Habgier - Angelika Friedemann - E-Book

Habgier E-Book

Angelika Friedemann

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Beschreibung

Sein Neuanfang in Bremen ist alles andere als geglückt. Er stößt überall nur auf Ablehnung. Kriminalhauptkommissar Daniel Briester und seine Abteilung hat es mit zwei Serienmördern zu tun. Alle Hinweise, Überprüfungen verlaufen im Sande. Ein Massen-Gen-Test könnte ihnen weiterhelfen, aber genau der wird von höherer Stelle abgelehnt. Privat will er seine Frau loswerden, schmiedet einen perfiden Plan und dabei gerät er immer tiefer in einen Strudel von Lügen, Hass, Neid, Eifersucht.

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Impressum

Angelika Friedemann

Habgier

*

Mitten in der Nacht klingelte das Telefon und er tastete schlaftrunken danach, meldete sich, verließ sein Schlafzimmer und hörte zu. „Ich komme gleich.“

Er duschte schnell, holte Kleidung.

„Dieses blöde Telefon. Ich habe keine Nacht meine Ruhe“, keifte seine Frau. „Welche deiner Gespielinnen will dich denn mitten in der Nacht sehen?“

„Du spinnst und halt den Mund. Ich hasse keifende Frauen. Verschwinde in dein Zimmer“, schloss er die Tür von außen. Er ließ den Schäferhund in den Garten und fuhr wenig später zu der angegebenen Adresse.

Alles war hell erleuchtet, Menschen tapsten herum.

„Moin! Wie ist er umgekommen?“

„Moin! Mit einem Stein erschlagen.“

Daniel Briester, Kriminalhauptkommissar hockte sich neben dem Opfer hinunter und schaute den Mann an. Bei dem unangenehmen Geruch rümpfte er ein wenig die Nase. Von dem Gesicht war nur ein stoppeliger Bart zu erkennen, der Rest war blutverschmiert. An der Stirn klaffte eine große Wunde. Er trug einen schmutzigen hellen Mantel, der zu groß schien, darunter an einen dicken Pullover, dazu Jeans, die vor Schmutz nur so strotzte und ausgetretene Turnschuhe, die wahrscheinlich früher weiß gewesen waren. Der eine Schnürsenkel war durch eine Kordel ersetzt worden.

„Hat er Papiere?“

„Nein, ein Feuerzeug, ein bisschen Kleingeld, Zigaretten, drei Knöpfe.“ Armin Hertzog blickte kurz zu ihm hoch, während er eine Plastiktüte über die linke Hand des Toten stülpte. Die Fingernägel kurz, aber voller Schmutz, stellte Daniel fest. „Drei Knöpfe?“

„Ja, nicht mehr. Wollte vielleicht nähen lernen?“

„Witzig. Hatte er Nadel und Faden dabei? Liegt sonst nichts von ihm herum?“

„Bisher noch nichts gefunden. Klaas und seine Leute suchen.“

„Wann ist es passiert?“

„Ein-zwei Stunden. Er ist noch warm. Sieh dir die Wunde an.“

„Wer hat ihn gefunden?“

„Die Streife bei ihrer Tour. Sie dachten erst, er sei nur betrunken. Er war nicht ansprechbar, da haben sie ihn gerüttelt, gedreht. Er lag mit dem Gesicht auf den Platten.“

„Wie das? Wenn ich ihn mit dem Stein dermaßen verletzte, fällt er entweder gegen mich, seitlich oder nach hinten?“

„Wenn du schnell bist, fliegt er an dir vorbei.“

„Witzig! Bewegt hat man ihn vorher nicht? Ist das sicher?“

„Siehst du irgendwo Blut?“

„Armin, man kann ihn im Liegen erschlagen haben, danach hat man ihn herum gerollt und dass mitgenommen, auf dem er gelegen hat?“

„Gut, allerdings muss er dann eine Weile neben dem Toten gewartet haben, bis es aufhörte zu bluten. Die Unterlage muss zudem wasserdicht gewesen sein. Müsst ihr warten, was die Kollegen finden.“

Daniel erhob sich. „Komisch, was hat er um diese Uhrzeit hier gemacht? Sie haben ihre festen Plätze, wo sie übernachten. Es hat bis vor wenigen Minuten geregnet.“

„Möglicherweise wollte er sich waschen. Gebraucht hätte er es.“

„Armin, du hast heute einen besonders guten Tag, wie ich höre.“

„Logisch, wenn ich nachts geholt werde, besonders noch zum Wochenende. Am Samstagmorgen habe ich mehr auf andere Sachen Lust, als Tote aufzuschnippeln. Erika übrigens ebenfalls.“

Daniel grinste. „Auf was?“

„Du bist zu neugierig, kümmere dich um deine Leiche. Ich frage dich ja auch nicht, ob du morgens auf etwas anderes Lust hast.“ Die grauen Augen funkelten nun belustigt.

„Ich habe keine Lust mehr. Wieso sind seine Klamotten trocken? Er kann ergo nicht hier vorher herumgehangen haben.“

„Im Hauseingang. Glaub ich aber nicht. Selbst durch den Regen müssten noch Blutspuren da sein. Du weißt, gerade Kopfwunden bluten stark.“

„Man hat ihn nach der Tat hier abgelegt. Nur, das kann noch nicht so lange her sein.“

„Du fängst zu denken an, trotz der frühen Stunde.“

„Wenn ich deinen Bericht habe, kümmere ich mich um den Mann. Bis dann.“ Er drehte sich weg und ging zu Klaas Hollweg, dem Kriminaltechniker.

„Moin! Und?“

„Moin! Bisher nichts gefunden. Entdeckt haben wir zwei Zigarettenkippen, zehn Meter entfernt eine Bierflasche und da vorn einen Hundehaufen. Ende.“

„Keinen Stein? Keine Klamotten oder was sie so mit sich herumschleppen?“

„Nein, nichts. Keine Plastiktüten. Wir haben den weiteren Umkreis durchforstet, aber nichts. Entweder hat das einer seiner Kumpels geklaut oder er hat es irgendwo deponiert. Steine ebenfalls Fehlanzeige.“

„Merkwürdig! Das bei diesen Temperaturen? Es sind nachts höchstens sechs, sieben Grad.“

„Sechs Komma drei Grad haben wir gemessen. Wie geht es Christina?“

„Besser. Montag ist sie zurück und nervt euch. War nur eine Zerrung. Ist nirgends Blut zu finden?“

„Wir suchen vom Straßenrand bis zur Hauswand alles ab. Sieht allerdings nicht so aus.“

„Hat man ihn hier abgelegt und woanders ermordet.“

„Wahrscheinlich liegen dort seine Plünnen.“

Er schlenderte weiter zu den beiden Streifenpolizisten, weil er wissen wollte, wann sie das letzte Mal an der Stelle vorbeigekommen waren. Das war Stunden her, berichtete man ihm.

Eine halbe Stunde darauf fuhr er nach Hause, kochte Kaffee. Wenig später hörte er oben die Kinder. Er zog sie an, wickelte erst Roman, der sich allein anziehen wollte und heftig gegen die Hilfe seines Vaters protestierte. Er ließ ihm seinen Willen, reichte ihm die Hose und den Pulli. Er wusste, dass der ein Jahr ältere Julian seinem kleinen Bruder helfen würde. Die beiden Jungen erschienen ihm zuweilen wie Zwillinge. Seine Tochter wurde ebenfalls gewickelt, danach brachte er diese zu Jana, die heftig meckerte, weil er sie weckte.

„Soll meine Tochter deswegen verhungern, weil du nur pennst oder dich ausruhen musst? Sie ist vier Wochen alt und du faules Stück kümmerst dich um nichts.“ Vernehmlich schloss er die Tür, frühstückte mit den Jungen und verließ mit den beiden das Haus. Sie freuten sich, da sie die Pferde liebten. Laut rufend rannten sie in den Stall zu den Ponys.

„Roman, nicht so schnell“, rief er dem Knirps nach, der auf dem Po saß. Er war in seiner ganzen Entwicklung zu weit voraus. Der Kinderarzt hatte ihn erst vergangene Woche genauer untersucht und nichts festgestellt. Er sah die Fortschritte von Roman mit Besorgnis. Er eifert in allem seinen Bruder nach, hatte Doktor Simon das erklärt. Er beobachtete die Jungs, da Julian seinem Bruder gerade beim Aufstehen half. Roman hatte seine Beine zum Laufen entdeckt und er wollte so schnell rennen, wie Julian und folglich fiel er ständig hin. Gut nur, dass oftmals die Windel den Aufprall milderte.

„Oman se“, hörte er den Zwerg rufen.

Daniel grinste, wandte sich Mike Hertleg zu, der dort als Pfleger und Betreuer arbeitete.

„Wenn man Roman sieht, denkt man nicht, dass er erst elf Monate ist.“

„Das habe ich gerade gedacht. Moin, Herr Hertleg!“

Wotan stürmte davon, da sich das Tor öffnete. Julian rannte vorneweg, Daniel mit Roman auf dem Arm folgte langsamer.

„Mama, Mama, bin heute mit Papa auf dem großen Pferd gereitet“, sprudelte Julian heraus, sah zu der fremden Frau. „Moin!“

„Oma au“, meldete sich Roman, während Daniel etwas verblüfft zu seiner Tochter blickte. „Daniela, was machst du hier? Das ist also meine Frau. Meine beiden Söhne Julian und Roman hast du gerade gehört und das“, er deutete auf das kleine Bündel, „ist meine kleine wunderschöne, süße Chiara. Warum schreist du so, Prinzessin? Bist du noch nicht satt? Gehen wir hinein. Julian, ordentlich die Hände waschen. Ich komme gleich.“ Roman zappelte auf seinem Arm, wollte unbedingt hinunter. „Oma au.“

Er stellte den Knirps auf seine kurzen Beine und gleich wackelte er los. „Langsam, sonst fäll...“ Plumps - lag er. Julian eilte zurück und zog seinen Bruder hoch, mit ihm an der Hand ging es langsamer ins Haus.

