Haiku-Jahrbuch 2019: Honigspur - Volker Friebel - E-Book

Haiku-Jahrbuch 2019: Honigspur E-Book

Volker Friebel

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Beschreibung

Anliegen des Projekts „Haiku heute“ ist die Förderung des deutschsprachigen Kurzgedichts. Dieses Buch beschäftigt sich mit dem Jahr 2019. Drei Kapitel mit Haiku-Besprechungen zeigen die Grundlagen und das Potential von Haiku-Dichtung. Als gute Beispiele präsentieren sich 604 Haiku von 121 Autoren sowie zehn Tan-Renga. Ein Kapitel gibt Auskunft über den Stand der Veröffentlichung von Haiku in den deutschsprachigen Ländern. Viele dieser Texte wurden 2019 in den verschiedenen Publikationsmöglichkeiten zum Haiku veröffentlicht, viele erblicken mit dem Aufschlagen dieses Buchs erstmals das Licht der Öffentlichkeit.

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Haiku heute

 

Honigspur 

 

Haiku-Jahrbuch 2019

 

Volker Friebel

 

Edition Blaue Felder, Tübingen 

 

Merkmale von Haiku 1  

 

Kürze: Haiku werden meist in drei Zeilen gesetzt. 

Gegenwärtigkeit: Haiku sind in der Gegenwart. Wenn andere Zeiten vorkommen, dann sind es Erinnerungen oder Zukunftsfantasien, die jemand in der Gegenwart hat. 

Konkretheit: Haiku stellen Sachverhalte oder Erlebtes konkret dar, sinnlich miterlebbar. 

Externe Orientierung: Haiku beschäftigen sich fast immer mit der äußeren Welt, weniger mit den Vorstellungen des Dichters. 

Offenheit:Nach dem Lesen sollte ein Nachhall, etwas Ungesagtes, offen Gelassenes bleiben. 

Endreime und Überschriftengibt es nicht. 

 

 

Haiku heute ist ein Projekt zur Förderung des deutschsprachigen Kurzgedichts. Die Netzpräsenz www.Haiku-heute.deerstellt aus den dort eingereichten Texten Monatsauswahlen. Die Jahrbücher versammeln davon die interessantesten Haiku jedes Jahres, ergänzt durch nur für das Jahrbuch eingereichte Haiku und weitere Texte. 

 

Edition Blaue Felder, Volker Friebel,

Denzenbergstraße 29, 72074 Tübingen (Deutschland)

www.Volker-Friebel.de 

 

Redaktion, Gestaltung, Foto: Volker Friebel

Veröffentlichung: April 2020

 

Alle Rechte liegen bei den Autoren.

 

 

Inhalt

Vorwort  

Haiku-Verständnis  

Herde und Schaf  

Die Freude der Fische  

Lauschen  

Haiku  

Tan-Renga  

Haiku veröffentlicht  

Bücher  

Das Netz  

Bewertung  

Autoren  

Edition Blaue Felder  

 

 

Vorwort

 

In der Dichtung beschäftigen wir uns mit unserer Welt. Nicht einfach als Bestandsaufnahme, wie das ein Fachbuch tun würde oder der Bericht einer wissenschaftlichen Kommission zur Stadtentwicklung oder zum Zustand der Wälder. Dichtung ist kreativ, sie macht nicht nur Bilanz, sie baut an unserer Welt.

Was wir aufgreifen, wie wir damit umgehen, bestimmt uns selbst und beeinflusst über uns wieder die gemeinsame Welt. Durch die Beschäftigung mit Dichtung haben wir uns bereits entschieden, für einen lauschenden, freundlichen, nicht nur nutzbestimmten Umgang mit der Natur und den Menschen. Die Hoffnung besteht, dass dies für uns selbst und über uns hinaus Funken aufleuchten lässt. 

 

Drei Kapitel mit Haiku-Besprechungen zeigen die Grundlagen und das Potential von Haiku-Dichtung. Als gute Beispiele präsentieren sich 604 Haiku von 121 Autoren sowie zehn Tan-Renga.

Viele dieser Texte wurden 2019 in den verschiedenen Publikationsmöglichkeiten zum Haiku veröffentlicht (siehe Kapitel „Haiku veröffentlicht“), viele erblicken mit dem Aufschlagen dieses Buchs erstmals das Licht der Öffentlichkeit.

Alle Texte wurden durch Volker Friebel ausgewählt und von ihm zusammengestellt, kritisch unterstützt durch Elisabeth Menrad. Alle Prosa ohne Verfasserangabe stammt von Volker Friebel.

Muße, den Wegen des Haiku zu folgen, der Honigspur, wünschen wir allen seinen Freunden, auch in schwieriger Zeit, weil es das Leben schöner macht, für uns und für andere.

 

Haiku-Verständnis

 

Die Merkmale von Haiku erschließen sich am besten durch gute Beispiele. Die folgenden Besprechungen gelungener Haiku stellen heraus, worauf es beim Haiku ankommt – und was sich aus Regeln und dem Spiel mit ihnen machen lässt.

