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Die Erfolgsstory von USA-Today-Bestsellerautorin Layla Hagen geht weiter: Nach den »Diamonds for Love« kommen die »Flowers of Passion«!Nie hätte Maddie Jennings sich träumen lassen, dass ihr neues Gartenprojekt in L.A. ihr Leben verändern könnte. Doch als die frisch getrennte Landschaftsarchitektin im Haus ihrer Auftraggeberin Valentina Connor auf deren Bruder Landon trifft, ist es um sie geschehen. Auch der attraktive CEO aus San José ist augenblicklich von Maddie verzaubert – ein Gefühl, das er seit dem Tod seiner Frau nicht mehr zugelassen hat. Eine zarte Liebe erblüht. Aber sind sie bereit für eine Beziehung? Nicht nur die Vergangenheit, sondern auch Landons bevorstehende Abreise gefährden ihr junges Glück ...Ein Diamant verzaubert durch seinen Glanz, aber Blumen sprechen die Sprache der Liebe!
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Cover & Impressum
1 – Landon
2 – Maddie
3 – Landon
4 – Maddie
5 – Landon
6 – Maddie
7 – Landon
8 – Maddie
9 – Landon
10 – Maddie
11 – Landon
12 – Maddie
13 – Landon
14 – Maddie
15 – Landon
16 – Maddie
17 – Landon
18 – Maddie
19 – Landon
20 – Maddie
21 – Landon
22 – Maddie
23 – Landon
24 – Maddie
25 – Landon
26 – Maddie
27 – Landon
28 – Maddie
29 – Landon
30 – Maddie
31 – Landon
Epilog
Dank
»Du musst dringend mal Urlaub machen«, sagte Adam.
Unruhig lief ich in meinem Hochhaus-Eckbüro in San José auf und ab, wobei ich mir die rechte Schläfe massierte. Ich konnte spüren, wie sich dahinter Kopfschmerzen aufbauten.
»Ich weiß.«
»So richtig, nicht nur ein verlängertes Wochenende.«
Ich lachte, weil das eine ziemlich gute Zusammenfassung meiner Auszeiten in den letzten paar Jahren war. Als meine rechte Hand wusste Adam alles darüber. Aber jetzt hatte ich gerade die Verhandlungen über eine Partnerschaft mit einer anderen wichtigen Softwarefirma abgeschlossen. In den nächsten Wochen würden sich alle auf den Papierkram konzentrieren und die Fusion feiern. Für beides war meine Anwesenheit nicht erforderlich, und ich war vollkommen erschöpft. Die letzten Monate waren ziemlich heftig gewesen.
»Du hast recht. Vielleicht sollte ich mir wirklich zwei Wochen freinehmen.«
Adam riss die Augen auf. »Meinst du das ernst?«
Ich tigerte noch ein wenig durchs Büro, immer vor dem Fenster auf und ab, wo ich mich am liebsten aufhielt. Die Glasfläche reichte vom Boden bis zur Decke und bot einen wunderbaren Blick über die Stadt. Ich verbrachte den Großteil meiner Zeit in geschlossenen Räumen – doch dank dieses Fensters hatte ich mich selten isoliert gefühlt, sondern eher, als wäre ich Teil des pulsierenden Lebens dort draußen.
»Ja, du hast recht. Hier wird schon nicht gleich alles zusammenbrechen, bloß weil ich mal für längere Zeit weg bin.« Mich in der Branche ganz nach oben zu kämpfen, hatte eine Menge Arbeit erfordert. Mich dort zu halten, noch mehr.
»Landon, zwei Wochen sind doch keine längere Zeit. Manche unserer Angestellten nehmen sich ein ganzes Jahr frei. Das ist Teil deiner Unternehmenskultur, oder hast du das vergessen? Aber zwei Wochen grenzt für dich ja bereits an ein Wunder.«
Ich blieb stehen und richtete meine Aufmerksamkeit auf Adam. »Bist du sicher, dass du hier mit allem klarkommst?«
»Natürlich. Deswegen hast du mich ja eingestellt, da ich so zuverlässig bin. Ich bin deine rechte Hand, dein bester Freund und ein allgemeiner Weltverbesserer.«
Ich zog die Augenbrauen hoch. »Ich bin mir nicht sicher, ob du eine Gehaltserhöhung willst oder es nur auf ein großes Lob abgesehen hast.«
»Vielleicht beides. Vielleicht aber auch nichts davon, weil ich mir einfach bloß wünsche, dass du mal hier aus San José rauskommst, bevor du noch einen Burn-out bekommst. Wo willst du hin? Auf die Bahamas? Nach Mexiko? Oder Bali?«
Ich schüttelte den Kopf. Mich zog es nicht in die Ferne. Ich wusste genau, wo ich hinwollte: nach Hause. Ich war in L.A. aufgewachsen, und meine fünf Geschwister lebten noch dort. Genau wie mein Neffe. Es war über vier Jahre her, dass ich mehr als zwei Tage am Stück mit ihnen verbracht hatte. Seitdem meine Frau gestorben war, hatte ich mich ganz auf die Arbeit konzentriert.
»Nö. Nach L.A. Ich will ein wenig Zeit mit meiner Familie verbringen.«
»Das ist toll. Dann kann ich mich wenigstens darauf verlassen, dass Val dein Handy ins Meer schmeißt, wenn du zu viele dringende E-Mails beantwortest.« Adam nickte aufmunternd, während er beim Wort dringend mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft zeichnete.
»Bring sie bloß nicht auf dumme Ideen«, warnte ich ihn. Meine Zwillingsschwester Valentina hatte sowieso schon zu viele Überzeugungen, von denen sie niemand abbringen konnte. Ich griff nach meinem Smartphone, das auf dem Schreibtisch lag. »Ich werde sie sofort anrufen.«
Adam verstand, dass er entlassen war, und verschwand. Ich wählte die Nummer meiner Schwester. Nach dem fünften Klingeln hob sie ab.
»Gratuliere«, rief sie, bevor ich auch nur den Mund aufmachen konnte. »Du hast die Verhandlungen abgeschlossen, stimmt’s? Wie willst du das feiern?«
Niemand außer Val hätte sich an den genauen Zeitpunkt des Verhandlungsendes erinnert. Sie war wirklich einzigartig.