„Daniela, setz dich. Ich muss mich nur schnell umziehen und den Jungs helfen.“

Diese blickte sich kurz um, musterte grinsend Jana. „Das Haus meines Vaters ist hübsch. Meine Mutter kommt und wir gehen mit ihm Essen.“

Jana holte aus der Küche die Flasche und gab sie ihrer Tochter, setzte sich hin.

„Na Papa, freust du dich? Mama kommt gleich. Wir wollten den Nachmittag mit dir verbringen, weil du ja sonst so viel zu tun hast. Heute Mittag wollten wir drei essen gehen. Eben ein richtiger Familientag“, zwinkerte sie ihm zu.

„Daniela, das geht nicht. Du hättest mich vorher fragen sollen.“

Roman und Julian kamen angerannt. „Papa, komm, wir wollen Fußball spielen.“

„Gleich! Geht bitte hinaus. Roman, langsam!“ Zu spät! Er saß auf seinem Po und Daniela half ihm aufstehen.

„Och, das ist ja so schade. Ich hatte mich so darauf gefreut und Mama wollte sich extra für dich schick anziehen. Ich sehe dich so selten.“

Daniel blickte zu Jana, die Chiara hochhob und den Raum verließ. „Papa, zeigst du uns dein Haus? Wir möchten es gern sehen. Das ist groß. Wenn ich da an unsere kleine Wohnung denke.“ Es klingelte.

Jana hastete nach oben und er seufzte leise. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass es Ärger geben würde.

„Na, wo sind deine Gespielinnen?“, rief sie ihm höhnisch zu, als sie eine halbe Stunde später heraustrat.

„Meine Tochter und ihre Mutter sind gegangen. Können wir essen? Die Jungen müssen ins Bett.“

„Ich bin nicht deine Köchin. Mach dir etwas, wenn du Hunger hast. Ich will wenigstens am Wochenende freihaben. Ist ja genug im Kühlschrank, da ich gestern einkaufen war. Du machst es ja nicht. Logisch, deine Zeit verbringst du lieber mit deiner Geliebten. Ich werde Chiara nicht mehr stillen, damit du lernst, dass du dich um die Kinder kümmern musst. Kommt dieses Weib nochmals in unser Haus, lernst du mich kennen.“

„Das Haus gehört mir. Julian, Roman, wir fahren Essen.“

Die Jungen jubelten laut.

„Ihr müsst warten, da ich mich umziehen muss.“

„Du bleibst hier. Ich lass mir von dir nicht den Appetit verderben. Der Kühlschrank ist voll, da ich genug Geld für deine Gelüste ausgebe, oder ist der Kaviar alle?“

Wenig später verließ er das Grundstück und er erschien erst am Abend.

„Hast du meine Kinder etwa mit zu deiner Geliebten genommen? Das hat ein Nachspiel. Ich werde meinen Anwalt anrufen, damit er dich verklagt. So etwas lasse ich mir nicht gefallen. Du belügst und betrügst mich ständig. Ich habe drei Kinder und du wirst mein Haus verlassen. Dafür sorge ich. Pack deinen Krempel und verschwinde, aber schnell.“

Roman begann zu weinen und Daniel hob ihn auf den Arm, redete beruhigend auf ihn ein. „Julian, gehen wir hoch“, entschied er.

„Du bleibst gefälligst, wenn ...“

„Gehen wir hoch.“

Er schloss von außen die Kinderzimmertür, sprang die Treppe hinunter, zog Jana am Arm aus dem Haus. „Verschwinde, du Irre. Grüß meinen Bruder oder einen deiner anderen Kerle, wenn du billige Prostituierte ihn vögelst.“ Er ergriff ihre Handtasche und warf sie ihr hinterher, schloss die Tür ab und schaltete die Klingel aus.

Im Kinderzimmer spielte er mit den Jungen, um sie abzulenken. Er badete sie, brachte sie in das Bett und versorgte Chiara.

*

Oberkommissar Helmut Wasgen betrat das Büro. „Bei dem toten Obdachlosen handelt es sich um einen Ulrich Müller, 57, geschieden, zwei Kinder, lebt seit drei Jahren auf der Straße. Wir haben vier Kumpels von ihm ausfindig gemacht. Keiner weiß allerdings etwas über dessen Tod, behaupten sie zumindest.“

„Nach einem Alibi brauche ich wohl nicht fragen?“

„Sie waren alle zusammen in einem Neubau, haben da gesoffen und gepennt.“

„Sonst etwas?“

„Ja, sie sagen, Ulrich hätte öfter mit Ladenbesitzern Stress gehabt, weil er vor der Tür gebettelt hätte.“

„Müsst ihr die Ladeninhaber befragen. Vermutlich hatte einer genug und hat ein wenig nachgeholfen. Ist der Bericht vom KTI noch nicht da?“

„Nein, noch nichts, den Obduktionsbericht holt Stefan gerade ab.“

„Hat sich Thomas wegen dem Messer gemeldet?“

„Nein, nichts. Barbara recherchiert deswegen noch im Internet. Ich habe vorhin aber mit dem behandelnden Arzt gesprochen, morgen ist er vernehmungsfähig, falls nichts Außergewöhnliches passiert. Er hat Glück gehabt. Einige Zentimeter höher und Exitus.“

„Mach du das. Ich habe morgen einen Termin bei Doktor Kringst. Wohnt seine Familie hier? Ich meine von dem Müller.“

„Ja, ich fahre da nachher hin. Die Frau arbeitet als Bürokraft, der Sohn wohnt mit Frau und Tochter in Bremerhaven, der andere Sohn um die Ecke.“

„Na gut, warten wir, was dabei herauskommt. Halte mich auf dem Laufenden.“

Als er allein war, lehnte er sich im Stuhl zurück, dachte an den Anruf seines Vaters. Er kannte die Worte von ihm inzwischen auswendig. Zwanzig Jahre hatte er ein einigermaßen gutes Verhältnis zu seiner Familie gehabt. Seit er mit Jana verheiratet war, bröckelte es von Jahr zu Jahr mehr und heute war davon nichts mehr vorhanden. Es war genauso schlimm, wie in seiner Kindheit. Es klopfte und er nahm den Obduktionsbericht entgegen. Die Arbeit rief und lenkte ihn ab.

Ulrich Müller war mit einem Pflasterstein erschlagen worden. Zweimal hatte der Täter damit zugeschlagen und den Gesichtsschädel auf der linken Seite zertrümmert. Stirnbein, Stirnhöhle, Scheitelbein und Tränenbein waren betroffen. Dem Berstungsbruch war ein Zertrümmerungsbruch gefolgt. Von dem Zentrum der einwirkenden Gewalt hatten sich Fissuren nach ...

Knochensplitter waren in das Gehirn gedrungen ...

Das Telefon vibrierte. Sein Großvater. Er lehnte sich zurück und hörte dem alten Mann amüsiert zu, da er sich gerade lautstark äußerte. Erich Briester war mit seinen 84 Jahren ein rüstiger Mann, der zwar meistens die Ruhe selber war, nur man durfte ihn nicht reizen, da wurde er zu einem rasenden Stier. So ein Moment war gerade.

„Opa, reg dich nicht auf. Ich kann sagen und tun, was ich will, es ist generell verkehrt und weder mein Vater noch mein Bruder hören mir zu oder glauben ein Wort von dem, was ich sage. Du weißt es doch.“

„Ja, würde ich gern, aber ich möchte meine Kinder nicht verlieren und dass würde zwangsläufig passieren. Jana hat eben als Frau die besseren Karten und du weißt, Torsten ist ein guter Rechtsanwalt.“

„Ja, er vertritt sie, weil ich so böse bin und man die arme Frau vor mir schützen muss. Sie wollen an mein Haus, da Jana mit den Kindern irgendwo wohnen muss. Jedenfalls haben sie am Telefon so darüber gesprochen. Ich mache gute Miene und sehe so wenigstens die Kinder.“

„Ja, und grüß Oma.“ Nachdenklich legte er auf, widmete sich dem Bericht, den er nun vollständig durchlas. Erst fast am Ende fand er das einzige Interessante. Man hatte Hautpartikel unter zwei Fingernägeln gefunden, die DNA-Analyse würde folgen.

Das bedeutete, dass man von allen eine Speichelprobe benötigte. Er griff zum Telefon und informierte die Kollegen darüber, den Bericht brachte er nach vorn in das Büro und dort besprach man das weitere Vorgehen.

Daniel und Daniela saßen im Wohnzimmer.

„Jana, da bist du ja.“

„Hallo!“, grüßte Jana, die langsam die Treppe herunter schritt.

Er hatte für sie bereits die Gläser gefüllt, und einige Häppchen fehlten, die Jana zubereitet hatte. Er reichte ihr ein Glas.

„Hei Jana! Schau mal, was mir Papa gekauft hat. Ein vorgezogenes Geburtstagsgeschenk.“

Sie hielt das dunkelviolette Kleid an.

„Keine Figur und solche Klamotten tragen wollen. Es sieht billig aus, aber da passt es besser zu dieser Person“, stellte sie schnippisch fest.

„Das musst du gerade sagen. Ist dein Spiegel kaputt? Du hast fünfzehn Kilo zu viel, hast keine Figur, watschelst herum wie eine unförmige Ente, aber wie heißt es so treffend. Eeten, freeten, drinken suupen - langsam goan und feste pupen - dat sett an.“

„Du ... du ...“, schnappte Jana entrüstet nach Luft, drehte sich um, holte aus der Praxis ihre Handtasche, schloss ab und rannte hinaus.

