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Leigh-Annes Welt wankt, denn sie hat sich von Evan getrennt, und ist deswegen zu ihrem Vater nach New York zurückgekehrt. Plötzlich steht Evan wieder vor ihr und will mit allen Mitteln um sie kämpfen. Nur widerwillig folgt sie ihrem Herzen und begleitet ihn zurück nach Beverly Hills. Sie will ihrer Liebe zu Evan eine Chance geben, doch der Umstand, dass er wegen seiner Firma keine Zeit für sie hat, nagt an der arbeitslosen Architektin. Um endlich mehr Zeit zu zweit zu haben, lässt sich Leigh-Anne auf einen Ausflug mit Evans Yacht ein. Doch die Folgen nehmen Ausmaße an, die niemand hätte erahnen können.
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Leigh-Annes Welt wankt, denn sie hat sich von Evan getrennt, und ist deswegen zu ihrem Vater nach New York zurückgekehrt. Plötzlich steht Evan wieder vor ihr und will mit allen Mitteln um sie kämpfen. Nur widerwillig folgt sie ihrem Herzen und begleitet ihn zurück nach Beverly Hills. Sie will ihrer Liebe zu Evan eine Chance geben, doch der Umstand, dass durch seine Arbeit keine Zeit für sie hat, nagt an der arbeitslosen Architektin.
Um endlich mehr Zeit zu zweit zu haben, lässt sich Leigh-Anne auf einen Ausfug mit Evans Yacht ein. Doch die Folgen nehmen Ausmaße an, die niemand hätte erahnen können.
Copyright © 2018 Drucie Anne Taylor
Korrektorat: S.B. Zimmer
Satz & Layout © Modern Fairy Tale Design
Umschlaggestaltung © Modern Fairy Tale Design
Auflage 01 / 2024
Alle Rechte, einschließlich das, des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte, Ähnlichkeiten mit lebenden, oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Alle Markennamen, Firmen sowie Warenzeichen gehören den jeweiligen Copyrightinhabern.
AFFECTION TRILOGIE
BUCH ZWEI
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Über die Autorin
Weitere Werke der Autorin
Rechtliches und Uninteressantes
Es ist jetzt eine Woche her, dass ich Beverly Hills und Evan hinter mir gelassen habe. Ich fühle mich miserabel, verstecke mich in meinem Schlafzimmer und lasse niemanden an mich heran. Die Nächte sind die Hölle und ohne Medikamente stehe ich sie nicht durch, aber am schlimmsten ist die Nachtangst, die ich entwickelt habe. Ich bekomme Panik, sobald das Licht ausgeht. Kathryn musste es leider miterleben. Als sie nachts in mein Zimmer kam, um meine Nachttischlampe auszuschalten, habe ich sofort losgeschrien, weil ich Angst bekam. Das ist sicher eine Nachwirkung meiner Entführung und dem damit verbundenen Stress. Damals, nach dem Mord an meiner Mutter, ging es mir ähnlich.
Hinzu kommt, dass Evan nicht aufhört, mich anzurufen und ich höre nicht auf, ihn zu ignorieren. Er glaubt seiner Tochter mehr als mir – sicher würde es mir als Mutter nicht anders gehen – und deshalb sehe ich keinen Sinn darin, unsere Beziehung zu vertiefen.
Wenn ein sechsjähriges Mädchen einen Keil zwischen uns treiben kann, wie wird es dann erst, wenn die Presse Wind von unserer Beziehung bekommt?
Er ist sehr bekannt, ich bin es auch, allerdings kam ich unfreiwillig zu meinem Bekanntheitsgrad.
Es klopft an der Tür.
»Ja?«
Sie wird geöffnet und ich sehe Justin, meinen Leibwächter, eintreten. »Ms. Cromwell, ich wollte Ihnen bloß mitteilen, dass ich Chuck und Ihre Kleidungsstücke mitgebracht habe.«
»Danke«, erwidere ich verheult und wische die Tränen von meinen Wangen.
»Wie geht’s Ihnen?«, erkundigt er sich.