»Ja, habe ich. Und was das Feiern angeht … ich will für zwei Wochen nach Hause kommen.«
Es folgte ein Moment der Stille, der sich so lange hinzog, dass ich mich bereits fragte, ob einer von uns aus Versehen aufgelegt hatte. Dann rief Val: »Warte, ich glaube, ich habe mich verhört. Bruderherz, hast du tatsächlich gesagt, dass du nach Hause kommst? Für zwei ganze Wochen?«
Ich konnte das Lächeln in ihrer Stimme hören. »Ja, genau.«
»Geschäftlich?«
»Nein, ich will mir mal freinehmen.«
»Wow! Wow! Wie kommen wir denn zu dieser Ehre? Ach, weißt du was? Sag es mir nicht. Ich will dir keine Chance geben, es dir noch mal anders zu überlegen. Weißt du schon, wann du genau kommst?«
»Ich kann morgen in den Flieger steigen.«
»Wunderbar. Je eher, desto besser. Oh, Milo wird so aufgeregt sein, wenn ich ihm das erzähle. Er redet ständig von dir.«
Ich lächelte. Milo war der sechsjährige Sohn unserer Schwester Lori. Ich skypte jeden Samstagmorgen mit ihm, doch ich konnte es kaum erwarten, endlich mal Zeit mit meinem Neffen zu verbringen. Der Junge verehrte mich, und ich tat mein Bestes, seinen Erwartungen gerecht zu werden und einen guten Einfluss auf ihn auszuüben. Aber das war schwer aus der Ferne.
»Ich werde meine Assistentin gleich bitten, mir ein Ticket zu kaufen. Brauchst du etwas? Gibt es etwas, das ich mitbringen soll?«
»Nein. Das heißt, ein Geschenk für unseren Lieblingsneffen wäre schön.«
»Ich bringe ihm immer Geschenke mit«, erinnerte ich sie und setzte mich endlich hinter meinen Schreibtisch.
»Um wie viel Uhr wirst du ankommen?«
»Ich muss morgens noch mal ins Büro, um ein paar Dinge abzuschließen, aber ich kann einen Flieger am frühen Nachmittag nehmen. Dann wäre ich rechtzeitig zum Abendessen da.«
Die Familienessen am Freitag waren bei uns Tradition, und meine Geschwister trafen sich jede Woche, egal, was auch geschah.
»Perfekt! Wir werden alle da sein. Oh, Landon, das ist echt toll. Ich kann es kaum erwarten. Es ist so lange her, dass wir mal mehr als ein paar Tage miteinander verbracht haben.«
Ich hörte die Veränderung in ihrer Stimme … den plötzlich weichen Tonfall.
»Ich kann es auch kaum erwarten, Zwerg«, sagte ich.
»Nenn mich nicht so«, protestierte Val. So hatte unser Vater sie genannt, wann immer er sie aufziehen wollte. Der Kosename zauberte ihr stets ein Lächeln ins Gesicht.
»Stell dich schon mal darauf ein, dass du zwei Wochen lang damit klarkommen musst.«
»Du Fiesling. Gib mir wenigstens ein paar Tage Zeit, deine Anwesenheit zu genießen, bevor du anfängst, mich zu nerven.«
»Das kann ich dir nicht versprechen. Wir sehen uns morgen, Val. Ich will meine Assistentin bitten, mir den Flug noch zu buchen, ehe sie Feierabend macht.«
»Klar. Mach nur. Wir sehen uns morgen.«
Sobald sie aufgelegt hatte, erhob ich mich aus meinem Ledersessel und sah lächelnd aus dem Fenster. Ich würde heimfliegen.
Ich richtete mich auf, als Val meinen Namen rief, und ging dann zum Haus. Allerdings achtete ich sorgfältig darauf, wo ich hintrat. Ich hatte den Vorgarten vollkommen auseinandergenommen, aber so war es nun einmal zu Beginn eines gartengestalterischen Projekts.
»Hier, ich habe dir einen Eistee gemacht.« Sie stellte das Tablett auf den großen Holztisch vor dem Haus und füllte zwei Gläser mit Tee.
»Danke!« Gierig trank ich die kühle Flüssigkeit. Das war jetzt genau das Richtige. Für Ende Juni in L.A. war der Nachmittag ungewöhnlich heiß. Vals einstöckiges Haus lag am nordwestlichen Rand der Stadt, und das Meer war so weit entfernt, dass keine Brise hier ankam.
»Wie läuft es?«
»Für heute bin ich fertig. Ich warte nur noch darauf, dass die Holzpfosten geliefert werden. Ich habe vor einer Weile mit dem Fahrer telefoniert. Er sollte in zehn Minuten hier sein.«
Val leerte ihr Glas und ließ dann den Blick über den Garten schweifen. Sie hatte mich beauftragt, ihr Hanggrundstück mit Terrassen auszustatten – und im ersten Schritt bedeutete das, dass ich das abfallende Gelände in mehrere Ebenen aufteilen musste. Ich hatte erst diese Woche damit angefangen, also sah es im Moment aus, als wäre ein Meteorit mitten vor ihrem Haus gelandet.
»Okay. Landon wird bald vom Flughafen kommen. Willst du mit uns zu Abend essen? All meine Geschwister werden kommen.« Sie lächelte warm. Val war eine ungewöhnliche Auftraggeberin. Auf die bestmögliche Art ungewöhnlich. Vor ein paar Monaten hatte ich die Grünflächen um ihr Büro herum neu gestaltet, und das Endergebnis hatte ihr so gut gefallen, dass sie mir gleich den nächsten Auftrag erteilt hatte.
Val war freundlich und witzig, und ich war durchaus in Versuchung, ihre Einladung anzunehmen. Ich hatte ihre Schwester Lori und deren Sohn Milo bereits kennengelernt, und die beiden waren ebenfalls nett. Und letzten Freitag war ich hier gewesen, um ein paar Details des Projektes mit Val zu besprechen, und hatte einen Blick auf alle Geschwister erhascht – außer Landon, natürlich –, die zum Abendessen kamen. Es hatte gewirkt, als ständen sie sich alle sehr nahe.
Daheim gab es niemanden, der auf mich wartete, doch ich schüttelte trotzdem den Kopf. Ich wollte mich nicht aufdrängen.
»Das ist lieb, aber nein danke.«
»Schade.« Sie trommelte mit den Fingern auf den Tisch und sah dann auf ihrem Handy nach, wie spät es war. Die Aufregung war ihr deutlich anzusehen. Als das unverwechselbare Geräusch eines Autos, das vor dem Tor vorfuhr, an unsere Ohren drang, erhob Val sich von ihrem Stuhl und rutschte die glitschige Erde nach unten, sodass ihr dunkelbraunes Haar auf ihrem Rücken wippte. Das Haus stand oben auf einem Hügel, und das Eingangstor war ganz unten. Wenn ich mit dem Grundstück fertig war, würde es aussehen wie der Garten Eden. Nur schade, dass es ausgerechnet dann wie ein Schlachtfeld aussah, wenn ihr Bruder ankam.