„Warum ist sie sauer?“

„Vergiss es einfach. Lässt du mich allein. Ich bin müde.“

„Na gut, wenn du das willst. Sie ist ja sowieso fort.“ Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und verließ das Haus.

Daniel seufzte verstohlen auf. Tag für Tag dasselbe Theater. Er trank das Glas aus, schüttete nach, erhob sich und blickte aus dem Fenster.

Der Garten sah trist aus, Bäume und Sträucher ohne Laub. Der Winter war noch nie eine Jahreszeit gewesen, die er besonders möchte. Anthrazitgraue Wolken zogen am Himmel schnell vorüber, überdeckten damit das wunderschöne Farbenspiel am Himmel. Verschiedene Lila-, Lavendel-, ja sogar Rosatöne zeigen sich dort, wo die Sonne im Begriff war, sich für heute zu verabschieden. Es glich einem wunderschönen Farbenrausch von einer außergewöhnlichen Schönheit. Dieses Himmelsfeuer vertiefte sich mit jeder Sekunde. Manche der schiefergrauen Wolken schienen von einem Kranz scharlachrot umgeben zu sein, während kleinere, hellere fast wie mit Messing bedeckt glühten. Die Sonne versank schnell und den Himmel überzogen die Blautöne der anbrechenden Nacht. Daniel kam es so vor, als wenn er noch nie so etwas Schönes gesehen hatte. Es war wie ein Zeichen für eine verheißungsvolle Zukunft.

Er fuhr zu seinen Eltern, holte die Kinder ab. Wenigstens begegnete er seinem Vater nicht, aber seine Mutter nervte mit ihrem Gejammer. Seit sein Vater angeblich die Scheidung eingereicht hatte, hörte er kontinuierlich dasselbe. Dass der allerdings eine Scheidung wollte, glaubte niemand. Seine Eltern waren fast vierzig Jahre verheiratet und sein Vater hatte permanent Affären gehabt. Sigrid ignorierte deswegen die Aufforderung, sein Haus zu verlassen, nur Heinz hatte vor Monaten Räumungsklage beantragt und nun hatte man ihr per Beschluss mitgeteilt, dass sie ausziehen musste. Das veranlasste sie sofort zu neuen Hasstiraden und reichlich Tränen.

*

Erstaunt erblickte er, dass Jana bereits aufgestanden war. „Moin!“

„Darf ich fragen, wer den Saustall aufräumt?“, blaffte sie.

„Für was haben wir eine Hausangestellte?“

„So nicht Daniel.“

„Daniela kam zufällig vorbei und da kann ich sie ja schlecht sofort hinauswerfen. Sie ist kurz nach dir gegangen.“

„Ach ja?“

„Sie ist meine Tochter und möchte mich ab und zu sehen und ich sie.“

„Aha!“

„Was ist daran so schlimm?“

„Wenn du es nicht merkst, warum darüber reden? Nein, Daniel, ich will das nicht mehr und damit Ende der Diskussion. Du wohnst nicht allein. Wenn du deine Geliebte bei dir haben willst, such euch gefälligst eine Wohnung. Kann sie ja mit einziehen. Mich entschuldigst du, da ich mich um meine Kinder kümmern muss und noch etwas, sage deiner Daniela, sie soll den Sauhaufen aufräumen. Ich bezahle Maria und die wird nicht die Spuren eures schönen Abends beseitigen. Sie hat genug anderes zu tun.“

„Du bist völlig verrückt. Warum spielst du die Eingeschnappte? Du bist abgehauen und es gibt keinen Saustall, außer dass dort zwei Sektgläser stehen.“

„Du kapierst nichts und Daniel, ich will das von deinem Geld bezahlt bekommen. So blöde, dass ich noch euer Liebesdinner bezahle, bin ich nicht. Ich rechne es nachher aus.“

„Du spinnst, da ich generell alles in diesem Haus zahle. Du hast kein Einkommen, weil du den halben Tag pennst. Du hast noch nie einen Cent in deinem Leben mit Arbeit verdient, nur als Dirne bist du zu Geld gekommen, damit du nicht in der Gosse landest. Spiel dich nicht auf, du dumme, arrogante, eingebildete Angeberin. Ich muss los, da oben ein kleines Baby schreit, und die faule Mutter kümmert sich um nichts. Zu faul, ihre Tochter zu stillen.“

Er ließ sie stehen und sprang die Treppe hoch, wo er nach und nach die Kinder wickelte, anzog und Chiara zu Jana brachte, die herummeckerte, weil sie stillen sollte.

„Du wirst ja wohl unsere Tochter stillen können. Du machst sonst den ganzen Tag nichts, außer einkaufen, Fernsehgucken und poppen. Selbst als Zahnärztin bist du eine Niete, hast keine Patienten. Apropos, da du ja so intelligent bist, solltest du wissen, dass eine Mutter die stillt, nicht ständig saufen sollte. Du bist das Letzte. Jana, wenn es dir nicht passt, hau ab. Ich halte dich bestimmt nicht auf. Wo willst du total verarmte, kriminelle, mehrfach vorbestrafte Dirne hin? Hast nichts, bist nichts, nur deswegen muss man dich ertragen. So war es bei Doktor Frieser. Kein Dach über dem Kopf, nur Schulden und dafür, dass er dich aufgenommen hat, musste er sterben. Du bist Abschaum!“

Er nahm Julian mit, brachte ihn zum Kindergarten, da rief ihn Helmut an. Er hörte zu und wenig später fuhr er Richtung Gröpelingen.

Zwei Polizeiwagen parkten bereits neben dem Wagen von Doktor Christina Greinet vom Kriminaltechnischen Institut. Sie gab lautstark Anweisungen. Er nickte Hauptkommissar Heiner Christensen zu, der an der Seite stand und mit einem älteren Herrn sprach. Ein Dalmatiner lag neben seinen Füßen, schien zu schlafen. Er begrüßte Christina. „Ist Armin noch nicht da?“

„Er kommt nicht, sondern Franz. Müsste jeden Moment eintreffen. Klaas, hast du die Leiche fotografiert?“

Der nickte und Daniel trat näher, sah das junge Mädchen an. Dass Gesicht bereits aufgedunsen, aber sie schien generell etwas dicklich gewesen zu sein. Die Augen weit geöffnet. Am Hals Strangulierungsmerkmals, aber nichts, was diese verursacht haben könnten. Ein kurzer Rock, eine halb offene Bluse, Jeansjacke und dass bei Temperaturen um die zehn Grad, wunderte er sich. Keine Handtasche stellte er fest. Er beugte sich hinab, griff in die Taschen der Jacke, aber keine Papiere.

„Moin, allerseits!“

Daniel erhob sich und begrüßte Doktor Franzens. „Moin, Franz!“

Der hockte sich hinab und nun begann die übliche Untersuchung.

Daniel wandte sich ab. „Christina, lass die Umgebung absuchen, besonders das Gebüsch. Sie hat keine Tasche bei, keine Schlüssel, nichts. Unter Umständen findet ihr etwas, womit man sie erdrosselt hat.“

„Moritz, du hast es gehört. Nun wissen wir wenigsten, was wir erledigen sollen“, äußerte sie sich bissig. „Wir haben vorn am Wegrand Reifenspuren gesichert. Denkbar wurde sie nicht hier ermordet?“

„Doch wurde sie. Deutet daraufhin“, meldete sich der Gerichtsmediziner, dessen Gesicht nun eine leichte Röte überzog. So war es immer, wenn er sich zu Wort meldete. Sein Chef, Armin Hertzog, hatte einmal gesagt, er ist ein hervorragender Pathologe. Nur muss er mit Leuten sprechen, bekommt er kaum ein Wort heraus. Schüchtern, denke ich.

„Unter ihren Fingernägeln Spuren von Moos, Erdreste. Hat sich bewegt, gewehrt anscheinend.“

„Weißt du ungefähr, wie lange sie da liegt?“

„Zwei Tage, vermutlich länger. Ihr Slip fehlt, Vergewaltigung nicht ausgeschlossen.“ Die Röte in seinem Gesicht hatte sich verstärkt, dass ein besonderer Kontrast zu seinen blonden längeren Haaren war. Während ihn Daniel betrachtete, dachte er, er sieht gut aus. Warum hat er diese Probleme?

„Wenn wir Glück haben, bekommen wir eine DNA.“

„Muss nicht. Es gibt Kondome.“

Wenn ich das nicht wüsste, sie liegen sogar bei mir im Schlafzimmer herum, dachte er. Nein, über sein Eheproblem wollte er nicht nachdenken. Heiner schritt auf sie zu. „Willst du noch mit dem Mann sprechen?“

„War etwas Besonderes?“

„Nein, sein Hund hat sie gefunden und er hat angerufen. Er geht oftmals morgens mit dem Hund spazieren, da er ihn frei laufen lässt und der sich austoben kann.“

„Sonntag, Montag ist er aber nicht hier gewesen?“

„Nein, sein Auto war über das Wochenende in der Werkstatt, da sie ihn am Freitag nicht mehr reparieren konnten. Irgendein Teil wurde erst am Montagmittag geliefert. Liegt sie so lange da?“

„Ja. Lass ihn gehen.“

Heiner wandte sich um.

„Ach Heiner, hat er sie davor gesehen?“

„Nein.“

Daniel nickte, erblickte den Wagen, der die Tote abholen wollte. Er griff zum Handy und rief im Büro an, fragte nach einer vermissten jungen Frau, blond, um die zwanzig. Es gab keine Vermisste, auf die die Beschreibung hätte passen können.