Ich seufze schwer. »Sieht man das nicht?«
»Doch, aber vielleicht hilft es Ihnen zu wissen, dass es Mr. Bernstein nicht besser geht. Das Mädchen hat zugegeben, dass Sie sie nicht geschlagen haben, nun versucht er verzweifelt, Sie zu erreichen«, antwortet er freundlich.
Ich winke ab. »Das interessiert mich nicht mehr. Er hat mir nicht vertraut und das ist keine besonders gute Grundlage für das, was zwischen uns war.«
»Was war es denn?«
Daraufhin zucke ich mit den Schultern. »Wenn ich das mal wüsste.« Liebe, hallt es mir sofort durch den Kopf. Nein, war es nicht. Es war keine Liebe, aber wir waren auf dem Weg dorthin. Besser gesagt, ich war es. Wie es um Evans Gefühle gestanden hat oder steht, wage ich nicht zu beurteilen. Fakt ist, dass wir zu verschieden sind, um ein Happy End zu bekommen.
Gibt es das überhaupt?
Das Happy End?
Inzwischen bezweifle ich es, denn kein Ende, das ich erlebt habe, war happy. Jedes für sich war der absolute Horror. Aber das mit Evan war eher ernüchternd. Es hat mir gezeigt, dass ich mich definitiv nicht verlieben sollte. Gefühle führen dazu, dass man verletzt wird.
Mein Herz?
Es ist kein Scherbenhaufen, aber es versteinert von Tag zu Tag ein bisschen mehr.
Ob man mit einem Herz aus Stein wohl leben kann?
Mal sehen, wissen kann ich es nicht, herausfinden werde ich es.
»Ms. Cromwell, Mr. Bernstein vermisst Sie und Sie vermissen Ihn … Vielleicht sollten Sie einen seiner unzähligen Anrufe annehmen.«
Ich schüttle den Kopf. »Danke, kein Bedarf.«
»Wenn Sie ihm egal wären, würde er Sie nicht ständig anrufen. Er hat mich außerdem gebeten, Ihnen das hier zu geben.« Justin kommt näher und reicht mir einen Briefumschlag.
»Was ist das?«
»Ich weiß es nicht. Ich musste ihm bloß versprechen, dass ich Ihnen diesen Umschlag persönlich aushändige«, antwortet er mit seiner ruhigen, tiefen Stimme. Justin räuspert sich. »Ich werde Sie nun allein lassen.«
»Okay.«
Als er mein Zimmer verlassen hat, öffne ich den Briefumschlag. Ich frage mich, was Evan noch von mir will, denn ich bin der Überzeugung, dass ich mich unmissverständlich ausgedrückt habe.
Als ich den darin enthaltenen Brief auffalte, fällt mir ein Scheck entgegen.
Leigh,
Es tut mir leid, was passiert ist. Ich kann mir nicht erklären, warum Josie solche Lügen in die Welt gesetzt hat. Möglicherweise hast Du eine Erklärung dafür und ich hätte dir glauben müssen.
Mr. Chambers sagte mir, dass Du die Stadt verlassen hast. Ich weiß nicht genau, wo Du Dich aufhältst, aber ich habe eine Vermutung und ich werde nicht aufhören, um Dich zu kämpfen.
Leigh, ich bin kein Freund von Liebeserklärungen, denn ich schaffe es selten, die richtigen Worte zu finden, aber wenn Du eine willst, werde ich dir eine machen, damit Du zu mir zurückkommst.
Du fehlst mir und ich bin nicht mehr ich selbst, seit Du gegangen bist.
Komm zurück zu mir.
Bitte.
Evan
»Was für eine Heulsuse«, sage ich leise, falte den Brief zusammen und greife nach dem Scheck. »O Gott«, stoße ich aus, als ich die vielen Nullen sehe.
Warum in Gottes Namen will er mir siebenhundertfünfzigtausend Dollar bezahlen?