Ich stand ebenfalls auf, während ich darüber nachdachte, wie ich mich am besten davonmachen konnte, um den beiden ein wenig Privatsphäre zu lassen. Letztendlich ging ich ins Haus. Ich hatte heute Morgen meine Handtasche und einen Satz Wechselkleidung im Flur gebunkert, und ich konnte auf dem Handy meine E-Mails checken, solange ich auf die Lieferung wartete. Auch wenn der Großteil von Landschaftsarchitektur harte Arbeit war, verbrachte ich doch jeden Tag ein oder zwei Stunden damit, Dinge zu organisieren oder Pläne für das nächste Projekt abzuschließen. Ich konzentrierte mich immer bloß auf einen Auftrag, aber für gewöhnlich entwarf ich nebenbei schon die Gestaltung des nächsten Projekts. Unglücklicherweise stellte ich fest, dass meinem Handy der Saft ausgegangen war. Der Akku musste den Geist aufgegeben haben, nachdem ich mit dem Lieferanten telefoniert hatte. Ich überlegte, ob ich mich bereits umziehen sollte, aber das hatte eigentlich keinen Sinn. Ich würde dabei helfen müssen, den Lastwagen zu entladen, und mir damit nur die saubere Kleidung wieder schmutzig machen.
Als ich erneut aus dem Haus trat, tauchten Val und ihr Bruder gerade am Ende des Hügels auf und … wow. Das war Landon Connor? Andererseits … als ich Vals Verwandte letzte Woche gesehen hatte, hatte ich mir schon gedacht, dass bei den Connors gutes Aussehen in der Familie lag.
Die Frauen waren groß, mit fein geschnittenen Gesichtern. Die Männer waren noch größer – über einen Meter achtzig – und alle äußerst attraktiv. Doch Landon gefiel mir mit Abstand am besten.
Was eventuell auch daran lag, dass er gerade einen Anzug trug. Nachdem ich draußen arbeitete, sah ich das andere Geschlecht überwiegend in Tanktops oder T-Shirts – und verschwitzt. Ich hatte eine echte Schwäche für Männer in Anzügen, besonders wenn ihnen der Anzug so gut stand wie Landon. Sein Haar war etwas dunkler als das von Valentina, aber scheinbar hatten sie die gleichen funkelnden grünen Augen. Beide blieben stehen, sobald sie mich sahen.
»Landon, das ist Maddie Jennings.«
»Du bist also dafür verantwortlich, dass ich das hier« – er machte eine Geste, die den gesamten Vorgarten einschloss – »nicht wiedererkenne.«
»Schuldig im Sinne der Anklage.«
Seine Mundwinkel hoben sich. O Mann, was für ein Lächeln! Plötzlich wünschte ich mir, ich hätte mich umgezogen. An meiner Jeans klebte Erde, und im Laufe des Tages hatte ich auch mein T-Shirt mit Dreck verschmiert. Mein blondes Haar hing in einem schlaffen Pferdeschwanz auf meinen Rücken. Nicht, dass ich Landon beeindrucken wollte, egal, wie unwiderstehlich sein Lächeln auch sein mochte oder wie umwerfend er aussah. Aber ich fühlte mich irgendwie seltsam neben seinem teuren Anzug und Vals schickem Bleistiftrock mit passender Bluse.
Val rammte ihm spielerisch den Ellbogen in die Seite. »Nun, wenn du mich vorgewarnt hättest, hätte ich Maddie sagen können, dass sie erst anfangen soll, nachdem du wieder abgefahren bist. Es gab …« Das Klingeln eines Telefons unterbrach sie. Es erklang aus dem Inneren des Hauses und brach nach zweimal Läuten wieder ab. Sie stöhnte. »Das könnte der Anruf des Zulieferers sein, auf den ich den ganzen Tag gewartet habe. Ich verspreche, dass es nicht lange dauern wird, aber ich muss ihn zurückrufen. Einer meiner Lavendellieferanten hat aufgegeben, und ich muss schnellstmöglich einen Ersatz finden.«
»Ich könnte ja mal meine Beziehungen spielen lassen und mich nach Lavendelproduzenten umhören …«, setzte Landon an, doch Val fiel ihm ins Wort.
»Landon Connor«, sie wedelte mit dem Zeigefinger vor seinem Gesicht herum, »du hast jetzt Urlaub! Du hast dir so lange nicht mehr freigenommen, dass du nicht einmal mehr weißt, was das überhaupt bedeutet. Du schaltest ab und hast Spaß, Arbeit ist nicht erlaubt.«
Landon zögerte keinen Moment. »Ich kann tun, was auch immer ich will.«
»Oh, wag es ja nicht, dich als älterer Bruder aufzuspielen. Ich bin deine Zwillingsschwester.«
Seine Lippen zuckten. »Ich bin eine Viertelstunde älter als du.«
Kopfschüttelnd drehte sie sich zu mir um. »Er scheint keinerlei Vorstellung davon zu haben, was Urlaub eigentlich bedeutet, daher braucht er unsere Hilfe. Er wird hier im Haus wohnen, also tu mir einen Gefallen und spiel meine Spionin. Wenn du ihn irgendwo in der Nähe seines Handys oder Laptops siehst, will ich das sofort erfahren.«
Ich fand das Geplänkel der Geschwister amüsant und wollte auch etwas dazu beitragen. »Aber du brauchst einen Lieferanten, und er hat Kontakte. Ich will ja nur sagen: Hätte ich einen Bruder, der so was für mich tun könnte, würde ich das Angebot nicht ablehnen.«
Landon stieß einen anerkennenden Pfiff aus.
Valentina starrte mich an. »Auf wessen Seite stehst du eigentlich?«
»Auf deiner«, antwortete ich aufgesetzt ernst. »Du unterschreibst die Schecks, die ich bekomme.«
»Ich gehe nun telefonieren.« Sie kniff drohend die Augen zusammen und verschwand dann im Haus.
Ein paar Sekunden später hörte ich, wie ein Lastwagen vor dem Tor hielt. »Und das dürfte meine Lieferung sein«, informierte ich Landon.
»Was für eine Lieferung?«
»Holzpfosten für die Terrassen. Um die Erde zu stabilisieren.«
»Wer entlädt sie?«
»Der Fahrer und ich. Die anderen Männer, die für mich arbeiten, haben bereits Feierabend gemacht.«
Landon deutete mit dem Kopf Richtung Tor. »Komm, ich werde dir helfen.«
Er zog sein Jackett aus, legte es auf den Holztisch und ging mit großen Schritten den Hang hinunter, bevor ich das Angebot ablehnen konnte. Auf dem Weg öffnete er die Knöpfe an seinen Ärmeln und rollte den Stoff bis zu den Ellbogen auf, sodass ich seine muskulösen Unterarme sehen konnte. Ich seufzte, dann schüttelte ich den Kopf. Ich stand auf Männer in Anzügen, aber bei Männern mit aufgerollten Ärmeln und starken Unterarmen war es wirklich um mich geschehen.
»Ich komme schon klar, Landon. Das ist mein Job. Entspann dich!«
Er lachte. »Lass uns eine Abmachung treffen. Du fängst am Montag an, für Val zu spionieren. Wenn ich jetzt mit anpacke, geht es schneller.«
In diesem Punkt konnte ich ihm kaum widersprechen. Ich öffnete das zweiflügelige Tor, damit der Fahrer den Lastwagen rückwärts in die Einfahrt setzen konnte. Danach stieg er aus.