Mittags rief ihn sein Opa an.

„Warte.“ Er zog den Block näher. „Den kenne ich.“

„Du meinst, besser als Torsten?“, grinste er.

„Ja, danke. Ich komme am Wochenende mit den Kindern. Grüß Oma.“

Er rief den Anwalt an und vereinbarte für Donnerstag einen Termin. Er musste sich informieren, wie er seine Kinder behielt. Er wollte diese nicht verlieren. Deswegen musste er die Scheidung vorher exakt planen und dazu benötigte er Informationen. Er seufzte kurz auf, versuchte sich auf seine Arbeit zu konzentrieren.

Im Regal suchte er nach der Akte einer Frau, die angeblich im Auftrag ihres Mannes von zwei Männern zusammengeschlagen worden war. Sie lag drei Wochen deswegen im Krankenhaus. Die zwei Männer hatte man nicht gefunden und dem Ehemann konnte man nichts nachweisen. Er reichte die Akte Thomas.

„Arbeit! Forscht da weiter nach. Damals waren einige Nachbarn des Paares über Wochen in Urlaub und konnten nicht befragt werden. Eventuell findet ihr dort etwas. Soviel ich gehört habe, hat sie die Scheidung inzwischen eingereicht und dass würde ihn eine Menge Geld kosten. Überprüfe, ob er eine Neue hat oder sie. Na ja, das Übliche eben. Wir müssen endlich Ergebnisse vorweisen. Ergo strengt euch einmal an.“

*

Helmut informierte ihn über den bereits vorliegenden ersten Obduktionsbericht. „Der Tod erfolgte durch Erdrosseln. Vermutlich wurde sie mit einem Schal umgebracht. Zuziehen, Sauerstoffmangel im Gehirn - Exitus. Keine Wunde. Innere Halsbefunde: Fraktur des Kehlkopfes, Einblutungen in die Halsweichteile, in die Kehlkopfmuskulatur, petechiale Blutungen an Bindehäute und der Mundschleimhaut lassen auf Gegenwehr schließen. Halsabriebe wurden festgestellt. Sie hat zahlreiche Druckstellen und Hämatome, besonders an den Oberarmen, am Handgelenk, die darauf schließen, dass sie noch zu Lebzeiten hart angefasst wurde. Ein Vaginalabstrich war negativ, aber die genaue Auswertung kommt später. Sie wurde vergewaltigt und vermutlich mehrmals, wie Franzens sagt. Kein verwertbares DNA-Material, keine verwertbaren Spuren. Unter den Fingernägeln jede Menge Schmutz. Daraus geht hervor, dass man an der Fundstelle vergewaltigt und anschließend ermordet hat. Es wurden Faserspuren von dunkelblauen Synthetikfasern gefunden. Sie passen nicht zu der Kleidung des Opfers, könnten daher vom Täter stammen. Das war es in Kurzform.“

Daniel nahm den Bericht entgegen. „Immer noch keine Vermisste, auf welche die Beschreibung zutreffen könnte?“

„Nein.“

„Geben wir sie für die Medien frei.“

„Thomas und Michael sind gerade zu einem Jörg Dirksen unterwegs. Sie bringen ihn zum Verhör her. Er ist der Bruder der Sekretärin. Vorstrafenregister wegen Körperverletzung in vier Fällen. Ein kleiner Nazi ist er noch.“

„Eventuell war er es. Ein Fall weniger und einer dieser gehirnamputierten Trottel. Hoffentlich verpfeift er seinen Mittäter. Hat sich etwas wegen dem Müller ergeben?“

„Noch nichts. Nun übertreibe nicht mit den abgeschlossenen Fällen. Die drei verdächtigen Ladenbesitzer haben alle ein Alibi. Wir brauchten die DNA, kommen aber so nicht an die heran. Alle blocken ab.“

„Was war bei den Müllers?“

„Sie waren geschockt, wussten angeblich nicht, dass er in Bremen lebte. Keiner hegte Groll, sagen sie. Das Thema wäre inzwischen abgehakt. Die Frau sagte, wenn sie es gewusst hätte, wäre sie zu ihm gegangen, um ihn nach Hause zu holen. Schöne heile Welt.“

„Weißt du, was ich merkwürdig finde? Wenn man die Familien von Opfern befragt, war alles rosarot und himmelblau. Der Mann haut ab, lässt sie mit drei Kindern allein und kein böses Wort. Nein, wir sind nicht sauer.“

„Wenn du tot bist, freuen sich die Erben, deswegen die heile Welt.“

„Mann, bist du ironisch. Ich frühstücke, reden wir danach. Weiß Doktor Kringst wegen diesem Dirksen Bescheid?“

„Der ist heute nicht anwesend, aber Hinrichsen. Er bearbeitet das.“

Daniel betrat sein Büro und sein morgendliches Ritual folgte, danach studierte er den Bericht aus der Gerichtsmedizin.

Weibliche Person, 166 cm, Alter schätzungsweise zwischen zwanzig und fünfundzwanzig, Gewicht 71 kg, gut gepflegter Allgemeinzustand.

Keine Operationsmerkmale ...

Risse im Vaginalbereich ...

Hämatome auf der Innenseite der Oberschenkel ...

Bekleidet war sie mit:

Jacke, Jeans, der Marke ... Farbe ... Größe ...

Rock, Leinen, der Marke ... Farbe ... Größe ...

Baumwollshirt der Marke ... Farbe ... Größe ...

Bluse der Marke ... Farbe ... Größe ...

Stiefeletten, Kunststoff, Marke ... Farbe ... Größe ...

Sie trug fünf Ringe, Silber ...

In den Jackentaschen ein Tempo (DNA wird erstellt)

Drei Bonbons, Marke ...

Auf dem Unterarm, rechts, Höhe ... Stempel vermutlich einer Diskothek. Er suchte das entsprechende Foto, das stark vergrößert worden war.

Er erhob sich und betrat das große Büro.

„Sage Doris, du kennst die Discos. Aus welchem Schuppen ist das?“ Er reichte ihr das Bild, was sie sich eine Weile anschaute, nannte ihm den Namen.

„War unsere Unbekannte also am Samstagabend in der Disco. Hören wir uns da um. Eventuell kennt sie dort jemand.“

„Jetzt brauchst du da nicht antanzen. Die schlafen alle noch.“

„Habe ich mir gedacht. Frage bei Brandt nach, ob der mehr über den Laden weiß, und suche mehr über den Besitzer heraus. Bringe mir die Unterlagen herüber.“

Am Schreibtisch sitzend, rief er Christina an, fragte nach dem Bericht und hörte, dass der bereits auf dem Weg sei. Kaum hatte er aufgelegt, da klopfte es und Barbara brachte ihm die Kladde.

Er überflog das Geschriebene.

Das Profil der Autoreifen könnte von einem Golf IV stammen. Vermutlich Modellreihe 1999-2000, Typ Generation, Radstand: ... Reifen: 205/55 ... Die Reifen weisen nur wenig Profil auf.

Vorderer, linker Reifen hat folgende Merkmale im Profil: Einkerbungen an der rechten Seite.

Vorderer, rechter Reifen ist zur linken Seite mehr abfahren, offenbar ein im Durchmesser 68 mm großes Metallteil (Nagel?) im Profil.

Daniel schaute die Fotos an.

Angaben zum Profilmuster

Schuhhersteller/Vertreiber/Modell/Typ

Nike ZOOM. Klassifizierung: Training/Freizeit, Sohle mit Profil vorne hochgezogen, Größe 45, Fußabdrücke von Sportschuhen wurden am Fundort der Leiche und neben dem vorn parkenden Auto sichergestellt. Profil noch gut erhalten. Schuhe vermutlich neuwertig. Modell erschien Oktober 2004 auf den Markt.

Er suchte Informationen zu dem Wagen und den Schuhen heraus.

Der Wagen wurde knapp 25.000 Mal verkauft. Musste zu finden sein.

Die Schuhe ein neueres Modell und nicht gerade billig. Davon waren noch nicht viele über den Ladentisch gewandert, mutmaßte er.

Etwas anderes fiel ihm ein und er ergriff den Stapel Akten. Die dritte Akte war es, die er suchte. Er schlug auf, las und rief im KTI an.

„Christina, die Faserspuren unserer unbekannten Toten und der toten Irina Herrmann, aus dem September, sind beide von euch ähnlich beschrieben. Könnten es Fasern vom gleichen Kleidungsstück sein?“

„Sieht fast so aus. Noch etwas. Dieser Stempel ist auf dem Unterarm und bei der Herrmann auf der Hand. Kannst du feststellen, ob da etwas identisch ist?“

„Ja, es eilt, wie immer.“ Er legte auf, ergriff die Akte und betrat das große Büro.