Kopfschüttelnd lege ich den Scheck zur Seite und atme tief durch. Ich werde ihn nicht einlösen. Weder habe ich für dieses Geld gearbeitet noch will ich es haben. Evan soll es behalten, denn er hat keine Gegenleistung von mir bekommen. Den Entwurf für sein Haus habe ich mitgenommen, die bisherigen Lohnzahlungen habe ich an ihn zurück überwiesen und nun sitze ich in meinem Elternhaus, um Trübsal zu blasen.
Hoffentlich wagt Evan sich nicht hierher. Ich weiß genau, dass mein Vater ihn freundlich empfangen würde, denn er ist mit Evans altem Herrn befreundet. Anderenfalls hätte es für ihn keinen Grund gegeben, vor einigen Wochen Mr. Bernstein Seniors Geburtstag zu besuchen. Ich will ihn nicht mehr sehen, sondern mich von der Affäre mit ihm erholen. Er hat die Entscheidung getroffen, seiner Tochter zu glauben, und ein Stück weit kann ich sie nachvollziehen, doch hätte er sich auch meine Seite der Geschichte anhören müssen. Der Fairness halber, danach hätte er immer noch an mir zweifeln können.
»Leigh-Anne, kommst du bitte zum Essen?«, fragt Kathryn, nachdem sie mein Schlafzimmer betreten hat.
»Ich bin nicht hungrig.«
»Du musst etwas essen, du bist immer noch wegen des Vorfalls geschwächt und du isst kaum, seit du hier bist. Du wirst noch zusammenbrechen«, erwidert sie besorgt.
Seufzend gebe ich mich geschlagen. Ein wenig wird nicht schaden und die beiden geben dann Ruhe, weil ich mich ihrem Willen gebeugt habe. »Okay.«
»Zieh dir etwas anderes an, dann komm bitte ins Esszimmer.«
Ich erhebe mich nickend vom Bett. »Was soll ich anziehen?«
»Nimm das mintgrüne Etuikleid, das steht dir so gut.«
»In Ordnung.« Nein, es ist ganz und gar nicht in Ordnung, dass ich mich hier für jeden noch so kleinen Snack in Schale werfen muss. Ich hasse es und kann es kaum erwarten, einen Job zu finden, um mein Elternhaus wieder verlassen zu können.
»Du solltest auch irgendwas mit deinen Haaren machen.«
»Ja ja«, grummle ich, hole das mintgrüne Kleid aus dem Kleiderschrank und gehe ins Bad.
* * *
Eine Viertelstunde später betrachte ich mich vor dem Spiegel. Es gab Zeiten, in denen hat dieses Kleid besser gesessen, doch das ist lange her. Alles, was hier in meinem Kleiderschrank ist, erzählt Geschichten früherer Tage. Ich kann es kaum erwarten, meine übliche Kleidung zu bekommen, damit ich mich wieder wohlfühle. Diese hier entspricht schon lange nicht mehr meinem Geschmack, sondern dem der alten Leigh-Anne Cromwell. Mein Make-up muss ich auffrischen, damit weder Dad noch Kathryn die Spuren sehen, die meine Tränen hinterlassen haben. Ich möchte mich nicht noch einmal ihren vielen Fragen stellen.
Schnell binde ich meine Haare zu einem eleganten Knoten, den ich immer noch perfekt beherrsche, und schlüpfe in schwarze Sandalen. Anschließend gehe ich nach unten.
»Es ist wirklich schön, Sie als Gast begrüßen zu dürfen«, vernehme ich die laute Stimme meines Vaters, als ich das Esszimmer fast erreicht habe.
Es wird etwas geantwortet, doch kann ich nicht erkennen, wer sich hinter den Worten verbirgt.
»Es tut mir leid, dass ich …«, meine Worte bleiben mir im Hals stecken, als ich Evan bei meinem Vater stehen sehe.
»Leigh«, stößt er aus, doch bewegt er sich nicht auf mich zu.
»Mr. Bernstein«, begrüße ich ihn kalt.
»Wie geht's dir?«
Ich schaue meinen Vater an. »Kathryn sagte nicht, dass ihr einen Gast zum Essen erwartet.«
»Mr. Bernstein ist spontan vorbeigekommen, um mit mir über eine Immobilie zu sprechen«, erklärt mein Vater.