»Hey, Maddie! Tut mir leid, dass ich zu spät komme. Der Verkehr war der reinste Albtraum.«
»Hi, Johnny!« Ich hatte bereits bei den letzten sechs Projekten mit ihm zusammengearbeitet, und er war jedes Mal zu spät gekommen. Doch seine Ware war hochwertig, und ich arbeitete gerne mit ortsansässigen, kleinen Firmen zusammen.
Landon schüttelte Johnny die Hand. »Landon Connor.«
Ich musste zugeben, dass dieser Mann mehr Autorität in diesen zwei Worten unterbrachte als die meisten Männer in einer ganzen Ansprache. Schon seine Körperhaltung zeugte von Selbstbewusstsein und Souveränität. Aber mir gefiel auch, dass er sich offensichtlich nicht zu fein für körperliche Arbeit war.
Trotzdem dauerte das Entladen eine ganze Weile, selbst mit Landons Hilfe. Mir wurde schnell klar, dass er offensichtlich regelmäßig trainierte, weil er keinerlei Probleme mit dem Gewicht der Pfähle zu haben schien. Als wir bei den letzten drei angekommen waren, ging Johnny zum Führerhaus, um die Papiere zu holen, die ich unterschreiben musste, um die Lieferung zu quittieren. Ich stand auf der Ladefläche und Landon davor, als ich plötzlich fühlte, wie etwas an meinem Fuß zerrte. Als ich den Blick senkte, verstand ich, dass mein Schnürsenkel sich geöffnet hatte und ein Ende unter einem Pfahl festhing. Ich riss meinen Fuß zurück, um den Senkel zu befreien, doch stattdessen verlor ich dabei das Gleichgewicht. Ein Schrei entkam meinen Lippen, als ich verstand, dass es nichts gab, woran ich mich festhalten konnte, um einen Sturz zu verhindern. Ich hatte am Rande der Ladefläche gestanden, was bedeutete, dass ich direkt auf den Boden zustürzte. Ich wedelte wild mit den Armen, meine Brust wurde eng, und meine Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. Mein Schnürsenkel löste sich mit einem leisen Knack, und ich fühlte, wie zwei starke Hände meine Schultern packten und so verhinderten, dass ich hinfiel. Ich stellte erst ein Bein auf festen Untergrund, dann das andere.
»O Gott.« Ich klammerte mich an Landon fest, als hinge mein Leben davon ab. Mein Atem ging keuchend, und ich stand immer noch unsicher auf den Beinen.
»Alles gut. Atme einfach tief durch«, sagte er.
Ich tat genau das. Ich kam mir ein wenig blöd vor, und zu allem Überfluss war mir auch noch wahnsinnig heiß. Letzteres kam wohl davon, dass Landon mich an seine Brust gezogen hatte, wie mir schnell klar wurde. Er roch nach Holz und noch etwas anderem. Einem unglaublich männlichen Duft. Landon sah in einer Mischung aus Sorge und Gelassenheit auf mich herunter, und ich schmolz unter seinem durchdringenden Blick ein wenig dahin. Es war eine Weile her, dass jemand außer meiner kleinen Schwester Grace sich Sorgen um mich gemacht hatte. Das Grün seiner Augen wirkte von Nahem betrachtet noch intensiver. Seine Arme um meinen Körper fühlten sich so unglaublich gut an, stark und verlässlich, dass es mich eine Weile kostete, mich aus seinem Halt zu lösen. Mein Gesicht brannte.
»Danke«, murmelte ich.
»Maddie! Was ist passiert?« Johnny trat um den Lkw herum und zerknüllte die Papiere in seiner Hand, als er sah, wie durcheinander ich war.
»Ich bin von der Ladefläche gefallen. Aber es geht mir gut. Mein Schnürsenkel hing unter einem Pfahl fest, und ich habe das Gleichgewicht verloren.«
Johnny wirkte trotz meiner beruhigenden Worte aufgeregt. »Geht es deinem Knöchel gut?«
»Alles prima. Lass uns fertig ausladen.«
»Johnny und ich werden das erledigen.« Landons Tonfall war höflich, hielt allerdings auch eine gewisse Befehlsgewalt. Ich nehme an, diese formelle Bestimmtheit hatte ihm in der Geschäftswelt immer gute Dienste geleistet, hatte aber für einen Moment das Bedürfnis, ihm zu widersprechen – einfach, um zu sehen, wie er auf diese Herausforderung reagieren würde. Ah, ich wurde streitlustig. Dieser Mann hatte einen seltsamen Effekt auf mich.
Doch mein Knöchel fühlte sich tatsächlich ein wenig komisch an, als ich ihn belastete, also beschloss ich, es nicht darauf ankommen zu lassen. Stattdessen unterschrieb ich die Papiere, die Johnny mir reichte. Außerdem beobachtete ich, wie Landon diese Muskeln anspannte, mit denen ich inzwischen aus nächster Nähe Bekanntschaft gemacht hatte, nachdem ich mein Gesicht dagegengepresst hatte. Diese definierten Hügel sahen selbst unter dem Hemd fantastisch aus.
Sobald alle Pfähle sicher auf dem Boden lagen, verabschiedete sich Johnny und fuhr den Lastwagen aus der Einfahrt. Ich schloss eilig das Tor. Aus irgendeinem Grund war ich mir unglaublich bewusst, dass ich nun mit Landon allein war. Wir standen in einem riesigen Garten, aber trotzdem fühlte ich mich, als herrsche eine seltsame Enge um mich.
»Ich werde mir jetzt meine Arbeitsklamotten ausziehen, kurz duschen und mich dann auf den Weg machen«, sagte ich.
Landon nickte, doch gleichzeitig huschte sein Blick zu meinem Knöchel. »Bist du dir sicher, dass du nicht zum Arzt gehen solltest? Du verziehst das Gesicht, wann immer du den Fuß belastest.«
Er war aufmerksam. Oder hatte er mich so genau beobachtet? Bei diesem Gedanken durchfuhr mich eine Hitzewelle. Als er den Blick hob, um mir in die Augen zu sehen, fühlte ich mich, als stünde ich in Flammen.
»Ich werde ihn kühlen, dann wird das schon. Keine Sorge.« Ich deutete Richtung Haus. »Wir sollten hochgehen, bevor Val ihren Anruf beendet und ihr klar wird, dass ich bereits am ersten Tag in meiner Spionagetätigkeit versagt habe.«
Landons Grinsen war ansteckend. »Wir haben uns doch darauf geeinigt, dass du erst Montag mit der Spionage anfängst.«
»Aber das weiß Val nicht, oder?« Ich hatte keine Ahnung, wieso ich mich in Landons Nähe so wohlfühlte. Ich hatte diesen Mann schließlich gerade erst kennengelernt. Aber vielleicht hatte ich das Gefühl, ihn seit einer Ewigkeit zu kennen, weil mir Val ja schon vertraut war.