„Es könnte sein, dass wir es mit einem Serientäter in Bezug auf die junge Frau zu tun haben. Ich habe die Akte der toten Irina Herrmann. Da heißt es, kurz zusammengefasst. Tod durch Erdrosseln mit einem Schal, das führte zu Sauerstoffmangel im Gehirn. Keine Wunde. Innere Halsbefunde: Fraktur des Kehlkopfes, Einblutungen in die Halsweichteile, in die Kehlkopfmuskulatur, petechiale Blutungen an Bindehäute und der Mundschleimhaut. Halsabriebe wurden festgestellt. Sie hat zahlreiche Hämatome. Ein Vaginalabstrich war ebenfalls negativ, nur Spuren von einem Kondom. Sie wurde vergewaltigt. Es gab damals kein verwertbares DNA-Material, keine verwertbaren Spuren. Unter den Fingernägeln war bei ihr jede Menge Schmutz. Daraus ging hervor, dass man sie in dem Fall an der Fundstelle vergewaltigt und anschließend ermordet hat. Es wurden Faserspuren von dunkelblauen Synthetikfasern gefunden. Sie passen nicht zu ihrer Kleidung, müssten daher vom Täter stammen. Es wird gerade überprüft, ob die Fasern vom gleichen Kleidungsstück sein könnten, wie im jetzigen Fall.“

„Die kann sie sich beim Tanzen, in der Menge von jemand geholt haben. Zufall. Der Mörder wird nicht jedes Mal die gleiche Kleidung tragen.“

„Heiner, deine Theorie ist wie immer total unlogisch. Denk vorher nach! Beide Frauen etwa gleiches Alter, Größe, vollschlank und beide wurden nach dem Besuch dieser Disco ermordet. Die tote Irina Herrmann trug wahrscheinlich den gleichen Stempel auf dem Handrücken. Das wird erkennbar, wenn man die vergrößerten Bilder anschaut. Bei Irina war er allerdings stark verwischt, teilweise weg, da sie die Hände mit Seife gewaschen hatte. Das prüft man noch philiströser. Die Unbekannte wurde in Gröpelingen gefunden, Opfer Nummer eins in Findorff.“ Er schritt zu der Karte, steckte zwei Nadeln hinein. „Hier ist die Disco und der Weg führt jedes Mal Richtung Nordwesten. Ein Park, wo der Täter sicher sein musste, dass man sein Opfer schnell findet. Daneben die gleiche Schuhgröße des Täters, 45.“

„Nach über 50 Stunden schnell?“, lästerte Michael.

„Er trug Schuhe, die erst 4 Wochen später in die Läden kamen“, Barbara kopfschüttelnd.

„Ich habe auch 45.“

„Heiner, aber kein Geld, dass du dir die leisten könntest“, Daniel spöttisch.

„Logisch, weil ich mir nichts von dir schenken lasse, so wie ein anderer Kollege. Warum sollte mir dein Bruder Schuhe kaufen? Das Geld, was du so großzügig verschenkst, kommt doch von ihm.“

„Heiner, das gibt Ärger, du blöder …“ Er drehte sich um, „wenn das KTI noch etwas findet, haben wir den Beweis, dass wir es mit einem Verrückten zu tun bekommen, der erst die Frau vergewaltigt und danach umbringt. Doris, dass mit der Disco lassen wir sein, da können sich Stefan und Thomas mit beschäftigen. Wisst ihr etwas über den Schuppen?“

„Ja, ist sauber, sagte der Brandt. Gab nie Ärger, nie Beanstandungen, keinerlei Vorkommnisse. Die haben da wohl zwei Türsteher, die höllisch aufpassen, wer hinein will. Sie sind sehr darauf bedacht, keine Teenies einzulassen, Jugendliche müssen den Ausweis zeigen. Du hast erst ab achtzehn Jahren Zutritt. Besoffene werden frühzeitig von den Türstehern entfernt und bekommen Lokalverbot. Der Betreiber möchte keinen Ärger. Er hat noch fünf weitere Discos in anderen Städten, ebenfalls sauber.“

„Schön zu hören. Nur eventuell treibt sich da ein Serienmörder herum. Wo findet man den Typ?“

„Der wohnt nicht in Bremen. Sein Geschäftsführer ist ein Benjamin Hillen, 35, keine Einträge. Er wohnt mit einer Silvia Kristins zusammen. Sie ist Krankenschwester.“

„Lass ihn herholen, genauso wie später das Barpersonal und die zwei Bodyguards. Wie sie heißen, erfahren wir von dem Hillen.“

Kaum saß er an seinem Schreibtisch, als Helmut in sein Zimmer trat. „Wir haben wahrscheinlich unsere Tote identifiziert. Ein Friseur aus der Böttcherstraße vermisst seine Auszubildende. Er hat probiert sie anzurufen, aber nichts. Die Beschreibung passt. Miriam Schwarz, 22.“

„Fahre mit Doris hin und fragt nach, ob er diese Irina Herrmann kennt. Holen sie den Hillen?“

„Ja, man bringt ihn her.“

Daniel nickte und Helmut Wasgen schloss die Tür, während er die Akte von der toten Herrmann genauer durchlas. Man hatte im September Bekannte, Eltern, Verwandte, Nachbarn, den Arbeitgeber befragt. Nur hatte sie das keinen Schritt weitergebracht. Die kläglichen Reste dieses Stempels hatten sie damals nicht klipp und klar zuordnen können. Der Besuch in den zahlreichen Diskotheken - ebenfalls erfolglos.

Daniels Telefon klingelte und als er die Nummer erkannte, zögerte er, meldete sich doch, hörte seiner Schwägerin zu.

In seinem Gesicht zeichnete sich unerwartet Betroffenheit, Erstaunen, aber plötzlich Zorn ab.

„Tina, hast du dir das gut überlegt?“ „Soll ich dich fahren?“ „Nein, das sage ich keinem, aber ich werde den Zirkus ein Ende bereiten. Eventuell wird dein Mann wach. Überstürze nichts.“

Nachdenklich steckte er das Handy weg. Das war kein Leben mehr. Ständig diese Nörgeleien, Anschuldigungen, der Stress. Ihn graute davor, abends nach Hause zu fahren. Nur auf die Kinder freute er sich. Nein, er würde es beenden. Es würde schwer, sehr schwer werden, da er fast seine gesamte Familie inzwischen gegen sich hatte. Nur noch seine Großeltern, seine Mutter und Tina hielten zu ihm, da sie ihm glaubten und vertrauten. Jana hatte gerade im letzten Jahr nicht versäumt, alle gegen ihn aufzubringen, und besonders sein Vater und Torsten glaubten ihr zu gern all die Lügenmärchen, die sie verbreitete. Nun zog sie das noch bei Tina ab, zerrte die Kinder mit in diese Schlammschlacht hinein.

Er schaute aus dem Fenster. Draußen warfen kahle Äste ein abstraktes schwarzes Muster auf die hohen Fensterscheiben. Alles wirkte so trostlos um diese Jahreszeit und so fühlte er sich.

Er starrte auf eine in Tarnfarben gesprenkelte Drossel, die an einem unsichtbaren Etwas pickte. Er beobachtete das Auf und Ab des kleinen Kopfes und musste schmunzeln. Es sah niedlich aus und peu á peu verschwand sein Zähneknirschen.

Er telefonierte nochmals, bevor er sich den Berichten widmete. Die Arbeit durfte nicht darunter leiden.

Gegen Mittag rief ihn seine Mutter an und bat um ein Treffen. So verabredeten sie sich in einem Restaurant.

Sie war bereits anwesend, als er eintraf. Erst nachdem er bestellt hatte, sprach Sigrid Briester den Grund dieser Verabredung an.

„Daniel, so geht das nicht mehr weiter. Tina ist mit den Kindern ausgezogen, weil Jana sie massiv bedroht. Es ist grausam, barbarisch. Mach dem ein Ende und schick diese Frau weg. Es reicht mir, deinem Vater. Erich bekommt noch einen Herzinfarkt, wenn das Theater anhält.“

„Ich habe nachher einen Termin bei Doktor Hamisch. Ich habe genug. Besonders die Jungs leiden unter dieser Person. Sie kümmert sich tagsüber weder um Roman noch um Chiara. Julian ist mehrmals allein von der Kita nach Hause gegangen, weil sie ihn nicht abgeholt hat. Ich habe mit unserer Nachbarin vereinbart, dass sie ihn mitnimmt. Das ist ja Kindeswohlgefährdung, Vernachlässigung. Maria arbeitet seit dem ersten fünf Tage bei uns, damit die beiden wenigstens etwas zu essen bekommen.“

„Endlich wird dieser Albtraum zu Ende gehen. Selbst meine Ehe steht vor dem Aus, wie du weißt, da Heinz mit Scheuklappen herumläuft. Der Bastard ist sowieso völlig verblendet von dieser Person. Was hat dein Vaterschaftstest ergeben?“

„Chiara ist nicht meine Tochter, aber sie bleibt bei mir. Ich werde nachher mit Doktor Kringst sprechen. Man soll Kameras in meinem Haus installieren, damit ich Beweismaterial vor Gericht habe. Diese Frau soll bestimmt nicht meine Kinder bekommen.“

„Wird sie nie.“

„Mama, da bin ich mir nicht so sicher. Wenn Torsten, Vater oder deine Eltern vor Gericht aussagen und dass werden sie, weil Torsten Jana vertritt, habe ich schlechte Karten.“

„Niemals. Daniel, dein Vater und ich werden offenbaren, was in den letzten zwei Jahren passierte, und das ist eine Menge. Es geht um dich, um seine Enkel. Du bist schließlich sein Sohn. Sie fordert und dafür nimmt diese Frau eine Menge in Kauf.“ Sie trank einen Schluck, schaute ihren Sohn an. „Daniel, wenn Jana mitbekommt, dass du dich scheiden lassen willst, flippt sie total aus. Ich habe Angst, dass sie dir etwas antut, oder den Kindern.“

„An den Kindern vergreift sie sich nicht. Die betrachtet sie als Pfand, um an das Briester-Geld zu kommen. Ich passe auf mich auf. Mach dir keine Sorgen, Mama.“

„Sie hat Tina gedroht, sie zu töten. Die sollte nur vorher Geld von ihrem privaten Konto abholen. Torsten hat ihr davon erzählt. Diese Person ist geisteskrank.“