 

 

Herde und Schaf

 

Frühlingsabend

ein schwarzes Schaf

schließt sich der Herde an

 

Dietmar Tauchner 2  

 

Kürze: Der prägnante Text kommt mit 14 Silben aus. In Japan war es jahrhundertelang selbstverständlich, in Lauteinheiten (Moren) zu schreiben und beim Haiku ein Schema von 17 Moren einzuhalten. 17 japanische Moren entsprechen etwa 10 deutschen Silben. Das ist sehr knapp. Die japanische Sprache ist allerdings anders als europäische Sprachen aufgebaut. Vieles, was im Deutschen benannt wird, wie etwa Einzahl und Mehrzahl, wird dort aus dem Zusammenhang erschlossen. In europäischen Sprachen ist es deshalb üblich geworden, Haiku nicht mehr als 17 Silben zu geben, möglichst weniger. Meist werden diese schon aus praktischen Gründen (Zeilenbreite) in drei Zeilen aufgeteilt.

 

Gegenwärtigkeit: Die Zeit im Haiku ist die Gegenwart. Das macht einen guten Teil seiner Kraft aus. Zukunft und Vergangenheit stehen dem Leser ferner. Die Zeit wird in vielen Haiku über ein Jahreszeitenwort ausdrücklich genannt. Hier ist es „Frühlingsabend“. Auch „Osternest“ könnte ein solches Jahreszeitenwort sein, es muss also keine Natur vorkommen. Viele Autoren verzichten allerdings auf ein Jahreszeitenwort. 

 

Konkretheit: Die Kraft von Haiku speist sich auch aus einer konkreten Darstellung, die unsere Sinne anspricht und den Text miterlebbar macht. 

 

Externe Orientierung: Der Blick von Haiku geht fast immer nach außen, auf die äußere, gegenständliche Welt – in der sich unser Inneres allerdings spiegeln oder brechen kann. 

 

Offenheit: In sich abgeschlossene Texte beschäftigen uns meist weniger als Texte, die offen gehalten sind, in denen noch etwas Ungesagtes mitschwingt. 

 

Endreime und Überschriftengibt es beim Haiku nicht. Ansonsten sind alle Mittel der Sprachkunst möglich. Gerade so kurze Texte wie das Haiku beeindrucken allerdings am meisten durch Einfachheit, Sparsamkeit. 

 

Das Haiku von Dietmar Tauchner zeichnet eine abendliche Frühlingslandschaft. Nicht nur die Zeit ist mit ihr festgelegt, das Wort „Frühlingsabend“ gibt uns eine Atmosphäre für unser Erleben. Idylle – aber die Nacht kommt, und das schwarze Schaf sucht die Nähe der anderen, die Geborgenheit in der Menge, ihre Wärme. 

Das schwarze Schaf war also in dieser Landschaft alleine für sich, ein schwarzes Schaf eben, wie wir es übertragen aus unserer sozialen Welt kennen. Vielleicht hat dieser Text sogar bei uns Menschen seinen Ursprung und erst das beim Wandern gesehene oder auch nur vorgestellte Bild der Schafherde auf ihrem Weg zum Stall hat es in ein Gedicht transportiert. 

Das Haiku wirkt auch deshalb so stark, weil diesemögliche Doppeldeutigkeit es nicht uneindeutig macht, nicht verschwimmen lässt, wie das sonst bei Wortspielen häufig geschieht, sondern ein klares Bildbleibt, in dem ein Bezug zur sozialen Welt des Menschen nur als Möglichkeit aufscheint. 

Mehr braucht es nicht: Eine miterlebbare konkrete Situation. Und ein Spannungsverhältnis, hier zwischen dem einsamen schwarzen Schaf und der warmen Herde, vor dem Hintergrund der einbrechenden Nacht. 

Stände noch mehr da, würde aus dem Text kein Haiku, sondern ein mehr oder weniger langes Gedicht. Als Haiku führt es die Situation nicht aus, sondern vertraut auf die angestoßenen Bilder und die Assoziationen der Leser. 

Die Freude der Fische

 

Morgendämmerung

eine Amsel legt uns

die Welt ans Herz

 

Bernadette Duncan 3  

 

Als verlässlicher Boden für das Haiku gilt Shasei, das „Skizzieren nach der Natur“. Masaoka Shiki (1867-1902), der letzte große Erneuerer des japanischen Haiku, führte dieses Konzept ein. Nur benennen, was wahrgenommen wird, nichts Subjektives dazusetzen! 

Doch Shiki war nicht nur Theoretiker und Organisator, sondern auch ein herausragender Dichter. Natürlich hielt er sich an seine Vorgabe selbst nicht immer. Wir stehen nicht nur breitbeinig auf der Erde, wir können auch tanzen, wir können in die Lüfte steigen und die Wolken erkunden!

---ENDE DER LESEPROBE---