»Du schaltest schnell, Maddie. Wir werden gut miteinander klarkommen.«
Ich stieg den Hügel zum Haus nach oben, langsamer als gewöhnlich und mit Landon hinter mir. Als mein angeschlagener Knöchel einmal nachgab, drückte Landon mir eine Hand an den Rücken, um mich zu stützen – und brachte damit meinen gesamten Körper zum Kribbeln.
Val hatte mich in dem Moment endgültig für sie eingenommen, als sie erklärt hatte, dass mein Team und ich nach der Arbeit eines der Bäder benutzen konnten, um zu duschen. In ihrem Bürogebäude hatte es kleine Badezimmer im Erdgeschoss gegeben. Und dann hatte sie uns hier dasselbe Angebot gemacht. Sie hatte betont, dass das Haus genügend Bäder besaß und wir sie damit in keiner Weise beeinträchtigten.
Ich ließ Landon auf der vorderen Veranda zurück, holte mir meinen Rucksack aus dem Eingangsflur und ging direkt unter die Dusche. Eine Viertelstunde später fühlte ich mich wie neugeboren. Ich trug ein knielanges rotes Baumwollkleid und schwarze Ballerinas. Ich verbrachte bei der Arbeit so viel Zeit in Jeans und ausgeleierten T-Shirts, dass meine Freizeitgarderobe inzwischen fast ausschließlich aus Kleidern bestand. Ich hatte mir auch die Haare ausgewaschen und sie geföhnt, sodass sie jetzt in lockeren Wellen auf meinen Rücken fielen.
Auf dem Weg durchs Haus hörte ich, dass Val immer noch telefonierte. Es ergab keinen Sinn zu warten, um mich zu verabschieden. Ich fand Landon auf der Veranda. Er trank gerade ein Glas von dem Eistee, den Val vorhin gemacht hatte, auch wenn die Eiswürfel darin längst geschmolzen waren.
Er riss die Augen auf, als er mich bemerkte, dann glitt sein Blick kurz über meinen Körper, bevor er mir eilig wieder ins Gesicht sah. Ich spürte ein kurzes Aufwallen von weiblichem Stolz und gratulierte mir selbst dafür, dass ich Lippenstift und Mascara aufgetragen hatte.
»Wir sehen uns Montag, Landon.«
»Willst du zum Abendessen bleiben? Die anderen sollten gleich kommen.«
Nun war es offiziell: Es war nicht Val alleine, sondern die Connors waren generell eine freundliche Familie. Und jetzt war ich sogar noch mehr in Versuchung als vorhin, wo Val mich dasselbe gefragt hatte. Irgendetwas an Landons tiefer Stimme ließ das Angebot noch verlockender wirken, noch heißer – und das hatte sicher auch etwas mit seinen sehnig-muskulösen Unterarmen zu tun, die dank seiner immer noch aufgerollten Ärmel nach wie vor sichtbar waren. Doch das war sein erster Abend zu Hause bei seiner Familie. Wenn ich Vals Begeisterung richtig gedeutet hatte, war er seit langer Zeit nicht mehr daheim gewesen. Da wollte ich nicht stören.
»Danke, aber ich kann nicht.«
»Dann sehen wir uns Montag.«
Er streckte mir die Hand entgegen. Ich fand es seltsam förmlich, dass er mir die Hand schütteln wollte, doch als ich meine kleine Hand in seine viel größere, festere schob, überraschte er mich, indem er sie an seinen Mund hob und mir einen Kuss auf die Knöchel drückte. Als seine Lippen meine Haut berührten, durchfuhr mich etwas wie ein elektrischer Schlag, und ich erschauerte. Im wahrsten Sinne des Wortes. Landon atmete scharf ein und musterte mich aus diesen atemberaubenden grünen Augen.
»Ich wünsche dir einen schönen Abend, Maddie.«
Ich nickte und ging, sobald er meine Finger freigegeben hatte.
Als ich zu Hause ankam, versuchte ich, mich auf die Projektpräsentation zu konzentrieren, die ich gerade vorbereitete. Ich war entschlossen, sie heute Abend fertigzustellen. Ich freute mich morgen auf einen Tag in Venice Beach mit meiner Schwester. Vielleicht würden wir auch nach Malibu in unser Lieblingsrestaurant fahren, um dort frischen Fisch zu essen. Die Aussicht auf ein gemütliches Wochenende hätte mich eigentlich in meiner Arbeit beflügeln sollen … doch ein gewisser attraktiver Mann drängte sich ständig wieder in meine Gedanken.
»Wo ist Maddie?«, fragte Val, als sie ein paar Minuten später in den Eingangsflur trat.
»Sie ist gerade gegangen. Wir wussten nicht, wie lange du noch telefonieren würdest.«
»Oh, okay. Was ist denn mit deinem Hemd passiert?«
Ich senkte den Blick und entdeckte ein paar Dreckflecken von den Pfählen.
»Ein kleiner Unfall. So was passiert, wenn das ganze Grundstück aussieht wie ein Minenfeld.«
Mir war auch ein Knopf abhandengekommen. Wahrscheinlich war er abgerissen, als Maddie gegen mich geknallt war. Mir war fast das Herz stehen geblieben, als ich sah, wie sie vom Lastwagen kippte. Sie hatte versucht, sich vor Johnny nichts anmerken zu lassen, aber ich wusste, dass sie ziemlich erschüttert gewesen war. Sie hatte an meinem Körper gezittert, als sie sich gegen mich gepresst hatte.
»Okay. Echt schade, dass Maddie nicht zum Abendessen bleiben konnte.«
»Ich habe sie auch noch einmal eingeladen, aber sie sah aus, als hätte sie Pläne.«
Val zog die Augenbrauen hoch. »Und wie sieht jemand aus, der Pläne hat?«
»Du weißt schon, herausgeputzt. Sie sah gut aus.«
Maddie in diesem roten Kleid, mit diesen roten Lippen, war ein toller Anblick gewesen.
»Halleluja!«, rief Val und presste die Hände zusammen, als wolle sie beten. Sie drückte die Finger ans Kinn und starrte in gespielter Demut an die Decke.
»Was soll das bitte bedeuten?«
»Du nimmst Frauen wahr.«
Ich stöhnte. »Können wir bitte erst zu Abend essen, bevor wir dieses Gespräch führen?«
Val kniff die Augen zusammen, als müsste sie über meinen Vorschlag nachdenken. »Nein, nein. Wir werden jetzt darüber reden. Harte Wahrheiten sind auf leeren Magen leichter zu schlucken.«
Ich lächelte. Meine Schwester hatte dieselbe Tendenz zu sinnlosen Redewendungen wie unser Vater. Diesen Spruch hatte er tatsächlich regelmäßig von sich gegeben.
»Du solltest wieder ausgehen«, erklärte sie mir.