Er ergriff die Hand seiner Mutter. „Mama, ihr wird nichts passieren. Doktor Hamisch sagte, wir würden peu à peu vorgehen. Ich habe mit Daniela gesprochen. Jana wird sie benutzen, damit Torsten mich aus dem Haus klagt und sie es bekommt. Deswegen ist sie für eine Weile damit beschäftigt. Marion und Daniela werden sie so richtig ärgern und ich habe Zeit, dass Doktor Hamisch und ich Torsten unter Kontrolle bekommen. Das wird demnächst für Jana völlig überraschend kommen und dann fliegt sie sofort aus meinem Haus. Sollte Torsten und dein Mann nicht langsam wach werden, wird Doktor Hamisch die Kerle verklagen. Glaube mir, denen hänge ich eine Menge an. Zwei verkommene Subjekte, die ich in die Gosse schicke. Ich hänge denen so viel an, dass die im Knast verschimmeln. Vorher werde ich den Schweinen nahelegen, sie sollen sich umbringen, um meinen guten Namen zu schützen. Ich möchte es nur so über die Bühne bekommen, dass der Name Briester nicht allzu sehr leidet und die Medien davon Wind bekommen. Diese miesen Schreiberlinge fallen jetzt schon dauernd über mich her. Das bin ich Papa schuldig. Nur Mama, sage keinem etwas davon.“

„Das weißt du doch. Es wäre bei Heinz dem Bastard eh zwecklos. Das habe ich zu oft probiert, aber ohne etwas zu erreichen“, seufzte sie. „Ich wusste immer, dass Torsten nur ein Versager und jämmerlicher Schmarotzer ist.“

„Mama, bald ist es vorbei. Tina und den Kindern schicke ich jemand, der sie rund um die Uhr bewachen. Ihnen passiert nichts.“

„Ich habe nächste Woche den Scheidungstermin.“

„Zwei Tage vorher soll dich Tina bewusstlos im Haus finden. Ihr ruft den Notarzt. So bekommst du ein Attest und der Alte kann dich nicht auf die Straße setzen. Bis zum nächsten Termin sind wir die Kerle los.“

„Kannst du die nicht so erschießen, dass es wie Selbstmord aussieht?“

„Mama, ich bringe die dahin, dass die sich freiwillig umbringen, weil sie ohne einen Cent, ohne Wohnung, mit nichts dastehen werden. Warten wir ab. Nachhelfen kann man immer noch. Die beiden Verbrecher haben noch zu viele Leute, die hinter den Gangstern stehen.“

Er erhob sich und verließ das Restaurant. Alles nur wegen Torsten und Jana.

Heiner Christensen führte einen Mann herein und Daniel dachte, als er den Fremden kurz taxierte, sieht gut und sympathisch aus.

Er stellte sich vor, deutete auf einen Stuhl.

„Herr Hillen, ich nehme unser Gespräch auf, wenn es Ihnen recht ist. Sie wissen, um was es sich dreht?“

„Ja, ich kenne die Frau aber nicht. Ich bin eher selten vorn.“

Er reichte ihm ein Foto von Irina Herrmann, aber die Frau kannte er ebenfalls nicht. Als Nächstes zeigte er ihm den Abdruck des Stempels.

„Ja, der ist von uns.“ Er schaute gewissenhafter hin. „Vom Samstag.“

„Wann schließen Sie im Allgemeinen?“

„Gegen vier, jedenfalls am Freitag und Samstag. Montag und Dienstag sind Ruhetage. Ansonsten so gegen Mitternacht. Kommt darauf an, wie viele Leute da sind.“

„Sind Sie der Letzte, der geht?“

„Meistens jedenfalls. Ansonsten schließt Michael ab.“

„Wer ist das?“

„Unser Boss von der Bar. Er kümmert sich dort um alles, steht natürlich selber hinterm Tresen.“

„Geben Sie mir nachher noch die Adressen aller Mitarbeiter, da wir die verhören müssen. Am Samstag waren da alle Mitarbeiter bis zum Schluss anwesend?“

„Nein, die drei Frauen sind früher gegangen. Sie haben so gegen eins Schluss. Werden sie nicht abgeholt, fährt sie einer der Jungs nach Hause.“

„Die Männer waren aber alle den ganzen Abend da?“

„Soviel ich weiß ja. Ich gehe zwar mehrmals durch den Laden, aber wenn da einer fehlt, gehe ich davon aus, dass er eben Bedürfnisse hat. Ich frage nie nach. Nur wenn einer gefehlt hätte oder früher gegangen wäre, hätte man mir das gesagt.“

„Gab es in letzter Zeit Ärger? Hat sich zum Beispiel jemand danebenbenommen oder Frauen blöd angequatscht?“

„Ärger gibt es hin und wieder, wenn jemand zu viel trinkt. Drei Jungen aus so einem Kaff haben vor zwei Wochen entschieden zu viel intus gehabt, aber die wurden kurzerhand vor die Tür geschafft. Ansonsten nichts Ungewöhnliches.“

Daniel zeigte dem Mann ein weiteres Bild. „Hat jemand bei ihnen diese Schuhe?“

Der grinste. „Ja, ich seit Samstagvormittag.“

„Welche Schuhgröße haben Sie?“

„43. Hat die der Täter getragen? Michael und Jörg haben die. Jörg, das ist einer der Türsteher, hat aber mindestens 47 und Michael weiß ich nicht. Die Dinger sind in und bequem.“

„Fährt einer der Mitarbeiter einen Golf, Baujahr 2000?“

„Einen Golf fährt Monika, aber mit dem kommt sie nur selten zur Arbeit. Michael fährt einen, aber der müsste neuer sein. Schätze zwei Jahre alt. Ich bisweilen den meiner Lebensgefährtin, aber das ist ein Einser Pirelli.“

„Was fahren Sie sonst?“

„Einen Jeep, Range Rover, erst ein halbes Jahr alt. Ist praktischer wegen der Einkäufe.“

„Und dieser Jörg?“

„Einen uralten Mercedes, der wie neu aussieht. Sein Baby.“

„Gut, das war zunächst alles. Geben Sie uns noch die Namen und Adressen der Angestellten. Sagen Sie noch keinem etwas davon, auch nicht wenn der Disco-Betrieb läuft.“

„Ist okay. Können wir irgendwie helfen? Ich möchte so einen Kerl nicht in dem Laden haben.“

„Eventuell, aber wir müssen vorher noch einige Spuren und Hinweise auswerten. Gegebenenfalls kommen wir auf Sie zurück.“

Er sah zu, wie der Mann schnell schrieb, sogar die Telefonnummern der elf Mitarbeiter hatte er im Kopf, dachte er anerkennend. Dahinter schrieb er noch, was der jeweilige Angestellte tat, welche Automarken sie fuhren.

Kaum war er weg, rief er die Männer herein.

„Sie müssen alle befragt werden. Die drei Mädchen zum Schluss. Bei Monika Kastner schaut euch den Golf an und fragt sie, wer den noch fährt. Thomas bringe die zwei Türsteher her und diesen Michael. Die anderen könnt ihr so befragen. Schuhe, Auto, auch von der Frau, Freundin. Doris, du klapperst die Schuhgeschäfte ab. Eventuell erinnert sich jemand an einen Typ, der die Schuhe gekauft hat. Stefan, du kümmerst dich um die Autos. So viele können ja im Bundesland Bremen nicht gemeldet sein. Es gab nur 25.000.“

Am Schreibtisch sitzend las er die Aussagen betreffs des Obdachlosen durch. Irgendwie sagte ihm sein Instinkt, dass es dieser Ladenbesitzer des Herrenausstatters war. Der hatte den Mann massiv bedroht, bei der Befragung war er nervös, ausfallend geworden und sein Alibi war ein Witz. Man brauchte eine Speichel- oder Haarprobe von dem Mann.

Nachmittags bekam er einen Anruf, dass man die Handtasche der Toten gefunden hatte, und zwar in einem Vorgarten drei Kilometer entfernt. Der Besitzer hatte die abgegeben und die Polizeistation hatte es gemeldet.

Daniel schaute den Inhalt an, entnahm den Schlüssel und fuhr mit Thomas zu der Wohnung. Ein kleines Domizil. Anderthalb Zimmer, kleines Bad, kleine Küche. Es sah feminin eingerichtet aus und ordentlich, stellte er fest. Er fand ein Notizbuch, schrieb alle Telefonnummern der Männer ab. Kriminaltechniker Moritz Brunner erschien mit zwei Mitarbeitern und sie durchsuchten die Wohnung nach Hinweisen. Er gab den Männern einige Anweisungen, besonders was die Kleidung betraf. Man musste ausschließen können, dass die Faserspuren eventuell von ihr waren.

Nach einer Stunde verabschiedete sich Daniel und verließ das Haus, wartete draußen auf den Kollegen.

„Daniel“, hörte er im Rücken eine Stimme. „Auch im Computer nichts. Sie nehmen ihn mit.“

„Thomas, fahren wir zurück.“

Kaum im Büro führte man Jörg Brolinius herein. Dieser Mann war ein Hüne und erinnerte vom Aussehen an einen Wikinger, fand Daniel. Bestimmt einsneunzig, muskelbepackt, breites Kreuz, allerdings schmale Hüften. Leichte gewellte blonde, etwas längere Haare.

Er nannte seinen Namen, deutete auf den Stuhl. Er stellte die gleichen Fragen wie am Vormittag, Benjamin Hillen. Er kannte die tote Miriam Schwarz vom Sehen, hatte aber nicht ihren Namen gewusst. Sie wäre freitags und samstags mit einigen anderen jungen Frauen gekommen. Gegangen wären sie zusammen. Männer in ihrer Begleitung hätte er nicht bemerkt, aber so genau hätte er nun nicht darauf geachtet. Zu dem Auto oder den Schuhen konnte er nichts sagen, aber er wollte darauf achten, da man diesen Kerl so schnell wie möglich finden sollte. Er selbst hatte Schuhgröße 49, seine Freundin kein Auto, er selbst nur den Oldtimer.

