächeln und winkt mit einer Hand zur offenstehenden Tür. „Kommen Sie“, sagt sie.

Dann wendet sie sich an uns: „Ich möchte Ihnen Ihren neuen Mitschüler vorstellen, Herrn Müller.“ Während sie das sagt, tritt ein junger Mann in den Raum.

Bis zu jenem Moment habe ich geglaubt, Gerard Weizenkeim sei das süßeste männliche Wesen auf diesem Planeten. Zumindest vor dem Schnurrbart-Attentat. Diese meine Meinung wird von einer Sekunde zur nächsten über den Haufen geworfen. Der Typ, Müller – was für ein durchschnittlicher Name –, sieht einfach traumhaft aus. Auch vor und hinter mir halten Mädels die Luft an. Der Junge ist einfach zu süß. Andererseits kennzeichnet eine herbe Wildheit seinen Gesichtsausdruck. Man erkennt eine gewisse Erdverbundenheit. Meine Güte, ich höre mich an, als beschriebe ich einen Rotwein!

Er trägt einen Dreitagebart. Seine Klamotten sind nichts Besonderes und doch kleiden sie ihn, wie sie vermutlich den Helden aus einem meiner Bücher kleiden würden. Wenn er sich bewegt, wirkt es so, als wären sie ihm auf den Leib geschneidert. Seine Haare sind dunkel, aber nicht schwarz, seine Augen hell. Ihre Farbe kann ich nicht erkennen. Es würde mich jedoch nicht wundern, wenn sie silbergrau wären. Nur seine Ohren stören den Gesamteindruck ein wenig. Sie erscheinen mir ein wenig zu lang. Aber wer guckt einem Jungen auf die Ohren, wenn der so einen athletischen Körper zur Schau stellt?

Die Hubrich schaut sich im Klassenraum um und erkennt, was alle anderen Mädels voller Neid schon vor einer Minute erkannt haben: Der einzige freie Platz im Raum befindet sich an meiner Seite.

„Setzen Sie sich bitte.“ Sie deutet auf den leeren Stuhl neben mir. „Da, neben Tina.“ Die Hubrich hat nie gefragt, ob sie uns mit Sie anreden solle, als wir vierzehn geworden sind.

„Ich hoffe“, sagt Frau Senkbeil, „Sie nehmen Ihren neuen Mitschüler freundlich in Ihrer Mitte auf.“

Sehr freundlich, wenn ich die schmachtenden Blicke richtig deute, die ihm auf dem Weg zu seinem Platz zugeworfen werden. Das blonde Gift Mathilda weitet bereits das Dekolleté ihrer Bluse.

Wie kann man eigentlich so einen hausbackenen Namen wie Mathilda haben und dann solche Hupen? Ich beneide sie nicht, naja … also eigentlich schon ein wenig. Man erklärt anderen immer, man sei nicht neidisch, aber natürlich wünscht man sich hin und wieder etwas, das ein anderer besitzt. Und sei es nur, weil man gerecht fände, sowas auch zu haben.

Bei mir ist leider alles Durchschnitt. Meine Haare sind durchschnittlich braun und ein wenig zu lockig, so dass ich immer aussehe, als hätte ich gerade die Finger in der Steckdose gehabt. Meine Augen haben eine Farbe irgendwo zwischen grau und blau, die einfach nur langweilig ist. Und meine Maße sind 0-8-15 statt 90-60-90. Ich muss nicht auf meine Figur achten und sonst macht das auch keiner.

Der Junge setzt sich nieder, er bewegt sich dabei so vorsichtig, als fürchte er, den Stuhl unter seinem Hintern zu zerbrechen. So kräftig sieht er allerdings auch wieder nicht aus. Ich lächele ihn aufmunternd an.

„Hi, ich bin Tina“, sage ich überflüssigerweise.

Er schaut mich einen Augenblick verwirrt an. „Lindariel“, sagt er dann, zuckt mit den Schultern und fügt hinzu: „Kann man leider nicht ändern.“

Weil ich ihn trösten will, nenne ich ihm meinen Nachnamen. Meine Familie heißt Sack und ich sehne den Tag herbei, an dem ich eines Tages einen netten Herrn Maier, Lehmann oder Schulze heiraten werde. Nun ja, ein sehr gut aussehender Herr Müller tut es gewiss auch.

Er lacht nicht. Pluspunkt. Wahrscheinlich kann jemand, der Lindariel heißt, nachfühlen, wie man unter einem Namen leiden kann. Er muss sicherlich jedes Mal buchstabieren, wenn er nach seinem Vornamen gefragt wird. Bei Sack wissen die Leute, wie man das schreibt. Ich verstehe darum auch nicht, warum mein Vater, wenn er gefragt wird, immer erklärt: „Sack – wie Beutel.“

Nach dieser kurzen Ablenkung verabschiedet sich Frau Senkbeil, und wir müssen uns wieder mit Pflanzen und ihrer Art sich zu ernähren befassen. Mein Blick wandert allerdings andauernd nach rechts und ich betrachte das edle Profil meines Banknachbarn.

„Habe ich eine Nudel an der Nase?“ Er wendet mir plötzlich sein Gesicht zu und runzelt die Stirn.

„Äh …“ Mehr bringe ich nicht heraus. Ich starre ihn nur an, habe den Mund halb geöffnet und wirke somit vermutlich, als sei ich schwachsinnig.

„Aha“, kommentiert er meine tiefgründige Erwiderung und schaut nach vorn.