»Leigh, hättest du einen Moment Zeit für mich?«
Ich ignoriere Evan. »Ich denke, wir sollten uns an den Tisch setzen.«
»Sicher«, stimmt Dad mir zu und bedeutet Evan und mir, Platz zu nehmen.
Er setzt sich ausgerechnet neben mich, während mein Vater am Kopf des Esstischs Platz nimmt.
Räuspernd erhebe ich mich und lege mein Gedeck zusammen, um anschließend den Tisch zu umrunden und mich rechts von meinem Vater niederzulassen.
»Was soll das, Leigh?«, möchte Evan wissen.
»Ich fühle mich nicht wohl, wenn man sich, trotz des großzügigen Platzangebots, neben mich setzt«, entgegne ich und befürchte, dass er meine Lüge auffliegen lässt.
»Daran hatte ich nicht gedacht«, sagt er hingegen, was mich beruhigt.
Als hätte er seine Antworten auswendig gelernt, beantwortet Evan alle Fragen meines Vaters, ohne mich aus den Augen zu lassen. Der Mann kann professionell sein wie eh und je sein, während er seinem inneren Stalker Ausgang gewährt. Ich muss zugeben, dass es mir unangenehm ist, sogar Angst macht, doch möchte ich nun keine Szene machen, indem ich ihn bitte, den Blick abzuwenden.
* * *
Ich habe kaum etwas gegessen und mir ist schlecht von dem grünen Spargel und den Kartoffeln. Sogar das Gefühl, es wieder ausspucken zu müssen, ist allgegenwärtig. »Entschuldigt mich bitte«, sage ich leise, lege meine Serviette auf den Tisch und erhebe mich.
»Geht es dir nicht gut, meine Liebe?«, möchte Kathryn wissen, die mir bisher schweigsam gegenüber gesessen hat.
»Nein, ich denke, ich sollte mich hinlegen.«
»Du hast sehr wenig gegessen«, stellt sie mit einem Blick auf meinen Teller fest.
»Ich weiß, aber mehr geht nicht«, entschuldige ich mich und verlasse das Esszimmer.
»Leigh, warte doch!«, ruft sie mir hinterher, aber ich höre nicht auf sie.
Dass mir schlecht ist, liegt womöglich an Evans Anwesenheit, doch kann ich das vor meinem Vater nicht sagen. Gott, wie sehr ich nun ein Gespräch mit meiner Mom gebrauchen könnte. Sicher wüsste sie einen Rat und würde sich auf meine Seite stellen. Bestimmt hätte sie Evan mit Fragen gelöchert, seine Antworten analysiert und ihn dann auseinandergenommen. So war sie schon damals, wenn ich einen Jungen mit nach Hause brachte, der mich zuvor verletzt hatte. Einen meiner Ex-Freunde hatte sie sogar aus dem Haus geworfen, weil sie seine Ausflüchte, warum er mich verletzt hatte, nicht mehr hören konnte. Sie wäre jetzt genau die Richtige, bei der ich mich ausweinen könnte.
»Leigh?«
Ich bleibe für den Moment eines Atemzugs auf der Treppe stehen, dann drehe ich mich um. »Was willst du?«
Evan nimmt zwei oder drei Stufen nach oben, weiter wagt er sich wohl nicht. »Ich möchte mich mit dir unterhalten.«
»Danke, kein Bedarf«, entgegne ich, wende mich von ihm ab und gehe weiter.
»Ich weiß, ich habe dir wehgetan, als ich an deinen Worten zweifelte.«
»Wie wunderbar.« Ich erreiche das erste Obergeschoss, wende mich nach rechts und verschwinde in meinem Zimmer am Ende des Flurs. Als ich die Tür hinter mir schließe, sehe ich, dass er mir gefolgt ist.
»Leigh, bitte«, höre ich ihn noch sagen, doch ignoriere ich ihn.