»Zwerg, das Thema hatten wir doch schon.«
»Nenn mich nicht so.« Val zögerte, dann schob sie hinterher: »Seit Rachels Tod sind vier Jahre vergangen.«
»Dessen bin ich mir bewusst«, gab ich kühl zurück. »Wenn dir das passiert wäre, würde ich nicht ständig wieder damit anfangen.«
»Doch, würdest du. Das weiß ich einfach. Und ich würde mich wehren, genau wie du es tust … aber du würdest nicht lockerlassen. So wie ich nicht lockerlassen werde. Dafür hat man schließlich Familie.« Sie schnüffelte. »Willst du vor dem Abendessen noch duschen?«
»Ja. Ich bin überrascht, dass du das Thema so schnell fallen lässt.«
»Ich glaube, unser Essen verbrennt gerade, daher werde ich ein andermal darauf zurückkommen. Keine Sorge, ich werde warten, bis du einen Bourbon getrunken hast. Ich habe übrigens deine Lieblingsmarke gekauft. Mach es dir gemütlich. Ich werde mal nach dem Essen sehen.«
Ich joggte die Treppe nach oben und ging zu dem Raum, in dem Val mich gewöhnlich unterbrachte, wenn ich sie besuchte; ein Zimmer im hinteren Teil des Hauses. Durch das Fenster konnte ich sehen, dass der hintere Garten unberührt war – was bedeutete, dass nur der vordere Teil terrassiert werden sollte. Meine Gedanken wanderten erneut zu Maddie. Natürlich hatte ich sie bemerkt. Sie war mir sogar schon aufgefallen, bevor sie sich umgezogen hatte. Diese wunderschönen blauen Augen und die glatte Haut waren unmöglich zu übersehen. Außerdem gefiel mir ihr Sinn für Humor.
Egal, was Val vielleicht auch glaubte, ich war dem anderen Geschlecht gegenüber nicht blind. Doch als Rachel gestorben war, war ein Teil von mir mit ihr gestorben. Und es wäre nicht fair, einer Frau bloß das zu bieten, was von mir übrig geblieben war. Welche Frau wäre damit glücklich? Und ich konnte mich einfach nicht noch mal dem Risiko aussetzen, jemanden zu lieben und ihn dann zu verlieren. Ich hatte mich bewusst dagegen entschieden.
Ich duschte eilig. Als ich wieder nach unten kam, hatte sich bereits die ganze Familie versammelt.
Val saß im Schneidersitz auf der Couch und unterhielt sich mit unseren Schwestern Lori und Hailey. Meine Brüder Will und Jace standen in der Nähe des Esstisches, jeweils mit einem Drink in der Hand.
»Onkel Landon!«, rief Milo, als ich das Wohnzimmer betrat. Er rannte zu mir und schlang die Arme um meine Hüfte.
»Schau dich an. Du bist gewachsen, seitdem ich dich das letzte Mal gesehen habe.«
Milo trat zurück. Er wirkte stolz. »Ich bin jetzt ein junger Mann.«
Ich unterdrückte ein Lächeln. Er war dieses Jahr sechs geworden.
»Das bist du. Und nun lass mich meinen Bruder begrüßen, junger Mann«, sagte meine Schwester Lori. Sie drängte sich an ihrem Sohn vorbei und umarmte mich, wobei ein paar lose Haare ihrer langen blonden Mähne mich im Gesicht kitzelten.
Sobald sie mich wieder losgelassen hatte, streckte Will mir die Hand entgegen. »Das ist männlicher als eine Umarmung.«
»Genau. Außerdem haben wir dich nicht so sehr vermisst, dass es eine Umarmung wert wäre«, schaltete Jace sich ein und tat dabei so, als würde er sich schütteln. Gott, hatte ich die beiden vermisst.
Hailey verdrehte die Augen. »Nun, ich will eine Umarmung. Also geht mir aus dem Weg.«
Hailey war ein wenig kleiner als Lori und Val, doch sie drückte mich fest. Mit ihren dunkelbraunen Haaren und Augen kam sie nach Moms Seite der Familie.
»Onkel Landon, hast du mir was mitgebracht?«, fragte Milo, kaum dass Hailey mich losgelassen hatte.
»Natürlich habe ich das. Ohne Geschenke würde ich es gar nicht wagen, mich hier blicken zu lassen. Was für eine Art von Onkel wäre ich denn dann?«
Ich holte seine Geschenke aus dem Flur. Milo dabei zu beobachten, wie er das Papier aufriss, war so befriedigend wie immer. Ich liebte diesen Jungen.
»Wow!«, rief er und hob seinen Fußball in die Luft, damit alle ihn sehen konnten. »Danke, Onkel Landon. Ich verspreche, den hier werde ich nicht verlieren.«
Lachend gingen wir zum Tisch, wo Val stolz auf den gefüllten Truthahn zeigte. »Ich weiß, dass nicht Thanksgiving ist, aber mir war festlich zumute. Ich habe ihn nach Moms Rezept zubereitet.«
Jace rieb sich die Hände. »Val, ich will ehrlich sein. Ich kann mich nicht mal erinnern, wie der von Mom geschmeckt hat, aber dein Truthahn ist der beste. Ich musste mich erst von wohlmeinenden Leute vergiften lassen, um deine Kochkünste wirklich schätzen zu können.«
Jace war erst neun gewesen, als unsere Eltern gestorben waren. Jung genug, um sich kaum an Genaueres zu erinnern. Val und ich waren zehn Jahre älter. Wir hatten damals gerade unser Studium in Harvard begonnen. Unsere Eltern waren so stolz auf uns gewesen. Wir hatten beide ein Fußball-Stipendium erhalten, und unser Trainer hatte immer gesagt, dass wir sicher bald als Profis spielen würden.
Doch kurz vor Weihnachten in unserem ersten Studienjahr waren unsere Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Val und ich hatten alles stehen und liegen gelassen und waren sofort nach Hause zurückgekehrt. Uns war nicht einmal die Zeit vergönnt gewesen, unsere Eltern wirklich zu betrauern, weil uns schnell klar wurde, dass es niemanden außer uns gab, der unsere Geschwister großziehen konnte. Will war der Zweitälteste, doch er war trotzdem drei Jahre jünger als wir und damals noch nicht volljährig gewesen.
Mein Vater hatte einen Pub eröffnet, nachdem er aus Irland emigriert war. Davon hatte unsere Familie gelebt. Meine Mutter hatte selbst gemachte Kosmetika verkauft, die jedoch nie wirklich Profit abgeworfen hatten. Auf keinen Fall hätten Val und ich wieder nach Harvard gehen können. Wir hatten unsere Studienplätze aufgegeben und den Pub geführt, während wir gleichzeitig Kurse am örtlichen College belegt hatten. Doch am schwersten war es uns gefallen, unsere Geschwister großzuziehen und ihnen durch ihre Trauer zu helfen.
Manchmal sah ich sie an und konnte immer noch nicht glauben, dass sie alle erwachsen waren. Jace spielte Profifußball. Hailey war Unternehmensberaterin. Will war Detective bei der Polizei, und Lori führte eine erfolgreiche Eventagentur, die sich auf Hochzeiten spezialisiert hatte, während sie gleichzeitig alleine ihren Sohn großzog. Val war Chefin ihrer eigenen Kosmetik- und Parfümfirma.