Als er weg war, fragte er, ob die anderen Mitarbeiter etwas erreicht hätten, aber fast nur ähnliche Aussagen.

„Ist einer registriert?“

„Nein, bisher alle sauber. Sauberer Laden, saubere Leute, nur zwei tote Mädchen.“

*

Christina Greinet wartete an dem Morgen auf ihn. „Du bist spät“, tadelte sie ihn.

„Komm mit hinüber. Ich koche uns einen Kaffee.“

Sie schloss die Tür, setzte sich. „Du siehst müde aus. Stress?“

„So kann man es nennen.“

„Deine Frau?“

„Ja, sie nervt nur noch. Fast jeden Tag der gleiche Zirkus. Ich mag nicht mehr nach Hause gehen, aber muss, der Kinder wegen. Sonst verwahrlosen sie langsam. Madame kocht nicht mehr. Abends gibt es Brot mit Leberwurst für uns alle, außer für sie. Sie isst vorher oder später nur die teuersten Delikatessen, dazu Champagner, so schnell kannst du das Zeug nicht herankarren. Deswegen habe ich ihr untersagt, Chiara zu stillen. Wollte sie sowieso nicht mehr, da sie ja sonst morgens geweckt werden musste. Neulich sperrt sie die Kinder ein, weil sie ihre Ruhe möchte. Alle drei. Die Jungen waren total verstört, Chiara krebsrot, weil sie Hunger hatte und die Windel voll. Solche und ähnliche Spielchen Tag für Tag. Am Wochenende fahre ich mit den Lütten zu Opa. Da gibt es essen und ruhe.“

„Mensch Daniel, schick sie weg. Reich die Scheidung ein.“

„Sagt Opa auch, aber ich möchte meine Kinder behalten. Mein Rechtsanwalt arbeitet bereits daran.“ Er stellte ihr den Kaffeepott hin, Kaffeesahne daneben, setzte sich.

„Du meinst deinen Vater, ergo unterlass dieses dusselige Opa und sage Erich. Du behältst sie. Du hast Leute die bezeugen können, wie sie drauf ist. Allein wegen der Geschichte mit dem WC-Reiniger und was da sonst noch so war. Beende den Mist. Tu´s für die Lütten. Das ist für sie schädlich.“

„Torsten wird sie vertreten. Sie wollen die Häuser von Opa natürlich. Jana hat neulich gesagt, Torsten wollte mich vor Gericht fertigmachen und sie würde meine Häuser zugesprochen bekommen, weil ich ja so ein schlechter Vater sei, ein Kerl, der sie nur betrüge. Das werden Heinz und Torsten so vor Gericht aussagen.“

„Blödsinn!“, Christina böse. „Höre mit den Märchen auf. Du weißt, dass sie einen Hamburger Anwalt hat. Warum permanent diese Lügen von dir? Bei euch herrscht das pure Chaos, nur weil Heinz deine irre Mutter nicht schon vor dreißig Jahren in die Wüste geschickt hat. Ich habe etwas für dich. Die Fasern stammen eindeutig nicht vom gleichen Kleidungsstück. Wäre auch ein zu großer Zufall gewesen. Wer zieht immer das Gleiche an?“

„Merde!“

„Das mit den Stempeln dauert noch. Sitzen meine Leute aber daran. Habt ihr eine Spur?“

„Wir überprüfen gerade die Autos und die Schuhe. Die Verkäufer können sich nicht an die Männer erinnern, die solche Schuhe gekauft haben und mit den Autos hängen wir noch: Wurden Wagen verkauft, gekauft, haben andere Reifen und so weiter. Bis heute Abend sind wir durch. Gibt es da keinen Treffer, nehmen wir uns die angrenzenden Bundesländer vor. Dieses Auto muss ja zu finden sein. Von den Angestellten der Disco haben wir keine verwertbaren Angaben bekommen, aber sie wollen wenigstens mit uns zusammenarbeiten. Die Türsteher passen auf die Schuhe auf und der Geschäftsführer will so hin und wieder einen Rundgang bei den Autos vollziehen. Eventuell erreichen sie mehr und vor allem schneller.“

„Der scheint nur alle paar Wochen diese Gelüste zu bekommen, das ist das Gute für euch.“

„Hoffentlich hält er sich auch in Zukunft daran.“

„Weswegen ich komme. Ich war gestern einkaufen, und da Jochen generell draußen wartet, hat er etwas Interessantes beobachtet. Vor dem Herrenladen, Nummer 18, hat sich ein Obdachloser herumgetrieben. Dort hängt ein Papierkorb und da hat er drinnen herumgewühlt. Jochen sagte, der Mann habe dabei allerdings zu dem Laden geschielt, als wenn er auf jemand lauert. Ein Kerl, so im schnieken Anzug kam herausgestürmt, hat den aufs Übelste beschimpft. Jochen meinte, eine Ausdrucksweise wie einer aus der Gosse. Der Obdachlose hat zu dem feinen Pinkel gesagt, dich Abschaum kriege ich.“

„Den Typ habe ich auf dem Kieker, aber wir können ihm nichts beweisen. Sein Angestellter und Lover bestätigt, dass er mit ihm an dem Abend zusammen war. Die Schwuchtel sagt alles, was der Kerl will. Der steht völlig unter den Puschen. Wegen einer DNA hat er seinen Rechtsanwalt angerufen. Er hat ein Alibi, also keine Probe, sagte der.“ Daniel hatte in der Zeit einige Fotos herausgesucht.

„War es einer von denen?“

„Weiß ich nicht, da er weg war und ich ihn nur von hinten gesehen habe. Gib sie mir mit, frage ich nachher Jochen. Bekommst du morgen früh zurück. Ich werde dir eine DNA nach meinem Urlaub besorgen, falls ihr den Täter bis dahin noch nicht habt.“

„Ihr fliegt in Urlaub?“

„Ja, eine Woche Kurzurlaub, faulenzen, fast nichts tun. Eindeutig richtig vor dem Stress der Weihnachtszeit.“ Sie erhob sich. „Ich muss los. Rede mit Torsten und höre einmal zu, was er dir sagt. Tina, deine Mutter, Jana lügen. Glaub mir.“

„Genieße es. Ich wünsche euch gute Erholung und grüß Jochen.“

Man musste nun noch einmal die Eltern und Freunde der toten Irina Herrmann befragen. Eventuell kannten sich die Mädchen, hatten Ärger mit dem gleichen Freund, Ex-Freund gehabt und so weiter. Viele Befragungen standen da noch bevor. Erst widmete er sich den Aussagen, die seine Mitarbeiter gestern zusammengetragen hatten. Der Bericht der Spusi aus der Wohnung fehlte noch.

*

Daniel genoss den morgendlichen Spaziergang mit dem Hund. Die Luft war herrlich frisch, aber nicht kühl. Nebelschwaden lagen noch über dem Wasser und an dessen Ufer. Am Rand der Weser schwamm eine Entenfamilie und schaute zu dem Schäferhund empor, der dort herumschnüffelte. Bevor Wotan auf dumme Gedanken kam, rannte er ein Stück, pfiff nach ihm. Gleich sprintete der Hund heran, sprang an ihm hoch und er tätschelte ihn.

„Los, lauf“, lachte er.

Er musterte die Gärten, die alle kahl und farblos aussahen, aber trotzdem konnte man erkennen, dass sie gewisse Konturen hatten.

Er musste einen Plan erstellen, wie er seinen Garten besser gestalten konnte. Irgendwie sah das bei ihm total durcheinander gewürfelt aus. Janas blöde Pflanzen wirkten wie Unkraut und die Platzierungen gefielen ihm ebenfalls nicht. Nichts, was ein einheitliches Bild ergab, nur wahllos eingepflanzt. Im Frühjahr würde er das umgestalten. Hinter dem Haus eine Wiese für die Kinder, wo die sich austoben konnten. Die Hecke an der rechten Seite würde er vervollständigen, damit es ein gleichförmiges Bild ergab. Um die Terrasse herum würde er Blumen und blühende Sträucher pflanzen. Pflanzen, die jedes Jahr wiederkamen, damit er nur Unkraut entfernen musste. Am besten noch ein paar Kübelpflanzen hinstellen. Diese Palmen, die bei Uwe und Wilma standen, fand er toll. Im Winter konnte er die in den Raum von Janas ehemaliger Praxis stellen. Dort war es hell und nicht zu kalt.

Er amüsierte sich über seine Gedankengänge. Ich plane ein Leben nach dem Ende dieser Ehe, dabei wohnte diese Frau noch bei ihm, ahnte noch nicht einmal etwas davon.

Sein Handy klingelte und man meldete ihm erneut den Fund einer weiblichen Leiche.

Diesmal hatten zwei Jogger, durch den Geruch angelockt, die Tote in der Nähe der Windmühle am Wall entdeckt. Diese war heute Wahrzeichen der Wallanlagen, der alten Bremer Stadtbefestigung, deren Mauern 1802 geschliffen und in einen Park umgestaltet worden waren.

Beamte sicherten gerade weiträumig die Fundstelle, banden Flatterband an den Bäumen fest. Er grüßte und hockte sich kurze Zeit darauf neben der Leiche. Durch die außergewöhnliche Wärme wies sie erhebliche Zersetzungserscheinungen auf.

„Moin! Und?“

Gerichtsmediziner Doktor Franz Franzens hob kurz den Kopf, sah auf die Tote, drehte sie ein wenig. „Vermutlich Tod durch Erschlagen.“

„Sie riecht ja scheußlich.“ Er blickte an der Toten entlang.