Das Kapitel Evan Bernstein ist beendet. In meinem Buch des Lebens ist er nur ein Kapitel, nein, eine Randnote, die im Lektorat gestrichen werden kann. Am besten lösche ich jede Erinnerung an ihn aus meinem Gedächtnis, damit ich mich nicht, masochistisch wie ich bin, selbst verletze, wenn ich an ihn denke.
Es klopft. »Lass uns bitte reden.«
»Ich habe kein Interesse, jemals wieder dein Gesicht zu sehen.«
Evan seufzt. »Josie ist wieder bei ihrer Mutter und ich habe ihr gesagt, dass ich sie nicht mehr zu mir hole, wenn sie dich noch einmal so behandelt. Mehr kann ich nicht tun.«
Er hätte sie bestrafen können, doch für das Mädchen ist es sicher schon genug Strafe, zu wissen, dass er sie nicht mehr zu sich holen würde, wenn sie noch einmal einen Keil zwischen uns treibt.
Aber wer weiß, ob er mir dann glaubt?
Außerdem sind Kinder unberechenbar, fies und grausam, sie wird sich bestimmt nicht davon abbringen lassen, Evan und mich zu trennen.
»Leigh, ich bitte dich. Ich bin nicht der Typ, der lange bettelt.«
»Dann hör auf damit und verschwinde!«, verlange ich verzweifelt und spüre neuerliche Tränen in meinen Augen brennen.
Seine Schritte entfernen sich und ich atme erleichtert auf. Ich bin froh, dass er geht. Wir beide hatten nie eine reelle Chance auf die wahre Liebe. Er sagte, er würde sich nicht verlieben, ich wollte es nicht und doch ist es geschehen. Allerdings sind wir beide selbstzerstörerisch und setzen alles daran, Dinge kaputtzumachen. Zuerst war ich es, weil ich ihn auf seiner Yacht vor den Kopf gestoßen hatte, dann war er es, als er Josie mehr glaubte als mir.
Ich setze mich auf mein Bett, bevor ich mich nach hinten fallen lasse, weiter darauf rutsche und mich auf die Seite drehe. Ich ziehe die Beine an, umklammere meine Unterschenkel mit meinen Armen und schließe die Augen, um die säuregleichen Tränen nicht zu weinen.
Zeit vergeht und nur die kühle Brise, die durchs Fenster hineinweht, beweist mir, dass ich noch nicht träume. In meinen Träumen fühle ich nichts, weine nicht, leide nicht, sondern bin bloß stille Zuschauerin. Nun, in der Realität verharrend, nehme ich alles wahr, was um mich herum passiert. Wind, das Zirpen der Grillen, die sich irgendwo im großen Garten verstecken, und plötzlich eine Note, die sich in mein Gedächtnis eingebrannt hat.
»Warum weinst du?«, raunt er, einmal mehr ertönen seine Schritte und seine warme Hand legt sich auf meine Hüfte.
Irritiert schlage ich die Augen auf, um ihn anzusehen.
»Unter deinem Fenster ist eine Rankhilfe angebracht.«
»Du bist hier hochgeklettert?«
»Sieht so aus und dabei habe ich meine Schuhe ruiniert.«
Ich setze mich auf und möchte seiner Hand entgehen, aber er hält meine fest, die er unglaublich schnell ergriffen hat. »Lass mich los.«
»Bitte lass uns miteinander reden.«
»Worüber?«
»Warum bist du weggelaufen?«
»Du hast gesagt, dass ich gehen soll.«
Er schüttelt den Kopf. »Ich sagte, wenn du gehst, bist du obdachlos.«
»Und du hast mich mit meinem Vater verglichen.«
»In diesem Moment warst du all das, was du nie sein wolltest.«
Kopfschüttelnd eise ich mich von ihm los und stehe auf. »Du solltest gehen.«
Evan hebt eine Augenbraue. »Du willst die Angelegenheit also nicht aus der Welt schaffen.«
Ich hole tief Luft. »Du hast deiner Tochter mehr Glauben geschenkt als mir, obwohl jeder Blinde gesehen hätte, dass sie lügt. Das kleine Biest hat mich noch angegrinst, nachdem sie sich selbst geohrfeigt hat, aber du wolltest es nicht hören. Für dich stimmte, was sie sagte, obwohl ich dich nie belogen habe.« Ich deute zur Tür. »Jetzt geh.«
»Ich werde nicht gehen, bevor wir die Sache nicht geklärt haben.«
»Es gibt nichts zu klären.« Anschließend nehme ich seinen Scheck vom Nachttisch. »Und dein Geld will ich auch nicht.«
Als ich ihm den Barscheck in die Brusttasche seines Jacketts stecken will, tritt er einen Schritt nach hinten. »Es ist dein Geld.«
»Nein, ist es nicht.«
»Ich werde diesen Scheck nicht zurücknehmen.«
»Dann muss die drastischere Lösung her.« Demonstrativ nehme ich ihn hoch und zerreiße ihn in mehrere kleine Papierfetzen, die ich auf den Teppich fallen lasse.