Sobald Val und ich unseren College-Abschluss in der Tasche hatten, hatten wir den Pub aufgegeben und stattdessen feste Jobs angenommen – weil sowohl der Verdienst als auch die Arbeitszeiten besser waren. Damals hatte Val angefangen, mit der Idee zu spielen, Kosmetika herzustellen. Sie hatte Mom stets mit Begeisterung geholfen. Wir hatten das Unternehmen nebenbei aufgezogen, und schon nach drei Jahren warf es genug Geld ab, dass wir beide unsere Stellen kündigen und uns ganz auf unser Geschäft konzentrieren konnten. Meine Talente lagen eher in Richtung von Software-Entwicklung, aber ich hatte gerne mit Val zusammengearbeitet, also hatte ich in der Firma mitgeholfen, bis Val mich nicht mehr brauchte. Danach hatte ich mein eigenes Unternehmen gegründet – eine Softwarefirma, die den bargeldlosen Zahlungsverkehr revolutioniert hatte. Ungefähr zur selben Zeit hatte ich Rachel kennengelernt. Zusammen waren wir nach San José gezogen, damit ich am Puls der Zeit war, was die Software-Industrie betraf.
»Sag mal, stimmt das«, meinte Will, »dass du zwei ganze Wochen bleiben wirst? Val hat das behauptet … aber es besteht immer das Risiko, dass das nur Wunschdenken ist.«
»Ich bleibe zwei Wochen, also werde ich auch zum 4. Juli hier sein«, bestätigte ich. »Was bedeutet, dass ihr mich am Hals habt.«
Jace wedelte wegwerfend mit der Hand. »Pah. Val hat dich am Hals. Wir schauen bloß von Zeit zu Zeit zum Abendessen vorbei und nutzen ihre Kochkünste aus. Es macht dir doch nichts aus, von uns ausgenutzt zu werden, oder, Schwesterherz?«
Val deutete mit der Gabel auf ihn. »Solange du weiter Nachtisch mitbringst, geht das klar.«
Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf Milo. »Ich habe gehört, du hast Ferien, Milo. Hättest du gerne Fußballtraining?«
»Wirklich? Jeden Tag?«
Lori legte sanft eine Hand auf seinen Arm. »Nicht jeden Tag. Ich bin mir sicher, Onkel Landon hat auch noch andere Dinge vor.«
»Habe ich nicht«, antwortete ich ehrlich. »Wir werden sehen, wie es läuft, Kumpel, okay? Ich bin ein anspruchsvoller Trainer, also willst du vielleicht gar nicht jeden Tag kommen.«
»Will ich auf jeden Fall«, stieß Milo hervor.
Obwohl ich keine Profikarriere eingeschlagen hatte, war ich immer noch fußballbegeistert und spielte in San José jeden Sonntagvormittag. Jace trainierte regelmäßig mit Milo, aber der Junge liebte es auch, mit mir zu spielen.
»Nun«, sagte Hailey langsam, stemmte die Ellbogen auf den Tisch und richtete ihre mandelförmigen Augen auf mich, »bloß damit das klar ist: An den Wochenenden werde ich deine Zeit für mich beanspruchen, weil ich nur da in der Stadt bin.«
Als Unternehmensberaterin reiste Hailey von Montag bis Donnerstag zu ihren jeweiligen Auftraggebern und kam immer freitags nach L.A. zurück. Sowohl Val als auch ich versuchten ständig, Hailey dazu zu überreden, bei einem von uns in der Firma einzusteigen, aber bisher hatten wir damit keinen Erfolg gehabt. Jedes Mal, wenn wir das Thema ansprachen, erinnerte sie uns daran, dass wir jetzt, wo wir alle erwachsen waren, nicht mehr die großen Geschwister spielen mussten. Von wegen. Ich fühlte mich mit vierunddreißig genauso verantwortlich für sie wie damals mit neunzehn.
Hailey war schlau wie ein Fuchs, doch nach den langen Telefonaten, die wir geführt hatten, vermutete ich, dass ihre Anstrengungen nicht so gewürdigt wurden, wie sie es verdient hätte.
»Lori, wie läuft es so im Eventplaner-Geschäft?«, fragte ich, bevor ich aufmerksam ihrer Antwort lauschte, um herauszufinden, ob sie meine Hilfe brauchte – ob nun finanziell oder einfach, indem ich ihr Ideen lieferte. Ich war im Urlaub in L.A., aber das bedeutete nicht, dass ich nicht tun konnte, was ich am besten konnte: mich um meine Familie kümmern.
Das Abendessen zog sich bis nach Mitternacht. Wir lachten über alte Erinnerungen und zogen uns gegenseitig auf. Es fühlte sich gut an, zu Hause und von meiner Familie umgeben zu sein. In der Nähe von San José hatte ich ebenfalls Verwandte: die Bennetts, Cousins mütterlicherseits, die in San Francisco lebten. Sie hatten mich adoptiert, besonders an Feiertagen. Ich mochte es, Zeit mit ihnen zu verbringen, aber ich hatte meine Geschwister trotzdem vermisst.
Als wir die Runde schließlich auflösten und vom Tisch aufstanden, sagte Hailey: »Wenn du morgen noch keine Pläne hast, werde ich dir welche liefern. Wir wollen dich auf keinen Fall zu lange dir selbst überlassen. Du könntest in alte Gewohnheiten verfallen … wie arbeiten.«
Ich warf Val einen entnervten Blick zu. »Was hast du getan, Zwerg? Die gesamte Familie in Alarmbereitschaft versetzt?«
»Unterschätz mich nicht. Die gesamte Nachbarschaft. Plus Maddie. Ich habe sie gebeten, ein Auge auf ihn zu haben, während sie hier arbeitet«, informierte sie unsere Geschwister.
Lori klatschte in die Hände. »Gut.«
Ich sah erst Jace, dann Will an. »Hat einer von euch zufällig vor, mir beizustehen?«
Will tat so, als müsste er in Ruhe darüber nachdenken, und sagte schließlich: »Ich halte mich da lieber raus.«
»Ich mich auch. Du bist erledigt, Bruder«, meinte Jace.
In unserer Jugend hatten sich immer die Brüder gegen die Schwestern verbündet, doch jetzt spürte ich eine Verlagerung der Loyalitäten. Heute hieß es alle Connors gegen Landon, und ich hatte keine Chance.
Plötzlich hatte ich ein Bild von Maddie im Kopf, in diesem roten Kleid und ihrem Haar in offenen Locken um ihre Schultern. Sie hatte gezittert, als ich ihre Fingerknöchel geküsst hatte, sodass ich kaum dem Drang hatte widerstehen können, es noch einmal zu tun.
Wenn man bedachte, wie schnell sie mich heute in Bezug auf Vals Lieferanten unterstützt hatte, war ich mir absolut sicher, dass ich Maddie auf meine Seite ziehen konnte. Und ich freute mich schon darauf.