Das läuft ja wie das sprichwörtliche Länderspiel, zumal jetzt auch die Hubrich auf uns aufmerksam geworden ist. Sie erklärt, ich könne ihr sicherlich den Phosphatkreislauf noch einmal darlegen.

Wenn einer mit einer Axt zur Tür hereingekommen wäre, und mich vor die Wahl gestellt hätte, das zu tun oder geköpft zu werden, hätte ich aus dem Fenster springen müssen, weil ich sonst meinen Kopf verloren hätte. Ich blamiere mich also vor dem Rest der Klasse durch ausgiebiges Stottern. Den Rest der Stunde verbringe ich mit roten Wangen und gesenktem Kopf und denke bei mir, wie ausgezeichnet sich wohl gerade meine Chancen verbessert haben, bei Lindariel zu landen.

In der folgenden Stunde haben wir beim Pitbull Mathematik. Eigentlich heißt unser Mathelehrer Herr Besset, aber weil dieser Name unglaublich irreführend ist, da er an einen absolut niedlichen Hund mit Schlappohren und einem stoischen Gemüt erinnert, nennt ihn kein Schüler so. Es ist zu vermuten, dass er sehr genau weiß, wie ihn diejenigen nennen, die unter ihm zu leiden haben, aber es störte ihn offenbar nicht.

Wir haben noch nicht mal die Gesäße ordentlich ablegt, da schaut er auch schon meinen Banknachbarn mit einem geradezu begeisterten Lächeln auf den Lippen an. Wahrscheinlich gucken Kannibalen so, wenn an ihrem Heimatgestade ein Kreuzfahrschiff strandet.

„Wie ich sehe“, verkündet er mit Zuckerguss auf den Stimmbändern, „haben wir einen neuen Schüler. Wie heißen Sie, junger Mann?“

„Müller.“

„Wollen wir doch mal sehen, ob Sie die Mühlen der Mathematik in Bewegung halten können. Kommen Sie bitte nach vorn an die Tafel.“

Lindariel erhebt sich und marschiert Richtung Tafel. Er bewegt sich geschmeidig wie eine Raubkatze im Dschungel. Hoffentlich bemerkt er noch rechtzeitig, dass sich ein größeres Raubtier als er im Raum befindet. Der Pitbull mag es überhaupt nicht, wenn Schüler sich dem Lehrer überlegen geben.

„Wir haben uns in den letzten Stunden mit den Grundlagen der Trigonometrie beschäftigt. Könnten Sie mir mit Hilfe des Einheitskreises erläutern, wie der Sinus definiert ist?“

Zu meiner Verblüffung lässt sich Lindariel nicht schrecken, sondern schnappt sich ein Stück Kreide und beginnt zu erläutern. Er spricht ruhig und in wohlgeschliffenen Sätzen, gerade so, als wäre er selbst Lehrer und wir seine Schüler. Auch Zwischenfragen bringen ihn nicht aus dem Konzept.

Der Pitbull lässt sich alle … Wie heißen die Dinger? Ah, Winkelfunktionen. Der Pitbull lässt sich also alle Winkelfunktionen erläutern. Er entlässt Lindariel nach einer Viertelstunde endlich aus seinen Klauen. Als der neben mir seinen Hintern parkt, sagt unser Lehrer gerade: „Sehen Sie, meine Damen und Herren, so stelle ich mir Antworten vor, wenn ich jemanden aus Ihren Reihen nach vorn bitte. Leider sind die meisten von Ihnen gerade mathematisch begabt genug, Ihre Finger zu zählen. Dennoch sehe ich mich gezwungen, mit dem Lehrstoff fortzufahren. Ich muss schließlich Geld verdienen.“ Er seufzt, als würde ihn dies zutiefst bekümmern. Dann spricht er über Gleichungen mit eben jenen Funktionen, die mein Banknachbar repetieren musste.

Ich raune Lindariel zu, wie echt klasse ich seine Vorstellung soeben fand.

„Ach, das ist doch leicht“, sagt er.

„Leicht? Das ist die Hölle.“

„Nein, die Hölle sieht ganz anders aus“, erklärt er in einem Ton, als habe er mal eine Urlaubswoche dort verbracht. Vielleicht zeigt er mir gleich Fotos auf dem Handy.

Ich hebe die Brauen und wende den Kopf wieder nach vorn. Wenn der Pitbull mich beim Schwatzen erwischt, darf ich auch gleich nach vorn, worauf ich gern verzichte, denn es ist doch die Hölle.

Als das Wort gesprächig erfunden wurde, haben seine Schöpfer definitiv nicht Lindariel im Sinn gehabt. Auch den Rest des Tages ist er zumeist stumm wie ein Fisch. Wobei Fische den Mund ja wenigstens zum Atmen ständig auf- und zuklappen. Seine Lippen bilden eine gerade Linie. In den Pausen versuchen ein paar Mädels aus Mathildas Clique sich an ihn heranzuschmeißen, geben jedoch nach spätestens fünf Minuten entnervt auf. Wahrscheinlich hätten sie nackt vor ihm Limbo tanzen können, es wäre an ihm abgeprallt. Vielleicht gibt es aktuell einen Trauerfall in seiner Familie. Er wirkt so. Vielleicht taut er ja in den nächsten Tagen ein wenig auf.

Die Heldin erfährt von ihrer Bestimmung

Es erweist sich, dass Lindariel auch in den nächsten Tagen nicht mehr Anteil an uns Mitschülern und insbesondere an mir nimmt. In den Pausen verkrümelt er sich in eine Ecke des Schulhofs und starrt vor sich hin, als wolle er die Welt hypnotisieren.

---ENDE DER LESEPROBE---