»Das war kindisch.«
»Nein, es war die richtige Entscheidung, denn ich habe kein Interesse an deinem Geld«, halte ich dagegen.
»Was ist aus meinem Auftrag geworden?«
»Wie du weißt, habe ich dir meine Kündigung geschickt«, antworte ich ungeduldig. »Ich werde nicht mehr für dich arbeiten und den Entwurf kannst du vergessen. Ich werde ihn dir nicht überlassen.«
»Du verhältst dich wirklich wie ein bockiges Kind, Leigh-Anne.«
»Nein, ich tue das, was ich für richtig halte, aber wenn du meinst, dass es kindisch ist, ist es mir egal.«
Er schüttelt den Kopf. »Das führt hier zu nichts. Wenn du dich beruhigt hast, können wir uns gern unterhalten.«
»Ich habe kein Interesse daran, mit dir zu sprechen! Du bist in mein Zimmer geklettert, obwohl ich deutlich gemacht habe, dass ich dich nicht sehen will. Also verschwinde und denk nicht mehr an mich, komm nicht mehr her und lass mich endlich in Ruhe!«, schreie ich ihn an.
Evan sieht mich erstaunt an. »Ich hatte gehofft, dass du meine Entschuldigung annimmst und mir noch eine Chance gibst, offensichtlich hast du deine Entscheidung bereits getroffen.« Danach wendet er sich ab und verlässt mein Zimmer.
Weinend falle ich auf die Knie, doch der Teppich hält den meisten Schmerz von mir fern.
Nun ist es endgültig vorbei.
* * *
Wohltätigkeitsveranstaltungen müssen eine Erfindung des Teufels höchstpersönlich sein.
Tüll, Brokat und Traumata erwarten einen dort, aber mein Vater verlangt, dass ich ihn und Kathryn begleite.
Ich habe keine Ahnung, wofür Spenden gesammelt werden, aber sicher ist es dem Zweck dienlich, für den die Veranstaltung stattfindet, wenn die High Society New Yorks eingeladen ist. Alles, was Rang und Namen hat, soll anwesend sein.
Kathryn hat mir ein dunkelblaues Abendkleid besorgt. Es hat ein leichtes Blumenmuster, das man nur wegen der Strasssteine erkennt, die dezent entlang der floralen Konturen angebracht sind. Es ist ein wunderschönes Kleid, aber nicht für mich. Für jede andere Frau, die sich in dieser Garderobe wohlfühlt, ist es ein Segen, für mich ist es bloß eine Verkleidung. Ich fühle mich eingeengt, bekomme kaum Luft, doch muss ich mich meinem Schicksal fügen. Mein Vater hat mir unmissverständlich klargemacht, dass ich, wenn ich Kathryn und ihn nicht begleite, zusehen kann, wo ich unterkomme. Abgesehen davon will ich die Gala fürs Networking nutzen, sicher finde ich dort den ein oder anderen Architekten, der sich in New York einen Namen gemacht hat und hoffentlich eine neue Angestellte sucht. Ich bin die Tochter des vielleicht zukünftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, irgendwo muss es doch einen Job für jemanden wie mich geben. Man sollte meine Fähigkeiten nicht am Erfolg meines Vaters messen.