Ich liebte L.A. Ich liebte die endlosen Strände und die San Gabriel Mountains in der Ferne. Ich liebte es, dass man nur von einem Ende der Stadt zum anderen fahren musste, um das Gefühl zu haben, man hielte sich in einer ganz anderen Welt auf. Kosmopolitisch und stets im Wandel begriffen besaß L.A. ein echtes Eigenleben. Ich hatte mich rettungslos in alles verliebt, was die Stadt zu bieten hatte (inklusive gelegentlicher Sichtungen von Stars), seitdem ich hierhergezogen war.
Es gab natürlich auch Dinge, die ich an L.A. nicht mochte, wie den Verkehr oder die kleineren Vorfälle von Vandalismus – besonders, wenn ich mich um sechs Uhr morgens mit ihnen auseinandersetzen musste. Am Montagmorgen stellte ich fest, dass jemand meinem geliebten Chevy-Truck die Windschutzscheibe eingeschlagen hatte. Nachdem es in der Nähe meines Bungalows keine Parkmöglichkeiten gab, stellte ich meinen Wagen immer in einer Nebenstraße ab, in der zwei Straßenlaternen zerstört worden waren. Ich nahm an, dass das Halbdunkel dort solchen Übergriffen Vorschub leistete. Ich entfernte so gut wie möglich die Glassplitter vom Fahrersitz, stieg ein und fuhr direkt zu meiner Werkstatt.
Der Mechaniker versuchte, mir einen kleinen Prius als Ersatzwagen schmackhaft zu machen, während der Truck in der Werkstatt stand, doch davon wollte ich nichts wissen.
»Lady, das ist keine Autovermietung. Sie bekommen, was wir haben.«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und starrte ihn unverwandt an. »Ich bin Landschaftsarchitektin. Ich transportiere oft große Gegenstände und brauche Platz für Werkzeuge und Pflanzen. Wenn Sie mir keinen Truck geben können, nehme ich meinen Chevy und suche mir eine andere Werkstatt.«
Das war ein Bluff. Ich brauchte einen größeren Wagen, aber eigentlich hatte ich keine Zeit, mir eine andere Werkstatt zu suchen. Letztendlich bekam ich, was ich wollte, und fuhr mit einem angeschlagenen, alten Truck mit klapperndem Getriebe davon.
Vierzig Minuten später kam ich bei Val an. Die Jungs, mit denen ich arbeitete, Sevi und Jacob, waren bereits da und hatten angefangen, die erste Terrasse anzulegen. Nachdem meine Firma eine One-Woman-Show war, heuerte ich Arbeiter jeweils nur projektweise an. Das war keine optimale Lösung, weil sie mich manchmal mittendrin sitzen ließen, doch mir fehlte momentan einfach noch das Geld für Festangestellte. Mit meinen überschüssigen Einnahmen finanzierte ich Grace ihr Jurastudium. Ich wollte nicht, dass sie nach dem Abschluss hoch verschuldet war.
Wenn alles nach Plan lief, konnte ich in achtzehn Monaten ein Vollzeitteam beschäftigen.
Aber ich war durchaus stolz darauf, wie schnell ich es auch als Einzelperson geschafft hatte, mir in der Branche einen Namen zu machen. Zwei Jahre in Folge hatte ich den Best Garden Award von einer der renommiertesten Designmagazine von L.A. gewonnen.
»Hey, Maddie«, begrüßten mich die beiden. Ich winkte, dann ging ich zum Haus, um wie gewöhnlich meinen Rucksack im Flur abzustellen.
»Guten Morgen! Wie geht es deinem Knöchel?« Ich zuckte zusammen, als Landons Stimme erklang. Er war durch die offene Eingangstür in den Flur getreten. Mein Gott, wie toll er aussah! Er trug eine Jogginghose und ein Shirt, das perfekt an seiner Brust anlag. Die kurzen Ärmel bestätigten, was ich am Freitag bereits vermutet hatte, als er mich an sich gedrückt hatte – seine Arme waren herrlich definiert. Dem dünnen Schweißfilm auf seiner Haut nach zu schließen, musste er gerade vom Laufen kommen.
»Morgen, Landon. Mein Knöchel ist so gut wie neu. Ist Val auch hier?«
»Ist schon aufgebrochen.«
»Oh, okay. Ich wollte erklären, warum ich zu spät dran bin. Jemand hat mir die Windschutzscheibe eingeschlagen, und ich musste erst zur Werkstatt.«
»Wie ist das passiert?«
Ich zuckte mit den Achseln. »Vandalen, nehme ich an.«
»Hast du bereits Anzeige bei der Polizei erstattet?«
»Nein, das dauert zu lange und führt gewöhnlich zu nichts.«
»Will ist Detective. Ich werde ihn anrufen und ihn bitten, sich darum zu kümmern.«
Ein warmes Gefühl breitete sich in meiner Brust aus. Ich lächelte zu ihm auf und erinnerte mich daran, wie er Val am Freitag seine Hilfe angeboten hatte. Landon Connor spielte gerne den Retter in der Not. Und mich sprach das total an. Nicht, dass ich eine Jungfrau in Nöten gewesen wäre. Ich musste nicht gerettet werden, ich konnte meine eigenen Kämpfe ausfechten. Aber es war gut zu wissen, dass die Ritterlichkeit noch nicht ganz aus der Welt verschwunden war.
»Danke, Landon, aber ich will nicht die Zeit deines Bruders verschwenden. Solche Taten werden normalerweise nicht aufgeklärt.«
Landon trat näher an mich heran. So nah, dass ich die Konturen seines Sixpacks sehen konnte. Ich zwang meinen Blick zu seinem Gesicht und betete, dass er auf wundersame Weise nicht bemerkt hatte, wo ich hingestarrt hatte. Landon sah mit einer Intensität auf mich herunter, die meinen gesamten Körper zum Kribbeln brachte.
Er musterte mich, bis ich mich regelrecht unter seinem Blick wand. »Passiert so was häufig?«
Die Sorge in seiner Stimme verstärkte noch meine Zuneigung.
»Wir sind in L.A. Mein Viertel ist okay, aber hin und wieder geschieht etwas in der Art. Keine große Sache.«
Sein Shirt wurde mit jeder Sekunde durchsichtiger, weil er weiterschwitzte. Gewöhnlich fand ich verschwitzte Männer nicht besonders sexy, aber alles an Landon zog mich an, selbst sein Geruch – ein sauberer, männlicher Duft mit einer Deo-Note.
Vielleicht verdrehte mir das Testosteron, das von ihm aufstieg, einfach die Sinne. Ich musste wirklich aufhören, ihn anzustarren. Als ich ihm wieder in die Augen sah, wurde mir klar, dass er mein Starren diesmal bemerkt hatte.
»Ich werde Will mal anrufen«, beharrte er.
»Du bist es nicht gewöhnt, dass man dir etwas verweigert, oder?«
Er grinste. »Ist das so offensichtlich?«
Ende der Leseprobe