„Sie liegt mindestens drei Tage, eher länger. Tagestemperaturen um die 16 Grad, dazu Sonneneinstrahlung. Würgemale am Hals. Der Slip fehlt.“

Daniel schaute die Frau gründlicher an.

„Sie ist gekleidet, als wenn sie um die Häuser gezogen wäre. Franz, sonst etwas? Hat man sie vergewaltigt?“

„Ich denke ja, aber mehr nach der Obduktion.“

„Hat sie keinen Stempel auf der Hand, am Unterarm?“

„Nein, nichts.“

„Merde!“

„Klaas hat die Tasche. Sonst nichts.“

Daniel blickte nochmals auf die tote Frau. „Logisch, wo will sie das deponiert haben. Hat ja nicht viel an.“ Daniel wollte weggehen, drehte sich noch einmal um. „Franz, am Samstag, Sonntag war es nachts relativ kühl, oder?“

„12,3 Grad, 13,7 Grad. Nachts um die 5, letzte Nacht Bodenfrost.“

„Muss sie aber gefroren haben ohne Strümpfe und in den dünnen Klamotten.“

„Ist so, wenn sie um die Häuser ziehen.“

Männer erschienen und kurze Zeit darauf transportierte man die Tote ab.

„Bis heute Abend hast du den ersten Befund.“

„Danke.“

Daniel schlenderte zu den Leuten der Spurensicherung, schaute sich dabei um. Hier hatte er nachts ungestört agieren können.

„Moin, Klaas! Und?“

„Die Tasche. Sie heißt Monika Schneider, war einundzwanzig, kommt ursprünglich aus Kleve, hat studiert. Sie wohnte in der Nähe des Campus. Handy, Schlüssel, Studentenausweis, da, sogar Kondome.“

„Wird sich der Mörder gefreut haben, spart er noch seinen eigenen. Und sonst? Der Boden ist knochenhart, vermute ich.“

„Trotzdem kann man sehen, dass es der Tötungsort ist. So kalt war es nicht, wie Franz eben sagte. Der Frost der letzten Nacht hat uns eher geholfen. Schuhabdrücke haben wir ebenfalls, nur ob die von eurem Täter sind? Sie haben auf jeden Fall ein anderes Profil. Es gibt Schleifspuren. Er hat sie mehr oder weder zu der späteren Fundstelle gezerrt.“

„Wir benötigen mehr.“

„Haben wir“, nun grinste er breit.

„Klaas, mach´s nicht so spannend. Was? Muss viel sein, deinem Gesicht nach zu urteilen.“

„Ein benutztes Kondom, nur circa fünfzig Zentimeter vom Leichenfundort entfernt.“

„Mensch, das sagst du erst zum Schluss? Das ist ja fast wie ein Fünfer im Lotto.“

„Man verrät ja nicht alles, aber ich nehme lieber den Fünfer. Das Besondere daran“, er griff in seinen großen Koffer, holte einen Beutel heraus, „er hat ihn sogar in einen Plastikbeutel gelegt.“

Daniel schaute hin. „Er hat den Beutel vergessen oder er wurde gestört.“

„Exakt. Nun wissen wir aber, wie er die anderen Kondome mitgenommen hat. Sehr reinlich, euer Täter.“

„Endlich einen Hinweis.“

„Ja, denke ich. Sonst nichts, aber wir suchen noch.“

„Danke!“

Er schlenderte zu Oberkommissar Thomas Stettner, der bei den beiden Joggern stand, wartete kurz, schaute auf deren Schuhe, aber das waren alte, ausgetretene Latschen, von einem anderen Hersteller, die Füße sahen kleiner aus. Er hörte Thomas fragen, ob sie am Freitag, Samstag, Sonntag hier gelaufen seien, dass beide verneinten.

Auf der Rückfahrt berichtete Thomas von den zwei Männern. Sie konnte man als Täter ausschließen.

Im Büro erzählte er von dem Opfer und dem Fund des Kondoms und das die Tote nicht den Stempel der Diskothek trug.

„Oh je, das heißt, wir wissen noch nicht, wo sie gewesen ist?“

„Präzise! Nun müssen wir abwarten, wann sie umgebracht wurde. Hat sie keiner als vermisst gemeldet?“

„Nein, bisher nicht.“

„Thomas und Doris, ihr fahrt zum Campus hinüber und sucht nach Leuten, die die Frau kannten. Heiner und Barbara ihr nehmt euch die Wohnung der Frau vor und befragt die Nachbarn. Sagt Moritz Bescheid.“

In seinem Büro kochte er Kaffee, aß den Kuchen und las die Zeitung. Erst danach dachte er über das heutige Opfer nach.

Wenn ihr Mörder in anderen Schuppen verkehrte, war das ein riesiges Problem. Ihn gerade in der Bahnhofsvorstadt mit der Discomeile zu finden, war ein ziemliches sinnloses Unterfangen. Diese Ecke war in den letzten Jahren wiederholt wegen der ansässigen Gewaltkriminalität und der Drogendelikte in die Schlagzeilen geraten. Dort tummelten sich nicht nur Kleinkriminelle, sondern richtige Größen und vor allem Tausende Touristen. Spekulation sagte er sich. Eventuell wusste eine Freundin, ein Freund, wo sie gewesen war. Zwischen den ersten Opfern lagen zwei Monate, nun nur anderthalb Wochen. Rastete er nun womöglich aus? Hatte es einen anderen Anlass gegeben? Man musste bei Irina ansetzen. Eventuell war da etwas geschehen, das ihn austicken ließ. Danach hatte er bemerkt, dass ihm nichts geschehen war, und nun scheint er Spaß daran zu finden. Anscheinend hatte es ihm gefallen.

*

Kaum betrat er das Büro, empfing ihn ein bestens gelaunter Helmut mit der neusten Botschaft.

„Moin! Sie haben nicht nur das Kondom des Perversen, sondern einige Haare gefunden. Dunkelbraun, ziemlich kurz. DNA dauert noch, aber sie sind sicher, dass es zu dem Sperma passt.“

„Sehr gut, fehlt noch der Typ dazu.“

„Hei, freue dich doch.“

„Wenn wir den Kerl hätten, ja. Sonst etwas?“

„Spielverderber! Ja, eine völlig unbeträchtliche Größe, sagte Viktor. Kleinste überhaupt.“

„Was kleine Größe?“

„Das Kondom. Hei, pennst du noch?“

Nun wurde Daniel aufmerksamer, zog einen Stuhl heran, setzte sich rittlings darauf. „Du meinst, er ist nicht so gut bestückt?“

„So kannst du es nennen. Das Kondom hatte die kleinste Größe und es war noch nicht einmal richtig ausgefüllt, haben sie festgestellt. Das obere Ende, sagte er, war unbenutzt. Nur mit Sperma gefüllt, aber nicht gedehnt. Ich habe eben mit Viktor gesprochen, er da hat mir das nochmals philiströser bestätigt. Es war nicht schlampig aufgezogen. Sie haben Versuche mit einem neuen Kondom der gleichen Sorte gemacht, wegen des Materials und da konnten sie das feststellen. Nicht nur, dass er extrem kurz ist, auch nicht dick, wie sie anhand dieses Gewebes diagnostizieren konnten. Keine nennenswerte Dehnung.“

„Das könnte die Ursache sein.“

„Du denkst, weil er keinen hochkriegt, mordet der?“

„Er bekommt einen hoch, nur der ist eben klein, sonst gäbe es ja keinen Erguss. Stell dir vor, er hat eine Braut und es geht zur Sache. Die sieht, dass er einen Lütten hatte, machte sich darüber lustig und er flippte aus. Oder Kumpels auf dem Klo haben ihn deswegen verarscht. Hei, du weißt doch, wie das früher ablief. Gerade in der Pubertät, da wurde verglichen und so.“

„Hhmmm, da könnte etwas daran sein. Schlussfolgerung, der Kerl ist noch ziemlich jung.“

„Vermute ich fast.“ Er griff nach Helmuts Kaffeepott, trank, verzog das Gesicht. „Wie kann man Kaffee mit Zucker verderben? Spinnen wir weiter. Er studiert oder arbeitet erst seit kurzer Zeit in Bremen, deswegen jetzt erst bei uns. Was ist, wenn er früher in ... sagen wir, München wohnte, es dort ähnliche Fälle gab. Möglicherweise nur Vergewaltigungen?“

„Müssen wir zunächst mit der DNA abgleichen und wenn da nichts ist, eine Anfrage herausgeben. Blöd scheint er nicht zu sein, sonst hätte er nicht alle Spuren beseitigt.“

„Ja, du kümmerst dich darum. Nur pure Spekulation, vielleicht gab es erst akut ein Erlebnis, was das bei ihm ausgelöst hat. Gerade das sollten wir im Auge behalten. Diese Männer von der Disco waren kooperativ, eventuell sollte man sie deswegen befragen. Du weißt ja, dass so was häufig die Runde macht. Deswegen hat er sein nächstes Opfer woanders gesucht. Holen wir von denen mit dunklen Haaren und der Schuhgröße 45 Vergleichsmaterial. Waren zwei, so viel ich mich erinnere. Fangen wir am Anfang bei der toten Herrmann an. Alle Männer, die diese zwei Faktoren aufweisen, müssen erfasst werden. Die anderen müssen wegen des zu kleinen Penis befragt werden. Vielleicht weiß da einer etwas.“

„Der Obduktionsbericht ist gekommen. Erst gewürgt, vergewaltigt und schließlich mit einem Stein erschlagen. Sie hat sich gegen 2.00 Uhr von einer Bekannten und einer Mitstudentin getrennt, wollte die hundert Meter zu ihrer Wohnung laufen.“

„Wo waren sie gewesen?“