»Sind Sie bereit, Leigh?«
Ich schaue zur Tür und erkenne Justin, der im schwarzen Anzug und mit dunkelblauer Fliege, passend zu meinem Kleid, im Türrahmen steht. »Ja, sobald ich die Ohrringe angezogen habe.«
Er nickt mir zu. »Ich warte so lange.«
»Danke, dass Sie mich heute Abend begleiten«, sage ich leise.
»Sehr gern.« Er lächelt mich an, wie so oft in den letzten drei Tagen, allerdings erwidere ich es nicht. Es kostet mich Mühe, nicht wieder in Tränen auszubrechen, weil meine Chance, die wahre Liebe festzuhalten, verstrichen ist. Ich atme tief durch, kämpfe die säureartigen kleinen Verräter nieder und checke mein Make-up. Es ist dezent, da mein Kleid so auffällig ist. Nachdem die Frisörin mir mehrere Zöpfe geflochten hatte, wurden meine Haare aufwendig hochgesteckt. Es ist unangenehm und zieht, aber für einen Abend werde ich es überleben. Dennoch kann ich es kaum erwarten, all die Haarnadeln und kleinen Blumen loszuwerden, die die Dame in meine Frisur eingearbeitet hat. Vom Haarspray ganz zu schweigen.
»Wenn ich es anmerken darf, Sie sehen toll aus«, sagt Justin, als ich auf ihn zugehe.
»Danke.« Ich ringe mir ein Lächeln ab, das mit Sicherheit nicht einmal meine Augen erreicht, und verlasse mein Schlafzimmer. »Ich denke, um die Sache glaubhaft zu machen, sollten wir uns für diesen Abend duzen.«
»Sehr gern, Ms. Cromwell.«
»Leigh«, korrigiere ich ihn sofort, aber hoffe, dass ich nicht streng oder genervt klinge. Es hat mir noch nie gefallen, mit meinem Nachnamen angesprochen zu werden. An ihm hängt ein zu guter Ruf, dem ich bisher nicht gerecht geworden bin. Die letzten Generationen der Cromwells – meine Vorfahren – waren allesamt erfolgreich, wohlhabend und standen in der Öffentlichkeit. Ich hingegen bin erfolglos, mehr oder weniger verarmt, weil ich auf den Reichtum meiner Familie verzichte, und habe mich aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen.
»Justin«, erwidert er freundlich.
»Danke.«
»Sehr gern, Miss …«
Ich lächle. »Wag es nicht, mich nun wieder Ms. Cromwell zu nennen.«
»Es tut mir leid, ich brauche ein bisschen Zeit, mich umzugewöhnen.«
»Schon in Ordnung, wir üben es einfach im Auto«, sage ich schmunzelnd.
»Was soll ich den Leuten erzählen, wenn sie mich fragen, wie wir uns kennengelernt haben?«
»Am besten eine Halbwahrheit. Du warst mein Leibwächter und wir haben uns ineinander verliebt«, erwidere ich nachdenklich. »Ich denke, die Geschichte wird man uns abkaufen.«
»Deine Eltern sind in unser kleines Theaterspiel eingeweiht?«
»Mein Vater und seine Frau«, betone ich überdeutlich, »sind natürlich eingeweiht, anderenfalls würde es an seinem guten Ruf kratzen.«
»Ich hoffe nur, dass mein Ruf keinen Schaden nimmt, weil ich mich auf diese Lüge einlasse«, sinniert er.
»Wenn du nicht möchtest, musst du mich nicht begleiten. Dieses Schmierentheater ist vielleicht wirklich keine gute Idee«, stimme ich ihm seufzend zu. »Sei heute Abend einfach nur mein Leibwächter, der mich zufällig begleitet, weil ich nicht allein gehen wollte.«
Er nickt langsam. »In Ordnung.«
»Aber danke, dass du das Theater mitgespielt hättest.« Ich gehe neben ihm nach unten und auf die Limousine zu, die vor dem Haus steht. Justin öffnet mir die Tür, mit einem leisen Dank rutsche ich hinter den Fahrersitz und warte darauf, dass er neben mir Platz nimmt. Mein Vater hat die schweren Geschütze aufgefahren und für heute Abend einen zweiten Chauffeur angeheuert. Damit ich meinen ganz eigenen Auftritt bekomme, wie er es so schön ausgedrückt und gleichzeitig meine Widerworte abgeschmettert hat. Es hat ihn nicht interessiert, was ich dazu zu sagen hatte.
Als sich der Wagen in Bewegung gesetzt hat, schnalle ich mich an und wende meinen Blick dem Seitenfenster zu.
* * *
»Ms. Cromwell, seit wann sind Sie wieder in New York?«, ruft mir ein Reporter zu, doch gehe ich schnurstracks und dicht gefolgt von Justin weiter.
»Ms. Cromwell, werden Sie Ihren Vater im Wahlkampf unterstützen?«, möchte ein weiterer wissen.
Ich verschwinde im Hotel, in dessen Festsaal die Gala stattfindet. Sicher wurden unzählige Fotos gemacht und morgen werden einige Lügengeschichten in der Boulevardpresse stehen. Ich sei hochnäsig, stolz, lethargisch, all das habe ich schon über mich lesen müssen, als ich noch aktiv am politischen Leben meines Vaters teilgenommen habe. Nun agiere ich lieber passiv.
»Leigh, warte.« Justin kommt an meine Seite. Er bietet mir lächelnd seinen Arm an.
»Danke.« Ich hake mich bei ihm ein, gemeinsam betreten wir den Saal. Zwischen Tüll, Brokat und überteuertem Schmuck finden wir unsere Plätze am Tisch meines Vaters. Er soll die Eröffnungsrede halten – ich weiß schon, dass es ein besonders langer Abend wird, denn die Reden meines Vaters sind immer todlangweilig und ellenlang.
Wir nehmen Platz und binnen weniger Sekunden kommt ein Kellner zu uns. »Guten Abend, Ms. Cromwell, Mr. Chambers, darf ich Ihnen ein Getränk bringen?«
»Eine Weißweinschorle bitte«, antworte ich, während Justin Wasser ordert.
»Sehr wohl«, sagt der Kellner und verschwindet.
»Ihr seht toll zusammen aus«, beginnt Kathryn, was mich die Augen verdrehen lässt.
Mir fallen die leeren Plätze an unserem Tisch auf. »Wer wird hier noch sitzen?«
»Mr. Bernstein und die Houstons«, lässt mein Vater mich wissen.
»Warum kommt Mr. Bernstein?«, hake ich nach.
»Weil er für das Kinderhospiz spenden möchte. Es ist ihm ein sehr großes Anliegen«, mischt Kathryn sich ein.
»Harrison, Kathryn, es tut mir leid, dass ich mich ein wenig verspätet habe«, vernehme ich Evans Stimme schon im nächsten Augenblick. Er sieht mich an, als er Platz nimmt, doch weiche ich seinem Blick aus. »Wenn ich es mir erlauben darf, Sie sehen toll aus, Kathryn.«
»Vielen Dank, Evan, ich wünschte, das Kompliment wäre von meinem Mann gekommen«, säuselt meine Stiefmutter und ich würde am liebsten würgen.
Warum geht sie bei Evan in den Flirtmodus?
»Wer hat die Schirmherrschaft beim Kinderhospiz?«, wende ich mich an meinem Vater, der über Kathryns Aussage genauso empört ist wie ich.
»Kathryn«, antwortet er.
Ich lasse meine Schultern sinken und hoffe, dass das trägerlose Kleid nicht von meinen Brüsten rutscht, weil ich sitze wie ein Schluck Wasser in der Kurve. »Jetzt weiß ich auch, warum ihr so einen Aufriss gemacht habe, dass ich euch begleite.«
»Halt dich bitte gerade, Leigh«, verlangt Kathryn im gebieterischen Tonfall, als sie mich ansieht.
Sofort richte ich mich wieder auf.
* * *
Die Rede meines Vaters hätte beinahe dafür gesorgt, dass ich einschlafe.